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Veröffentlicht am 05.08.2019

Achtsam morden

Achtsam morden
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Björn Diemel bekommt von seiner Frau Katharina ein Ultimatum gestellt: Wenn er ihre Ehe retten will, muss er das Achtsamkeits-Coaching von Joschka Breitner absolvieren. Der auf seinem Gebiet brillante ...

Björn Diemel bekommt von seiner Frau Katharina ein Ultimatum gestellt: Wenn er ihre Ehe retten will, muss er das Achtsamkeits-Coaching von Joschka Breitner absolvieren. Der auf seinem Gebiet brillante Strafverteidiger im Dauerstress soll dort lernen, sich zu entspannen und seine Lebenseinstellung achtsam zu optimieren, um so Beruf und Familie in Einklang bringen zu können.

Trotz reichlicher Vorbehalte lässt sich Björn – vor allem im Interesse seiner geliebten Tochter Emily – darauf ein und findet erstaunlich schnell Gefallen an der neuen Achtsamkeit. Er verinnerlicht die ihm vermittelten Thesen so gut, dass er sich kurzer Hand einiger störender Faktoren entledigt:

Sein Bäh-Mandant Dragan Sergowicz, ein brutaler Zuhälter, Großdealer und Waffenhändler, segnet im Kofferraum von Björns Wagen das Zeitliche, als sich dieser mit Töchterlein auf den Weg ins Wochenende befindet. Zuvor hatte Dragan auf einem Autobahnrastplatz den „Mitarbeiter“ seines größten Konkurrenten Boris angezündet und mit einer Eisenstange erschlagen. Dumm nur, dass er währenddessen von einer auf Busreise befindlichen Schulklasse gefilmt wird und nun erwartet, von seinem Anwalt aus dem Schlamassel gezogen zu werden. Was ja wohl prächtig gelingt.

Björn ist so achtsam, dass er zudem seinen in den letzten Jahren ungeliebten Job kündigt, nicht ohne allerdings gleichzeitig eine ansprechende Abfindung auszuhandeln.

Obwohl ihm das alles bereits eine wohlige Gelassenheit verschafft, liegen weitere Probleme auf dem Tisch: Björn wird nicht nur von der Polizei beobachtet, sondern auch vom rivalisierenden Bandchef Boris, der aus Rache durchaus zu einem Krieg bereit ist. Deshalb muss Björn dafür sorgen, dass niemand mitbekommt, dass Dragan die Luft ausgegangen ist und er in kleine Einzelteile zerlegt wurde. Hilfreich dabei dürfte auf jeden Fall der Daumen sein, der schon zu Dragans Lebzeiten als Siegel zum Einsatz kam.

Und wäre das nicht schon schlimm genug, muss Björn schnellstens einen Kindergartenplatz für Emily auftreiben, nahezu unmöglich angesichts der desaströsen Situation in der Stadt.

Wie gut, dass Björn inzwischen gelernt hat, wie er sich den Herausforderungen stellen kann. Denn angesichts der Tatsache, dass es um nichts geringeres geht als um sein und das Leben seiner Familie, ist nicht nur Achtsamkeit gefragt...


„Achtsam morden“ ist kein klassischer Kriminalroman. Zwar gibt es reichlich Tote, da jedoch von Anfang an bekannt ist, wer hier achtsam mordet, ist dies ziemlich unwichtig. Vielmehr darf Karsten Dusses Held, der gestresste Anwalt Björn Diemel, in einer sympathischen Art und Weise agieren, die dank eines lebhaften Bilderreigens einen hohen Unterhaltswert hat, aber hinsichtlich des Spannungsfaktors entschleunigt ist. Obwohl der Leser im Grunde Mörder verabscheuungswürdig findet, lässt er seinen moralischen Kompass wohlwollend in Richtung Björn ausschlagen, ja wünscht ihm sogar, dass seine unkonventionellen Vorhaben von Erfolg gekrönt sein mögen und er nicht entdeckt wird.

Karsten Dusse, selbst Rechtsanwalt, balanciert seine Geschichte geschickt aus und mischt niveauvoll schwarzen, bitterbösen Humor und überzogene Klischees des Bandenmilieus mit kritischen, satirischen Anmerkungen zu bürgerlichen Alltagsproblemen sowie politisch inkorrekten Meinungsbildern.

