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Veröffentlicht am 09.06.2019

Ein steiniger Weg zum Ziel

Johannisfeuer
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Ein kleines Dorf in Südfrankreich, Banyuls-sur-Mer nahe der spanischen Grenze, dämmert in der sommerlichen Hitze dahin. Das einzig spannende Ereignis ist zurzeit wohl nur das Johannisfeuer zur Sommersonnenwende ...

Ein kleines Dorf in Südfrankreich, Banyuls-sur-Mer nahe der spanischen Grenze, dämmert in der sommerlichen Hitze dahin. Das einzig spannende Ereignis ist zurzeit wohl nur das Johannisfeuer zur Sommersonnenwende am Canigou, dem heiligen Berg der Katalanen.


Da der etwas korpulente Perez seiner Stieftochter versprochen hat, mit ihr an diesem Fest teilzunehmen und den Berggipfel in knapp 3000 Metern Höhe zu erklimmen, trainiert er schon tapfer, um sich an die Höhenluft zu gewöhnen. Dabei stolpert er mitten am Weg über den reglosen Körper einer jungen Frau, die bereits seit sechs Jahren vermisst wird, und als dann noch nahe Montpellier eine Leiche gefunden wird, glaubt er nicht mehr an einen Zufall. Noch bevor er darüber nachdenken kann, steckt der unkonventionelle Hobbydetektiv mitten in den Ermittlungen.

Dieser Südfrankreich-Krimi ist in der Perspektive des außenstehenden Erzählers geschrieben und in einem so blühenden und bildhaften Stil gehalten, dass man komplett eintaucht in die Idylle des kleinen Feriendorfs. Die ausführlichen und angenehm zu lesenden Beschreibungen von Landschaft und Essen, dem Bewegungsmuffel Perez und seinem entzückenden Hund Hippy lassen zwar zuweilen den Krimi in den Hintergrund treten, dem Lesevergnügen tut dies aber keinen Abbruch.
Die Hauptfigur ist ein gelungener Mix aus liebenswertem Familienmenschen, Hobbydetektiv und Kleinganoven, witzig und unverwechselbar. Auch die anderen Personen sind sehr treffend charakterisiert, was ihnen bald Sympathie vom Leser einbringt oder auch nicht. Die Atmosphäre in allen Szenen ist gekonnt eingefangen und springt gleich über.

Dies war mein erstes Buch von Yann Sola und da Perez bereits früher ermittelt hat, bin ich nun neugierig geworden auf seine anderen Fälle.

Mein Dank gilt hier nicht nur dem deutschsprachigen Autoren – nein, „Johannisfeuer“ ist keine Übersetzung – sondern auch dem Verlag Kiepenheuer & Witsch, der dieses Buch in einer ausgezeichneten Qualität anbietet!

Veröffentlicht am 04.06.2019

Das Rheinland zwischen Franzosen und Preußen

Die Festung am Rhein
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Franziska und ihr Bruder Christian müssen beim gestrengen und egoistischen Onkel in Coblenz leben, nachdem ihr Vater in der Schlacht von Waterloo gefallen ist und die Mutter kaum noch Mittel zum nackten ...

Franziska und ihr Bruder Christian müssen beim gestrengen und egoistischen Onkel in Coblenz leben, nachdem ihr Vater in der Schlacht von Waterloo gefallen ist und die Mutter kaum noch Mittel zum nackten Überleben hat.


Im Jahre 1822, Christian ist mittlerweile Pionier in der preußischen Armee und Freiwilliger beim Bau der Feste Ehrenbreitstein, verschwinden geheime Baupläne und rasch ist der Halbfranzose als Dieb und Verräter festgesetzt - schließlich war der Vater ein Offizier Napoleons. Von Christians Unschuld überzeugt, sucht Franziska nach dem wahren Täter und ist dabei immer wieder auf die Unterstützung des gestrengen und unerbittlichen Leutnants Rudolph Harten angewiesen. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft kommen sie einander näher als gebührlich für einen Preußen und eine Halbfranzösin…

Maria W. Peter baut ihren historischen Roman strukturiert auf in fünf großen Abschnitten, von denen jeder mit einem passenden Spruch beginnt. Danach kommen jeweils ein Rückblick auf die Schlacht bei Waterloo 1815 und die fortlaufenden Kapitel mit Coblenz bzw. Cöln als Handlungsort im Jahre 1822. Ein Epilog 1823 beendet zwar die Handlung, jedoch noch lange nicht das hervorragende Buch. Nun folgen nämlich noch ein sehr ausführliches Nachwort, Glossar, handelnde und historische Personen und nach dem Dank als besondere Draufgabe „Reise- und Stöbertipps“ auf den Spuren von Franziska und Rudolph; weit mehr also als nur gute Unterhaltung! Fast hätte ich jetzt auf die beiden Landkarten am Anfang vergessen, die natürlich dem Leser die geographische Orientierung erleichtern.

