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Veröffentlicht am 06.06.2019

Einfach gestrickt aber gut geschrieben

Das Muschelhaus am Deich
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"Das Muschelhaus am Deich" ist ein locker-leichter Frauenroman, der mir persönlich ein bisschen zu 'leicht' war in Bezug darauf wie sich vieles in der Geschichte wundersam fügte. Tauchte ein Problemchen ...

"Das Muschelhaus am Deich" ist ein locker-leichter Frauenroman, der mir persönlich ein bisschen zu 'leicht' war in Bezug darauf wie sich vieles in der Geschichte wundersam fügte. Tauchte ein Problemchen auf (wer soll auf die Kinder aufpassen, wer kann sich um Pukki kümmern, was für ein Hobby soll Jonte sich suchen...) war es im Handumdrehen gelöst.
Und auch die zahlreichen Begegnungen alter Bekannter waren in der Fülle nicht ganz glaubwürdig. Noch weniger glaubwürdig war es aber, dass es im Grunde immer die Einheimischen waren die die nach 20 Jahren Heimkehrerin erkannt haben, und nicht umgekehrt. Dabei ist es doch eher so, dass jemand, der darauf gefasst ist Personen aus seiner Jugend hier wieder zu treffen diese auch leichter erkennen würde als jemand, der plötzlich einem Fremden gegenübersteht und dem vielleicht wage das Gesicht bekannt vorkommt aber nicht sofort einordnen kann weil mit eben dieser Person normalerweise nicht zu rechnen wäre. Vor allem wenn sich diese 'Fremde' vom Teenager zur 40jährigen Frau gewandelt hat, eine alte Lehrerin aber einfach nur eine alte Lehrerin bleibt - da machen die 20 Jahre eigentlich auch nicht mehr viel aus. (Ich war auch erst vor 2 Jahren bei meinem 20j. Abi-Jubiläum, und alle Lehrer dort sahen noch genauso aus wie ich sie in Erinnerung hatte, selbst wenn sie noch gar nicht so alt waren wie Fr. May. Bei den Schülern hingegen musste man manchmal schon 2x hinschauen.)

Schließlich bedient sich die Autorin hier und da auch noch aus der Klischee-Kiste. Eine Affäre fliegt auf wegen einer Restaurantquittung in der Jackentasche (welcher Mann hebt denn solche 'Beweise' überhaupt auf?), und es ist natürlich die Sekretärin. Wer sonst! Die Frau mit dem unerfüllten Kinderwunsch wird natürlich als Babysitterin eingespannt und macht ihre Sache hervorragend, ohne dass sie irgendwelche praktischen Erfahrungen in dieser Hinsicht. Und der nerdige Nachbarsjunge verwandelt sich in einen hübschen und erfolgreichen Prinzen.

Die Geschichte ist also eher einfach gestrickt nach Schema F. Doch das muss einen ja gar nicht stören, wenn man einfach nur mal in eine Welt abtauchen will in der nicht viel Schlimmes passiert und sich am Ende alles zum Guten wendet. Und wenn man ein bisschen Nordsee-Luft schnuppern möchte, dann ist dieses Buch auf jeden Fall das Richtige. Denn im Kreieren von Atmosphäre liegt eindeutig die Stärke von Tanja Janz. Man spürt ihre Liebe für St. Peter Ording, und auch ihre Ortskenntnisse. Das alles ist recht authentisch beschrieben, so dass man fast denkt man ist dabei wenn Jenni über den Strand reitet, Kirsten durch den Ort bummelt oder Kinka abends schick essen geht.

Ein gut geschriebener Frauenroman, der Lust auf Sommerurlaub und alte Freundschaften macht, der von der Ausgefeiltheit der Geschichte aber nicht an die Spitze heranreicht.

Veröffentlicht am 24.05.2019

Fantasy-Krimi, dem zwischendurch mal die Spannung ausgeht

Witchmark. World Fantasy Award für den besten Fantasy-Roman des Jahres 2019
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Ich bin ja durch und durch ein pragmatischer Typ, der mehr mit 'realistischen' Geschichten was anfangen kann als mit Fantasy. Bei diesem Buch habe ich dennoch zugegriffen, denn zur Abwechslung geht es ...