Daneben hat „Achtsam morden“ auch das Potential zum Ratgeber. Denn die Wirksamkeit der Weisheiten des Achtsamkeitscoaches Joschka Breitner in "Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte" dürfte auf einigen Widerhall treffen und ab und an in der realen Welt ebenfalls nicht von der Hand zu weisen sein...

Veröffentlicht am 30.06.2019

Kaltenbruch

Kaltenbruch
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1954 sind im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch die Folgen des Krieges noch spürbar. Neben der angestammten Dorfgemeinschaft leben hier jetzt unter anderem auch mehr schlecht als recht Flüchtlinge aus ...

1954 sind im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch die Folgen des Krieges noch spürbar. Neben der angestammten Dorfgemeinschaft leben hier jetzt unter anderem auch mehr schlecht als recht Flüchtlinge aus den einstmals deutschen Gebieten jenseits der Oder. Vor allem Frauen wie Berta Kaminski aus Breslau, ohne einen Mann, aber mit vielen Kindern, haben es schwer. Die Integration ist verhalten, Misstrauen/Argwohn und Ablehnung – bis auf wenige Ausnahmen – groß.

Während beispielsweise seine Geschwister Anfeindungen ausgesetzt sind, ist Rudi Kaminski anerkannt. Auch Marlene, die als Kind in Köln ausgebombt wurde und dabei ihre Mutter verlor, hat es nach Umwegen über Großmutter und Heim gut getroffen. Sie ist auf dem Bauernhof der Leitners, wo sie gemeinsam mit der Mutter einige Sommer verbracht hatte, untergekommen. Genauso wie Dana, deren Mutter den Platz der verstorbenen Frau Leitner eingenommen hat.

Da geschieht ein Mord und stellt das stillschweigende Arrangement der Dorfbewohner auf den Kopf. Der siebzehnjährige Heinrich Leitner, genannt Heini, liegt mit einer Axt hinterrücks erschlagen auf dem Erdbeerstand, an dem er kurz zuvor noch mit Marlene gesehen worden war. Statt ihrer wird Gruber, ein Dorfbewohner, der bekanntermaßen dem Alkohol verfallen und keiner Schlägerei in der Kneipe abgeneigt ist, blutbesudelt am Tatort aufgefunden. Allerdings beteuert er vehement seine Unschuld. Und Schlüter, Fabrikant und sein Arbeitgeber, nur sekundär an Politik interessiert, einer, der immer alle gut behandelt (hat, auch die Zwangsarbeiter), besorgt ihm einen Anwalt.

Es ist am Düsseldorfer Kommissar Peter Hoffmann, die Frage zu klären, ob Gruber der Täter ist. Unterstützung erhält er vom jungen schlaksigen Polizeimeister Kröger, der im Dorf seinen Dienst verrichtet, und Lisbeth Pfau, die zunächst lediglich kommentarlos als Schreibkraft fungieren soll, dann aber beweist, dass sie durchaus zu eigenen klugen Überlegungen fähig ist.

Schnell beißt sich der äußerst unwillig agierende und überheblich wirkende Hoffmann an Gruber als Täter fest und will diesen so möglichst bald überführen, um das Provinznest verlassen zu können. Doch nur wenige Tage später wird Gruber selbst zum Opfer und kommt gewaltsam zu Tode. Hat Heinis Mörder erneut zugeschlagen?


Michaela Küpper hat für ihr Debüt „Kaltenbruch“ einen interessanten, selten besehenen Zeitpunkt gewählt. Fast zehn Jahren nach dem zweiten Weltkrieg sind die Menschen zwar wieder zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt, die Nachwirkungen des Krieges prägen sie und ihren Alltag, der vor allem aus harter Arbeit besteht, indes immer noch. Die Dorfgemeinschaft ist nicht mehr unter sich. So wundert es nicht, dass Zugezogenen gegenüber wenig Akzeptanz bekundet wird, vielmehr Unbehagen und ebenso Missgunst vorherrschen. Die Autorin skizziert mit wachem Auge die unterschiedlichen Figuren, und nach einiger Zeit gelingt es, sie zuzuordnen. Die Darstellung zeigt sich als einleuchtend und glaubwürdig, erschließt jedoch das eine oder andere Mal erst im Verlauf der Handlung.

