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Veröffentlicht am 02.04.2019

Brandaktuell, packend & spannend bis zum Schluss.

Die Akte Rosenrot
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"Die Akte Rosenrot" von Astrid Korten

Zu Anfang möchte ich sagen, dass dies mein erstes Buch der Autorin war, welches ich und wenige andere buchbegeisterte Menschen vorab lesen durften - dafür ein großes ...

"Die Akte Rosenrot" von Astrid Korten

Zu Anfang möchte ich sagen, dass dies mein erstes Buch der Autorin war, welches ich und wenige andere buchbegeisterte Menschen vorab lesen durften - dafür ein großes Danke!
Aber war dieser erste Kontakt mit der Autorin mein letzter?
Lest selbst:

Worum geht es in diesem Politthriller, auf dessen blauen Cover eine Rose prangt?
Der Hauptprotagonist, ein ehemaliger erfolgreicher Profiler beim BKA Berlin, Ibsen Bach, wird nach einem schweren Unfall, von dem er neben einem großen Verlust auch Schmerzen und ungewöhnliche Eigenarten zurückbehalten hat, in den Innendienst versetzt. Nach einigen Jahren bekommt er, wenn auch nicht aufgrund erfreulicher Nachrichten, wie z.B. seiner vollständigen Genesung der Unfallschäden, die Möglichkeit aktiv an einem Fall mitzuarbeiten:
An einem Tatort in Moskau wurde eine Nachricht hinterlegt - speziell adressiert an Ibsen.
Eine Reihe symbolischer Mordfälle beginnt - oder ist es möglich das sie weitergeht und nie beendet war? Wieso kommt die Art der Tötung Ibsen so bekannt vor?
Und wieso ist der ehemalige Profiler persönlich involviert?
Welche Verbindung besteht zwischen dem Täter & ihm?

"Die Akte Rosenrot" behandelt ungeschönt jedoch realistisch ein gewagtes, aktuelles Thema.
Von Beginn an hat mich das Buch gefesselt, tatsächlich nahm ich sogar den einen oder anderen Termin verspätet wahr, weil ich nicht aufhören wollte zu lesen. Und auch beim pausieren blieb dieser Thriller in meinem Kopf. Oft habe ich darüber nachgedacht, gekniffelt und zittrig gewartet, bis ich endlich weiter lesen konnte.
Trotz wirr wirkender Vernetzungen hatte ich keine Probleme an der Geschichte dranzubleiben. Obwohl der Einstieg in dieses spannungsgeladene Leseabenteuer mit einigen Namen und scheinbar unzusammenhängender Teilabschnitte beginnt, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten mich in die Geschichte einzufinden. Mein Interesse wurde dadurch nur weiter angeregt, denn diese gestreuten Puzzleteile müssen sich doch irgendwo auf den nächsten Seiten, zum richtigen Zeitpunkt schlüssig in die Geschichte einfügen können!?
Weder die russischen Namen noch die einzelnen Fachbegriffe stoppten meinen Lesefluss, da der gesamte Schreibstil unkompliziert gehalten wurde. Die einzelnen Kapitel sind zum Teil kurz, vielleicht um dem Leser so die Möglichkeit zu geben, das Buch bedenkenlos zur Seite legen zu können, um durchzuatmen? Zudem sind sie mit knappen Überschriften sowie Ort und Datum betitelt, was ein unkompliziertes zurechtfinden ermöglicht, da die Handlung in diesem intensiven Politthriller sowohl in Moskau als auch in Deutschland stattfindet und die Protagonisten oftmals pendeln. Sehr positiv ist mir aufgefallen das kein Kapitel den Zweck erfüllt lediglich als eine Art "Füllmaterial" zu fungieren, jedes ist - früher oder später - relevant um zu verstehen, dadurch kommt es beim lesen zu keiner Langatmigkeit oder dem aufnehmen unwichtiger Zeilen.
Die Nebendarsteller sind gut ausgearbeitet, sodass ich sie mir vor Augen führen konnte. Oftmals rücken andere Charaktere zu sehr in den Hintergrund, werden nur kurz angeschnitten, oberflächlich beschrieben, was zu meiner Freude in "Die Akte Rosenrot" nicht der Fall war. Durch äußerliche Beschreibungen, die Wahrnehmung von Ibsen oder das Betrachten einer Situation aus der Sicht eines anderen Protagonisten, zum Beispiel aus dem Blickwinkel von Dimitri oder Leo, wurde auf andere Figuren großartig eingegangen, was meiner Ansicht nach dem Leser intensiver die Möglichkeit bietet in eine Geschichte einzutauchen sowie mitzufühlen, - zu leiden und zu - fiebern.
Die detaillierten Schilderungen von unvorstellbar grausamen Szenarien wurden nicht klischeehaft oder altbacken übernommen. Durch den mysteriösen Täter, der jeder sein könnte, bleibt die Geschichte bis zum Ende, oft nervenzerreißend, spannend. Aufgrund der vielen Fährten, der Andeutungen & Verknüpfungen lässt Astrid Korten es nicht zu, dass dem Leser Neugier und Interesse abhandenkommen, die Fragen nach dem Täter und den Zusammenhängen verfrüht beantwortet werden oder auch nur ein Funken Langeweile aufkeimen könnte.

