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Veröffentlicht am 11.03.2019

Aus der Abhängigkeit

ÜberWunden
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Als die Abiturprüfungen vorbei sind, begegnet Leonie Alex zum ersten Mal. Die beiden kommen sich schnell näher, und Leonie ist glücklich in Alex den Mann gefunden zu haben, den sie sich immer erträumt ...

Als die Abiturprüfungen vorbei sind, begegnet Leonie Alex zum ersten Mal. Die beiden kommen sich schnell näher, und Leonie ist glücklich in Alex den Mann gefunden zu haben, den sie sich immer erträumt hat. Aber bald schon bekommt das Glück Risse, denn Alex zeigt auf einmal sein wahres Gesicht. Er kontrolliert Leonie nach Strich und Faden, macht ihr eifersüchtige Szenen, wobei ihm auch immer wieder die Hand ausrutscht, und er manipuliert sie, indem er sie demütigt und sie nach und nach komplett verunsichert und völlig willenlos und schwach macht. Für Leonie ist es ein Alptraum, selbst ihr Glauben gibt ihr keine Kraft mehr, aber sie hält an der Beziehung weiter fest, weil sie Alex immer noch liebt. Doch irgendwann weiß sie, dass es hier nicht mehr um Liebe geht, sie kann Alex jedoch nicht mehr entkommen…
Leonie Hoffmann hat mit ihrem Buch „ÜberWunden“ einen autobiografischen Roman vorgelegt, der erschüttert. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, der Leser erlebt während der Lektüre eine Achterbahn der Gefühle: von Wut über Trauer, von Hoffnung bis Hoffnungslosigkeit, ja sogar Fassungslosigkeit, ist alles vorhanden, während man sich beim Lesen bewusst ist, dass die Autorin über das selbst Erlebte berichtet. Gleichzeitig lässt die Autorin unterschwellig die Spannung immer wieder steigen, der Leser hofft, dass Leonie irgendwie die Kraft mobilisieren kann, ihren Peiniger zu verlassen. Das Thema „Gewalt gegen Frauen“ wird hier sehr eindrucksvoll beschrieben, macht einen sprachlos und ebenso wahnsinnig traurig, wie wertlos die Protagonistin behandelt wird, wie sehr sie ihm ausgeliefert ist und wie wenig sie ihm entgegen setzen kann. Leonie wird buchstäblich in ihre Einzelteile zerlegt, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt. Ebenso stellt man sich als Leser die Frage, warum es Frauen so schwer fällt, den Mann nach einer Misshandlung zu verlassen. Ist ihr Selbstwertgefühl so gering, dass sie sich das gefallen lassen? Die Unterstützung der eigenen Familie war hier vorhanden, sie haben nicht die Augen verschlossen, nachdem sie von den Zuständen wussten, doch manchen fällt es sehr schwer, Hilfe anzunehmen oder zuzugeben, dass man sie braucht.
„ÜberWunden“ ist ein sehr intensives und ebenso schockierendes Leseerlebnis, das berührt und ans Herz geht, vor allem, da man weiß, dass diese Geschichte nicht nur der Autorin widerfahren ist, sondern täglich unter uns passiert. Absolute Leseempfehlung für diese mutige Geschichte!

Veröffentlicht am 09.03.2019

Giulias Heimkehr

Die Frauen der Villa Fiore 1
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Der Toskana und dem familieneigenen Weingut im Rufina hat Giulia Massinelli für einige Jahre den Rücken gekehrt, um sehr gegen den Willen ihres Vaters in New York als Wirtschaftsprüferin zu arbeiten. Als ...

Der Toskana und dem familieneigenen Weingut im Rufina hat Giulia Massinelli für einige Jahre den Rücken gekehrt, um sehr gegen den Willen ihres Vaters in New York als Wirtschaftsprüferin zu arbeiten. Als sich ihre Beziehung in Luft auflöst und sie auch um ihre berufliche Reputation fürchten muss, kehrt sie in ihre Heimat zurück, um bei ihrer Familie ihre Wunden zu lecken, wobei es ihr Vater Lorenzo wahrlich nicht leicht macht. Das Weingut steht nach der Umstellung auf biologischen Anbau vor dem Durchbruch, denn der Fino Uno ist ein guter Tropfen geworden. Doch die Vermarktung und auch der Vertrieb müssen neu aufgestellt werden. Bei allem hilft ein Flying Winemaker namens Paul, mit dem sich Giulia schon bald sehr gut versteht. Allerdings gibt es jemanden, der die Familie und die Früchte ihrer Arbeit unbedingt sabotieren will. Immer wieder gibt es rätselhafte Vorfälle, die die Massinellis zurückwerfen. Wer ist der Übeltäter und was sind die Gründe für diese Sabotageakte?

