Inhalt:
Das Theaterstück „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“ handelt von dem knapp 50-jährigen Verwaltungsbeamten Fredenbek, der seine Arbeit zu seinem Leben gemacht hat und sich zusehends immer mehr in ihr verliert. In seinem Büro monologisiert er über seinen Beruf, sein Leben und die Welt, wobei deutlich wird, dass er sich nahezu vollständig aus dem Leben zurückgezogen hat.
In dem zweiten Stück – „Einladung zum Klassentreffen“ – soll nach 20 Jahren nach dem Schulabschluss ein Klassentreffen stattfinden, weshalb sich Carsten bei Marina, die während ihrer Schulzeit seine Freundin war und sich gerade im Zug befindet, meldet. Doch bei dem zu Beginn unverfänglichen Telefonat über ihre aktuelle Lage, werden auch alte Erinnerungen und Gefühle geweckt…
Meine Meinung:
Das Buch von Martin Schörle umfasst zwei Theaterstücke, die im Vergleich zu vielen anderen – insbesondere zu den „typischen Schullektüren“ – überraschend einfach zu lesen und verstehen sind. Schnell hatte ich das Gefühl ein „normales“ Buch zu lesen, sodass eindeutig festgehalten werden kann, dass der Schreibstil mit der Alltagssprache leicht und flüssig zu lesen ist. Allerdings war das erste Stück diesbezüglich doch etwas anstrengender, da der Protagonist Fredenbek in einem durchgängigen Monolog spricht, wodurch die Buchseiten von entsprechenden Textblöcken geziert werden.
Doch die Art Fredenbeks zu sprechen ist sehr authentisch, was nicht nur an den umgangssprachlichen Formulierungen, sondern auch an den Pausen und teils unvollständigen Sätzen (die das Verstehen keineswegs beeinträchtigen!) deutlich wird. Beide Stücke, besonders jedoch das erste, sind gekennzeichnet von zahlreichen Andeutungen, ironischen bis hin zu sarkastischen Kommentaren und überzogenen Darstellungsweisen.
Als Leser braucht man definitiv die notwendige Portion Humor um sich auf den kabarettesken Monolog einzulassen, sonst wird das Stück sicherlich nichts für einen sein. Zugegebenermaßen entsprach der Humor nicht ganz dem meinen, allerdings konnte mich das Stück trotzdem gut abholen und unterhalten, wenn es auch zum Ende hin etwas zäh wurde.
Der Einstieg in die Situation selbst war lesefreundlich gestaltet, da es zu Beginn eine kurze Einführung zu dem Protagonisten Fredenbek gibt sowie eine Beschreibung des Bühnenbildes. Dadurch erhält der Leser eine bildliche Vorstellung von der Situation. Auch im Verlauf des Stücks hatte ich keinerlei Probleme mir Fredenbek in seinem Büro vorzustellen sowie seine verschiedenen Gefühlszustände und Handlungsweisen.
Was mir auch sehr gut gefallen hat ist, dass das Stück inhaltlich, d.h. auf der Handlungsebene immer mehr Fahrt aufnimmt, Fredenbeks „Gedankengewirr“ (S. 9) immer deutlicher wird und sich seine Situation bzw. sein Leben immer mehr zuspitzen und am Ende eine Art Höhepunkt erreichen, von dem ich trotz der Andeutungen mehr oder weniger überrascht war. Schließlich hört das Stück relativ abrupt auf und ist offen gehalten, sodass man hinsichtlich Fredenbeks weiterem Leben seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.
Von dem zweiten Stück war ich im Vergleich zu dem ersten mehr überzeugt. Es konnte mich gut unterhalten und brachte mich öfters zum Schmunzeln. Anders als bei „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“ gibt es hier keine Einführung zu den Figuren, sie werden lediglich kurz benannt. Das stellt allerdings kein Problem dar, da man so den Dialog zwischen den Protagonisten Marina und Carsten sozusagen aus der Perspektive bzw. Situation der Fahrgäste im Zug miterleben kann und die beiden während des Telefonats kennenlernt. Vor allem erfährt man einiges über Marinas Vergangenheit, die eine gescheiterte Ehe hinter sich hat und von den ehemaligen (oder vielleicht noch immer aktuellen) Gefühlen Carstens nichts wissen möchte. Doch im Laufe des Gesprächs kommt sie nicht umhin zuzugeben, dass auch für sie die Gefühle noch nicht so richtig Vergangenheit sind.
Die Sprache ist hier deutlich angenehmer und locker, leicht zu lesen. Auch hier sind viel Ironie und Sarkasmus sowie humorvolle Andeutungen enthalten, die meiner Meinung nach jedoch wesentlich mehr Menschen ansprechen.
Die Unterhaltung der Figuren ist lebhaft und deshalb glaubwürdig gestaltet, man kann sich als Leser gut in sie hineinversetzen und die Stimmung aufnehmen. Das empfinde ich bei diesem Stück als besonders gelungen und hat mich wirklich begeistert. Auch wie sich das Gespräch entwickelt, wie man mehr und mehr über Marina und Carsten erfährt sowie die teils spürbaren Spannungen und dann das überraschende Ende mit den anderen Zugfahrgästen sowie deren zwischenzeitlichen Kommentare – einfach genial! Auch wenn der Schluss sicherlich vorhersehbar war, hat dieser mich absolut überzeugt und lässt – wie bei dem ersten Stück – den Freiraum sich das weitere Leben der Figuren vorzustellen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich „Einladung zum Klassentreffen“ besser unterhalten konnte als „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“. Während ich das zweite Stück als sehr gelungen empfinde, sehe ich bei dem ersten einige Punkte, die mich weniger überzeugen konnten. Nichtsdestotrotz könnte ich mir beide Werke gut auf der Bühne vorstellen und wer weiß, vielleicht werden wir bald das Vergnügen dazu haben? ;)