Beeindruckt hat mich auch das Nachwort, welches deutlich zeigt das Frau Korten für dieses aufklärende Werk engagiert recherchierte. Für diesen brisanten Einblick, welcher unter Anderem mit hoher Wahrscheinlichkeit Leidenschaft & Mut benötigte sowie schlaflose Nächte forderte, in ein Thema, das sich kaum jemand derart ungeschönt öffentlich anzusprechen traut, erhält die Autorin meinen größten Respekt - ebenso wie ehrliche Begeisterung für das entstandene Buch.

Nach dem Beenden dieses mitreißenden Thrillers blieben - neben einem mulmigen Gefühl - für mich fast so viele Fragen offen, wie jahrelang für den Hauptprotagonist Ibsen Bach:
War oder ist das selbst heute noch die grausame Realität, die hinter den verschwiegenen Mauern der stets lächelnden Politik herrscht?
Was ist letztendlich die Wahrheit um Lara und was hat es mit dem Kind, welches Ibsen auf dem Foto nicht wahrnimmt, auf sich?
Wird es eine Fortsetzung des Grauens geben?

Und wird Astrid Korten meine Neugier befriedigen?

Falls sie es wagt die übrigen Protagonisten noch einmal mit diesem Gräuel zu konfrontieren, sie noch einmal in die Abgründe des Systems tauchen zu lassen werde ich definitiv eine der ersten sein, die dafür Schlange stehen!

Fazit:
Ein erschreckender Politthriller, der aufgrund seines eigentlichen Themas zum nachdenken anregt. Lektüre, welche man nach Beendigung augenblicklich vergisst, kann kein allzu bereicherndes Buch gewesen sein - ich kann euch sagen, dass dies hier definitiv nicht der Fall ist. Dieses packende Werk beschäftigt mich auch jetzt noch und ist meine persönliche Leseempfehlung!

Das erste Buch von Astrid Korten, ja - definitiv aber nicht das Letzte!

Veröffentlicht am 18.11.2025

„Eine Leiche, eine Hexe und eine Füchsin kommen in eine Bar …“

Miss Swans zauberhafte Pension für magische Gäste
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Eine Leiche, eine Hexe und eine Füchsin kommen in eine Bar …

Sera Swan hatte eine glorreiche Zukunft vor sich. Doch für den wichtigsten Menschen ihres Lebens opferte sie den Rang, einst die mächtigste ...

