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Veröffentlicht am 18.08.2019

Ein Lied von Liebe und Verrat

Ein Lied von Liebe und Verrat
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Die alte Aliki ist die letzte Frau ihres Dorfes im Nordosten von Griechenland, die Klagegesänge verfasst. Als eine Ethnografin nach einem Besuch Rekorder und Kassetten zurücklässt, damit Aliki ihre Wehklagen ...

Die alte Aliki ist die letzte Frau ihres Dorfes im Nordosten von Griechenland, die Klagegesänge verfasst. Als eine Ethnografin nach einem Besuch Rekorder und Kassetten zurücklässt, damit Aliki ihre Wehklagen aufzeichnet, singt diese stattdessen im Monolog und dem Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit ihr eigenes Klagelied:

Alikis Vater wird wegen des Diebstahls eines Kürbisses von den Deutschen erschossen. So wächst sie bei Chrysoula auf, deren Sohn Takis zu Aliki eine intensive Verbindung aufbaut. Im Haus versteckt leben außerdem Strelio und seine Mutter, zwei verfolgte jüdische Griechen aus Athen. Aliki und Strelio entdecken ihre Gefühle füreinander, eifersüchtig beäugt von Takis.

Nachdem die Deutschen durch Verrat von dem Versteck erfahren, bricht in dem Dorf das Chaos aus. Zurück bleiben Aliki, Strelio und Takis, die sich nach Athen aufmachen und in den Wirren der grausamen und tödlichen Kämpfe zwischen Royalisten und kommunistischer Guerilla bestehen müssen. Mit einem Schattenpuppentheater, mit sie tradionelle griechische Volksstücke aufführen, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt, erst in der Stadt, später auf dem Land.

Abgesehen von den Gefahren des andauernden Bürgerkriegs ist der Zusammenhalt ihrer kleinen Gruppe durch die Feindseligkeit zwischen Takis und Stelios bedroht. Takis, verfolgt von Schuldgefühlen, fehlen die Erinnerung an das, was in der Vergangenheit im Dorf passiert ist. Er ist verwirrt und zeitweise unberechenbar. Er hört Stimmen und ist offensichtlich psychisch krank. Aliki, die ihm helfen will, wird überwältigt von ihrer Sorge, ihrer Angst und ihrer Liebe...


James William Brown hat für „Ein Lied von Liebe und Verrat“ einen eher wenig thematisierten Zeitpunkt griechischer Geschichte, eine einzigartige Kulisse und eine eindringliche Bildsprache gewählt, die zudem über weiten Strecken mit hohem emotionalen Faktor aufwartet. Lediglich in den Schlussszenen erscheint sie gedrängt und verliert etwas an Kraft.

Davon unabhängig beschreibt der Autor außergewöhnlich und gelungen einen Teil der wechselhaften griechischen Geschichte in einer politisch bewegenden Zeit und beleuchtet intensiv die Auswirkungen auf das Land und seine Bevölkerung. An Hand von Aliki und ihrer provisorischen Familie schildert er die Opfer, die während des Krieges und auch danach erbracht wurden.

Im Mittelpunkt stehen ein zerrissenes Land und neben Verrat, Verlust und Trauer vor allem Freundschaft und Liebe. James William Brown zeigt, wie diese das Leben von allen verändern, und wenn sie im Falle der Liebe herausgefordert, nicht erwidert oder von Konflikten überschattet sind. Dabei spart der Autor nicht mit ausweglos scheinenden Situation, Bedrohungen, Geheimnissen, ergreifenden Enthüllungen und Herzschmerz.

James William Brown hat insbesondere mit Aliki einen komplexen Charakter geschaffen. Sie reibt sich auf in ihrer Unentschlossenheit, zwischen Pflicht und Liebe, einerseits zu Takis und andererseits zu Strelio, und ist nicht in der Lage, die Situation klar zu sehen und zwischen beiden einen Entscheidung zu treffen. Angesichts des Geschehens sowohl vor Kriegsende als auch danach reift sie viel früher und wirkt erwachsen. Das Schicksal diktiert ihre Schwierigkeiten und beschert ihre Schmerzen, gönnt ihr wenig Pausen und Glücksmomente. Erst im Alter verfügt sie über einen feinen Humor. Daneben sind ihre Klagegesänge von beeindruckender Symbolik und Poesie.

Doch Aliki bleibt mit Trauer allein zurück. Genau wie der Leser...

