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Veröffentlicht am 13.05.2019

Very british

Dreizehn Gäste
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Dieser neu aufgelegte Klassiker gehört zu den typischen Büchern aus Englands Goldenem Krimizeitalter. Der Autor hat zwar nie die Berühmtheit einer Agatha Christie oder einer Dorothy Sayers erreicht, gehörte ...

Dieser neu aufgelegte Klassiker gehört zu den typischen Büchern aus Englands Goldenem Krimizeitalter. Der Autor hat zwar nie die Berühmtheit einer Agatha Christie oder einer Dorothy Sayers erreicht, gehörte aber zu den meistgelesenen Autoren dieser Zeit.
Das Setting ist, wie so oft, ein englischer Landsitz der Oberschicht. Dorthin hat zum Wochenende Lord und Lady Aveline zur letzten Jagd der Saison eingeladen. Neben den illustren Gästen – eine Schauspielerin, ein gefeierter Portraitmaler, eine Schriftstellerin, ein Abgeordneter und natürlich auch ein wenig Geldadel – wird unversehens auch John Foss ganz unfreiwillig zum Wochenendgast.
Er stieg zufällig mit Nadine Leveridge aus dem Zug, als er am Tritt hängenblieb und sich unglücklich den Knöchel verstaucht. Die Leveridge, als Typ männermordender Vamp in die Geschichte eingeführt, nimmt ihn sofort mit zum Landhaus, sie kennt Aveline als großzügigen Gastgeber. Zumal John Foss auch die richtige Schulkrawatte trägt und sicher auch im Debretts zu finden ist. Warmherzig aufgenommen und ärztlich versorgt, verbringt John nun das ereignisreiche Wochenende als außenstehender Beobachter und das im wahrsten Sinn des Wortes, denn sein Krankenlager wurde in einem Nebenraum der Eingangshalle aufgestellt und so kann er Kommen und Gehen gut verfolgen.
Die Gesellschaft ist mehr als spannungsreich, Eitelkeiten und Animositäten sind zu spüren und es dauert nicht lange, als ein Toter gefunden wird. Es muss ein Kriminalbeamter gerufen werden und klar ist auch, der Täter kann sich nur im Kreis der Gäste befinden.
Der Autor lässt seine Figuren in geistreichen Dialogen brillieren, die schon den einen oder anderen Hinweis enthalten. Ich kann mir vorstellen, dass die heutigen Leser diesen Gesprächen nicht mehr ganz so viel abgewinnen können, sie wirken halt sehr gekünstelt und aus der Zeit gefallen. Gut gefallen haben mir die subtilen Standesunterschiede. Der Kriminalkommissar wird von allen nur Kendall genannt, da gibt es kein Mister oder Sir, ganz im Gegensatz der respektvollen Anrede, die Kendall ganz natürlich verwendet. Auch halten es die Zeugen für ganz selbstverständlich, dass gewisse Ereignisse, die nach ihrem Selbstverständnis in ihren Kreisen bleiben sollten, der Polizei erstmal vorenthalten werden.
Mir hat dieser Klassiker gut gefallen, was sicher auch daran liegt, dass ich schon viele Autoren und ihre Bücher aus dieser Zeit kenne und ich deshalb auch nicht allzu viel Spannung oder gar Action erwartet habe. Amüsant und ein Blick in ein vergangenes Zeitalter war es allemal.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Kochkunst und Mord

Versuchung à la Provence
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Pascal Chevrier hat genug vom anstrengenden Leben eines Pariser Polizisten und ließ sich in den Luberon versetzen. In diesem schönen Landstrich der Provence will er zur Ruhe kommen, seine gescheiterte ...