Eine Leiche, eine Hexe und eine Füchsin kommen in eine Bar …

Sera Swan hatte eine glorreiche Zukunft vor sich. Doch für den wichtigsten Menschen ihres Lebens opferte sie den Rang, einst die mächtigste Hexe Englands zu werden …
15 Jahre ist ihr letzter Zauber her, Jahre, in denen es keinen Tag gab, an dem sie die Leere in sich nicht vernommen, die Sterne und Galaxien nicht schmerzlich vermisst hat. Nur die Magie, die über dem Batty Hole Inn liegt, und die zarten Glimmer am Firmament sind ihr geblieben. Tagsüber bleibt der äußerlich grummeligen, doch im Inneren vor Wärme glühenden Gastwirtin jedoch kaum Zeit, um Trübsal zu blasen. Immerhin muss Sera eine urige Pension am Laufen halten, Gäste betreuen und all jene, die kamen, um zu bleiben, in Schach halten. Verletzte Seelen, die Zuflucht suchten, einen Ort, an dem sie sein konnten, wer sie waren.
Als sich plötzlich ein nicht allzu fremder Mann zu ihrem Häuschen „verirrt“, im Schlepptau seine von allen zurückgewiesene Schwester, ist sich Sera der erwachsenen Version von Luke Larsen – und dem, was er für ihre bisher erfolglose Suche nach einem Weg zurück zu alter Stärke bedeuten könnte – nur allzu bewusst.

Es war ein Trick, mit dem seine Vorgesetzte ihn und Posy in den Urlaub schickte. Dessen ist sich der strukturierte Historiker spätestens in dem Moment sicher, als er die legendäre Verbannte mit einem skelettartigen Hahn in der Einfahrt stehen sieht. Luke schwört sich, nur für eine Nacht, für eine kleine Pause zu bleiben. Keine Minute länger kann er es in dem heillosen Durcheinander, unter dem chaotischen Hygge-Zauber, aushalten. Doch die Zeit vergeht … Zumindest den Schwur, sich nicht in die Belange der BewohnerInnen einzumischen, hält er aufrecht. Naja, fast. Zeitweise.

Cozy-Fantasy – Found-Family – Freundschaft – Liebe – die Suche nach und das Finden von sich selbst, einem Zuhause, der Magie des Alltags (…) all das und noch mehr wartet in „Miss Swans zauberhafte Pension für magische Gäste“.
Mandanna Sangu erzählt in einem wunderbaren, sehr bildreichen und atmosphärischen Ton, spart nicht an Witz und Charme, an kleinen liebevollen Gesten, berührenden Momenten und der subtilen Erinnerung an den eigenen Wert – unabhängig von Leistung, Herkunft, Krankheit (…). Sera und ihr Ziel, sich ihre Kraft und somit ihren vermeintlich fehlenden Teil zurückzuholen (und natürlich Clemmie von ihrem Fluch zu befreien), werden von einer amüsanten Handlung, ulkigen Gesprächen, skurrilen Vorkommnissen und viel Wärme umrahmt. Ob Jasmine, Nicolas, Theo, Matilda, Roo-Roo und Clemmie oder Howard und Verity – jede Figur bereichert die Storyline und wächst einem ans Herz.
Während die verstoßene Hexe mit aller Kreativität daran arbeitet, die drei Bestandteile für den einzig wirkungsvollen Zauber zusammenzusuchen, darf sie die Pension nicht außer Acht lassen. Immer wieder kommt es zu turbulenten Ereignissen, zarten Konflikten und entscheidenden Erkenntnissen. Umgeben und unterstützt von all den Menschen/Hexern/Tieren, die das Batty Hole Inn zu einem Wohlfühlort, einem echten Heim machen, von Geistern daran erinnert, dass sie nie ein gebrochener Schwan war, dass sie niemals alleine sein wird, von Luke in ihrer Besonderheit bestärkt und von dem letzten Funken Magie täglich in stille Verzückung verführt, wächst Sera Swan in diesen aufregenden Monaten über sich hinaus … Und auch Luke, der unterkühlte Workaholic, lernt inmitten der schrillen, eigensinnigen, beharrlichen Persönlichkeiten all das, was nicht in verstaubten Abhandlungen steht.

