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Veröffentlicht am 28.08.2020

Jeder Tag zählt.

Ein Sonntag mit Elena
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Ein Tag wie kein anderer im Leben des Vaters der – vorerst – namenlosen Erzählerin.
Vor 8 Monaten verwitwet, will der ehemalige Brückenbauer und Vater von 3 Kindern, der Zeit seines Lebens unterwegs war, ...

Ein Tag wie kein anderer im Leben des Vaters der – vorerst – namenlosen Erzählerin.
Vor 8 Monaten verwitwet, will der ehemalige Brückenbauer und Vater von 3 Kindern, der Zeit seines Lebens unterwegs war, für die Familie seiner ältesten Tochter an einem Sonntag kochen. Auch wenn er das abgegriffene, handschriftlich verfasste Kochbuch seiner Frau täglich in die Hand genommen hat, kostet es doch große Überwindung für ihn, der noch nie für andere gekocht hat, die Familienrezepte auszuprobieren.
Bereits in dieser ersten Phase des Buches merkt man, dass die Erzählerin offenbar das Familienmitglied ist, mit der der Vater am wenigsten bzw. gar keinen Kontakt pflegt. Den Grund dafür wird man erst später im Laufe des „erzählten“ Tages erfahren. Doch die große Einsamkeit, die den Mann umgibt, ist beinahe in jeder Zeile greifbar, und obwohl die Ich-Erzählerin sehr distanziert wirkt, fast unbeteiligt, kommen einem als Leser beinahe die Tränen, wenn die zum Essen geladene Tochter dann anruft und ihm sagt, sie können wegen eines Unfalls der Enkelin nicht kommen.
Getroffen und ein wenig verloren geht der Mann dann spazieren und trifft zufällig eine junge Frau, die ihrem Sohn Gaston beim Skateboarden zusieht. Spontan lädt er die beiden zu sich ein und erfährt vom Schicksal der jungen Frau, die seit dem Tod des Partners, Gastons Vater, nicht nur von Geldsorgen geplagt wird.
"Elena prostete ihm zu: 'Danke', sagte sie, 'Heute Morgen beim Aufwachen hatte ich den Kopf voller Schatten. Alle haben Sie nicht verjagt, aber ein paar schon. Danke dafür, wirklich.'“.
Später, der Vater war schon im Alterheim und ist auch schon verstorben, erfährt man, dass dieser Tag der Auslöser dafür war, dass er wieder den Kontakt zur Ich-Erzählerin aufgenommen hat, und auch für Elena war hat der Tag einen Wendepunkt in ihrem Leben dargestellt.
Ruhig, aber doch mit viel Wärme und Empathie erzählt vermittelt die Geschichte die Botschaft: jeder Tag zählt, jeder Tag.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.07.2019

Erfrischende Sommerküche

Ceviche. Das Kochbuch
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Ich kannte die peruanische Art der Fischkonservierung durch Limettensaft schon länger. Spannend fand ich nun die Idee, diese Methode, deren Gerichte sich hauptsächlich durch Schärfe und Säure auszeichnen, ...

Ich kannte die peruanische Art der Fischkonservierung durch Limettensaft schon länger. Spannend fand ich nun die Idee, diese Methode, deren Gerichte sich hauptsächlich durch Schärfe und Säure auszeichnen, nun auch mal mit Gemüse auszuprobieren.

Die Rezepte sind übersichtlich verfasst, die Zubereitung gut beschrieben, die Bilder sehr geschmackvoll arrangiert. Praktisch fand ich auch den Zusatzteil mit Grundrezepten (Tigermilch) sowie das Glossar.

Vielleicht wäre für die eine oder andere sehr schwer erhältliche Zutat auch ein Alternativvorschlag noch hilfreich.

Die ausprobierten Gerichte (2x vegetarische Ceviche, 2x Ceviche mit Fisch) sind jedenfalls bei meinen Testessern hervorragend angekommen, auch mit den Mengenangaben empfinde ich für durchschnittliche Esser als passend. Eine erfrischende Alternative in der Sommerküche!

Veröffentlicht am 14.04.2019

Trauriger Hintergrund eines Sommerhits

Bella Ciao
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Bella Ciao – spätestens seit 2018 allen bekannt als Titel eines Sommerhits. Doch wer kennt den tristen Hintergrund des Partisanenhits?
Piemont, Borgo di Dentro, ein Dorf oberhalb von Genua, um die Jahrhundertwende. ...