Peter Hoffmann sieht auf den ersten Blick aus wie ein Pennäler, verhält sich allerdings nicht so. Auch auf den zweiten Blick ist er kein Zeitgenosse, dem die Sympathie zufliegt. Vielmehr stößt die Art, wie er mit Gruber umgeht, unweigerlich ab. Aber auch Hoffmann hat sein Päckchen zu tragen und offenbart gewisse Schicksalsmomente, in denen das Verständnis für ihn wächst.

Der Plot in seinem historischen Gewand ist merkbar detailliert recherchiert und durchdacht. Er präsentiert einen kniffligen Kriminalfall, mit Raum für eigene Überlegungen, ohne diesen in den Mittelpunkt zu setzen. Die Geschichte wird wechselnd aus Sicht einzelner Figuren erzählt.

Michaela Küpper schreibt ohne Effekthascherei, zurückhaltend und manchmal distanziert, bringt das Wesentliche aber mit überzeugenden und ergreifenden Bildern nahe, besonders wenn es darum geht, die beklemmende Vergangenheit zu schildern. Dabei entsteht leider auch eine Gefühlskälte, die erst nach und nach aufgebrochen wird und im gegenwärtigen Geschehen nicht durchgängig tiefgreifende Emotionalität aufweist.

Trotzdem ist „Kaltenbruch“ ein lesenswerter Roman mit einer gut aufgearbeiteten Zeitgeschichte und Protagonisten, die sich in kein Korsett pressen lassen, deshalb auffallen und mögliches Potential für ein Wiedersehen bieten.

Veröffentlicht am 13.05.2019

Ein Sommer voller Himbeereis

Ein Sommer voller Himbeereis
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Esst ihr gern Eis? Besonders im Sommer in der größten Hitze erfrischen die kalten Köstlichkeiten. Ich mag Schokoladeneis, aber es sind für mich ab und an auch die Sorten Eis interessant, die nicht dem ...

Esst ihr gern Eis? Besonders im Sommer in der größten Hitze erfrischen die kalten Köstlichkeiten. Ich mag Schokoladeneis, aber es sind für mich ab und an auch die Sorten Eis interessant, die nicht dem klassischen Schema entsprechen und mit ausgefallenen Zutaten (Extreme allerdings ausgeschlossen) aufwarten. Beispielsweise jene, die Pauline in ihrem „Eishimmel“ kreiert. Da gibt es nämlich neben Himbeereis auch Rosmarinparfait mit Hibiskusblüten, Basilikumeis, Kokosmilch-Limette oder Sanddorn-Passionsfrucht-Sorbet.

Überhaupt ist Pauline eine aktive junge Frau. Mit ihrem Eiscafé hat sie sich einen Traum erfüllt, nachdem sie in ihrer Ausbildung zum Patissière in Paris kläglich gescheitert ist. Kuchen liegt ihr nicht, jedoch hat sie ein magisches Händchen für Eis und Dekoration und probiert immer wieder neue Rezepte aus. Mit ihrer Freundin Florence, die den backenden Part im Café übernommen hat, bildet sie ein gutes Team, und in ihrer Nachbarin Anna, der Betreiberin eines Antiquitätengeschäfts hat sie nach dem Tod ihrer Großmutter Toni, die in ihren Bestrebungen stets unterstützte, einen liebevollen Ersatz gefunden.

Leider steht Paulines Existenz auf dem Spiel. Durch einen für ihren Ex-Freund aufgenommen Kredit ist der finanzielle Spielraum sehr ausgereizt und sie hat Mühe, die monatlichen Belastungen auszugleichen. Als ob das nicht genug wäre, soll genau in ihrer am Stadtpark gelegenen Straße ein riesiges Einkaufscenter gebaut werden, für das alle alten Läden weichen müssen. Anna und Pauline ahnen nicht, dass Annas Sohn Oskar Initiator des Projektes ist und den gerade nach Deutschland zurückgekehrten Neffen Christian für seine Ziele „einspannt“. Für den gestaltet sich das schwierig, möchte er doch seine Großmutter nicht hintergehen. Und die Begegnungen mit der „Eisprinzessin“ Pauline verursacht bald auch eine Menge Bauchflattern...