Pascal Chevrier hat genug vom anstrengenden Leben eines Pariser Polizisten und ließ sich in den Luberon versetzen. In diesem schönen Landstrich der Provence will er zur Ruhe kommen, seine gescheiterte Ehe verarbeiten und die schönen Dinge des Lebens genießen. Dafür nimmt er auch eine ländliche Dienststelle und einen geringeren Dienstgrad in Kauf. Doch viel Ruhe ist ihm nicht vergönnt. In einigen angesehen Sternerestaurants werden menschliche Finger in der Fleischlieferung gefunden. Ein Horror für die Küchenchefs und die Gourmetszene. Pascal findet schnell heraus, dass alle betroffenen Köche einer Bruderschaft angehören, die die Reinheit der französischen Küchenkunst verteidigt. Keine modernen Spielereien und nur das auf den Tisch, was es schon im Mittelalter gab .Im Gegensatz dazu steht eine Gruppe radikaler Tierschützer, die auf das Leid bei der Tierhaltung und der Mast hinweisen.


Zwischen Landschaft und Kochkunst bewegt sich diese hübsche Kriminalkomödie und man merkt dem Buch an, dass auch der Autor diese beiden Themen liebt und sich bestens auskennt. Gerade die Ausflüge in die Geschichte der klassischen Kochkunst haben mir gefallen. Da ich auch die Gegend kenne, war es wie ein Wiedersehen mit Orten und Landschaft. Da ging mir doch gleich das Herz auf.
Pascal Chevrier ist eine sympathische Ermittlerfigur, auch mal von Unsicherheit und Zweifel geplagt, aber immer mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Er lässt sich auch von seinem despotischen Vorgesetzen, dem cholerischen Bürgermeister des kleinen Örtchens nicht unter Druck setzen.


Der Krimi selbst ist ein wenig durchschaubar, der Plot ist übersichtlich aufgebaut und auch die Spannung steht hinter der Provence Atmosphäre zurück. Vielleicht liegt es auch daran, dass die ich die Bösen gleich am unangenehmen Erscheinungsbild erkannte, jedenfalls war mir ziemlich schnell klar, wer hinter den Vorfällen steckt. Ein Kompliment muss ich dem Autor für seine ausgefallene Mordmethode machen, die Idee war erzählerisch gut umgesetzt.


Mein Fazit: Angenehme Unterhaltung mit Urlaubsfeeling.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Familienbande

Gelateria Paradiso
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Schon lange gibt es die „Gelateria Paradiso“ in Bergischen Land nicht mehr. Francesca, die Tochter muss nun die letzten noch eingelagerten Einrichtungsgestände verkaufen. Seit ihrer Jugend hat sie keinen ...

Schon lange gibt es die „Gelateria Paradiso“ in Bergischen Land nicht mehr. Francesca, die Tochter muss nun die letzten noch eingelagerten Einrichtungsgestände verkaufen. Seit ihrer Jugend hat sie keinen Kontakt mehr zu Eltern, ihr altes Leben wie eine zu klein gewordene Hülle abgestreift. Sie ist elegant, eine weltgewandte Stewardess, glücklich verheiratet und doch umgibt sie ein Geheimnis.
Susanne, eine Tischlerin, die alte Möbel billig ankauft und restauriert, hat von dieser Auflösung erfahren und erhofft sich einige interessante Stücke. Ein Foto des Inhabers trifft sie wie ein Stromschlag, sie ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Ort und Zeit scheint zu passen. Susanne kennt ihre leiblichen Eltern nicht, sie ist als ungeliebtes Adoptivkind aufgewachsen und scheint nun endlich etwas über ihre Herkunft zu erfahren.
Aber Francesca weigert sich, ihre Halbschwester anzuhören, denn dann müsste sie sich ihrem Familiengeheimnis stellen. Beide machen sie unabhängig auf den Weg nach Bassano um die Familie Paradiso zu treffen.
Zwei Frauenschicksale, interessant mit einander verwoben und immer wieder Rückblicke in das Leben hoffnungsvoller Gastarbeiter im Wirtschaftswunderland Deutschland in den 60iger Jahren. Das ergibt eine lebendige, vielschichtige Geschichte. Stefanie Gerstenberger hat zwei sehr unterschiedliche Frauenportraits gestaltet, jede für sich sehr interessant und lebendig. Wobei es aus Gründen der Dramaturgie auch zu unterschiedlicher Sympathiegewichtung kommt. Bei Francesca und ihrem eigensüchtigen Charakter brauchte ich länger um ihr warm zu werden und ihre Handlungen zu verstehen und richtig einzuordnen. Sie wurde mir anfangs zu extrem unsympathisch eingeführt um sich dann im Verlauf von nur wenigen Wochen grundlegend zu wandeln.
Die wechselnden Perspektiven – aus Susannes und Francescas Sicht, dann in Italien aus der Sicht von Francescas Eltern ergeben einen vielschichtigen Roman mit dramatischen Wendungen.
Gut haben mir die historischen Rückblicke gefallen. Das Klima, das den Gastarbeitern in Deutschland entgegenschlug, ist gut eingefangen. Fremdheit, Sprachlosigkeit und der Wunsch sich eine neue Existenz aufzubauen, weit weg von der Armut in der südlichen Heimat, bestimmt ihr Leben. Wobei mir zu wenig von der titelgebenden Gelateria zu lesen war. Sie darf nur einmal eine kurze Szene beleben und ansonsten nur in den verbitterten Erinnerungen von Francesca auftauchen
Der Sprache ist schön und leicht zu lesen, trotz der vielen traurigen Schicksale liegt auch eine versöhnliche Heiterkeit in dem Buch. Die ist auch den gelungen portraitierten Nebenfiguren zu verdanken. Lennart, der immer liebenswerte, im Geist ein Kind gebliebener junger Mann, seine Mutter, die Susanne eine Stütze ist, und natürlich auch die große, lebhaft-dramatische Verwandtschaft in Italien.
Ein schönes, sehr versöhnliches Ende rundet das Buch ab.