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Veröffentlicht am 24.06.2019

Was mir von dir bleibt

Was mir von dir bleibt
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Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam ...

Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam Silveras „Was mir von dir bleibt“. Und dabei kann nicht nicht einmal genau erklären, warum das so ist. Aber ich will es zumindest versuchen.

Zunächst einmal liegt es an der Thematik. Adam Silvera schreibt über die gleichgeschlechtliche Liebe und spielt von Anfang an mit offenen Karten:

Theo McIntyre ist tot, er wird nie mehr zurückkehren. Zurückbleiben nicht nur seine Eltern und seine kleine Schwester, sondern auch Griffin, der mit ihm seinen Lieblingsmenschen und die erste große Liebe verliert, und Jackson, sein aktueller Freund. Denn Griffin hat sich von Theo getrennt, als dieser wegen seines Studiums nach Kalifornien gezogen ist. Und die Hoffnung, die Beziehung irgendwann fortsetzen zu können, zerschlägt sich, als Theo Jackson kennenlernt und sich im Grunde entliebt. Obwohl sie dadurch unweigerlich zu Konkurrenten geworden sind, stehen nun sowohl Griffin als auch Jackson vor einem gemeinsamen Verlust und ahnen nicht, dass sie einander retten werden.

„Du hast uns allein gelassen. Dein Tod hat uns zu zwei Teilen in diesem zusammengestümperten Puzzle gemacht, das sich noch nicht recht zu einem Bild fügen will, aber trotzdem etwas erkennen lässt: zwei verliebte Jungs. Verliebt in jemanden, der nie mehr zurückkehrt.“ (Seite 242 f.)

Griffin und Jackson beginnen miteinander zu sprechen und offenbaren dem jeweils anderen die Erlebnisse, die sie mit Theo verbinden. Stück für Stück setzen sie das Puzzle zusammen und unternehmen im Angesicht ihrer Trauer den Versuch der Annäherung und Reparatur...


Adam Silvera erzählt die hauptsächlich in New York und daneben in Los Angeles angesiedelten Geschichte zwar aus der Ich-Position von Griffin, allerdings nicht linear und aus zwei Blickwinkeln heraus. Neben der 2016 einsetzenden Gegenwart ist es die Vergangenheit im Jahr 2014, die mit dem Outing von Theo und Griffin Relevanz erhält, als die beiden innerhalb des Dreiergespanns, zu dem noch Wade gehört, ihre Gefühle füreinander begreifen.

Der achtundzwanzigjährige Autor, selbst homosexuell, schildert mit erstaunlicher Ruhe und einem treffsicheren Selbstverständnis ein Thema, das nicht nur in der Gegenwartsliteratur nach wie vor keine uneingeschränkte Akzeptanz erfährt. Hingegen trifft die gleichgeschlechtliche Beziehung unter Jugendlichen in seinem Roman auf positive Resonanz. Griffin und The müssen sich nicht ständig erklären. Ihre Familien heben sich wohltuend von den sonstigen Bedenken und Abneigung äußernden Elternpaaren ab, sind geprägt von Offenheit und Empathie, komplizieren das Verhältnis ihrer Söhne nicht, sondern geben ihnen jedwede Unterstützung und Zustimmung. Ja, es entsteht der Eindruck, dass Homosexualität und damit Sexualität kein Problem ist, sondern eben eine „normale“ Sache zwischen heranwachsenden Liebenden ist. So wie es sein sollte.

Adam Silvera bringt es tatsächlich fertig, eine Welt zu schaffen, deren Mittelpunkt nicht der sonst übliche vorherrschende Weltschrott von kaputten Beziehungen und Intoleranz ist. Denn auf Grund des endgültigen Verlustes durch den Tod ist die Tragik schon ergreifend und gefühlsbestimmt genug. Das mag ein wenig fernab der Realität erscheinen. Es passt indes gut zum Verhalten von Griffin, der sich zur Verarbeitung seiner Trauer in Paralleluniversen denkt und daraus Hoffnung schöpft. Tatsächlich ist es so, dass Griffin Theo als stillen Beobachter und Zuhörer betrachtet, dem er mit erstaunlich ausgeprägter Fähigkeit zur Selbstreflektion wie beiläufig noch einmal ihre gemeinsame Geschichte wiedergibt.