Sangu feiert die Andersartigkeit und die Individualität, das Menschsein und die Liebe in bunten Farben. Die Autorin lässt Freundschaft und jene Familie, die man selbst wählt, hochleben, stemmt sich mit ihrer herzlichen Gemeinschaft gegen Ausgrenzung und das patriarchalische, von Unterdrückung gezeichnete System. Es braucht Zeit, Kraft und Opfer, doch die Gilde – mit ihren altbackenen, versnobten und rassistischen Ansichten – erfährt eine unerwartete Reformation. Obgleich „Miss Swans zauberhafte Pension für magische Gäste“ eine gemütliche Fantasy ist, die zu einer Tasse Tee einlädt, werden wir mit Spannung, melancholischen Nuancen und sensiblen Themen konfrontiert, mit Überraschungen, schweren Entscheidungen und mit Vergebung.

Ich habe diese Geschichte mit ihrem Charme, der Magie und der zarten Romantik, mit der Stärke in jedem/r Einzelnen, den ernsten Tönen wie auch den leichten, mit den Grübeleien und dem Humor sehr gerne gelesen und kann einen Besuch in dieser Pension wärmsten empfehlen.

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Veröffentlicht am 02.11.2025

Starke Story mit einer taffen Protagonistin, Dunkelheit und Spannung

House of the Beast
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„House of the Beast“ ist eine düstere Fantasy-Story, deren Gegebenheiten von eigens erschaffenen Mythen, barbarischen Riten und Opfergaben, Machtspielen und Intrigen geprägt sind.



Als Almas Mutter schwer ...

„House of the Beast“ ist eine düstere Fantasy-Story, deren Gegebenheiten von eigens erschaffenen Mythen, barbarischen Riten und Opfergaben, Machtspielen und Intrigen geprägt sind.



Als Almas Mutter schwer erkrankt, sucht das einsame Mädchen nach Hilfe und gelangt so an ihren bis dato fremden Erzeuger. Dass dieser ein ranghoher Diener des Biestes, kalt und unberechenbar ist, raubt Alma jegliche Hoffnung. Doch Zander bietet seinem Bastard einen Deal an – sie begleitet ihn als Erbin in das Haus Avera, dafür bekommt ihre Mutter alles, was sie braucht. Kurz darauf bindet sich Alma nicht nur an das Dread Beast, sondern verliert ihr Strahlen, ihr Zuhause und den einzigen Menschen, den sie jemals wirklich liebte. Nun bleibt dem verstörten Kind nur noch ihr treuer, in ihrer Fantasie existierender Freund.

Dabei ist Aster weitaus mehr als ein Hirngespinst und lässt sich die Gelegenheit, ihre Wut, ihren Drang, sich zu beweisen, und ihren Rachedurst zu nähren, nicht nehmen.

Von jetzt an hat Alma nur noch ein Ziel: jene Position, die ihr Vater so unbedingt will. Und damit Zander und alle Averas zu demütigen.

Als die Erfüllung ihrer Pläne zum greifen nah scheint, überschlagen sich die Ereignisse, türmen sich die Geheimnisse, deren Kern Alma um jeden Preis nachgehen will. Wahrheiten, die alles infrage stellen, ihre Realität und ihre Pläne aus den Angeln heben, stürzen auf sie ein, brechen ihr Herz …





Zuerst ein großes Lob an die optische Aufmachung und die inhaltliche Gestaltung: In den Klappen finden wir eine wunderschöne farbige Zeichnung, zu Beginn eine Karte der Welt und kleine Illustrationen, die die Handlung begleiten.

