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Sadie

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2019

Spannend und unterhaltsam

Dry
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Ach ja, das war ganz nett soweit. Nichts außergewöhnliches, aber doch spannend und unterhaltsam. Nach Die Mauer ist dies bereits mein zweites "Cli-Fi"-Buch in kürzester Zeit, ein Genre, das zu Recht boomt ...

Ach ja, das war ganz nett soweit. Nichts außergewöhnliches, aber doch spannend und unterhaltsam. Nach Die Mauer ist dies bereits mein zweites "Cli-Fi"-Buch in kürzester Zeit, ein Genre, das zu Recht boomt - schön, dass es mit "Dry" auch eine aktuelle YA-Variante gibt.

Die Geschichte und unmittelbaren Folgen des "Tap Outs" - also des kompletten Zusammenbruchs der Wasserversorgung in Südkalifornien - sind erschreckend gut dargestellt. Dass die Zivilisation innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es kein Wasser mehr gibt, ist ein durchaus vorstellbares, dadurch aber nicht minder grusliges Ereignis. Das Vater-Sohn-Autorengespann hat hier zwar kein verstörend brutales Splatterbuch hingelegt, die Unmenschlichkeit, den Verlust vom Empathie und die zahlreichen moralischen und ethischen Dilemmas, mit denen die Figuren konfrontiert werden, aber durchaus so aufgeschrieben, dass die ein oder andere Szene durch ihre Grausamkeit besticht: Fies und kompromisslos, aber alles im guten Rahmen.

Kleine Abstriche sind bei der klischeehaften Zeichung der Hauptcharaktere zu machen. Die vier Teenager/Jugendlichen und ein Kind, die wir auf ihrer Suche nach Schutz und Wasser begleiten, decken so ziemlich jedes Spektrum ab, bewegen sich innerhalb ihres Areals dann aber in recht festgesteckten Grenzen. Eine ist unfassbar naiv, einer fast schon paramilitärisch gut auf jegliche Art des Ausnahmezustandes vorbereitet und gleichzeitig stalkerhaft veranlagt, eine ist die toughe Außenseiterin, die sowieso über allem steht, und der vierte Teenager stellt wohl so eine Art Jungen Liberalen dar, einen egoistischen Geschäftemacher, der die Krise eigentlich nur für seinen eigenen Profit ausschlachten will. Der jüngere Bruder der Ersterzählerin stellt wohl noch am meisten einen ganz normalen Jungen ohne vorgefestigte Rolle dar, aber nun, er ist ja auch erst zehn und weiß es vielleicht nicht besser.

Hier hat mir ein bisschen eine ganz "normale", ja, "vernünftige" Erzählstimme gefehlt. Doch die beiden Elternpaare, die uns zu Beginn präsentiert werden, sind ebenso extrem dargestellt wie die Kinder: Auf der einen Seite die völlig Naiven, die vom Tap Out kalt erwischt werden und sich weder gedanklich noch in Sachen Versorgung auf so einen Moment eingestellt haben. Liebe, nette Menschen, aber ignorant. Auf der anderen Seite die absolut übervorbereiteten Paranoiker, die vom Waffenarsenal bis hin zum geheimen Fluchtbunker an alles für jeden Anlass gedacht haben - hier hatte vor allem der Vater Züge, die mich irgendwie an die Reichsbürger-Bewegung haben denken lassen, gruselig.

Nun, wo sind hier die erwachsenen Menschen, die die Situation haben kommen sehen und rationale Vorkehrungen getroffen haben? Verdränger oder Panikschieber, da muss doch noch was dazwischen passen? Oder steht das Ganze sinnbildlich für die aktuelle Elterngeneration, die sich von ihren Kindern zum Handeln drängen lassen müssen, wieder Stichwort #fridaysforfuture? Vermutlich ist das alles etwas weit gegriffen, das Buch wurde im Orginal ja deutlich vor dieser Entwicklung veröffentlicht. Trotzdem ein interessanter Gedanke, geht ja irgendwie auch ein bisschen in Richtung selbsterfüllender Vorhersehung.

Was ich dem Buch sehr hoch anrechne: Es gab keine überflüssige romantische Nebenhandlung. Gefühle spielen zwar durchaus eine Rolle, aber für ein YA-Buch war dies erfrischend inhaltkonzentriert, das hat mir gut gefallen. Dazu kurze Kapitel mit viel Action und immer wieder eingestreute "Snap shots" - so was wie Kurzgeschichten innerhalb der Geschichte, die für wenige Seiten das Schicksal anderer Betroffener und ihrer jeweiligen Lage beleuchten: Die Mutter, die versucht, mit ihren Kindern zu fliehen, die Reporterin, die über den Tap Out berichten soll, der Pilot eines Löschflugzeugs. Ein gutes Gimmick. Ich bin grundsätzlich nicht abgeneigt, mir mal die anderen Bücher von Shusterman anzuschauen.

Veröffentlicht am 20.05.2019

Die unergründliche Leere

All das zu verlieren
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Ein Buch, das ich trotz halbwegs düsteren Inhalts (soll heißen: Das ist alles andere als ein feelgood-Unterhaltungsroman) flott weglesen konnte. Die Titelheldin Adèle ist aus unbekannten Gründen unglücklich ...