Constanze Wilken hat mit ihrem Roman “Die Frauen der Villa Fiore - Giulias Geschichte” einen glanzvollen Auftakt ihrer Trilogie um die Töchter der Familie Massinelli vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, detailreich und bildhaft, der Leser wird mit den ersten Worten in die Seiten gesogen und darf sich an Giulias Fersen heften, ihre Gedanken- und Gefühlswelt erleben und sich in der Familie Massinelli häuslich einrichten. Die Autorin lässt den Leser an der harten Arbeit des Weinbaus teilhaben, aber auch an den Schwierigkeiten, mit denen die Winzer zu kämpfen haben, wenn sie auf biologischen Anbau umgestellt haben. Weinanbau ist von so vielen Faktoren abhängig, dass nur Idealisten wohl diesen Beruf für ihr Leben wählen. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderbar farbenfroh, vor dem Auge des Lesers entstehen die herrlichen Landschaften der Toskana, ein Rundgang durch Florenz ist ebenfalls drin, sowie das Wandeln durch die Weinberge nicht nur im Rufina, sondern auch im californischen Napa Valley. Das italienische Flair, der Familienzusammenhalt und die alten Familiengeheimnisse sowie die Rivalität zwischen Brüdern findet ebenso ihren Platz in dieser wundervollen Geschichte. Die Seiten fliegen nur so dahin.

Die Charaktere sind liebevoll mit individuellen Eigenschaften versehen, ihnen wurde regelrecht Leben eingehaucht. Der Leser fühlt sich in ihrer Mitte pudelwohl, darf mit ihnen am Esstisch sitzen und neben einem guten Tropfen und wahren Leckereien auch einen Blick auf ihre zwischenmenschlichen Beziehungen werfen. Giulia ist eine starke und mutige Frau, die mit ihrem Vater ständig im Clinch liegt. Beide sind sture Charaktere, doch Giulia ist meist sachlich und pragmatisch, während Lorenzo immer kurz vorm Herzkasper ausrastet und seine Spitzen verteilt. Giulias Mutter Manuela ist der Ruhepol in der Familie, die alle im Griff hat, vor allem Lorenzo. Der amerikanische Önologe Paul ist ein offener und freundlicher Mann, dem man anmerkt, dass er für seinen Beruf lebt. Milena und Bianca sind Giulias jüngere Schwestern, die beide ebenfalls fleißig und erfolgreich arbeiten. Großmutter Tereza ist eine sture alte Frau, die als Patriarchin einige Geheimnisse hütet und sich kaum etwas entlocken lässt. Aber auch Protagonisten wie Dario, Salvatore oder auch Mauro geben der Handlung immer wieder ein neues Gesicht und lassen den Leser durchgängig neugierig bleiben.

“Die Frauen der Villa Fiore - Giulias Geschichte” ist ein sehr gelungener Auftakt, der sehr neugierig auf die Folgebände macht. Herrliche Lesestunden gefüllt mit Spannung, Liebe, Familiengeheimnisse und viel “La vita italiana” vom Feinsten! Hier hat die Autorin alles richtig gemacht. Einfach wunderbar! Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 09.03.2019

Bei Fitzek liegen Genie und Wahnsinn immer sehr nah beieinander!

Der Insasse
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Der 6-jährige Max Berkhoff ist seit drei Monaten verschwunden. Als die Polizei den Serienmörder und Psychopahten Guido Tramnitz endlich verhaften kann, der zwei Kinder ermordet hat, ist sie sich ziemlich ...

