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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2017

eine starke Heldin, Abenteuer und ein großes Geheimnis

Schattenthron. Das Mädchen mit den goldenen Augen
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Rahel lebt in einem kleinen Dorf und ist als Tochter eines einfachen Holzfällers eine Außenseiterin. Nur ihre Eltern wissen um ihr Geheimnis, denn Rahel kann sich in ein Reh verwandeln und streift so immer ...

Rahel lebt in einem kleinen Dorf und ist als Tochter eines einfachen Holzfällers eine Außenseiterin. Nur ihre Eltern wissen um ihr Geheimnis, denn Rahel kann sich in ein Reh verwandeln und streift so immer wieder durch die Wälder. Als ein Jäger ihre besondere Fähigkeit entdeckt, flieht sie ins Schloss und findet Anstellung in der Küche. Die hat viel zu tun, denn die Brautschau des Prinzen findet statt und durch einen Zufall soll auch Rahel daran teilnehmen. Während sie den Prinzen immer besser kennen lernt, ziehen dunkle Mächte an den Fäden. Denn eigentlich wird gar keine Braut gesucht und Rahel ahnt nicht, was das mit ihr und ihren Fähigkeiten zu tun hat.
Ich hatte ein bisschen Probleme, in die Geschichte hineinzukommen. Das Tempus ist Präsens und die Gleichzeitigkeit sorgt bei mir immer für eine gewisse Distanz, die Spannung kommt weniger an. Nach den ersten Kapiteln hatte sich das aber gelegt. Rahel ist eine tolle Figur, von der ich gerne gelesen habe. Sie ist etwas unbeholfen und sieht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht, aber sympathisch. Dagegen wirkt der Prinz wie ein klasse Melancholiker – fast schon wieder zu viel Klischee.
Während die Geschichte des Prinzen in Rückblicken, die noch seinen Vater betreffen, erzählt wird, lernt Rahel ihn in der Gegenwart kennen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen formen ein schönes Bild und lassen das große Ganze erst am Ende erkennen. Manche Fäden bleiben dabei etwas in der Luft hängen. Rahels Angst etwa, ihre Verwandlung in ein Reh wegen der Jagd am Schloss, nicht aufhalten zu können, wird einmal angesprochen und ist dann einfach verschwunden.
Das Buch ist sehr auf Rahel konzentriert, so dass die Entwicklung des Prinzen zwar hier und da angedeutet wird, seine Taten dann aber doch unerwartet kommen. Rahels Hinwendung zu ihm passiert gemächlicher und das ein oder andere Mal habe ich mich gefragt, ob es wirklich von ihr ausgeht. Gerade am Ende blieb mir hier ein fahler Nachgeschmack. Er ist ein viel zu wankelmütiger Charakter, als dass ich ihm vertrauen könnte und gerade Rahel, deren Instinkt sonst so ausgezeichnet ist, ignoriert ihn hier. Dass die Beziehung zwischen den Beiden langsam mitgesponnen wurde und kein Absolutum war, hat mich sehr gefreut.
Etwas irritiert war ich auch durch die Auflösung um Rahels wahre Herkunft. Hier blieb sie viel zu gelassen, das Konfliktpotential wurde nicht einmal angekratzt und die Auflösung war mir zu simpel. Hier ein Friede-Freude-Eierkuchenbild zu produzieren, wo die Umwürfe in ihrer familiären Konstellation so weitreichend sind, wirkte fade. Nun solle es einen zweiten Teil geben und ich einige der Punkte sollen laut der Autorin dort wieder aufgegriffen werden.
Insgesamt war es eine schöne Geschichte. Einige Handlungsstücke fand ich unausgearbeitet oder eben einfach noch nicht abgeschlossen. Das lässt sich erst sagen, wenn ich auch den zweiten Teil kenne. Der Stil war angenehm, lediglich an das Präsens musste ich mich hier etwas gewöhnen. Für junge Leser eine empfehlenswerte Geschichte mit einer starken Heldin, Abenteuern und einem großen Geheimnis.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Teilweise schwammig und problematisch

Body Positivity - Liebe deinen Körper
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Body Positivity lässt mich zwiegespalten zurück. Für mich kann das Buch den Kern von Body Positivity nicht fassen, erzeugt durch viel Emotionalität einen Bezug zur Leserschaft und zeigt vor allem die Gefahren ...

