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Veröffentlicht am 22.03.2020

Seichte Kojoten

Das Geheimnis des Felskojoten
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Die wenigen Mainstream-Romane deutscher Autorinnen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, litten für mich alle an den gleichen Mankos: zu oberflächliche, schablonenhafte Charaktere und eine geradezu exzessive ...


Die wenigen Mainstream-Romane deutscher Autorinnen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, litten für mich alle an den gleichen Mankos: zu oberflächliche, schablonenhafte Charaktere und eine geradezu exzessive Bemühung des Deus ex machina. Zwar kann „Das Geheimnis des Feldkojoten“ immerhin für sich verbuchen, für diesen Deus ex machina das Wirken des Großen Geistes der Indianer heranzuziehen, was ja gut zur Thematik des Romans passt. Mache Zufälle sind aber zu viel des Guten, beispielsweise dass der männliche Hauptprotagonist, der Halbindianer Shane Storm Hawk, zu Beginn ausgerechnet auf die Luftschächte in dem Nationalpark stößt, welche das brisante Geheimnis verbergen, das die Handlung des Romans erst auslöst. Genau diese Geheimnis hat aber bereits früher unabhängig davon sein Freund Fabian aufgedeckt, als er für einen fragwürdigen Konzern angeworben werden sollte, und musste sich seitdem in einem Kloster verbergen. Doch Fabian treibt nach längerer Zeit sein Gewissen aus dem Kloster; er will die dunklen Machenschaften aufdecken. Aus Sorge folgt ihm seine Schwester Serena bis nach Nordamerika und begibt sich auf die Suche nach ihm, unterstützt von Shane Storm Hawk. Diese beiden verlieben sich natürlich ineinander. In der Hoffnung, den Bruder so dingfest zu machen, verfolgen Serena und Shane im Auftrag des Konzerns zunächst in Deutschland und dann in Nordamerika ein paar Dunkelmänner. Ich muss sagen, Figuren für Kinder wie Dysneys Panzerknacker wirken glaubwürdiger als diese zwielichtigen Gestalten. Die in Deutschland zeichnen sich dadurch aus, dass sie 90 % ihrer Sätze mit Chef beenden, die in Nordamerika beschließen 90 % ihrer Aussagen mit Boss. Hat das Lektorat hier durchgeschlafen? Die Bösewichter wirken wie Abziehbilder, völlig eindimensional. Überhaupt sind die handelnden Personen eher schlichten Gemüts. Wenn Shane extra sein Handy liegen lässt, um es den Verfolgern nicht zu ermöglichen, sie zu orten, vergisst er sicherzustellen, dass Serena das auch tut. Naja, noch nachvollziehbar, denn wer ist heutzutage noch so blauäugig, nicht zu wissen, dass Handys prima Peilsender sind? Offensichtlich Serena. Als Shane den Fehler bemerkt und das Handy einem Lastwagenfahrer unterschiebt , findet Serena diese Idee, die jeder Fünfjährige gehabt hätte „genial“. Und die Verfolger halten ihre Zielpersonen daraufhin für „unheimlich raffiniert“. Oje! Und was soll der Wahnwitz, dass sich Fabian allein in die Höhle des Löwen, die Labore des Konzerns, wagt? Dem Fass den Boden aus schlägt aber der Dialog zwischen Shane und Serena auf Seite 386. Ihr Bruder Fabian musste durch den Einsturz des Höhlensystems sein Leben lassen. Serena fragt Shane nach einer ganzen Weile sinngemäß, ach, wo wir sowieso gerade von Fabian sprechen, Du hast ihn nicht zufällig irgendwo gesehen? Mein über alles geliebter Bruder lebt nicht zufällig doch noch? Hast Du vielleicht gaaaaanz zufällig vergessen, mir das zu sagen? Ja, den letzten Satz habe ich jetzt dazugesponnen. Aber wer bitte würde denn Serena nicht gleich als Top-News mitteilen, dass ihr Bruder doch noch lebt? Kann man doch mal vergessen zu erwähnen, oder? Hier wird es wirklich haarsträubend.
Ich würde diesen Roman gern mehr mögen, denn ich interessiere mich für indianische Mystik. Leider hat er mich nicht sehr gefesselt, wenn ich mich auch nicht gelangweilt habe. Die Umsetzung der Geschichte kann nicht mit der schönen Zeichnung vom Felskojoten auf dem Cover, angefertigt vom indianischen Ehemann der Autorin, mithalten.