Der 6-jährige Max Berkhoff ist seit drei Monaten verschwunden. Als die Polizei den Serienmörder und Psychopahten Guido Tramnitz endlich verhaften kann, der zwei Kinder ermordet hat, ist sie sich ziemlich sicher, dass auch Max Berkhoff ein Opfer dieses Mannes ist. Doch leider gibt es keinerlei Beweise und Tramnitz äußert sich nicht dazu. Er wird in den Hochsicherheitstrakt eines Gefängniskrankenhauses in der psychiatrische Abteilung untergebracht. Die Eltern von Max sind inzwischen völlig verzweifelt, vor allem Vater Tim kann sich mit der Ungewissheit nicht abfinden, was ihn auf eine Idee bringt, die ihn zum Verhängnis werden könnte. Tim Berkhoff lässt sich selbst als Insasse in den Hochsicherheitstrakt einweisen, weil er unbedingt Tramnitz persönlich sehen und sprechen will, wobei er sich selbst in große Gefahr begibt. Ob es ihm gelingt, den Aufenthaltsort seines Sohnes herauszufinden? Lebt Max überhaupt noch?

Sebastian Fitzek hat mit seinem Buch “Der Insasse” wieder einen Psychothriller par excellence vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und - typisch Fitzek - immer mit einer unterschwellig beklemmenden und düsteren Atmosphäre unterlegt. Der Leser wird mit der ersten Seite in ein Szenario hineingebracht, wie es spannender nicht sein kann. Unsichtbar im Schatten von Tim Berkhoff, der als Patrick Winter neuer Insasse im Hochsicherheitstrakt wird, erlebt der Leser nicht nur die Gedanken- und Gefühlswelt von Tim hautnah mit, sondern muss sich auch mit den Stimmungen des Umfelds sowie die von Tramnitz miterleben. Fitzek versteht es blendend, die angstvollen und erschütternden Gedanken der Kindseltern mitzuteilen, lässt den Leser aber auch in die perfide Welt von Tramnitz hineinschauen. Die Idee, sich als Häftling selbst einsperren zu lassen, um Informationen zu bekommen, ist an sich schon gruselig, wenn man bedenkt, welche Gesellschaft einen da umgibt. Fitzek ist für seine sehr gut konstruierten Plots bekannt, so legt er auch hier wieder kleine Stolperfallen und überzeugt mit Wendungen, die man als Leser nicht auf dem Schirm hatte. Der Spannungsbogen ist von Beginn an hoch und steigert sich ins Unermessliche bis zum sehr überraschenden Ende.

Die Charaktere sind sehr gut gestaltet, sie wirken mit ihren Eigenheiten wie Menschen, die man kennt. Das macht sie so glaubhaft und authentisch, der Leser kann sich wunderbar in sie hineinversetzen, ihre Ängste, Gedanken und Taten nachvollziehen und stellt sich dabei immer wieder selbst die Frage, ob er selbst wohl auch zu diesem oder jenem Mittel gegriffen hätte. Vor allem ist der Mut von Tim Berkhoff zu bewundern, der alles in eine Waagschale wirft, um endlich herauszufinden, was mit seinem Sohn geschehen ist. Welche Eltern würden nicht alles für ihre Kinder tun. Allein der Gedanke, nicht zu wissen, ob das Kind noch lebt, oder diesem Mörder in die Hände gefallen ist, lässt Kräfte frei werden und Menschen über sich hinauswachsen. Alle Protagonisten haben ihren festen Platz in dieser Handlung und geben der Geschichte ein rundum beängstigend reales Bild.

Mit “Der Insasse” hat Fitzek hat sich wieder einmal selbst übertroffen und den Leser von der ersten bis zur letzten Seite am langen Arm baumeln lassen, bis es eine Auflösung gab. Absolute Leseempfehlung für einen Psychothriller der Extraklasse!

Veröffentlicht am 08.03.2019

1. Besuch auf Gut Fennhusen

Frühling auf Gut Fennhusen
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1926. Auf dem Gut Fennhusen, wo Frederike mit ihrer Mutter Stefanie, ihren Geschwistern und Onkel Eric nebst den Tanten Martha und Else lebt, kehrt der Frühling ein. Frederike wird bald das Gut verlassen, ...