Persephone Haasis debütiert mit „Ein Sommer voller Himbeereis“ und kredenzt mit ihrer Geschichte einen fruchtig-leichten Liebesreigen, in dem auch handfeste Probleme ihren Platz finden. Denn sie legt ihrem Paar ein paar Stolpersteine in den Weg und lässt die beiden eine ganze Weile hoffen und bangen. Hierfür hat die Autorin einen ruhigen Erzählrhythmus gewählt, der sich dem Ort und den Personen ihrer Handlung anpasst und es möglich macht, das Geschehen jederzeit zu begleiten und den zwischenmenschlichen Empfindungen nachzuspüren.

Manchmal zieht sich das Ganze allerdings, wenn Pauline zum wiederholten Male ihren Gedanken nachhängt. Die junge Frau träumt davon, jemanden an ihrer Seite zu haben, dem sie vertraut, der sie blind versteht und dem sie nichts erklären muss. Sie erhofft sich eine Schulter zum Anlehnen, damit sie die Welt einen Augenblick vergessen kann.

Eine Weile sieht es so aus, als ob Christian dieser Mensch sein kann. Zwar haben die beiden einen schlechten Start, entwickeln indes mit der Zeit Zuneigung, ohne dies sich selbst oder dem anderen einzugestehen.

Außerdem wäre da noch das Problem, dass Christian Pauline das Wichtigste verschweigt und mehr und mehr von seinem schlechten Gewissen niedergedrückt wird.

In ihrem ersten Roman hat Persephone Haasis viel Augenmerk auf die Gestaltung ihrer Protagonisten gelegt und verdeutlicht gelungen deren Entwicklung.

Pauline und Christian sind sich zunächst nicht sympathisch und lernen sich gezwungenermaßen näher kennen. Dabei stellt Pauline fest, dass Christian in einem Moment fürsorglich ist, im anderen aufgebracht und abweisend, was ihn anfänglich schwer einschätzbar für sie macht.

Pauline hingegen ist eine emotionale Person mit viel Herzblut. Sie gibt selten klein bei und ist äußerst schlagfertig, aber voller Befürchtungen, wieder verletzt zu werden. Tatsächlich zweifelt Pauline oft an sich und Christian und reagiert heftig und bei allem Verständnis angesichts der mit ihrem Ex-Freund erlebten Enttäuschung ein wenig überzogen.

Dabei kann sie viel offener sein. Sie steckt voller Ideen und Freundlichkeit, die sie an die Menschen weiterreichen möchte. So schreibt sie kleine Briefchen und wunderschöne Nachrichten und versteckt diese an den unterschiedlichsten Plätzen in Annas Laden und verhilft sich letzten Endes damit selbst zum Glück und dem Leser zu einem Wohlfühlende.

Veröffentlicht am 22.04.2019

Liebe nicht erlaubt

Liebe nicht erlaubt
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Charlotte, die im Unternehmen ihres Vaters beschäftigt ist, soll mit einer entsprechenden Crew eine große Yacht von Triest nach Zypern überführen. Es ist das Verlobungsgeschenk für einen der Colfer-Brüder. ...

Charlotte, die im Unternehmen ihres Vaters beschäftigt ist, soll mit einer entsprechenden Crew eine große Yacht von Triest nach Zypern überführen. Es ist das Verlobungsgeschenk für einen der Colfer-Brüder. Charly hat keine angenehmen Erinnerungen an Dorian und Devin, sondern spürt nur pure Abscheu. Denn bereits als Kind war sie den Hänseleien und bösartigen Streichen der beiden ausgesetzt.

Tatsächlich wird Dorian seinem Ruf als Fiesling auf jeden Fall gerecht. Devon jedoch entpuppt sich wider Erwarten nicht als der Mann, den Charly erwartet hat. Vielmehr wirft seine anfänglich Reserviertheit sie total aus der Bahn, so dass sie hinter seine Fassade sehen will. Sein melancholischer Blick berührt ihr Herz. Devin scheint ernsthaft an ihr interessiert und nicht nur daran, sie als Lustobjekt zu betrachten, wie es Dorian mit jeder Frau, die in seine Reichweite gelangt, tut. Devin ist nicht nur behutsam und zurückhaltend, sondern auch energisch und zielorientiert, und Charly kann sich seinem Charme nicht entziehen. Er verspricht ihr nichts, und Charly ist bewusst, dass eine Beziehung mit Devin nicht von Dauer sein wird. Da sie aber längst Feuer gefangen hat, beginnt sie eine Affäre mit ihm und versinkt bald in einem Strudel ihrer Sehnsucht. Sie vermutet, dass das Ende der Reise schmerzhaft ist, und ahnt nicht, wie sehr sie verletzt wird...