Ich bin ja durch und durch ein pragmatischer Typ, der mehr mit 'realistischen' Geschichten was anfangen kann als mit Fantasy. Bei diesem Buch habe ich dennoch zugegriffen, denn zur Abwechslung geht es mal nicht um eine schnöde Liebesgeschichte (nunja, zumindest nicht vordergründig und auch nicht im herkömmlichen Sinn) sondern um einen Kriminalfall.

Was mir - vielleicht weil ich in diesem Genre ungeübt bin? - zum Anfang etwas schwer fiel war die Einordnung, in was für einer Welt wir hier sind, welche 'Gesetze' gelten, was für fremde Wesen es gibt und was diese können. Häppchenweise präsentierte Anspielungen und eingestreute Hinweise musste ich erstmal zusammenpuzzeln um vollends eintauchen zu können in diese neuartige Welt, die mich stark an das spät-viktorianische England erinnerte bzw. vielleicht auch an die Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Auch in Aeland ist gerade ein Krieg zu Ende gegangen, und massenhaft Soldaten kehren heim - äußerlich weitesgehend unversehrt, aber innerlich zerfressen von einem Kriegstrauma, das damals wohl selten diagonistiert und noch viel seltener behandelt wurde. Doktor Miles Singer kann aufgrund seiner magischen Kräfte diese "dunklen Wolken" im Kopf der Veteranen sehen und teilweise auch heilen. Aber wie soll er das bei tausenden von infizierten schaffen?

Die Geschichte ist fantasievoll, magisch, teilweise auch düster und spannend. Die Spannung ließ für mich um die Hälfte des Buches allerdings nach, da kam es statt Spurensuche vermehrt zu Gelaber. Am Ende war es für mich nicht ganz klar, was es mit all der Magie, Kraft, Rufen und dem geöffneten Portal auf sich hat - zu was genau das am Ende führen wird. Da habe ich mich einfach nur 'durchgelesen' und geschaut wie es dann endet.

Als Fazit muss ich sagen, dass ich es durchaus interessant fand, mal ein ganz anderes Genre auszuprobieren. Auch das beherrschende Thema (Kriegstraumata) ist ein Wichtiges. Eine neue Liebe von mir werden Fantasy-Bücher nun aber nicht werden.

Veröffentlicht am 10.05.2019

Ich wurde nicht warm mit der Hauptfigur

Der Zopf meiner Großmutter
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Einmal mehr schreibt Alina Bronsky über das, was sie selbst sehr gut kennt - russische Emigranten, die nach Deutschland kamen. Weil das letzte Buch, das ich von ihr gelesen habe ("Und du kommst auch drin ...

Einmal mehr schreibt Alina Bronsky über das, was sie selbst sehr gut kennt - russische Emigranten, die nach Deutschland kamen. Weil das letzte Buch, das ich von ihr gelesen habe ("Und du kommst auch drin vor") ein Jugendbuch war, und dieses hier ebenfalls von einem Kind erzählt wird und mit 213 Seiten recht kurz ist, ging ich eigentlich davon aus wieder ein Jugendbuch zu lesen. Aber das ist es ganz und gar nicht. Es ist vielmehr die Geschichte einer Frau, die das Leben verhärmt hat und die ihren ganzen Missmut an anderen rauslässt.
Bestimmt liebt sie ihren Enkel Max, doch hat sie eine komische Art das zu zeigen. Backt ihm eine Schokoladentorte zum Geburtstag, wirft ihm dabei vor wie sehr sie sich doch abplagt für ihn, und dass er nicht glauben wird wie lecker es schmeckt. Nur essen darf er sie nicht, weil sie ihm und sich selbst einredet dass er was mit der Verdauung hat. Das Lebensmotto dieser resoluten Frau ist "Nein kannst du zu deiner eigenen Oma sagen, Kindchen, ich kenne dieses Wort nicht." Und so konnte ich leider nie wirkliche Sympathien für sie aufbauen, stets hatte ich nur Mitleid mit Mäxchen, den sie vor anderen oft als geistig und körperlich minderbemittelt beleidigt. "Warum wehrst du dich eigenlich nie? Gegen niemanden?" wird er mal gefragt. "Ich käme dann zu nichts anderem mehr." antwortet er resigniert.

Mein Herz öffnete sich für die Großmutter mit dem dicken Zopf erst im zweiten Teil des Buches, als sie sich so wundervoll des kleinen Tschingis annimmt (obwohl sie auch da niemand drum gebeten hat). Aber retten konnte es das nicht mehr für mich, vor allem da die ganze Geschichte auch steht und fällt mit Margerita. Die anderen Mitglieder dieser ungewöhnlichen Familienkonstellation sind lediglich Nebenfiguren dieses Drama, dass mich in einer beklemmenden Stimmung zurück ließ. Da blieb die Unterhaltung eher auf der Strecke.