1926. Auf dem Gut Fennhusen, wo Frederike mit ihrer Mutter Stefanie, ihren Geschwistern und Onkel Eric nebst den Tanten Martha und Else lebt, kehrt der Frühling ein. Frederike wird bald das Gut verlassen, um mit ihrer Freundin Thea, die in Berlin lebt, am Rhein eine Schule für höhere Töchter zu besuchen. Dann ist der Weg nach Hause erst mal sehr weit. Deshalb will sie diesen Frühling noch einmal genießen. Sie stromert durch die Ställe, hilft bei den Geburten der Fohlen mit, erlebt mit Thea und ihrer Familie das Fest des Muttertags und verbringt dafür einige Stunden in Schneiders Küche bei den Zubereitungen der zahlreichen Mahlzeiten. Währenddessen sorgt Bruder Fritz mit seinem Freund immer wieder für die eine oder andere Aufregung in der Familie, und auch Greta fühlt sich zu höherem bestimmt…

Mit “Frühling auf Gut Fennhusen” hat Ulrike Renk die Einleitungssequenz für ihre Preußentrilogie vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und wunderbar bildhaft, der Leser wird direkt mit Beginn der Geschichte auf das Gut nach Ostpreußen gebeamt und darf sich in der Familie von Frederike häuslich niederlassen. Dabei nimmt er nicht nur Anteil am Familienleben, sondern ist auch heimlicher Zuschauer im Dienstbotentrakt, wo Köchin Schneider so manche Leckerei zaubert und ein eisernes Regiment führt. Die Autorin gibt dem Leser einen guten Einblick über die vielen anfallenden Arbeiten rund um die Gutsführung, sei es der Frühjahrsputz, die Betreuung der Pferde oder auch die Führung des Personals sowie die Planung von größeren Festivitäten, die zur damaligen Zeit einige Planung und Organisation in Anspruch nahmen und Besorgungen per Pferdekutsche gemacht werden mussten. Da war Zeitmanagement dringend von Nöten. Auch die Beschreibung der Landschaften ist farbenfroh und bildgewaltig, so dass der Leser sich die Ställe, die weiten Felder sowie das Gutshaus wunderbar vorstellen kann.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Sie wirken mit ihren individuellen Eigenschaften und Charakterzügen durchweg authentisch und sehr real. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, bekommt einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt und kann so regelrecht mit ihnen fiebern. Frederike ist ein Teenager, der Pferde sowie Tiere liebt. Sie kümmert sich liebevoll um ihre Geschwister und fühlt sich auf Fennhusen zuhause. Der Abschied von dort macht ihr Angst, doch gleichzeitig freut sie sich auf die gemeinsame Zeit mit Freundin Thea. Mutter Stefanie ist die Herrin des Hauses, sie musste sich in diese Aufgabe erst hineinarbeiten, doch ist sie energisch und selbstbewusst genug, das Ruder nicht aus der Hand zu geben. Eric ist der Hausherr, der gut für seine Familie und seine Angestellten sorgt. Er hat ein freundliches Wesen und hat immer ein offenes Ohr. Fritz ist ein kleiner Filou, der technisch interessiert ist, aber auch den Schalk im Nacken hat, unter dem der eine oder andere leiden muss. Auch die weiteren Protagonisten lassen die Handlung durch ihre kleinen Episoden sehr unterhaltsam werden.

“Frühling auf Gut Fennhusen” ist der perfekte Einstieg für die Preußentrilogie, denn hier lernt man die Familie und ihre Beziehung untereinander sehr gut kennen. Der Einblick in den Gutshaushalt mit all den tollen Charakteren ist ein kleiner feiner Lesegenuss, der die Vorfreude auf die folgenden Bände weckt. Auf jeden Fall empfehlenswert!

Veröffentlicht am 05.03.2019

Artusis Quatschlappen

Sommer bei Gesomina
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Die Somalin Gesomina lebt seit 40 Jahren in Deutschland. Früher hat sie als Kindermädchen gearbeitet und war so auch für Jona verantwortlich. Als dessen Mutter nach langer Zeit Kontakt aufnimmt und sie ...