Body Positivity lässt mich zwiegespalten zurück. Für mich kann das Buch den Kern von Body Positivity nicht fassen, erzeugt durch viel Emotionalität einen Bezug zur Leserschaft und zeigt vor allem die Gefahren des Schönheitsideals unserer Zeit auf. Das Nebeneinanderstellen von Diäten und Body Positivity finde ich dabei sehr gefährlich. Einen wirklich gelungenen Einblick in das, was Body Positivity ist, liefert das Buch leider nicht. Es hat viele wichtige Passagen und absolut korrekte Kritik an unserer Gesellschaft, bleibt aber oft schwammig, zu emotional und stellt fragwürdige Bezüge her.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Liebe, Depression und ein Meermann

Fische
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Lucy passt nach der Trennung von ihrem langjährigen Partner auf den kranken Hund ihrer Schwester auf und muss zur Therapie auf richterliche Anordnung. Was wie ein schlechter Scherz beginnt, wird durch ...

Lucy passt nach der Trennung von ihrem langjährigen Partner auf den kranken Hund ihrer Schwester auf und muss zur Therapie auf richterliche Anordnung. Was wie ein schlechter Scherz beginnt, wird durch die teenagerhaft aufmüpfige Protagonistin nicht leichter. Lucy glaubt, alles besser zu wissen und niemanden zu brauchen – außer DEN Mann in ihrem Leben. Der soll leidenschaftlich und sexy sein, sie verehren und auch irgendwie ein „Bad Boy“.
Um sie herum liebeskranke Frauen in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Frauen, die keine Bindung eingehen wollen, es aber laut Therapie sollen, solche, die mit allem schlafen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Für Lucy, durch deren oberflächlichen Blick der Leser alles wahrnimmt, gefallene Figuren, die es alles so viel schlechter haben als sie. Sie will ja nur einen Mann, im besten Fall ihren Ex.
Dabei wirkt die Geschichte wie ein Auffahrunfall, bei dem man als Leser nicht wegschauen kann. Die Protagonistin ist nicht sympathisch, sie erweckt noch nicht einmal Mitleid, höchstens Kopfschütteln. Ihre Reflexion des eigenen Charakters ist dabei noch nicht mal immer falsch, doch wenn sie mal auf dem richtigen Weg ist, trifft sie sich dank einer Dating-App mit einem Kerl, der sie Hotelklo nimmt und liegen lässt. Alles lässt Lucy hinter der Suche nach einen Mann zurück. Sie vernachlässigt sich, ihre Aufgaben, den Hund, ihre Dissertation.
Je nachdem, wie aufmerksam der Leser ist, erkennt er dabei, dass Lucys Probleme nichts mit Liebe oder deren Definition zu tun hat, sondern eine ausgewachsene Depression ist, mit teilweise manischen Zügen. Die manifestiert sich im Buch in Theo, dem Schwimmer, der sich als Meermann entpuppt. In ihm spürt sie die große Dunkelheit, die Traurigkeit, der sie verzweifelt zu entkommen versucht. Und gleichzeitig ist Theo der Mann, bei dem sie sich stark und schwach fühlt, sicher und angekommen. Theo steht für die Depression an und für sich, für das Hinabziehen und die Faszination des Verschwindens in der Traurigkeit.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Zwangshumor

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
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Die junge Autorin Sophie lebt von Sozialhilfe und kleinen Aufträgen, während sie eigentlich versucht, ihren „großen Roman“ zu schreiben. Doch das will nicht so recht von der Hand. Noch dazu, wo Hunger, ...