Veröffentlicht am 07.05.2019

Wird sich Jemmas Herz erinnern?

Dein Herz vergisst nicht
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Die Kurzbeschreibung erinnert stark an den Film "Für immer Liebe" mit Rachel McAdams und Tatum Channing (der widerum auf einer wahren Geschichte basiert). Auch hier verliert die Ehefrau nach einem Autounfall ...

Die Kurzbeschreibung erinnert stark an den Film "Für immer Liebe" mit Rachel McAdams und Tatum Channing (der widerum auf einer wahren Geschichte basiert). Auch hier verliert die Ehefrau nach einem Autounfall das Gedächtnis und damit jegliche Erinnerung an ihren Mann.
Jemma, die Protagonistin in diesem Buch, verliert allerdings alle persönliche Erinnerungen - ihr komplettes Leben ist ausradiert. Grundlegende Dinge wie gehen, lesen oder was zB ein Krankenhaus oder eine Oma ist weiß sie allerdings noch. Leider gibt es keinerlei Hintergründe zu diesem medizinischen Phänomen, mich persönlich hätte das durchaus interessiert.

Stattdessen konzentriert sich das Buch voll und ganz auf die Liebesgeschichte von Jemma und Braxton, die bis zu ihrem Unfall märchenhaft perfekt war. Schon als Kinder waren sie die besten Freunde, wurden irgendwann (überraschend spät übrigens) ein Liebespaar und können seitdem nie genug vom anderen kriegen. Das ändert sich schlagartig am 19. Tag nach ihrer Hochzeit. Für Jemmas sind all die Menschen plötzlich Fremde, denen sie nicht nur ängstlich sondern komplett abweisend gegenüber tritt. Braxton lässt sich aber nicht entmutigen, und schreibt seiner geliebten Frau Briefe, in denen er ihre Lebens- und Liebesgeschichte wieder auferstehen lässt.

Mir war zu Beginn Jemma sehr unsympathisch. Ich verstehe durchaus, wie verloren und verängstigt sie nach dem Aufwachen im Krankenhaus gewesen sein muss. Sie kennt die Leute nicht, die sagen sie wären ihre Eltern und Ehemann. Doch obwohl sie selbst jammert, dass sie nichts mehr weiß und sich so verloren fühlt, schlägt sie rigeros die helfenden Hände aus die ihr von überall entgegen gestreckt werden. Sie hat keinerlei Vertrauen in diese Menschen und stösst sie regelrecht weg als ob sie ihr Böses wollen, obwohl diese sie eh wie ein rohes Ei behandeln. An der Stelle fragt sie sich ja sogar selbst, ob sie sich vielleicht wie ein Miststück benimmt (oder es gar auch vorher war). So hätte sich Braxton wohl nie so unsterblich in sie verliebt. Hinzu kommt, dass sie selbst überhaupt nicht aktiv wird in dem Versuch, ihr Gedächtnis wieder zu erlangen. Sie zeigt von sich aus keinerlei Neugier, will selbst nichts herausfinden, ist total passiv. Komisch fand ich ja auch, dass niemand ihr mal Fotos oder Videos zeigt. Für mich wäre das ja Anlaufstelle Nr. 1 in so einem Fall gewesen. Aber das Buch wollte sich wohl auf Braxton und seine Briefe fokussieren.

Der riss das Ruder für mich noch einmal herum, zum einen weil er sich so ritterlich und selbstlos verhielt (und ich so wenigstens für einen Charakter Sympathien hegte), und zum zweiten brachte er mir in den Briefen die Jemma von früher näher, die ganz anders war. Und veränderte dadurch auch langsam die Jemma, die er täglich zu ihren Reha-Übungen fuhr.
So stellt sich am Ende eigentlich nur noch die Frage, ob Jemma irgendwann ihr Gedächtnis wieder erlangen wird, oder ob sie sich noch einmal neu in Braxton verlieben kann.