Ein Buch, das ich trotz halbwegs düsteren Inhalts (soll heißen: Das ist alles andere als ein feelgood-Unterhaltungsroman) flott weglesen konnte. Die Titelheldin Adèle ist aus unbekannten Gründen unglücklich mit sich und ihrem Leben, fühlt sich leer und kalt, und versucht, ihre unergründliche Leere durch unbedeutende sexuelle Abenteuer zu füllen. Ihr "eigentliches" Leben - Ehemann, Kind, Job, Freunde - kann sie nicht befriedigen, nicht erfüllen. Der Sex mit Fremden oder Bekannten kann dies auch nicht, es scheint mehr der grundsätzliche Kick des Verbotenen zu sein, der Nervenkitzel, die Angst entdeckt zu werden, die Adèle eine gewisse Befriedigung verschafft. Doch auch diese ist nur von kutzer Dauer und reicht nicht aus, um bei Adèle irgendeine Form des Glücks oder wenigstens der Zufriedenheit und inneren Ruhe hervorzurufen.

Warum macht sie das? Warum setzt sie alles aufs Spiel, riskiert ein sicheres Leben? Hinweise gibt es - eine schwierige Kindheit, Anzeichen, die auf eine depressive Verstimmung hindeuten. Ganz aufgeklärt wird die Frage nicht, aber das muss sie auch gar nicht. Wichtiger als die Gründe sind die Folgen ihres Handelns, doch auch, als sich Adèles Leben ändert, bleibt die grundlegende Trostlosigkeit bestehen. Sie ist eine Frau ohne eigenen Willen, getrieben von einem inneren Zwang, einer unstillbaren Sehnsucht und den Vorgaben anderer Menschen. Es ist eine traurige, trostlose Geschichte, und wer hier an Loblied auf sexuelle Befreiung erwartet, wird enttäuscht. Adèle ist und bleibt gefangen, auch wenn ihr lockeres Leben einen anderen Anschein erweckt.

Die Trostlosigkeit wird durch die Sprache verstärkt. Slimanis Erzählung kommt nüchtern und unnahbar daher, fast schon unterkühlt. Mir erschien das sehr passend und treffend - allerdings komme ich mit derart nüchternen Erzählungen allgemein gut zurecht. Ein kurzes, kühles, dennoch prägnantes Werk. Ich bin gespannt, wie sich Slimani in ihren Folgebüchern weiterentwickelt hat. Eine Autorin, die ich weiter erforschen werde.

Veröffentlicht am 14.05.2019

kuriose Zusammenstellung, unterhaltsam allemal

Gute Nacht
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Eine Sammlung von Kolumnen, die alle das Thema "Sex" umkreisen - in so ziemlich jeder Art, die man sich vorstellen kann. Es wird abstrus und sehr ungewöhnlich, lustig und schlüpfrig, aber auch nachdenklich ...

Eine Sammlung von Kolumnen, die alle das Thema "Sex" umkreisen - in so ziemlich jeder Art, die man sich vorstellen kann. Es wird abstrus und sehr ungewöhnlich, lustig und schlüpfrig, aber auch nachdenklich machend. Eine recht kuriose Zusammenstellung, unterhaltsam allemal. Ich mag Andreskys Stil sehr gerne. Offen, direkt, wunderbar unverblümt und auch gerne mal etwas deftig. So kenn ich das, so mag ich das ;)

Veröffentlicht am 14.05.2019

Schweres Thema, gut und sensibel umgesetzt.

Rotkäppchen muss weinen
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Man kam gut rein in die Gedankenwelt einer fast 14-Jährigen, die nicht nur von den "üblichen" pubertären Themen (Stress mit den Eltern/Geschwistern, zaghafter Aufbau einer ersten Liebe, Loyalität zur besten ...

Man kam gut rein in die Gedankenwelt einer fast 14-Jährigen, die nicht nur von den "üblichen" pubertären Themen (Stress mit den Eltern/Geschwistern, zaghafter Aufbau einer ersten Liebe, Loyalität zur besten Freundin, Schwelle von Kind sein zu Erwachsen werden), sondern eben auch mit Missbrauch umgehen muss.

Ein eher kurzes Buch, in dem viel in kurzer Zeit passiert, dennoch las es sich für mich etwas schleppend an und kam erst ca. ab der Hälfte besser in Schwung.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Sehr interessantes und auch wichtiges Thema

Kampf um die Armut
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Ich habe die Debatten um die Definition von Armut, die Anfang letzten Jahres anlässlich des Armutsberichts hoch kamen, sehr interessiert verfolgt - und war doch recht erstaunt angesichts der Dreistigkeit ...

Ich habe die Debatten um die Definition von Armut, die Anfang letzten Jahres anlässlich des Armutsberichts hoch kamen, sehr interessiert verfolgt - und war doch recht erstaunt angesichts der Dreistigkeit einiger Medien und Kommentatoren, die Nöte in unserem Land kleinzureden. Dieses Buch beleuchtet diese Debatte und die Hintergründe - wer hat ein Interesse daran, die Diskussion um Armut in Deutschland klein zu halten und warum? Zu Wort kommen fünf Wissenschaftler, die dieses Thema angehen.

Die Aufsätze sind alle interessant und größtenteils gut geschrieben, funktionieren aber am besten als einzelne Portionen. Zu schnell auf- bzw. hintereinander gelesen lässt sich eine gewisse Redundanz erkennen, die dieser Sammlung den Hauch einer schnell zusammengeschriebenen Gegenrede verleiht, den sie nicht verdient hat.