„Liebe nicht erlaubt“ mutet zunächst wie eine klassische Liebesgeschichte an, in der die Liebe – wie es der Titel bereits aussagt – nicht erlaubt ist. Doch Manuela Fritz gestattet sich, der aus Sicht von Charly und Devin erzählten glaubhaften Geschichte neben leichten und frischen Szenen zudem einen ernsten Hintergrund mit durchaus traurigen Momenten zu geben.

Die Autorin lässt ihre Figuren vor allem auf beschränktem Raum der Yacht agieren und ihre Gefühle entwickeln. Im Verlauf der Ereignisse bindet Manuela Fritz ebenso die Umgebung mit ein und punktet hier mit Lokalkolorit.

In der Handlung gibt es viele Andeutungen, doch wenn es um den Akt als solches geht, blendet Manuela Fritz das Geschehen aus. Damit macht sie deutlich, dass nicht die Erotik im Vordergrund steht, sondern die Emotionen ihrer Protagonisten. Vielleicht hätte sie Charly und Devin zumindest eine Szene gönnen sollen...

An ihrer Figurenführung gibt es bis auf kleine Abstriche nichts zu bemängeln. Mit Charlotte und Devon hat sie sympathische und ansprechende Menschen kreiert, die sich durch eine lebendige Empfindungswelt auszeichnen und neben ihren Stärken auch ein paar Schwächen besitzen.

Charly verlässt nicht gern die Wohlfühlzone ihres Schreibtisches und steht im Mittelpunkt. Sie ist geschickt, ein Organisationstalent und behält den Überblick. Der direkte Umgang mit Kunden liegt ihr nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um solch ein arrogantes, gemeines, boshaftes und halt- und rücksichtsloses Ekelpaket wie Dorian Colfer handelt, der im Luxus schwelgt und den sie wegen der vielen Drangsalierungen in der Kindheit hasst.

Auch Devin gilt anfänglich ihre Abneigung. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder hat er sich verändert. Er schätzt zwar die Annehmlichkeiten, die ihm auf Grund der Vermögenssituation der Familie geboten werden, verabscheut aber die Zurschaustellung, wie sie sein Bruder pflegt. Gegen den Strich geht ihm außerdem, dass er Dorians Arbeit erledigt, ohne die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu erhalten, und ständig hinter diesem aufräumen muss, wenn er wieder einmal über die Strenge schlägt.

Und doch ist es Devin, der Charly etwas verheimlicht und nicht aufrichtig zu ihr ist...

Wer also eine Liebesgeschichte mit viel Gefühl und ein wenig Drama lesen will, ist mit „Liebe nicht erlaubt“ gut beraten.

Veröffentlicht am 08.03.2019

Moses und das Schiff der Toten

Moses und das Schiff der Toten
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Stefan Moses sticht aus der Masse hervor, und sein Erscheinen sorgt für Irritationen. Hieran hat sich in fast fünfzehn Dienstjahren bei der Kriminalpolizei Hamburgs nichts geändert. Denn der elegant gekleidete ...

Stefan Moses sticht aus der Masse hervor, und sein Erscheinen sorgt für Irritationen. Hieran hat sich in fast fünfzehn Dienstjahren bei der Kriminalpolizei Hamburgs nichts geändert. Denn der elegant gekleidete Mann wurde in Afrika geboren, und nicht wenige begegnen ihm mit einer Mischung aus Anspannung und Misstrauen. Moses reagiert darauf mit einer gewissen Seelenruhe und Nonchalance.

Für einen neuen Fall werden er und seine Kollegen auf einen Spielplatz gerufen. Dort sitzt ein nackter Mann auf einer Bank, als würde er zur Schau gestellt werden. Auch die Todesursache gibt Rätsel auf. Offensichtlich ist der Mann im Meer ertrunken und dann nach Hamburg transportiert worden. Warum macht sich jemand die Mühe? Und was sind das für durchsichtige Kreaturen, die sich aus seinen Körperöffnungen herauswinden?

