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Veröffentlicht am 22.07.2019

Jeder, der Enno Brodersen kannte, wollte ihn tot sehen

Blutmöwen
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Für die Kommissarin Helene Christ ist dies bereits der fünfte Fall, für mich war es ihr erster. Ich kannte die Bücher von H. Dieter Neumann noch nicht, bin aber froh, das nun geändert zu haben, denn „Blutmöwen“ ...

Für die Kommissarin Helene Christ ist dies bereits der fünfte Fall, für mich war es ihr erster. Ich kannte die Bücher von H. Dieter Neumann noch nicht, bin aber froh, das nun geändert zu haben, denn „Blutmöwen“ hat mich richtig gepackt. Gleich zu Beginn gab es eine Szene, die mich direkt etwas verstört hat, denn ich wusste bisher nicht, dass Möwen anscheinend wirklich alles fressen! Also gab es am Rande gleich ein wenig Naturkunde für mich. Der Fall um den toten Bauern Brodersen ist verzwickt, und lange Zeit scheint es so, als könnte ihn Helene Christ mit ihren Kollegen nicht lösen. Zu viele Feinde scheint Brodersen zu haben, die ihm nach dem Leben hätten trachten können, oder war es vielleicht doch Selbstmord?. Im Umfeld des Opfers stoßen Kommissarin Christ und ihre Mitarbeiter auf eine Mauer aus Hass, Verstocktheit, Vorurteilen und Bigotterie. Die einzelnen Charaktere werden ausführlich beleuchtet, und es ergeben sich immer mehr interessante und relevante Aspekte. Nach und nach webt der Autor ein dichtes Netz aus einzelnen Fäden. Ob sich der Täter darin verfängt? Das muss jeder selbst erfahren und diesen Krimi lesen. Es lohnt sich auf jeden Fall, auch wenn es im letzten Viertel für mein Empfinden ein paar Ungereimtheiten gab.

Veröffentlicht am 20.07.2019

Fesselnd, romantisch und ein klein wenig unheimlich

Die vergessene Burg
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Die junge Paula Cooper lebt als Gesellschafterin bei einer kränklichen Verwandten. So recht zufrieden ist sie nicht mit ihrem Schicksal, denn sie hat den Eindruck, dass es Cousine Harriet immer dann plötzlich ...