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Veröffentlicht am 05.04.2019

Denglisches Experiment

Das Glück der kleinen Gesten
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Optisch ist das Buch wirklich schön aufgemacht. Inhaltlich blieb es jedoch leider hinter meinen Erwartungen zurück. Oh, es gibt sogar zwei kleine Theorieteile über das Glück, habe ich mich zunächst gefreut. ...

Optisch ist das Buch wirklich schön aufgemacht. Inhaltlich blieb es jedoch leider hinter meinen Erwartungen zurück. Oh, es gibt sogar zwei kleine Theorieteile über das Glück, habe ich mich zunächst gefreut. Außer dem altbekannten Dankbarkeitstagebuch ist hier inhaltlich jedoch wenig hängengeblieben. Ich habe schon das eine oder andere Glücksbuch gelesen, jeweils von Autoren mit medizinischen oder psychologischen Hintergrund, sie sowohl informativ als auch unterhaltsam waren. Die Autorinnen von „Das Glück der kleinen Gesten“ erzählen allerdings zunächst in erster Linie von sich selbst. Sie sind zweifellos sympathisch. Sie sind für mich jedoch weder als Personen noch aufgrund ihres Lebensumfeldes so faszinierend, dass ich eine Menge über sie erfahren wollte. Interessiert hätte mich allerdings: Warum wird eine der Autorinnen im Klapptext als Friedensbotschafterin betitelt? Das hat bei mir große Erwartungen geweckt. Würde ich hier auf eine UN-Botschafterin treffen, die aus ihrem Erfahrungsschatz berichten würde? Anscheinend war hier kein bon anderen verliehener Titel gemeint.
Ich habe das Lesen des Buches als zunehmend anstrengend empfunden, auch, weil die Autorinnen ein seltsames „Denglisch“ pflegen. Vorausgeschickt, ich liebe das Englische und verstehe es beinahe so gut wie Deutsch. Dennoch fand ich es eigenartig, dass ständig ohne Not englische Begriffe eingestreut waren, obwohl es wunderbare deutsche Begriffe gegeben hätte. Dadurch entsteht ein irgendwie unseriöser Eindruck und ich musste manchmal an Influencer-Videos denken. Für mich ist das keine positive Assoziation.
Den Hauptteil des Buches machen die Beschreibungen vieler kleiner Gesten aus, mit denen die Autorinnen sich und anderen Glück bringen wollten. Am meisten gefallen haben mir in der Regel die sogenannten Gastgesten, also Gesten, die Bekannte der Autorinnen beigesteuert haben. Manche der anderen Gesten habe mich etwas befremdet, so zum Beispiel, wenn eine der Autorin ihrer an einem tödlichen Hirntumor erkrankten Mutter, die nach einem epileptischen Anfall im Krankenhaus gelandet ist, erklärt, was für ein Glück diese habe. Natürlich ist es wichtig, in so einer schrecklichen Situation, in der ich als Tochter leider selbst schon war, für die andere stark zu bleiben. Als Mutter hätte ich mich da im besten Fall auf den Arm genommen gefühlt. Verstörend fand ich die Idee, einer Bestatterin beim Herrichten einer Leiche zuzusehen, um Wertschätzung für den Beruf auszudrücken. Was hätte wohl die Tote zu ihren Lebzeiten dazu gesagt und waren die Angehörigen einverstanden? Ich hoffe, dass das in Deutschland nicht legal ist. Eigentlich muss man zu Lebzeiten einwilligen, wenn die eigene Leiche irgendwelchen Experimenten dienen soll.
Und genau das ist dieses Buch: ein Experiment. Die Autorinnen haben sich als Fremde zusammengefunden, um ihre Glücksbotschaften unters Volk zu bringen. Das ist zuweilen nett (z.B. Seifenblasen für fremde Kinder) und manchmal wie geschildert einfach seltsam. Zudem habe ich gestaunt, was für kleine Gesten (einem Fremden eine noch gültige Fahrkarte schenken) große Überwindung gekostet haben. Wenn solche Dinge als Herausforderung empfunden werden, wurde das Leben sicher sehr behütet gelebt.
In einer kleinen Zusammenfassung zum Schluss bleibt nicht unerwähnt, dass man sich auch einfach ehrenamtlich oder nachbarschaftlich engagieren kann. Das tue ich bereits lange, weswegen die Glücksbotschaften des Buches für mich persönlich wirklich extrem an der Oberfläche bleiben. Dennoch sind sie nicht verkehrt und lösen beim Lesen eine kleine positive Grundstimmung aus, was ja auch schon etwas wert ist. Viele kann man nachmachen, auch wenn man nicht so viel Tagesfreizeit hat wie die Autorinnen.