Veröffentlicht am 19.02.2019

Erster Auftritt: Stefan Moses

Moses und das Schiff der Toten
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Stefan Moses kam als Kind aus Afrika nach Hamburg. Er wuchs bei Adoptiveltern auf und arbeitet nun schon seit 15 Jahren bei der Kriminalpolizei. Doch immer wieder erweckt seine Hautfarbe Irritationen.
Sein ...

Stefan Moses kam als Kind aus Afrika nach Hamburg. Er wuchs bei Adoptiveltern auf und arbeitet nun schon seit 15 Jahren bei der Kriminalpolizei. Doch immer wieder erweckt seine Hautfarbe Irritationen.
Sein erster Fall führt in zu einer bizarr zur Schau gestellten Leiche auf einem Spielplatz. Der nackte Mann auf der Parkbank ist offenbar ertrunken. Wer wollte den Tod des harmlos scheinenden Waschsalon Besitzers?
Stefan Moses bekommt eine neue Mitarbeiterin zur Seite gestellt. Katja Helwig ist eine vielschichtige Persönlichkeit, aufgewachsen in einer Plattenbausiedlung mit alkoholkranken Eltern war Aggressivität ihr Schutzpanzer. Das hat sie bis heute noch nicht unter Kontrolle bekommen.
Die Ermittlungen gestalten sich kompliziert, es gibt zwar einige Spuren, sie scheinen jedoch im Sand zu verlaufen. Dabei hilft es Moses, dass er durch seine Eltern zu den honorigen Kreisen Hamburgs Zugang hat, dieser mehr als gutbürgerliche Hintergrund ist aber den Kollegen nicht bekannt.
Der Kriminalfall ist interessant aufgebaut und Stefan Moses ein richtiger Sympathieträger. Seine Arbeit wird realistisch dargestellt, ebenso wie die kleinen Szenen, in denen er den üblichen Vorurteilen ausgesetzt ist. Durch die sehr konträren Charaktere der Kriminalisten gibt es im Team viele Reibungspunkte. Das kann manchmal noch zusätzliche Würze verleihen, war mir hier aber zu plakativ und zu sehr auf Stereotypen aufgebaut. Muss es denn in jedem Kommissariat den aufgeblasenen und publicitygeilen Wichtigtuer als Polizeichef geben?
Sehr gut gefallen haben mir die Schauplätze, der Hamburger Hafen, die Probleme der alteingesessenen Reeder mit der unter Billigflaggen fahrenden Konkurrenz ergab einen farbigen und kontrastreichen Hintergrund. Den Krimi habe ich gern gelesen, ich war sofort im Geschehen und habe grade auch die detailreich geschilderte Ermittlerarbeit als spannend und realistisch empfunden.
Es gab zwar im Mittelteil einige kleine Längen – auch die üblichen Probleme in der privaten Beziehungskiste durfte thematisiert werden – das hat aber meinem Lesespaß kaum Abbruch getan. Mich erinnerte das Buch ein wenig an die sonntäglichen Tatortfolgen: ich weiß, was mich erwartet und fühle mich deshalb gut unterhalten.
Beim ersten Band mit seinem Ermittler Stefan Moses hat der Autor alles richtig gemacht und ich bin gespannt auf eine Fortsetzung, den Potential nach oben ist noch da.