Michelle Wong führt uns in einem bildreichen Stil, in einer bedrückenden Tonlage durch ihre einnehmende Geschichte, die in drei Teile gegliedert ist, sodass wir anfangs eine junge, verzweifelte Version der Protagonistin kennenlernen, bis wir, durch einen Zeitsprung, eine erstarkte, von allen gemiedene, nicht gewollte Frau antreffen. Glück ist für Alma ein Fremdwort. Lediglich Aster leistet ihr Gesellschaft, treibt sie an, formt sie. Eine Freundschaft, die bindet, mehr wird.

Da der Fokus auf der agilen Kämpferin liegt, stehen ihre Entwicklung, ihr Erleben, ihr stetig mehr aufklaffender Zwiespalt im Vordergrund. Trotz der Kälte, Almas augenscheinlicher Härte, ist unübersehbar, wie sehr die 18-Jährige unter dem Verlust ihrer Mutter, ihrem isolierten Dasein leidet, wie sehr sie sich nach Anerkennung und Geborgenheit sehnt. Im Verlauf erwachen Grausamkeiten und Monster zum Leben, Dunkelheit, Verrat und Misstrauen füllen jede freie Fläche. Obgleich sich hier und da zu ausführlich an manchen Stellen aufgehalten wurde, fesselt die Storyline mit allerhand Ungereimtheiten, der wabernden Gefahr und den undurchsichtigen Figuren. Gerade Kaim, Zander, Sevelie, Six und Fion sorgen mehrfach für Überraschungen und banden mein Interesse an sich.



Auch das Worldbuilding kommt nicht zu kurz. Vier adlige Familien herrschen über Kugara und dienen – mit Leib und Seele – den Göttern, halten an (fanatischem) Glauben, ihren Hierarchien und ihrer Macht fest, stürzen sich in die Schattenebene und in blutige Wettstreite. Die Einblicke in die hier gelebte Mythologie, in Traditionen und Gepflogenheiten sind ausgeklügelt und spannend. Zusätzliche Raffinesse erhält das System durch die Kombination mit den eher verpönten, weil Unabhängigkeit fördernden, Ideen gen (technischen) Fortschritt und fragwürdigen, schrägen (menschlichen) Experimenten.

Wong verzichtet nicht auf Verlust und tödliche Konfrontationen, nicht auf Tragik und rohe, ungeschönte Emotionen. Wir finden harsche Worte und derbe Szenen, Riten und Opfergaben, Wahnsinn und Lügen. Es war gleichermaßen mitreißend, Alma auf ihrem Weg zu begleiten, wie auch unheimlich und zutiefst bewegend. Das Ende – mit seinen schwarzen, herzzerreißenden Momenten und der Aussicht auf eine ungewisse, aber freie, eine andere Zukunft – war passend gewählt.


»Du bist das Schlimmste, was mir je passiert ist (…) Aber auch das Beste. In einer anderen Welt hätten du und ich vielleicht glücklich sein (…) können.«


Frische Elemente, die von Dunkelheit und Misstrauen, von Rivalitäten und Tragik durchtränkte Atmosphäre, die durchdringende Sehnsucht nach Rache und Vergeltung wie auch die Unsicherheit, wohin, in welche Abgründe, uns Almas Geschichte führt, samt der monsterhaften Gestalten und dieser Liebe, toxisch, bedrohlich, die nicht sein kann – all das und noch mehr machen „House of the Beast“ zu einem Dark-Fantasy-Roman, in den es sich lohnt, einzutauchen.

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Veröffentlicht am 28.10.2025

Moralisch fragwürdige Themen und Fragen

Du bist Ich
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Die „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“-Trilogie basiert auf schweren, moralischen Zwiespälten, auf Schicksalen und Taten, mit denen Celina Weithaas Trauer und Wut verursacht, bodenlose Verzweiflung widerspiegelt. Die (Un-)Schuldfrage ...