Hinzu kommt, dass es Adam Silvera gelingt, neben der Fülle an emotional aufwühlenden Gefühlen, auch heitere Akzente zu setzen, Hoffnung und Zuversicht aufzubauen.

Hervorzuheben ist außerdem die Komplexität seiner Figuren, deren Darstellung Realitätsnähe und Facettenreichtum aufweist. Vor allem Griffin fällt zweifelsfrei auf, prägen ihn doch seine enorme Sensibilität und außerdem seine Zwangsstörungen. Gerade Zahlen, das Gehen auf der richtigen Seite machen sein Leben aus, Theo hat das akzeptiert. Als Theo nicht mehr da ist, befinden sich Griffins Empfindungen in einem ständigen Auf und Ab, und seine depressiven, angstbeeinflussten Zustände nehmen einen großen Teil seines Daseins ein. Und zur Trauerbewältigung gesellt sich die Frage, ob Griffin einen Weg zu sich selbst und zu einer gewissen Normalität finden wird.


„Was mir von dir bleibt“ ist ein queeres Jugendbuch, das sich nicht nur mit viel Herzblut und Glaubwürdigkeit der gewählten Materie hingibt, sondern diese auch auf überzeugende und altersgerechte Weise umsetzt.

Veröffentlicht am 09.06.2019

The Fourth Monkey - Erster Akt

The Fourth Monkey - Geboren, um zu töten
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„Böses zu sagen führt nur dazu, dass umso mehr Bosheit entsteht, und davon gibt es schon genug auf der Welt.“ (Seite 437)

Ein Unfall könnte der Stadt Chicago die lang ersehnte Erlösung bringen. Fünf Jahre ...

„Böses zu sagen führt nur dazu, dass umso mehr Bosheit entsteht, und davon gibt es schon genug auf der Welt.“ (Seite 437)

Ein Unfall könnte der Stadt Chicago die lang ersehnte Erlösung bringen. Fünf Jahre lang hat ein Serienkiller hier sein Unwesen getrieben, sich jemanden gesucht, der seiner Meinung nach irgendetwas Böses tat, und einen nahe stehenden Menschen gekidnappt. Sieben Mal hat er seinen Opfern, allesamt junge Mädchen, zunächst ein Ohr abgeschnitten, dann die Augen ausgestochen, als Drittes die Zunge entfernt, bevor er sie letztlich tötete. Getreu dem Motto: „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ und ergänzend „nichts Böses tun“. Makaber daran war, dass die Angehörigen die Körperteile in weißen Päckchen mit schwarzem Paketband verschnürt zugesandt erhielten.

Der Fourth-Monkey-Killer erlebte seine „Geburtsstunde.

Insgesamt 21 Päckchen haben ihr Ziel erreicht, und Detective Sam Porter ist derjenige gewesen, der, als er das allererste in der Hand hielt, schon damals ahnte, das weitere folgen würden. Dass er es nämlich mit einem gestörten Serienmörder zu tun hatte, gegen den er – obwohl er von Anfang an am Ball blieb – keinen Erfolg haben würde. In einem Spiel, in dem der Täter nicht die geringsten Spuren hinterlässt, konnte er nicht gewinnen.

Nun scheint der Fourth-Monkey-Killer auf dem Weg, ein neues Päckchen zu überbringen von einem Bus erfasst und getötet worden zu sein. Hat das Schreckliche, das Böse nun ein Ende gefunden?

Allerdings bedeutet eine neue Sendung, und diese enthält tatsächlich ein abgeschnittenes Ohr, wieder ein Opfer. Kann Sam Porter mit Hilfe des in der Jackentasche des Verunglückten entdeckten persönlichen Tagebuchs das letzte entführte Mädchen retten? Denn dieses Tagebuch offenbart zwar die Geschichte und die Gedanken des Killers, beinhaltet indes nur wenige Hinweise auf seine Identität.

Während Porter auch gegen die eigenen Rachedämonen nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau Heather kämpft, verrinnt die Zeit, und der Fourth-Monkey-Killer lacht sich noch aus dem Grabe heraus ins Fäustchen...


J. D. Barker startet „The Fourth Monkey. Geboren, um zu töten“ mit einem originellen Kabinettstück: Der Tod des vermeintlichen Fourth-Monkey-Killers betrügt dich um die übliche Jagd durch die Polizei. Doch sei dir sicher, deinen mitreißenden Nervenkitzel wirst du trotzdem bekommen, da mit diesem Unfall das ernsthafte und mit Geschick veranlasste Psychospiel Serienmörder gegen Cop erst beginnt und die Präsenz des „Geistes“ dieses Killers dich beeindrucken wird.