Die junge Paula Cooper lebt als Gesellschafterin bei einer kränklichen Verwandten. So recht zufrieden ist sie nicht mit ihrem Schicksal, denn sie hat den Eindruck, dass es Cousine Harriet immer dann plötzlich schlecht geht, wenn sich für Paula gerade mal ein wenig Abwechslung bieten würde. Sie vereinnahmt Paula völlig, aus welchen Gründen auch immer. Auf mich machte Cousine Harriet von Anfang an einen selbstsüchtigen Eindruck. Das Arrangement, dass Paula bei der Cousine leben soll, wurde von ihrer Mutter getroffen. Als ein Brief aus Bonn für Paula eintrifft, erfährt die junge Frau das nur durch einen Zufall. Ihr schwer kranker Onkel Rudy, von dessen Existenz sie keine Ahnung hatte, schreibt ihr und bittet sie, zu ihm zu kommen. Die Enttäuschung über ihre Mutter und Cousine Harriet, die anscheinend unter einer Decke stecken und ihr etwas verheimlichen, lässt in Paula schnell den Entschluss reifen, die Einladung des Onkels anzunehmen. Paula hofft, von ihm etwas mehr über ihren verstorbenen Vater zu erfahren.
Allein reist die junge Frau an den Rhein und wird von ihrem Onkel sehr herzlich aufgenommen. Auch er möchte die Wahrheit über die Umstände erfahren, die damals zum frühen Tod seines Bruders geführt haben. Paula war noch ein Kleinkind, als sie ihren Vater verlor, und im Lauf der Zeit erfährt sie seltsame Dinge rund um dessen Tod. Bei ihrem Onkel Rudy findet sie endlich so etwas wie familiäre Zuneigung. Bonn und die Landschaft am Rhein fasziniert Paula, und nur zu gerne hilft sie ihrem Onkel in seinem Geschäft mit Touristenbedarf.
Bei einem Ausflug, um Land und Leute besser kennen zu lernen, begegnet Paula dem Fotografen Benjamin Trevor. Der erste gegenseitige Eindruck ist nicht gerade gut, denn Benjamin benimmt sich ihr und ihrer Begleiterin gegenüber sehr unhöflich, und Paula reagiert äußerst ungehalten. Wenig später findet unter einem völlig anderen Aspekt eine weitere zufällige Begegnung statt, die alles verändert und eine freundschaftliche Verbundenheit zwischen den jungen Leuten entstehen lässt, so dass Benjamin Paula hilft, Antworten auf die vielen offenen Fragen um die Vergangenheit zu finden.
Inmitten einer wundervoll beschriebenen Kulisse am Rhein stellt sich Paula den Rätseln der Vergangenheit. Auch ihr Onkel Rudy hat ein Geheimnis, wenn dieses auch sehr persönlich ist und nicht im Zusammenhang mit dem Tod von Paulas Vater steht. Der Klappentext war für mich in dieser Hinsicht ein wenig irritierend.
Die Darstellungen der verschiedenen Charaktere haben mir sehr gut gefallen. Paula und ihr Onkel waren mir auf Anhieb sympathisch, während Benjamin erst auf den zweiten Blick punkten konnte. Wundervoll sind die Landschaftsbeschreibungen und die Schilderungen diverser Sehenswürdigkeiten in Bonn und Umgebung. Der Schreibstil des Romans ist fesselnd und kurzweilig. Je weiter ich las, umso neugieriger wurde ich auf die Zusammenhänge und die Lösung, denn alles lässt sich ziemlich geheimnisvoll an, und lange weiß man nicht, in welche Richtung die Geschichte führt.
Bei der „vergessenen Burg“ handelt es sich um die Ruine Ehrenfels bei Rüdesheim. Was Paula mit dieser alten Burg verbindet, ist ein Geheimnis, das es zu lösen gilt. Das Ende der Geschichte war dann doch ziemlich schaurig und für mich nicht völlig glaubwürdig. Aber das tat dem Lesevergnügen keinen Abbruch, und ich habe trotzdem jede Seite des Romans genossen.

Veröffentlicht am 17.06.2019

Das perfekte Urlaubsbuch - nicht nur für Rom-Reisende!

Pizza Amore
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Mit ihrem Roman „Pizza Amore“ entführt uns Brigitte Kanitz nach Rom, genauer gesagt in die Vatikanstadt, denn dort hofft Sina, Hilfe zu finden. Die norddeutsche Grundschullehrerin leidet unter einer Menschen-Phobie, ...

Mit ihrem Roman „Pizza Amore“ entführt uns Brigitte Kanitz nach Rom, genauer gesagt in die Vatikanstadt, denn dort hofft Sina, Hilfe zu finden. Die norddeutsche Grundschullehrerin leidet unter einer Menschen-Phobie, die sich in einer Essstörung äußert, und diese Phobie hat sie ihrem Onkel Thilo zu verdanken, der als Kardinal im Vatikan lebt, und sie hofft, dass er auch wieder etwas dagegen tun kann. Sinas Nachbarin Esther, verwitwete Schulrektorin im Vorruhesand, muss ihre ganze Überredungskunst aufbieten, um die junge Frau zu dieser Romreise zu bewegen, denn Sina würde sich am liebsten einigeln, vor allem nach einem peinlichen Vorfall während eines Sommerfestes der Schule. Die erste Zeit nach ihrer Ankunft in Rom meidet sie auch Menschenansammlungen, während sich die zweiundsechzigjährige Esther hoffnungslos in einen jungen Schweizer Gardisten verknallt. Auch Sina hat sich unrettbar verliebt, seit sie den schönen Pietro das erste Mal auf einem Foto gesehen hat. Aber auch ihre Liebesgeschichte hat einen Haken, denn Pietro lebt, wie Sinas Onkel, in der Vatikanstadt und ist Priester.
Während Esther, wenn sie nicht gerade um ihren jungen Offizier herum schleicht, ihre Freundin Sina schon in eine Lovestory à la „Dornenvögel“ verstrickt sieht, hat diese ganz andere Sorgen, denn ihre Angststörung lässt sich gar nicht so einfach überwinden, und ob Onkel Thilo ihr wirklich helfen kann?

