Profilbild von Archer

Archer

Lesejury Star
offline

Archer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Archer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.03.2019

Blutdurst

Dark Call - Du wirst mich nicht finden
0

Eigentlich lehrt Holly Wakefield an der Uni die angehenden Kriminalisten alles über Serienmörder, gelegentlich hilft sie auch als Psychologin in einer Anstalt aus. Da erreicht sie der Anruf von DI Bishop, ...

Eigentlich lehrt Holly Wakefield an der Uni die angehenden Kriminalisten alles über Serienmörder, gelegentlich hilft sie auch als Psychologin in einer Anstalt aus. Da erreicht sie der Anruf von DI Bishop, der sie bittet, für ihren Profiler einzuspringen, der verhindert ist. Er nimmt sie mit an einen Tatort, wo ein liebenswürdiger älterer Arzt und dessen Frau grausam abgeschlachtet und drapiert wurden. Doch das sind nicht die einzigen Leichen, die sich finden werden und Holly muss nicht nur ihr ganzes Wissen über Killer einsetzen, sondern sich auch ihrer eigenen Vergangenheit stellen. Denn auch sie ist nicht genau das, was sie vorgibt, doch wird ihr das helfen oder eher im Weg stehen?

Das war mal wieder ein Krimi mit guter, alter Polizei- und Profilerarbeit, wobei ich das erste Profil auch echt selbst hätte erstellen können, so was liest man ja schon in jeder Frauenzeitschrift beim Zahnarzt. Aber die Protagonisten waren, obwohl so jeder sein Päckchen zu tragen hatte, sympathisch, keine A..., und Holly, obwohl meistens recht schüchtern und wenig selbstbewusst, wartet nicht auf den Helden im Rittersgewand, um sie zu retten. Schade fand ich, dass ich wusste, wer hinter den Morden steckt, und zwar im ersten Moment seines Auftauchens, der hätte sich gern ein wenig unauffälliger benehmen dürfen. Und dass Holly zum Schluss mit einem offenen Schienbeinbruch und noch anderen Verletzungen einen halben Marathon hinlegt, gehört in den Wald der Märchen - nach Hollywood. (Aua. Das war der mieseste Wortwitz aller Zeiten.) Ansonsten fand ich es ziemlich cool, und sollte das wirklich der Auftakt einer Reihe sein, bin ich nicht abgeneigt, die nächsten Bände zu lesen.
Eine Beschwerde gibt's dennoch, die aber nicht in die Bewertung einfließt: Was sollen immer diese saudämlichen Untertitel wie "Du wirst mich nicht finden"? Wer denkt sich so was aus, wer winkt die durch? Diejenigen sollten bestraft werden. Mit mindestens RTL-Nachmittagsprogramm ansehen über vier Tage.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Lost place to live

Was uns erinnern lässt
0

Milla ist alleinerziehende Mutter eines pubertierenden, aber dafür extrem in Ordnung seienden Sohnes. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, aber in ihrer Freizeit ist sie Jägerin von lost places, also ...

Milla ist alleinerziehende Mutter eines pubertierenden, aber dafür extrem in Ordnung seienden Sohnes. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, aber in ihrer Freizeit ist sie Jägerin von lost places, also Orten, die vor Jahren oder auch Jahrhunderten aus welchen Gründen auch immer aufgegeben wurden, man aber noch Überreste und Anzeichen von ihnen entdeckt. Eines Tages findet sie einen solchen Ort und bei ihren Recherchen stellt sie fest, dass der Keller einst zu einem Hotel namens Waldeshöh gehört hat. Sie will mehr über dieses Hotel erfahren und als sie sich mit den Leuten in Verbindung setzt, die einst dort gewohnt haben, erfährt sie nicht nur nackte Fakten, sondern erlebt Nachkriegsgeschichte hautnah und erhält ganz nebenbei die Familie, die sie nie gehabt hat.