Veröffentlicht am 27.09.2020

Urkraft-Entfacherin

Stopp! Burnout Ade - Selbstbestimmt ins neue Leben: Einfache Methoden für mehr Glück und Lebensqualität
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Ich finde es sehr unangenehm, eine schlechte Rezension schreiben zu müssen, insbesondere wenn ich wie in diesem Fall das Buch bei einer Verlosung gewonnen habe. Aber ich habe mich durch die Teilnahme an ...

Ich finde es sehr unangenehm, eine schlechte Rezension schreiben zu müssen, insbesondere wenn ich wie in diesem Fall das Buch bei einer Verlosung gewonnen habe. Aber ich habe mich durch die Teilnahme an der Verlosung zu einer Rezension verpflichtet und kann es daher kaum vermeiden. Ansonsten hätte ich, was bei mir sonst nie geschieht, das Buch abgebrochen. Tatsächlich konnte es mich nicht überzeugen.

Ich lese regelmäßig psychologische Ratgeber. Diese bewegen sich auf einem gewissen Standard, z.B. haben sie ein professionelles Layout und Lektorat, ein fundiertes Quellenverzeichnis, und sind in der Regel von Fachleuten geschrieben. Hier habe ich nicht aufgepasst, denn von außen habe ich übersehen, dass es sich wohl um ein self-publishing Erzeugnis handelt, das meiner Meinung nach diese Standards nicht erfüllt.

Beim Aufschlagen des Buches irritierte mich bereits das Layout. Ungewohnt riesige Schrift, keine Silbentrennung, alles linksbündig. Aber auf den Inhalt kommt es an, dachte ich. Doch auch der enttäuschte mich. Obwohl die Autorin betont, keine Allgemeinplätze liefern zu wollen, tut sie meiner Meinung nach genau das. Oberflächlich streift sie Themen, die ich mir schon lange selbst denken konnte: Schlaf, Bewegung, eine bestimmte Ernährung, sind gut gegen Burnout. Viele Themen, die ich mir zusätzlich selbst erfolgreich erarbeitet habe und die wirklich kein Hexenwerk sind, fehlen dagegen komplett. Stattdessen werden zum Teil seltsame Details gepriesen wie eine Schlafentzugstherapie, vor der die Autorin zurecht gleichzeitig warnt, wenn diese nicht in einer Klinik durchgeführt wird und bestimmte andere Erkrankungen vorliegen. Warum taucht das dann hier auf, fragte ich mich. Besonders eigenartig wirkt das unvermittelt eingestreute Kapitel über Urkraft-Therapie, die die Autorin als sog. Urkraft-Entfacherin anbietet, die aber hier komplett abstrakt bleibt. Ich bin durchaus für Esoterik offen, aber dieses Kapitel wirkte auf mich wie simple Eigenwerbung.

Lediglich zu den von anderen übernommenen und im Buch wiedergegebenen Yoga-Übungen (bilderlos) gibt es Quellenangaben. Und warum? "Das Wissen stammt aus dem Leben und des eigenen Lebensweges" schwärmt der Buchrücken (Grammatikfehler nicht von mir). Leider wird hier allenfalls an der Oberfläche gekratzt.

Im Anschluss habe ich ein Buch über Stressmanagement begonnen, verfasst von einer Diplom-Psychologin und erschienen in einem renommierten Verlag. Es ist populärwissenschaftlich, sogar manchmal witzig und liefert ein Aha-Erlebnis nach dem anderen. Und es tut mir sehr leid sagen zu müssen, zwischen den beiden Büchern liegen Welten.


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