Die junge Autorin Sophie lebt von Sozialhilfe und kleinen Aufträgen, während sie eigentlich versucht, ihren „großen Roman“ zu schreiben. Doch das will nicht so recht von der Hand. Noch dazu, wo Hunger, Erinnerungen und kuriose Ideen sie immer wieder ablenken. Eines vorweg: Mitunter geht da einiges durcheinander und so recht bin ich einfach nicht in diesen Komplex eingestiegen.
Während das Problem von Armut, Hunger und dem stetigen Warten auf die Überweisung der Sozialhilfe sehr bodenständig, ehrlich und auch bewegend ist, wird der Rest geradezu zur Farce. Immer wieder schiebt sich Sophies Freund, ein Frauenheld auf Freiersfüßen, in die Geschichte und will endlich bei seiner Nachbarin landen. Dass dieser Freund zumindest teilweise lediglich Imagination ist und für eine gewisse Zwangsromantik bis hin zur lächerlich gemachten Erotik steht, zwang mich mehr als einmal zum Augenrollen.
Auch der im Titel genannte Teufel ist nicht mehr als eine Störfigur, die der eigentlichen Handlung Steine in den Weg legt, ohne wirklich sinnhaft zu sein. Mögen hier auch die verschiedenen Ideen und Ablenkungen, mit denen Autoren zu kämpfen haben, daher kommen, machen diese Einwürfe für mich Sophie nicht nur zur unzuverlässigen Erzählerin, sondern auch zur komplett verwirrten Figur, die ihren Existenzkampf mit unnötigen Einschüben zu überspielen und humorisieren versucht. Was bei mir definitiv nicht funktioniert hat, ich war davon sehr schnell sehr genervt.
Um einiges Interessanter war die psychische Entwicklung. Sophie lebt unter Versagensängsten mit einer hochstilisierten Vorstellung einer perfekten Kindheit. Natürlich sind ihr als alter Ego nicht nur der Freund und der Teufel, sondern auch die Mutter geblieben. Beim realen Treffen mit dieser Frau zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich Sophies „Kopfmutter“ und ihre wirkliche Mutter ist. Diese Unterschiede sind interessant, deuten auf einen größeren Zwiespalt zwischen Sophies „Wirklichkeit“ und ihrer Umwelt. Dennoch setzen hier Erkenntnismomente an, die dem Roman guttun.
Begeistern konnte mich Als der Teufel aus dem Badezimmer kam absolut nicht. Zu zwanghaft wirkte der Humor, zu sinnig hätte die eigentliche Handlung ohne dieses Geplänkel sein können. Wer abstruse Romane mag, ist hier aber genau richtig.

Veröffentlicht am 16.07.2018

Viel Aufklärung, wenig Ausblick

Kassandras Schleier
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Der Autor arbeitet als Psychoanalytiker und spricht daher aus der Praxis, aber auch aus persönlichen Erfahrungen und Umständen. Das Drama der hochbegabten Frau ist dabei oft, dass sie sich ihre Begabung ...

Der Autor arbeitet als Psychoanalytiker und spricht daher aus der Praxis, aber auch aus persönlichen Erfahrungen und Umständen. Das Drama der hochbegabten Frau ist dabei oft, dass sie sich ihre Begabung nicht eingesteht. Noch immer wird die Leistung von Frauen niedriger bewertet, nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch ihre Fähigkeiten selbst. Dutzende Beispiele drehen sich immer wieder um das Problem, dass die Frauen nicht glauben, besser oder klüger oder einfach gebildeter zu sein, als ihre Mitmenschen und darum die eigenen Leistungen verstecken oder von anderen zu viel fordern.
Parallel zum Problem der Selbstbewertung zeigt Schmidbauer das Phänomen und die Folgen von Narzissmus auf, den er eng mit Hochbegabung verknüpft. Teilweise kommt das etwas zu pauschal für meinen Geschmack rüber. Allgemein zeigt Schmidbauer vor allem Negativbeispiele auf, die er zwar fundiert analysiert, wo mir aber der Aspekt des Ausblicks fehlt. Die hochbegabte Frau, so scheint es, muss einen psychischen Knacks bekommen. Da möchte ich doch laut widersprechen.
Nicht zu verachten aber ist die Aufklärungsarbeit, die dieses Buch durchaus leistet. Nicht nur im Bereich Hochbegabung und dem Umgang damit, sondern allgemein in der alltäglichen Unterdrückung der Frau. Wie die Titelgebende Figur aus der griechischen Mythologie, Kassandra, bleibt die (hochbegabte) Frau ungehört. Ihr wird unterstellt, doch eh keine Ahnung zu haben oder sich in den Vordergrund drängen zu wollen. Dieses „Zum Schweigen bringen“ der Frau sehen wir täglich in jedem Bereich und nicht nur Hochbegabten gegenüber.