Die Somalin Gesomina lebt seit 40 Jahren in Deutschland. Früher hat sie als Kindermädchen gearbeitet und war so auch für Jona verantwortlich. Als dessen Mutter nach langer Zeit Kontakt aufnimmt und sie bittet, den inzwischen 12-jährigen Jona über die Sommerferien zu betreuen, weil sie beruflich ins Ausland muss, stimmt Gesomina sofort zu, und Jona zieht zu ihr in ihre Kiezwohnung irgendwo zwischen Kreuzberg und Neukölln. Um das Eis zu brechen, bereitet Gesomina Jona eine seiner damaligen Lieblingsspeisen zu, süße Quatschlappen, die allerdings auch schnell durch Jona die Runde im Kiez machen und den einen oder anderen an seine Kindheit erinnert. Durch Jona und die Quatschlappen wird es turbulent, denn Milan, dessen Bar nicht läuft, erhofft sich endlich zahlende Gäste, der Australier Tom bekommt Heimweh und Jona auf die Idee, Gesominas seit Jahrzehnten verschollenen Sohn zu suchen. An der Suche beteiligen sich bald alle Straßenbewohner und kommen auf immer neue Ideen…
Florian Beckerhoff hat mit seinem Buch „Sommer bei Gesomina“ einen wunderschönen und berührenden Roman vorgelegt, der mit seinem lockeren Erzählstil den Leser sofort umgarnt und ihn mit in den tiefsten Berliner Kietz nimmt, wo er Gesomina und so mancherlei illustre Gestalten in Form von Nachbarn kennenlernen darf. In Begleitung von Gesomina und Jona erlebt der Leser zu Beginn das typische Straßenleben der Großstadt, wo viele Nationalitäten gemischt zusammenleben, nicht viele Worte miteinander wechseln und jeder eigentlich für sich bleibt. Durch Gesomina und vor allem durch Jona und seinen Fragen lässt der Autor die bisher anonyme Gemeinschaft immer mehr zusammenwachsen, sich umeinander sorgen und sich Gedanken machen über die täglichen Dinge des Lebens. Sie lernen sich alle immer mehr kennen, dabei sind Jona und Gesomina mit ihrer Geschichte der Dreh- und Angelpunkt, der alle auf die Beine bringt und sie selbst animiert, ihr Leben erneut zu reflektieren. Dem Autor gelingt es ganz hervorragend, dem Leser die Kiezatmosphäre näher zu bringen, dabei macht er auch durch kleine Sequenzen deutlich, wie kalt die vornehmen Viertel sein können, wenn dort die Gemeinschaft und das Miteinander fehlt. Das wird besonders durch Jona deutlich.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und bilden einen bunten Strauß durch die Gesellschaft. Jeder von ihnen ist mit individuellen Eigenschaften ausgestaltet, so dass der Leser sich mitten unter ihnen pudelwohl fühlt und Teil der Gruppe wird. Gesomina ist eine zurückhaltende Frau, die nicht viel von sich preisgibt, denn viele Schicksalsschläge haben sie geprägt. Sie bleibt eher für sich, kocht gern nach Artusis Kochbuch, wobei sie in alten Erinnerungen schwelgt. Jona ist ein aufgeweckter Junge, vielseitig interessiert und immer für gute Geschichten zu haben. Er verkörpert die Neuzeit, in der man per Computer oder Smartphone alles finden kann und dieses kaum aus der Hand legt. Jona, der von seinen Eltern kaum wirklich beachtet wird, lebt in der Kiezgesellschaft regelrecht auf, erfährt er doch hier Freundschaft, Nähe und Interesse. Australier Tom ist der coole Typ, der seine Schlangenlederstiefel an den Mann bringt und immer die Ruhe bewahrt. Milan führt ein Café, das ohne Konzept entstanden ist. Seine Frau hat ihn mitsamt Tochter verlassen, so geht er melancholisch durch die Tage und überlegt andauernd, wie er die beiden zurückgewinnen kann. Der Vietnamese Herr Dong führt den kleinen Supermarkt und kann alles besorgen, was man sich wünscht. Auch Protagonisten wie der Frisör Ergün, Eddie oder auch Frau Rescher geben der Handlung immer wieder ein neues Gesicht und schleichen sich ins Herz des Lesers.
„Sommer bei Gesomina“ ist ein zauberhaftes Buch über Gemeinschaft, neue Freunde, alte Wunden und das Leben an sich, untermalt mit wunderschönen Gerichten à la Pellegrino Artusi, die in abgewandelter Form hier für einige Lacher sorgen. Absolut empfehlenswert – ein echter Geheimtipp und jede Leseminute wert!