Moses ist ein akribischer Ermittler. Je schwieriger eine Nuss zu knacken ist, je raffinierter der Täter zu Werke geht, desto mehr genießt er die Jagd. Doch bei diesem Fall passt irgendwie nichts zusammen, und trotz einiger Spuren erweist sich deren Verfolgung als Sackgasse. Wenn es nur das wäre. Zurechtkommen muss Moses auch damit, dass sein Chef ihm höchstpersönlich eine neue Mitarbeiterin aufs Auge drückt.

Und noch etwas beunruhigt Moses: Eine innere Stimme sagt ihm, dass ihn dieser Fall an seine persönlichen Grenzen führt…


„Moses und das Schiff der Toten“ ist eine klassische Kriminalgeschichte, die von einem Zusammenspiel aus Ermittlungsarbeit und privaten Gegebenheiten der agierenden Personen lebt.

Ortwin Ramadan baut den Fall gekonnt auf, bietet eine durchdachte Handlung an realen Hamburger Schauplätzen und unter anderem einen wirklichkeitsnahen Einblick in die tägliche Routine der Kriminalkommissare, die oft von einer eintönigen Spurensuche geprägt ist. Der Autor schlägt einen wohltuend ruhigen Ton an, der zur Hansestadt und ebenso zum Ermittlerteam passt. Ferner wird der Roman sprachlich in annehmbar menschlicher Weise erzählt, mit wenigen Abstrichen wegen einiger Wiederholungen und grammatikalischer Fehler.

Moses und seine Kollegen sind trotz mancher Reibungen untereinander ein eingespieltes Team. Frischen Wind erhält das Ganze durch die Neue, Katja Helwig, die sich nach drei Jahren beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) versetzen ließ und auffällt, nicht nur weil sie sich das eine oder andere Mal im Ton vergreift oder mit schnellen Urteilen reagiert.

Mit fortschreitenden Ereignissen erhöht Ortwin Ramadan den Spannungsfaktor und setzt auch in Puncto Emotionalität eine Schippe drauf. Das kommt genauso gut an wie das Ringen von Moses um Bekenntnisse in seiner Beziehung zu Juliane und die Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, von der er Albträume hat.

„Nichts war grausamer als die Stille davor. Wenn die Welt in einem einzigen stummen Schrei erstarrte und die Angst seine Seele fraß, bis allein das rasende Tier in ihm übrig blieb.“

Der Autor offeriert insbesondere mit Stefan Moses und Katja Heil interessante und ungewöhnliche Ermittler. Es ist die dunkle Hautfarbe von Moses, die bei einigen unverhohlene Abneigung hervorruft. Damit hat er gelernt umzugehen, und es gibt wenig, was ihn in Rage versetzt. Fehlende Loyalität beispielsweise.

Nach dem Unfalltod seiner Adoptiveltern ist er über Nacht zu einem wohlhabenden Mann geworden, der sich im Grunde nichts aus materiellen Dingen macht, lediglich das in den 1920er-Jahren erbaute Mietshaus am Ende der Forsmannstraße in Winterhude kaufte. Keiner der Mieter ahnt allerdings, dass dem schwarzen Polizist aus der Dachwohnung das Haus gehört.

Auch Katja Helwig entspricht so gar nicht dem Bild einer herkömmlichen Kriminalbeamtin, trägt sie doch Piercings und rappelkurze Haare. Zudem ist ihr familiärer Hintergrund – das Aufwachsen im Plattenbau bei alkoholkranken Eltern – äußerst prekär. Sie neigt in Fällen, in denen sie das subjektive Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden, zu diffusen Aggressionsschüben, etwas, das Moses überhaupt nicht gebrauchen kann. Entsprechend lässt sich die Zusammenarbeit zunächst nicht optimal an.

Die Nebenfiguren haben Potential, allein beim Polizeidirektor überzieht der Autor. Als Mann, der sich überaus wichtig nimmt, großspurig verhält und vor allem am eigenen Erfolg interessiert ist, wird er in ein stereotypes Bild gepresst, auf das eher verzichtet werden kann.

Insgesamt aber legt Ortwin Ramadan einen lesenswerten, traditionellen Kriminalroman vor, der mit Lokalkolorit und unkonventionellen Protagonisten punktet, die sich für den nächsten Fall noch ein paar ungelöste Geheimnisse bewahren.