Die „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“-Trilogie basiert auf schweren, moralischen Zwiespälten, auf Schicksalen und Taten, mit denen Celina Weithaas Trauer und Wut verursacht, bodenlose Verzweiflung widerspiegelt. Die (Un-)Schuldfrage immer im Hinterkopf. Triste Realität, Aussagen mit abscheulichem Wahrheitsgehalt, drumherum.

Wurden wir in Band eins in Form von Wirrungen, verschwommenen Erinnerungen und poetisch-melancholischen Gedanken durch Nathaniels Inneres geführt, mit einem unberechenbaren Psychopathen konfrontiert, einem, der so viel verloren hat und seine Fäden, mit denen er gleich einer Marionette tanzte, nicht sah, gibt uns Aria Karasaki eine neue Sicht auf den „Rattenfänger von New York“. Kalt, ja, aber auch präzise. Analytisch.

Hatte ich bei „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧 𝐃𝐮“ das Gefühl, mich auf einer Odyssee aus verschachtelten, schnörkeligen und unklaren Sätzen zu befinden, durchwirkt von Hoffnungslosigkeit und Schmerz, in dem sich Realität und Illusion zu nichts weiter vereinen als unentschuldbarer Grausamkeit – denn nein, auch ein Opfer, das zum Täter wird, ist letztlich ein Täter –, besteht „𝐃𝐮 𝐛𝐢𝐬𝐭 𝐢𝐜𝐡“ aus einer rigorosen Verteidigungsstrategie und einem punktgenauen Plädoyer. Aria schenkt dem Mörder, der sein Leben lang kämpfte und verlor, besser sein wollte und scheiterte, nach dem Glück griff und zurück in den Morast gestoßen wurde, eine Tiefe, die viele verschiedene Empfindungen auslöst und einen inneren Strudel aus Diskussionen nach sich zieht. Nathaniel wird – ungewollt und vorgeführt – zu jemandem mit Gewissen und unverarbeitetem Trauma, wird zu einem verstörten Kind, gekleidet in die Haut eines Mannes. Wahnsinnig? Definitiv. Aber auch zer- und gebrochen.

»𝘕𝘢𝘵𝘩𝘢𝘯𝘪𝘦𝘭 𝘸𝘰𝘭𝘭𝘵𝘦 𝘈𝘥𝘦𝘭𝘪𝘯𝘦 𝘥𝘪𝘦 𝘚𝘵𝘦𝘳𝘯𝘦 𝘷𝘰𝘮 𝘏𝘪𝘮𝘮𝘦𝘭 𝘩𝘰𝘭𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘩𝘢𝘵 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘢𝘣𝘦𝘪 𝘢𝘯 𝘥𝘦𝘯 𝘞𝘰𝘭𝘬𝘦𝘯 𝘷𝘦𝘳𝘣𝘳𝘢𝘯𝘯𝘵.«

Diese – intensiv geschriebene, einnehmende und durchaus intelligent konzipierte – Reihe ist im sachten Thrill-Bereich anzusiedeln, fokussiert sich die Autorin auf unterschiedliche Aspekte, die die Psyche eines (Serien-)Killers betreffen. Die Atmosphäre – von Aufregung und Dunkelheit durchzogen –, die nachhaltig beschäftigenden Themen und Fragen wie auch der fast verzweifelte Ton, in dem wir Arias leidenschaftliche Ansprache verfolgen und somit auch den Rattenfänger (nochmal neu) kennenlernen, sorgen für Gänsehaut.
Celina geht auf Nathaniels brutale Vergangenheit – den Ursprung – und seine Taten ein, wobei in „Du bist ich“ zwar eine Übersicht dieser wartet, aber keine detaillierte Zeichnung. Nur geht bereits die Gewissheit über das Ausmaß, über die erlebten und verursachten Gräuel, nah. Ebenfalls relevant und in der Lage, einen Funken Verständnis zu entfachen, sind in diesem Teil die durch Erfahrungen geprägten Wert- und Moralvorstellungen, genau wie die Faktoren, die Nathaniels Handeln beeinflussten und begünstigten – begonnen beim lückenhaften, weil überforderten Sozial- und Rechtssystem über die Resignation der Politiker und die Ausbeutung von jenen, die am Minimum existieren.
Eine weder mit Fairness noch mit Gleichheit glänzende Welt.