Veröffentlicht am 13.02.2019

Interessantes Debüt

Der Patriot
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Pascal Engman ist eine neue Stimme am illustren Schweden-Krimi – Himmel. Mit seinem Debüt „Der Patriot“ hat er sofort einen Bestseller gelandet.


Sicher liegt das auch am Plot seines Kriminalromans: Nach ...

Pascal Engman ist eine neue Stimme am illustren Schweden-Krimi – Himmel. Mit seinem Debüt „Der Patriot“ hat er sofort einen Bestseller gelandet.


Sicher liegt das auch am Plot seines Kriminalromans: Nach ständigen Drohungen gegen die „Lügenpresse“ wird eine bekannte links-liberale Journalistin brutal ermordet. Natürlich wird das Delikt in rechten Kreisen verortet. Aber als Leserin bin ich weiter, denn Engman gewährt mir einen Einblick in das Denken von Carl Cederhjelm. Ein Mann, der die Kultur der Schweden gegen alles Fremde verteidigen will, der sich zurückgesetzt fühlt und genug nach von Flüchtenden aus dem Nahen Osten, die alle nach Schweden wollen. Es gibt nur ein Ziel für Ihn, er muss ein Zeichen setzen, muss diejenigen zum Schweigen bringen, die von einer bunten, multikulturellen Gesellschaft träumen. Und er ist nicht allein! Er zieht seine blutige Spur durch das Land.


Ein weiterer Erzählstrang führt uns nach Südamerika. Anton Novak hat vor 10 Jahren Schweden verlassen, nicht freiwillig. Er wurde straffällig und ist in der Fremdenlegion untergetaucht. Später als Söldner und Bodyguard für zwielichtige Drogenbarone tätig, hat er sich trotz allem eine Art Gerechtigkeitssinn bewahrt und ein tragischer Verrat lässt ihn noch einmal nach Schweden zurückkommen und den Weg Cederhjelms kreuzen.


Der Autor ist selbst Journalist und hat sich unter dem Druck von Morddrohungen aus rechtspopulistischen Kreisen aus dem aktiven Journalismus zurückgezogen. Dass er weiß, wovon er schreibt, merkt man jeder Zeile an. Das gibt dem Kriminalroman eine realistische Dichte, die kaum auszuhalten ist. Es liest sich seitenweise wie eine Bestandsaufnahme des rechtsgerichteten Populismus, der seit Jahren die liberalen europäischen Demokratien bedroht. Der Aufstieg der rechten Parteien ist dabei nur ein Indiz.


Dabei vergisst der Autor an keiner Stelle die Spannung, die sich auch aus den Nebenhandlungen ergibt. Das Buch hat ein außerordentlich hohes Tempo und obwohl die Leser die Täter und deren Beweggründe kennen, bleibt es völlig offen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt.


Ich fand den Kriminalroman wirklich beachtlich, habe mich aber zunehmend gefragt, warum dem Südamerika Part von Anton Novak so viel Raum eingeräumt wurde. Obwohl auch dieser Teil spannend ist, war er für mich für den eigentlichen Plot nicht entscheidend. Das wäre eher Stoff für ein weiteres Buch gewesen.


Realistisch, aktuell und hart, ein neuer Autor, der das Entdecken lohnt.