In angenehm und flüssig zu lesendem Schreibstil lässt die Autorin das historische Rheinland vor den Augen des Lesers entstehen, in dem „zwei verfeindete Volksgruppen, zwei entgegengesetzte Mentalitäten aus Ost und West zwangsweise zusammengewürfelt worden waren“. Durch geschicktes Verweben der Schicksale von Franziska, Christian und Rudolph lernen wir beide Sichtweisen kennen und verstehen; jeder hat wohl auf seine Weise „recht“ und man spürt förmlich die vorherrschende Distanz und das Misstrauen untereinander. Manche Dialoge finden im Dialekt statt, wodurch das Ganze noch authentischer wirkt – z.B. beim Burschen Fritz oder beim Schotten McBaird. Auch französische Satzteile sind gekonnt in den Text eingearbeitet.

Nicht nur sind die einzelnen Personen anschaulich und bildhaft charakterisiert, die einzelnen Szenen berührend und fesselnd dargestellt, auch die geschichtlichen Hintergründe sind exzellent recherchiert und fließen unauffällig aber einprägsam in die Handlung ein. Die Anzahl der Figuren ist überschaubar und mit ca. 600 Seiten hat Peter auch eine gute Länge für den Roman gewählt, damit man möglichst viel Zeit mit Franziska und Rudolph verbringen kann. Langeweile kommt nämlich hier nicht auf, die Spannung wird vom Anfang bis zum Ende konstant gehalten.

Langer Rede kurzer Sinn: dieser historische Roman ist ein informatives Geschichtsbuch, ein spannender Krimi und nicht zuletzt eine melodische Liebeserzählung.

Ein weiteres Buch auf meiner persönlichen Hitliste 2019!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Einfach zauberhaft

Der Zauber von Somerset
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Amber braucht eine Auszeit und mietet im schönen Südengland ein günstiges Cottage für drei Monate. Ähnlich ergeht es Finian, der aus London fliehen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Durch eine ...

Amber braucht eine Auszeit und mietet im schönen Südengland ein günstiges Cottage für drei Monate. Ähnlich ergeht es Finian, der aus London fliehen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Durch eine unglückliche Doppelvermietung treffen die beiden in Somerset aufeinander und gehen – da alle Unterkünfte in der Umgebung bereits belegt sind – eine Wohngemeinschaft auf Probe ein. Als Mietpreis inkludiert ist die Pflege eines alten einsamen Pferdes, bei der Amber und Finian einander langsam näher kennen lernen, obwohl sie grundsätzlich eine strikt getrennte Nutzung des Ferienhäuschens vereinbart haben. Schließlich gesellt sich auch noch ein vom Besitzer schändlich vernachlässigter Hund zu der kleinen Gruppe und plötzlich heißt es zusammenhalten gegen alles, was diese friedliche Idylle stören könnte.

In geschickter Abfolge kurzer, übersichtlicher Kapitel stellt Pippa Watson das Geschehen einmal aus der Sicht Ambers, dann wiederum aus jener von Finian dar, jeweils in der Ich-Form, was ich zuerst ein wenig verwirrend fand, aber gerade dadurch gewinnt der Roman größtmögliche Authentizität und Lebendigkeit. Diese sehr persönliche Schreibweise geht einem als Leser recht nahe, berührt und lädt ein, sich selbst mitten in der Geschichte wiederzufinden. Scheint es sich erst um eine nette Sommerlektüre zu handeln, so erkennt man rasch, dass in diesem Roman viele ernsthafte Themen verpackt sind, die nicht nur zum Träumen anregen sondern auch zum Nachdenken und Innehalten, zum Reflektieren über sich selbst. All das ist wunderschön eingebettet in eine Ruhe ausstrahlende Landschaft und die Nähe zu teils pflegebedürftigen Tieren. Überraschende Details und Wendungen sorgen für dauerhafte Spannungen und auch weniger sympathische Figuren werden mit freundlichen Wesenszügen ausgestattet, sodass sie glaubhaft rüberkommen.

Wie das Schicksal von Amber und Finian auch durch ihre vierbeinigen Mitbewohner mit beeinflusst wird, schildert die Autorin in einer so liebevollen und inspirierenden Sprache, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Einzelne Szenen sind so gut recherchiert und deutlich erzählt, dass man einfach nur gerührt zurückbleiben kann.

Obwohl ich ja selber überhaupt kein „Tiernarr“ bin, haben mich hier Buchtitel und Bild sofort angesprochen und ich bin sehr froh, dass ich mich auf diesen Zauber eingelassen habe. Eine klare Empfehlung für wunderbare Lesestunden.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Morde nach Vorschrift

NOCTURNA Die tödliche Schrift
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Privatdetektivin Ruby Fuchs soll einen ungewöhnlichen Fall übernehmen: Madame de Rochat möchte, dass geplante Morde nach der Vorlage von Nostradamus‘ Schrift „Nocturna“ gestoppt werden.