Ich habe diesen Roman wieder mit großem Vergnügen gelesen, denn er hat alles, was man sich von einer humorvollen Urlaubs- und Sommerlektüre erwartet. Die Charaktere sind originell und gut gezeichnet, und die Atmosphäre der Ewigen Stadt hat die Autorin in all ihren Facetten wunderbar eingefangen. Die Story ist erfrischend und humorvoll geschildert, und es kommt zu einigen kuriosen Begebenheiten, die mir so manches Schmunzeln entlockt haben. Natürlich kommt auch die Romantik nicht zu kurz, wenn sich auch vieles nicht so entwickelt wie gedacht, und so kam mir zuletzt der Spruch in den Sinn: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“.
Von mir bekommt „Pizza Amore“ eine glatte Leseempfehlung, denn es ist die ideale Urlaubslektüre, nicht nur für Rom-Reisende.

Veröffentlicht am 15.05.2019

Strandkörbchen und Wellenfunkeln

Strandkörbchen und Wellenfunkeln
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Mein Eindruck:
Petra Schiers neuester Roman führt uns wieder nach Lichterhaven. Das ist für mich schon so etwas wie eine Wohlfühlgarantie, denn die bisherigen Lichterhaven-Romane, die ich gelesen habe, ...

Mein Eindruck:
Petra Schiers neuester Roman führt uns wieder nach Lichterhaven. Das ist für mich schon so etwas wie eine Wohlfühlgarantie, denn die bisherigen Lichterhaven-Romane, die ich gelesen habe, konnten mich mit ihrem Charme verzaubern, und ich kann gleich vorweg sagen, so war es auch diesmal wieder. Dazu aber später mehr, denn der Anfang der Geschichte ist erst einmal alles andere als schön! Lars, der sich auf dem Heimweg von einer Geschäftsreise befindet, wird Zeuge, wie ein Fremder zwei Welpen an einer Raststätte aussetzt. Damit nicht genug, quält er die armen Tiere, bevor er sie ihrem Schicksal überlässt. Für einen der beiden jungen Hunde kommt jede Hilfe zu spät. Der andere Welpe, ein kleiner Golden-Retriever, hat das Glück, dass sich Lars seiner Annimmt. Die junge Tierärztin Luisa staunt nicht schlecht, als ausgerechnet der Mann, der ihr acht Jahre zuvor das Herz gebrochen hat, nun mit einem niedlichen kleinen Hund bei ihr in der Praxis auftaucht, weil der Welpe dringend ärztliche Hilfe braucht. Lars war früher ein richtiger „Bad Boy“, der nichts hat anbrennen lassen. Dass er sich nun so für den kleinen Hund einsetzt und sich um ihn sorgt, spricht für ihn und lässt vermuten, dass er sich in den vergangenen Jahren verändert hat. Lars war Luisas erste große Liebe, bevor er sie damals ohne ein Wort verließ. Nun kommt er ihr wieder gefährlich nahe, und die alten Gefühle flammen erneut auf. Lars aber kann oder will sich nicht verlieben, was auf einige dramatische Erlebnisse in seiner Vergangenheit zurückzuführen ist. Man stellt sich hier die Frage, geht das wirklich? Kann man seine Gefühle so komplett wegsperren und in Zaum halten? Der Roman wird es im Lauf der Zeit zeigen, ob es Lars gelingt, emotionalen Abstand zu Luisa zu halten, denn man spürt zwischen den Zeilen, dass es gewaltig zwischen den beiden knistert.