Die große Stärke des Buches ist nicht einmal das Mitnehmen in die Nachkriegs- und DDR-Geschichte, es sind glasklar die Personen, wobei ich eindeutig ein Fan von Millas Sohn Leo wurde, der mit seinen vierzehn Jahren ein unermüdlicher Weltverbesserer ist. Aber natürlich war auch die Geschichte des Hotels über die Jahrzehnte interessant. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich alles glauben soll - allein nach der Umsiedelung: Warum sollten Leute belobigt werden, um die Waldeshöher zu mobben? Das ergibt zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn mehr und ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass es reines DDR-Bashing war; unnötig, weil man ohnehin durch das, was man mit den Bewohnern des Hotels im Hotel selbst erlebte, erschreckend genug wirkte. Gestört fühlte ich mich auch manchmal durch die Perspektivwechsel innerhalb einer Szene, in solchen Büchern konzentriere ich mich gern auf die Person, um die es im Moment geht. Ansonsten war es eine interessante Lektüre, die in eines der unbekannten Kapitel der näheren Geschichte mitnahm.

Veröffentlicht am 01.03.2019

Blut auf den Zähnen

1793
0

Das Ende des 18. Jahrhunderts ist so düster, schmutzig und deprimierend, wie man es sich nur vorstellen kann, und Stockholm bildet keine Ausnahme. Als der Häscher Mickel in einer Jauchegrube die Leiche ...

Das Ende des 18. Jahrhunderts ist so düster, schmutzig und deprimierend, wie man es sich nur vorstellen kann, und Stockholm bildet keine Ausnahme. Als der Häscher Mickel in einer Jauchegrube die Leiche eines verstümmelten Mannes findet, ist das vielleicht nicht das Schlimmste, was der Kriegsveteran je gesehen hat, aber es kommt nahe dran.
Der ungewöhnliche und vor allem todkranke Ermittler Cecil Winge nimmt sich des Falles an und gemeinsam treten die beiden einigen Leuten auf die Füße. Wie es sich herausstellt, ist der Mörder des Toten nicht der einzige Sadis, dem man in Stockholm begegnen kann.

Warum man ständig unpassende Vergleiche ziehen muss, entzieht sich mir. Winge und Mickel sind nicht Holmes und Watson, und sie können sehr gut für sich selbst einstehen. Sie sind richtig gut entworfen worden, jeder für sich sehr authentisch. Mickel ist trotz seiner Sauferei, seiner grobschlächtigen Erscheinung und des Holzarmes extrem intelligent und steht damit dem scharfsinnigen Juristen Winge in nichts nach. Beide sind humanistischer eingestellt, als es ihnen für diese Zeit guttut. Ich hätte mir mehr Interaktionen zwischen ihnen gewünscht, mehr "Kriminalfall", mehr Ermittlungen insgesamt. Die beiden hätten das Zeug gehabt, gut in einer Reihe zu spielen; das wird wohl dank TBC nicht mehr möglich sein, schade.
Tatsächlich ist es weniger ein historischer Krimi als ein gut geschriebener und recherchierter historischer Roman mit Krimianteil. Man wird sofort in diese grausame, brutale, kalte Zeit gezogen und ist mittendrin, statt nur dabei. Als historischer Roman ist er daher top, als Krimi kamen mir einige Elemente zu kurz.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Brainfuck? Brainhack!

Mein Kopf gehört mir
0

Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationswissenschaften und als solche beschäftigt sie sich eben auch mit dem Gehirn und dem, was damit machbar ist.
In diesem Buch geht sie darauf ein, wie in gar ...

Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationswissenschaften und als solche beschäftigt sie sich eben auch mit dem Gehirn und dem, was damit machbar ist.
In diesem Buch geht sie darauf ein, wie in gar nicht allzu ferner Zukunft unser Gehirn manipuliert werden kann - und wenn etwas technisch möglich ist, wird es auch getan, also kann man sich auch gleich darauf einstellen, dass es passieren wird.
Schon jetzt arbeiten Wissenschaftler und Organisationen mit Hochdruck daran, das Gehirn auf die nächste Stufe zu stellen. Wir sollen geupdatet werden, effizienter werden, schneller denken können, mehr arbeiten, weniger schlafen.
Schon jetzt gibt es Firmen, die strombasierte Geräte anbieten, mit denen man sich selbst angeblich putschen kann.