Nachdem bereits ...

Privatdetektivin Ruby Fuchs soll einen ungewöhnlichen Fall übernehmen: Madame de Rochat möchte, dass geplante Morde nach der Vorlage von Nostradamus‘ Schrift „Nocturna“ gestoppt werden.

Nachdem bereits die Polizei Zweifel an Rochats Verstand hegt, findet auch Ruby diesen Auftrag absurd. Andererseits haben sich bereits Prophezeiungen wie ein im Weidenkorb ausgesetzter Säugling und ein Toter bewahrheitet. Und bevor Ruby und ihr Partner John Bentwood eine bewusste Entscheidung treffen können, stecken sie schon selbst mitten drinnen in einer unglaublichen Geschichte.

„Mit ihrer Stimme fing alles an.“ So lernt der Leser Ruby Fuchs kennen, in der Badewanne, mit den Zehen plätschernd, in einem Telefongespräch mit der potentiellen Auftraggeberin Madame de Rochat. Großartig wird das Telefonat verwoben mit Details aus Rubys Leben, sodass ein sehr guter Eindruck von der Privatdetektivin entsteht. Auch alle anderen Figuren werden detailliert vorgestellt und charakterisiert, rasch hat man von allen ein perfekt gezeichnetes Bild vor Augen.

Silke Nowaks Kriminalroman spielt aktuell im Jahre 2019 in Ravensburg. Die Vorhersagen in Nostradamus‘ Manuskript treffen exakt auf die örtlichen Gegebenheiten und laufenden Ereignisse zu und scheinen Beweis genug zu sein, dass weitere Morde stattfinden und nur ein kleiner Teil der Menschheit einen Umbruch überleben wird.

Besonders erwähnenswert finde ich die gekonnte und packende Schreibweise der Autorin, ihre gut gewählten Stilmittel, wie z.B. immer wieder eingestreute exakte Zeitangaben, die Rubys Unruhe verdeutlichen oder die französischen Einsprengsel, die Madame de Rochat richtig lebendig werden lassen.

Da und dort gibt es interessante und unerwartete Wendungen, viele spannende Themen, die angerissen werden, wodurch die Geschichte stets kurzweilig bleibt und den Leser bis zum Ende gut unterhält.

Die Idee, alte Texte als Grundlage für einen Kriminalroman heranzuziehen, ist ungewöhnlich und durchaus gelungen. Den zum Schluss angedeuteten nächsten Fall werde ich bestimmt verfolgen und davor sicherlich auch noch „Alinas Grab“ lesen.

Veröffentlicht am 06.05.2019

Traumtanz

Das Gemälde der Tänzerin
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2018:
Helena ist Alleinerzieherin von 15jährigen Zwillingen, die Ballettkarriere ist Vergangenheit, ihre große Liebe auch. Auf Druck des RAV, des regionalen Arbeitsvermittlungszentrums, nimmt die ungelernte ...

2018:
Helena ist Alleinerzieherin von 15jährigen Zwillingen, die Ballettkarriere ist Vergangenheit, ihre große Liebe auch. Auf Druck des RAV, des regionalen Arbeitsvermittlungszentrums, nimmt die ungelernte 35jährige eine Stelle als Zimmermädchen im Fünf-Sterne-Luxushotel Kronenberg an, obwohl sie dadurch ihr vor Jahren gegebenes Versprechen gegenüber den Besitzern nicht mehr einhält.

1937:
Lydia muss bereits im Alter von 16 Jahren ihren Heimatort verlassen und verdingt sich in Luzern als Zimmermädchen.

Wie hängen die Schicksale der beiden Frauen miteinander zusammen und was hat das alles mit einem alten Gemälde zu tun?

Sowohl das Titelbild als auch der Klappentext lassen den Leser neugierig werden und bereits die ersten Zeilen ziehen den Leser in einen Sog aus Spannung zwischen den beiden Zeitebenen.

Sehr gelungen ist die einfühlsame Beschreibung der Personen und der Lebensumstände, sowohl im Heute als auch während der Kriegszeit. Rasch fühlt man sich ins jeweilige Umfeld hineinversetzt und verfolgt die gelungene Mischung aus generationenübergreifender Familiengeschichte, Krimi und Liebesroman. Erst nach und nach offenbaren sich wesentliche Details, sodass man gefesselt beim Buch bleibt, um alle Hintergründe aufzudecken und längst Zurückliegendes zu erfahren.

Dieser Roman hat mich durch seinen lebendigen und mit Liebe zum Detail geprägten Schreibstil gefesselt und mich ganz in die Lektüre versinken lassen. Helena und Lydia, sowie auch all die anderen Personen, kommen einem sehr nahe und sind in eine Geschichte verstrickt, deren Ende eine überraschende Wahrheit ans Licht bringt.

Ein absolutes Lesevergnügen von einer mir bisher unbekannten Autorin. Gerne lese ich mehr von Christine Jaeggi.