Nach dem ernsten, tragischen Beginn wird man als Leser wieder mitgenommen in die schöne Atmosphäre des kleinen Küstenortes Lichterhaven. Viele Schauplätze dort waren mir bereits von den ersten beiden Bänden bekannt, und ich fühlte mich sofort wieder heimisch. Auch vielen „alten Bekannten“ aus den früheren Romanen begegnet man wieder, kein Wunder, denn Luisa ist die kleine Schwester von Alex und Christina, den Protagonisten der ersten beiden Bände. Natürlich ist auch die ganze Familie der Geschwister wieder vertreten, und wie man es schon gewohnt ist, üben sich die Messners nicht gerade in vornehmer Zurückhaltung, sondern mischen sich schon mal ein, wenn sie es für nötig erachten und es um das Glück ihrer Kinder bzw. Geschwister geht. Diese Einmischung bekommt Lars deutlich zu spüren, denn sein Freund Alex versteht keinen Spaß, wenn jemand seiner jüngeren Schwester das Herz bricht.
Es ist ein Liebesroman, und wie man es von diesem Genre kennt, sind auch einige erotische Szenen in die Handlung eingebaut, in diesem Band sogar noch mehr als sonst. Ich bin kein Fan von seitenlang ausgeschmückten und bis ins Detail geschilderten Liebesszenen, denn letztendlich laufen sie ja doch immer ziemlich ähnlich ab, aber da scheiden sich bekanntlich die Geister, und es ist unmöglich, es jedem recht zu machen. Hier muss ich auch wirklich sagen, Petra Schier versteht ihr Handwerk. Ihre erotischen Szenen wirken nie plump oder geschmacklos, sondern sind stets ästhetisch und gefühlvoll dargestellt, und die Episoden stehen nicht losgelöst für sich, sondern passen in die Handlung und erfüllen dort auch einen ganz gewissen Zweck. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Luisa und Lars ist spannend zu verfolgen, denn vor allem Lars ist ein Protagonist, der zwar sehr sympathisch wirkt, dabei aber jede Menge Ecken und Kanten hat. Aber er hat nicht mit Luisas Hartnäckigkeit gerechnet, denn die junge Frau ist nicht nur zielstrebig, wenn es um ihre berufliche Zukunft geht, sondern sie setzt auch im Privatleben alles auf eine Karte, wenn sie etwas erreichen möchte.
Meine absoluten Highlights im Roman waren aber die Passagen aus der Sicht des kleinen Golden-Retriever-Mädchens, das Lars gerettet hat. Jolie, wie er die Kleine nennt, ist einfach bezaubernd. Einerseits wirken ihre „Gedanken“ wie die eines noch kleinen, naiven Hundekinds, andererseits hat die kleine Jolie schon so viel Schlimmes in ihrem kurzen Hundeleben erfahren, dass sie oft ängstlich und misstrauisch reagiert und nur langsam Vertrauen fasst. Manchmal wäre ich am liebsten ins Buch hinein gekrochen und hätte die Kleine ganz fest in den Arm genommen. Diese persönlichen Eindrücke aus der Sicht ihrer vierbeinigen Protagonisten sind das Besondere an Petra Schiers Romanen, und wie es der Autorin jedes Mal gelingt, dabei den Charakter des jeweiligen Hundes so gut zu treffen, fasziniert mich immer wieder neu.
Im Lauf der Handlung gab es ein paar Begegnungen, die darauf schließen lassen, dass es weitere Lichterhaven-Romane geben wird. Ich freue mich heute schon auf ein Wiedersehen mit dem kleinen Ort und seinen liebenswerten, zweibeinigen und vierbeinigen Bewohnern.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Eindrucksvolles historisches Drama um Drillinge im 14. Jahrhundert