Meckel berichtet von den technischen Möglichkeiten, die schon existieren, von dem, was rein theoretisch möglich ist und in wie fern man das Gehirn überhaupt schon entschlüsselt hat. (Noch nicht sehr weit, aber das ändert nichts daran, dass daran rumgespielt wird.)
Sie hat Selbstversuche in stockdunklen, reizlosen Räumen durchgeführt und sich auch an Strom anschließen lassen.
Ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen sind mehr als erschreckend - ich meine, wer möchte schon irgendwann statt Facebook Brainbook haben? Wer möchte, dass alle und jeder auf das eigene Gehirn zugreifen können?
Sollte man meinen: niemand. Aber da irrt man sich. Die Zukunft mit Brainhacking und Supercomputern steht uns bevor und es klingt eher nach Dystopie als Utopie.
Ein interessantes, nachdenklich machendes Buch, allerdings dermaßen trocken geschrieben, dass man beim Umblättern gelegentlich meinte, Staub aufwirbeln zu sehen.

Veröffentlicht am 15.02.2019

Holmes. Enola Holmes.

Der Fall des verschwundenen Lords
0

Vierzehn zu sein, ist schon unter den besten Umständen kein Zuckerschlecken. Vierzehn zu sein, wenn die (sehr viel) älteren Brüder Sherlock und Mycroft heißen und die eigene Mutter an deinem Geburtstag ...

Vierzehn zu sein, ist schon unter den besten Umständen kein Zuckerschlecken. Vierzehn zu sein, wenn die (sehr viel) älteren Brüder Sherlock und Mycroft heißen und die eigene Mutter an deinem Geburtstag beschließt, alles hinter sich zu lassen, ist mal eben eine Studie in Verzweiflung. So geht es Enola Holmes, die zwar einen berühmten Namen trägt, aber leider von ihren Brüdern eher als Schande angesehen wird. Als ihre Mutter spurlos verschwindet, beschließt Mycroft, sie in ein Internat zu stecken - doch er kennt seine kleine Schwester schlecht. Ganz die Tochter ihrer Mutter brennt sie mit Hilfe eines Geheimbuches, das ihre Mutter ihr zum Geburtstag dagelassen hat, und dem damit finanziellen Zuschuss durch - ausgerechnet nach London. Schon auf dem Weg dorthin kommt sie einem Fall auf die Spur, der eines Sherlocks würdig ist, doch diesen kann sie viel besser lösen als der große Bruder. Mit List und Weiblichkeit.

Mit diesem ersten Band über die kleine Schwester der Holmes-Brüder nimmt uns die Autorin rasch und souverän zurück zum Ende des 19. Jahrhunderts und dieses Mal wird das Augenmerk darauf gelegt, wie es einer jungen Dame in dem viktorianischen Zeitalter geht. Frauen werden als geistig minderbemittelt angesehen, haben keine Rechte und müssen sogar ihren Ehemännern eventuell vorkommende Einkommen abtreten. Sowohl Enola als auch ihre Mutter wollen sich damit nicht abfinden und sie schaffen es, ihren eigenen Weg zu gehen. Dabei beweist Enola sehr wohl, dass sie Sherlocks kleine Schwester ist, denn mit ebensolchen Scharfsinn wie er setzt sie sich auf die Spur des verschwundenen kleinen Lords. Dabei hätte ich mir neben all den interessanten Informationen über diese Zeit gewünscht, dass sich das Ganze ein bisschen problematischer gestalten würde; so war es schön zu lesen, aber eher ein typischer Einstieg in eine Reihe. Mehr Vorstellung als wirklich anhaltende Spannung, aber durchaus unterhaltsam, sodass mich weitere Abenteuer von Holmes - Enola Holmes! - interessieren würden.