»𝘐𝘴𝘵 𝘥𝘢𝘴 𝘶𝘯𝘴𝘦𝘳𝘦 𝘎𝘦𝘳𝘦𝘤𝘩𝘵𝘪𝘨𝘬𝘦𝘪𝘵? 𝘋𝘢𝘴𝘴 𝘸𝘪𝘳 𝘥𝘪𝘦 𝘡𝘦𝘳𝘴𝘤𝘩𝘭𝘢𝘨𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘢𝘮 𝘉𝘰𝘥𝘦𝘯 𝘓𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯𝘥𝘦𝘯 𝘢𝘮 𝘚𝘤𝘩𝘭𝘢𝘧𝘪𝘵𝘵𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘱𝘢𝘤𝘬𝘦𝘯, 𝘶𝘮 𝘪𝘩𝘯𝘦𝘯 𝘪𝘯𝘴 𝘎𝘦𝘴𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘻𝘶 𝘴𝘱𝘶𝘤𝘬𝘦𝘯?«

Hervorragend gelang Weithaas Arias nicht einschätzbare Rolle, ihre verwaschenen Intentionen, ihr Sehnen nach einer Gerechtigkeit, die es niemals geben wird. Ihr Mut, Nathaniel um seine Wahrheit, seine Erlösung zu berauben.
In „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“ geht es nicht um Schwarz und Weiß, um Richtig oder Falsch – sondern um die Nuancen dazwischen, um kleine Schattierungen, feine Unterschiede und das individuelle Abwägen.
Werden wir, Du und ich, zu TäterInnen, wenn wir für die Höchststrafe – den Tod – applaudieren?

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Veröffentlicht am 20.10.2025

Große Gefühle samt viel Humor und tieferer Themen

Madly Forbidden
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„Diese Frau würde entweder mein Tod sein oder die Liebe meines Lebens.“

Als Single-Mom, deren wenige positive Erfahrungen mit Männern lediglich auf ihren Bruder zurückzuführen sind, hat sich Dylan geschworen, ...

„Diese Frau würde entweder mein Tod sein oder die Liebe meines Lebens.“

Als Single-Mom, deren wenige positive Erfahrungen mit Männern lediglich auf ihren Bruder zurückzuführen sind, hat sich Dylan geschworen, niemals wieder wegen eines Jungen zu weinen, sich nie mehr zu verlieben. Um für ihre Tochter sorgen zu können, hat die 26-Jährige den Traum vom College gegen einen Job als Kellnerin eingetauscht. Eigentlich ist Dyl in ihrem kleinen Heimatort zufrieden, glücklich – betäubt.
Als sie von Cal und Row das Angebot bekommt, in New York, der Stadt der zahlreichen Möglichkeiten, deren Wohnung zu hüten, greift sie zu – nie waren Veränderung und Wachstum, ein gutes Leben für sie und Grave, so nah.
Nur blöd, dass ihr Nachbar ein Auge auf sie haben soll – gerade Rowlands unverschämt gutaussehender bester Freund. Doch nicht nur die Anwesenheit des Frauenhelden drückt ihre Euphorie des Neuanfangs, auch der aussichtslose Arbeitsmarkt, ihre sie zum Verzweifeln bringenden Finanzen und das Auftauchen ihres Ex'...