Die Blütentöchter
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Drillinge sind selten und auch heute noch etwas Besonderes. Im 14. Jahrhundert war diese Besonderheit den Menschen nicht geheuer, so auch die Laemmlin-Schwestern in Heilbronn. Viele sahen in ihnen das ...

Drillinge sind selten und auch heute noch etwas Besonderes. Im 14. Jahrhundert war diese Besonderheit den Menschen nicht geheuer, so auch die Laemmlin-Schwestern in Heilbronn. Viele sahen in ihnen das Böse und glaubten an Zauberei. So gesehen war dieses Wunder der Natur damals eher ein Fluch als ein Segen. Ein dummer Zufall bringt den Bußprediger Alardus auf die Spur der Drillinge, und indem er gegen sie wettert, ohne sie zu kennen, erreicht er damit, was er schon so lange wollte, dass ihm die Menschen zuhören. Was ihm zum Vorteil gereicht und sein Selbstbewusstsein aufbaut, wird den drei Schwestern fast zum Verhängnis. Aufgewiegelt durch die Worte des Predigers macht die aufgebrachte Menge die jungen Frauen für alles Unheil verantwortlich. Der Vater, dem seine Karriere wichtiger ist als die Sicherheit seiner ungeliebten Töchter, ist ihnen keine Hilfe in dieser Notsituation, ganz im Gegenteil. Als Götz Laemmlin, der Bruder von Eilika, Clementina und Imagina, bei dem schlimmen Hochwasser des Neckar, tödlich verunglückt, wenn auch durch seinen eigenen Leichtsinn, fällt auch das auf seine Schwestern zurück, in erster Linie auf Eilika, die zu diesem Zeitpunkt mit ihm unterwegs ist. Der Mob verlangt nach einem Gottesurteil, was unweigerlich ihren Tod bedeutet.
Wie es den Schwestern gelingt, aus der Stadt zu fliehen, wird in diesem fesselnden Roman eindrucksvoll dargestellt. Alle drei haben ein gemeinsames Geheimnis, in das nur ihre Mutter Luitgardis und die treue Magd Irma eingeweiht sind. Jede der Drillinge hat die besondere Gabe, Blüten in sehr lebensechter Weise zu gestalten, die eine aus Stoff gestickt, die andere auf Pergament gemalt und die dritte in Holz geschnitzt. Nach dem Verschwinden der jungen Frauen tauchen plötzlich immer wieder diese wunderschönen Blüten auf und geben Luitgardis die Hoffnung, ihre Töchter könnten noch am Leben sein. Aber die Blütenarbeiten geraten auch in falsche Hände von denen, die der Familie Laemmlin, insbesondere Volmar Laemmlin, schaden möchten und für die es daher Mittel zum Zweck ist, die Drillinge aufzuspüren.
Nach einem gemeinsamen Anfang spaltet sich die Handlung nach der Tragödie um die Familie Laemmlin auf, und wir verfolgen jede der drei Schwestern auf ihrem Schicksalsweg, der sie in eine ungewisse Fremde führt. Was die drei jungen Frauen unterwegs erleben, ist so eindringlich in Worte gefasst, dass man mit ihnen bangt und mitleidet. Anfangs werden die Drillinge etwas ausführlicher charakterisiert, denn so ähnlich sie sich auch sehen, so sind sie doch verschieden in ihrer Wesensart. Hier musste ich öfter nachschlagen, denn es hat eine Weile gedauert, bis ich die Schwestern „auseinanderhalten“ konnte. Aber mit der Zeit habe ich jede von ihnen ins Herz geschlossen. Während ihrer Flucht müssen alle drei immer wieder zu Notlügen greifen, denn sie haben einfach Angst um ihr Leben. Dass sie selbst darunter leiden, weil sie nicht einmal den Menschen die Wahrheit sagen können, die sie lieben, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Auch Luitgardis Laemmlin ist ein sympathischer Charakter, und dass sie zeitweise verbittert ist und zu ungerechten Handlungen neigt, sei ihr verziehen, denn immerhin hat sie alle vier Kinder innerhalb kurzer Zeit verloren. Die Art, wie ihr Gemahl mit ihr und auch mit seinen Töchtern umgeht bzw. umging, ist menschenverachtend, und mir wurde nur allzu sehr bewusst, wie unterdrückt die Frauen damals lebten. In diesem Buch verbirgt sich ein mitreißendes Historien-Drama, was der liebliche Einband mit den filigranen Blüten gar nicht vermuten lässt. Sehr eindrucksvoll erfährt man hier auch etwas über das Hochwasser, das im Jahr 1333 Heilbronn heimgesucht hat. Die daraus erwachsenden Probleme und Zwistigkeiten, die letztendlich Ludwig der Bayer durch das so genannte Neckarprivileg beigelegt hat, sind sehr realistisch in die fiktive Handlung eingebunden, und letztendlich hat auch beim Schicksal der Laemmlin-Drillinge der Kaiser das letzte Wort.
Ziemlich haarsträubend fand ich ja die Art der damaligen Rechtsprechung, wobei die Autorin im Nachwort extra erwähnt, dass sie sich hier an realen Quellen und Verhandlungen orientiert hat. Die Faktoren, die damals über Recht und Unrecht entschieden, so dass anscheinend jemand unschuldig verurteilt werden konnte, nur weil er einen Satz aus irgendwelchen Gründen nicht ganz fehlerfrei wiedergeben konnte, das hat mich schon schockiert.
Im Gesamtbild hat mir der Roman ausgezeichnet gefallen; es sind eher ein paar Kleinigkeiten, die mich etwas irritiert oder gestört haben, die ich hier nicht genauer erläutern möchte, da ich sonst unweigerlich zu sehr spoilern würde, die aber bei meinem Gesamturteil auch nicht ins Gewicht fallen.