Bella Ciao – spätestens seit 2018 allen bekannt als Titel eines Sommerhits. Doch wer kennt den tristen Hintergrund des Partisanenhits?
Piemont, Borgo di Dentro, ein Dorf oberhalb von Genua, um die Jahrhundertwende. Die junge Giulia und ihre beste Freundin Anita rackern wie viele andere in der Seidenfabrik. Giulia legt jede Lira, die sie verdient, sorgfältig auf die hohe Kante für ihre Hochzeit mit Pietro. Rund um Weihnachten, als ein Streik die Fabrik lahmlegt und das ganze Dorf in Aufruhr scheint, schläft sie mit Pietro, in der Hoffnung, die sich anbahnende Entfremdung damit überwinden zu können. Doch Pietro ist in Gedanken nicht mehr bei Giulia – er hat sich in Anita verliebt.
Wie ein Wink des Schicksals hat Giulia erst kurz zuvor eine Annonce für eine Passage in die USA, wo Arbeiter gesucht werden, gefunden und flüchtet, nachdem sie die Liebschaft zwischen Anita und Pietro entdeckt, Hals über Kopf nach Amerika.
Im Laden von Libero Manfredi in New York findet sie nicht nur Aufnahme und Arbeit, sondern in Libero selbst auch ein großes, liebevolles Herz, der Michael, Giulias Sohn, auch wie sein eigenes Kind annimmt. Im Laden von Libero Manfredi in New York findet sie nicht nur Aufnahme und Arbeit, sondern in Libero selbst auch ein großes, liebevolles Herz, der Michael, Giulias Sohn, auch wie sein eigenes Kind annimmt.
Das Buch schildert nun die Zeitabschnitte von 1900 – 1946 immer abwechselnd – einmal erfahren wir, wie Giulia und Libero in New York die Kriegsjahre – sowohl des ersten als auch des zweiten Weltkrieges – aus der Distanz erleben, dann wieder sind wir in Borgo di Dentro bei Pietro, Anita und ihren Familien mitten im Geschehen.
1946, Giulia ist inzwischen Anfang 60 und sehr krank, kehrt sie mit Michael an den Ort ihrer Kindheit zurück. Giulia ahnt nicht, welche Gräuel Anita und ihre Familie in den beiden Weltkriegen erlebt haben, als sie durch Borgo di Dentro streift – ohne Wissen, ob Anita und Pietro überhaupt noch leben oder ob die beiden jemals an sie gedacht haben. Doch es ist nicht Giulia, sondern Michael, der Anita schlussendlich aufspürt und die beiden alten Damen wieder zusammenbringt.
Raffaela Romagnolo ist mit diesem Buch ein Meisterwerk italienischer Geschichte gelungen. Selten wurde die Geschichte der Partisanen in den Wäldern so anschaulich dargestellt. Für mich ab sofort ein Fixpunkt unter den Autoren!

Veröffentlicht am 14.04.2019

Zeit-Genössisch

Was uns erinnern lässt
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Milla ist alleinerziehende Mutter und hat seit ihrer Trennung ein Faible für „Lost Places“, vergessene, verborgene Orte.
So findet sie eines Tages in der Sperrzone der früheren DDR den Zugang zum Keller ...

Milla ist alleinerziehende Mutter und hat seit ihrer Trennung ein Faible für „Lost Places“, vergessene, verborgene Orte.
So findet sie eines Tages in der Sperrzone der früheren DDR den Zugang zum Keller eines Hotels. Neugierig geworden, versucht sie die ehemaligen Bewohner ausfindig zu machen und lernt so die Familiengeschichte der Familie Dressel, die einst das Hotel „Waldeshöh“ bewohnt hat, kennen.
In der Sperrzone gelegen, war das Haus nach dem zweiten Weltkrieg zunehmend in Vergessenheit geraten. Irgendwann wurden auch Strom und Telefon abgedreht, jeder Schulbesuch der Kinder oder jeder Arbeitsweg führte über Kontrollstationen und wurde zunehmend erschwert. Ende der siebziger Jahre wurde die Familie zwangsumgesiedelt, das Haus geschliffen.
Mit Millas Entdeckung kommen Erinnerungen zutage, die manches Familienmitglied lieber dem ewigen Vergessen überlassen hätten. Wer trug die Schuld daran, dass die Familie enteignet wurde?
Ich fand die Geschichte persönlich sehr spannend, da ich – ungefähr im gleichen Alter wie Christine, die Hauptansprechpartnerin von Milla in der Familie - auch immer wieder meine Erfahrungen und meine Kindheit mit der von Christine verglichen habe – und dabei erschüttert war, wie wenig ich von dem Leben in der DDR wusste, obwohl wir nicht so weit davon entfernt sind.

Veröffentlicht am 20.12.2021

Zeitsprung

Revolution der Träume
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Zeitreise ins Berlin des Jahres 1918: Der Krieg ist vorbei, durch die Revolution wird der Kaiser gestürzt, und doch ist alles noch sehr frisch und vulnerabel. Liebknecht und Luxemburg kämpfen für die Demokratie ...

Zeitreise ins Berlin des Jahres 1918: Der Krieg ist vorbei, durch die Revolution wird der Kaiser gestürzt, und doch ist alles noch sehr frisch und vulnerabel. Liebknecht und Luxemburg kämpfen für die Demokratie und werden von den Militärs hingerichtet. Vor diesem Hintergrund verfolgen wir die Geschichte der Freunde Carl, Isi und Artur, die sich, von den Kriegswirren getrennt, in Berlin wiederfinden.
Isi als draufgängerische Revoluzzerin und überzeugte Kommunistin erfrischt mit kleinen Trickbetrügereien und großen Waffendiebstählen und horcht als „Medium“ die Frauen der Oberschicht aus, während der im Krieg verwundete Artur mit halbseidenen Geschäften zum König der Unterwelt aufsteigt und der verträumte, empathische Fotograf Carl als Kameramann bei der UFA anheuert und sich im Stummfilm bewährt.
Die goldenen zwanziger Jahre sucht man vergeblich in diesem Berlin der Nachkriegszeit. Hunger und Verelendung prägen das großartig von Autor Andreas Izquierdo gezeichnete Porträt der großen Stadt. Frauen, die sich verkaufen müssen, da der Mann im Krieg gefallen und die Kinder nicht sattzukriegen sind. Kinder, die nie einen Vater kennengelernt haben und bereits in jungen Jahren die Härte der Nachkriegszeit spüren. Freunde, die sich vor dem Krieg begegneten und sich nun langsam wiederfinden müssen und dabei auch feststellen, dass Krieg alles und alle verändert.
Doch Isi, Carl und Artur halten zusammen. Und so einander am Leben.
Faszinierende, detailreiche Reise in eine Zeit, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können. Persönlich fand ich die Erzählung manchmal zu langatmig, aber dennoch spannend und stimmig.

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