Rhyland Coltridge hat sich zur Ruhe gesetzt, um mit seiner erfolgversprechenden Idee in eine glanzvolle Zukunft zu starten. Da er sein Vermögen sinnlos verprasst hat und jetzt auf Investitionen angewiesen ist, sieht er in Bruce Marshall sein Sprungbrett. Aber der konventionelle Cowboy setzt auf Familie und Beständigkeit. Nichts, das jemand mit Rhyland, der seinen Körper und seine Seele jahrelang als Sexarbeiter verdingte und sich einen Ruf als freizügiger Lebemann aufbaute, assoziieren würde. Als Bruce Rhy und Dylan in einer hitzigen Auseinandersetzung erwischt, ist er augenblicklich von der jungen Mutter und Gravity angetan. Und Rhy? Sieht seine Chance und lügt …
Von nun an ist Dylan Casablancas seine Fake-Verlobte. Dass ihn die verbotene Schwester seines besten Freundes am Ende nicht nur Tausende von Dollar, Zeit und Energie kosten wird, sondern auch sein Herz … damit hätte Row wohl am wenigsten gerechnet …

»Meine Schwester hat die ganze Welt verdient.«
»Ich werde ihr die ganze verdammte Galaxie zu Füßen legen.«

L. J. Shen kreierte mit „Madly Forbidden“ erneut eine mitreißende Liebesgeschichte, die mit viel Witz, skurrilen Momenten, charmanten Figuren und realitätsnahen Problemen daherkommt. Der Ton ist direkt und lebhaft; die deftigen, sarkastischen Wortgefechte ließen mich mehrfach lachen und neben einer großen Portion Romantik, Spice und einem Hauch Glamour warten ernste Themen, eine Bandbreite von Gedanken und Gefühlen, die nur zu leicht zu verstehen sind.
Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, was deutlich macht, welche Erwartungen beide an dieses befristete Arrangement haben und wie sich ihre Empfindungen langsam verändern, sich die Prioritäten verschieben. Auch erhielten die Protagonisten durch Einblicke in Vergangenes sowie sorgfältig verstreute Details Tiefe – berührende Gründe –, die für ihre verschlossenen Herzen, quälenden Selbstzweifel und die Distanz fordernde Vorsicht verantwortlich sind. Es war wunderbar, zu erleben, wie Rhyland auftaut, Verantwortung übernimmt, zu seinen viel zu lange vor sich und der Welt verborgenen Bedürfnissen steht. Hilfreich hierbei waren mit Sicherheit auch Gravity, ihre unverblümte Kindlichkeit und die liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung, etwas, das der angehende Geschäftsmann nie selbst erfahren hat.
Rhy ist eine Schulter, an die sich die Alleinerziehende anlehnen kann, ein Mann, der ihre Intelligenz, ihr Potenzial und sie – als Frau und Mensch – sieht, ihr gewachsen ist. Trotz Argwohn und fiesem Geplänkel, Missverständnissen, Alltagstrott und temperamentvollen Konflikten entwickelt sich der lockere Win-win-Deal zu einer ungezwungenen Affäre und einer Liebe, die unausweichlich war.
Shen greift zudem Vorurteile auf und generiert in ihrem Buch die dringend benötigte Aufmerksamkeit für Single-Mütter und Callboys. Aufgegriffen werden auch Sorgerechtsstreits, sexuelle Übergriffe DURCH Frauen, psychischer Missbrauch von (narzisstischen) Eltern und einiges mehr.
Tate, Tyler und Bruce bringen Anspannung und Ungewissheit in die Handlung, drei nicht durchschaubare, auf unterschiedliche Arten überraschende Facetten, während Cal und Row mit speziellen Eigenheiten für Humor und Wärme sorgen.

Obgleich „Madly Forbidden“ durchaus mit einem üppigen Umfang aufwartet, ist die Story abwechslungsreich, rührend und unterhaltsam. Die Romance beinhaltet eine schiere Flut von Emotionen; Gefühle, die endlich gefühlt, Träume, die endlich gelebt werden müssen.

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