Wirst du wie Sam Porter in den Bann des 4FM-Killers geraten, wenn du in dessen Vergangenheit und seine Gedanken eintauchst, in dem du das Tagebuch liest, und miterlebst, wie jemand seine Kindheit verbringt und auf welche Art die Ursachen gesetzt werden, die bei diesem die bösen Seiten zu Tage treten lassen, jene von äußerst packender, gnadenloser und furchterregender Natur? Vielleicht wirken die Abgründe, in die du gestoßen wirst, auf dich wie fernab jeder möglichen Realität, sind gerade aus diesem Grund besonders beklemmend. Möglicherweise siehst du Ratten – wenn du sie je mochtest und nicht schon immer eine Abneigung gegen sie hattest – nach der Lektüre mit anderen Augen.

J. D. Barker spart nicht mit einer dunklen Atmosphäre und abstrusen, blutigen Momenten. Er ruft Beunruhigung und Entsetzen hervor und spielt mit den Empfindungen, wenn er die verwirrende Inszenierung seines krankhaften, erfindungsreichen, zugleich auch klugen Mörderhirns präsentiert. Es ist ein Mann, der von seinem Vater gelernt hat, wie wichtig es ist, in jeder Situation den jeweiligen Umständen entsprechend die richtigen Gefühle zur Schau zu stellen, unabhängig vom inneren Empfinden.

Dagegen kann sein Gegenspieler, der zweiundfünfzigjährige Detective Sam Porter, seine Emotionen nicht verstecken. Porter ist ein pflichtbewusster Polizist und ein fantastischer Ermittler. Allerdings hat er Schwierigkeiten, mit der Wut und dem Hass, den er auf den jungen Mann verspürt, der seine geliebte Frau getötet hat, umzugehen. Das belastet ihn und legt Schmutz auf seine Seele. Halt gibt im die Stimme seiner Frau auf der Mailbox ihres Mobiltelefons.

Dem Autor gelingt es in beeindruckender Weise und nahezu mühelos, die Charaktere auszuloten. Während sich das Bild des Fourth-Monkey-Killers in den Tagebucheinträgen manifestiert, bieten neben der unzweifelhaft im Mittelpunkt stehenden Figur des Sam Porters auch seine Partner und Mitarbeiter Clair Norton, Brian Nash und Edwin „Kloz“ Klozowski erhebliches Potential. Sie sind eine gelungene Ergänzung des Ermittlerteams und erhöhen die Wirkung innerhalb des Geschehens, in dem J. D. Barker im Wettlauf gegen die Zeit einige überraschende Wendungen offeriert.

Veröffentlicht am 09.04.2019

Der Maulbeerbaum

Der Maulbeerbaum
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Die zehnjährige Immy zieht mit ihren Eltern aus dem weit entfernten Sydney nach England, damit einerseits Immys Mutter in einer Spezialklinik in Cambridge arbeiten kann. Andererseits bedeutet dies auch ...

Die zehnjährige Immy zieht mit ihren Eltern aus dem weit entfernten Sydney nach England, damit einerseits Immys Mutter in einer Spezialklinik in Cambridge arbeiten kann. Andererseits bedeutet dies auch einen Neuanfang für die Familie. Denn die emotionalen Probleme von Immys Vater bedrohen den Familienzusammenhalt. Als ehemaliger Hausarzt leidet der Vater nach einem Vorfall mit einem seiner Patienten, in dessen Folge zwei Menschen ums Leben kamen, an Depressionen und kann nicht mehr arbeiten.

Auf der Suche nach einem neuen Heim entdecken sie ein ansehnliches Cottage in einem kleinen Dorf, das ihren Vorstellungen entspricht. Nur der uralte, knorrige und völlig blattlose, ja dadurch dunkel und sehr wild aussehende Maulbeerbaum im Garten lässt sie in der Entscheidung wanken. Und dann ist da noch die Legende, dass eben jener Baum Mädchen am Vorabend ihres elften Geburtstages "stiehlt".

Während das ganze Dorf sich von dem Baum fernhält, und obwohl bereits zwei Mädchen spurlos verschwunden sind, glauben Immys Eltern nicht daran und ignorieren die Warnungen. Immy selbst fühlt sich vom Haus und den Gerüchten über den unheimlichen Baum angezogen, bald hört sie ein seltsames Lied in ihrem Kopf.