Die Nebenhandlung mit Jemmas Eltern fand ich zu viel des Guten. Sowohl die Reaktionen der Mutter auf ihren Ex-Mann waren völlig übertrieben (man kann sich trennen, aber man muss - auch angesichts der Art seines Betrugs - nicht Jahre später immer noch derart reagieren wenn sich der Ex im selben Raum aufhält oder zur Hochzeit seiner Tochter kommt), als auch was dann aus den Annäherungsversuchen wird. Dasselbe gilt für Lucas und Rachel, auch das wirkte viel zu überzogen in den Reaktionen und am Ende unrealistisch. Noch dazu blieben beide Charaktere absolut gesichtslos und bekamen von der Autorin gerade mal einen Namen und eine 'Funktion' verpasst.

Schlussendlich eine normal gute Liebesgeschichte (mit ein paar störenden Nebengeräuschen), von der ich mir aufgrund der Ausgangssituation aber doch deutlich mehr erwartet hätte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 03.05.2019

Panoptikum einer Kleinstadt mit Krimi-Touch

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll. War das jetzt ein Krimi? Dann war es mir zu wenig wirklich spannend, obwohl sich ja doch ein sehr beträchtlicher Teil um die Aufklärung der ...

Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll. War das jetzt ein Krimi? Dann war es mir zu wenig wirklich spannend, obwohl sich ja doch ein sehr beträchtlicher Teil um die Aufklärung der Vierfachmorde von 1994 und diverser anderer Taten drehte, und wir Leser genauso wenig wussten wie die drei Polizeibeamten und wir alle jedem Hinweis nachjagten. Vor allem hatte ich aber aufgrund des 'Tons' des Buches, der vielen nebensächlichen Dinge und auch teilweise wegen dem Verhalten der Polizisten nie das Gefühl, einen echten Krimi zu lesen.

Dann war es also vielmehr eine recht akribische Beschreibung der Gesellschaft in einer Kleinstadt in den Hamptons? Das wäre ein valides Genre, doch in dem Fall muss ich sagen, dass ich so etwas von Richard Russo schon deutlich besser gelesen habe (in Empire Falls, aber auch in Nobody's Fool zum Beispiel). Auch Joanne K. Rowling hat das in A casual vacancy hervorragend hinbekommen. Und Tom Wolfe hat in seinem Fegefeuer der Eitelkeiten ganz hervorragend einen Kriminalfall mit einer Gesellschaftssatire verbunden.

Bei Joel Dicker hingegen begegneten mir zu viele Kleinigkeiten, die mich abschweifen ließen, mich oft auch nur marginal interessierten (da mir die Charaktere dazu teilweise völlig egal waren - ich kann nicht für 30 Figuren gleichzeitig Interesse oder gar Sympathien haben) und von denen ich hoffte, dass sie am Ende wenigstens etwas mit dem großen Ganzen zu tun haben. Ob dem so war, möchte ich hier aus Spannungsgründen lieber nicht verraten. In der Kurzbeschreibung steht, dass Dicker ein "richtiges Gespür für Tempo" hat, doch genau das hat er für mein Leseempfinden eben nicht gehabt mit den vielen eingestreuten Nebenhandlungen, und hinzu dem ständigen hin und her sowohl in den Zeiten (1994 und 2014, teilweise auch 2013 oder früher) als auch Erzählperspektiven. Manchmal haben wir einen auktorialen Erzähler, der einen bestimmten begleitet, und das nächste Kapitel ist dann aus der Ich-Perspektive von genau diesem Charakter erzählt. Dann erzählt ein anderer Charakter wieder etwas ganz anderes... Man wird also ständig aus einer Geschichte gerissen und in die nächste hineingeworfen. Ich kam zwar durchaus noch mit beim 'wer mit wem', aber die Spannung auf den wirklichen Kriminalfall ging bei mir dadurch definitiv flöten.

Auch der Buchtitel ist etwas irreführend, denn um das Verschwinden der Stephanie Mailer geht es wirklich nur kurzzeitig auf den über 650 Seiten. Dabei heißt es sogar im Original so und ist nicht nur eine unglückliche Wahl des dt. Verlags.

Vielleicht waren meine Erwartungen nach der vielen Aufmerksamkeit, die dieses Buch bekommen hat und den Aussagen über die Großartigkeit des Autors, auch etwas zu hoch und ich hatte ein Wunderwerk erwartet. Dahingehend war ich jedenfalls ein bisschen enttäuscht, als ich die Buchdeckel zugeklappt habe, obwohl der Fall durchaus mit einer Überraschung zu Ende gebracht wurde. Doch vollends überzeugt hat mich das ganze nicht.