"Am Maulbeerbaum geh nur behutsam vorbei,
sonst holt er die Töchter sich,
eins, zwei, drei.
Im Dunkeln und heimlich – spurlos sogar,
erleben sie nie ihr zwölftes Jahr."


Die Familie zieht in das Haus, und Immy und ihre Eltern versuchen, ihre neue Existenz aufzubauen. Der elfte Geburtstag von Immy rückt stetig näher, und mittlerweile sieht Immy Dinge und Bilder, die nicht wirklich da sind. Immer öfter fragt sie sich, ob sie das Rätsel lösen kann oder ob auch sie ein Opfer des Baumes wird...


„Der Maulbeerbaum“ von Allison Rushby ist eine rätselhafte Geschichte, bei der Logik und rationales Denken ein wenig beiseite geschoben und die Fantasie des jugendlichen Lesers angeregt werden. Eine aufgeladene Stimmung und unerklärliche, paranormale Ereignisse schaffen einen gruseligen und packenden Spannungsfaktor, der altersgerecht und zu keinem Zeitpunkt verstörend oder gar abschreckend ist. Tatsächlich ruft der Baum unterschiedliche Emotionen hervor. Steht zu Beginn dessen Bösartigkeit im Vordergrund und geht damit Ablehnung einher, überwiegt später das Mitleid.

Die Autorin erzählt von alltäglichen Problemen, dem Umgang mit Mobbing und psychischen Erkrankungen, den Auswirkungen auf die Menschen und ihre Beziehungen, den Versuchen, dies alles zu bewältigen.

Allison Rushbys Figuren sind glaubwürdig und realitätsnah. Immy wächst bei fürsorglichen und liebevollen Eltern auf, die nicht losgelöst von eigenen Schwächen betrachtet werden. Die Autorin macht ihren jugendlichen Lesern bewusst, dass es eben im Leben der Erwachsenen nicht nur perfekte Momente gibt, sondern auch solche, in denen sie keine Antworten haben, dass sie manchmal nicht einmal die Fragen kennen. Dass sie manchmal sich selbst nicht mehr (er)kennen.

Immy ist unglaublich reif für ihr Alter und setzt sich entschlossen und mutig mit den Tatsachen auseinander. Streit oder Konflikte sind überhaupt nicht ihr Ding. Vorhandener Ängste und das auf sie einwirkenden übernatürliche Geschehen halten sie nicht davon ab, das Geheimnis des Baumes zu ergründen.

Dabei trifft sie immer wieder auf Gefühle, die sie einordnen muss. Gerade die Konfrontation mit dem, was ihr Vater durchmacht, nötigt ihr einen Lernprozess ab. Es ist schwer für ein Mädchen ihres Alters, ihren einst aktiven, an allem beteiligten Vater nun als traurige und defensive Person zu sehen, die sich dem Leiden hingibt.

Allison Rushby verdeutlicht an der Figur von Immy, wie wichtig es ist, verständnisvoll, leidenschaftlich und hilfsbereit für etwas einzutreten.

Und so zeigt sich „Der Maulbeerbaum“ letzten Endes als eine beachtliche und faszinierende Parabel für das Helfen, Verantwortung, Heilung, Vergebung und Wertschätzung des Lebens und verdeutlicht, dass Hass und Wut nicht funktionieren.

Veröffentlicht am 27.03.2019

Der silberne Traum

Der silberne Traum
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Als die Elfe Fiadora in ihrer Verkleidung als Elf mitten im Nordmeer auf einem Schiff erwacht, hat sie keinerlei Erinnerungen an ihr bisheriges Leben geschweige denn, wer sie wirklich ist und wie und warum ...

Als die Elfe Fiadora in ihrer Verkleidung als Elf mitten im Nordmeer auf einem Schiff erwacht, hat sie keinerlei Erinnerungen an ihr bisheriges Leben geschweige denn, wer sie wirklich ist und wie und warum sie auf die „Windjammer“ des Klaubauters Koggs gekommen ist. Unglücklicherweise ist die Besatzung, die aus gestandenen (See)Männern besteht, in die Fänge einer Sirene geraten, und nur Fi als weibliches Wesen blieb von dem verführerischen Gesang verschont. Mit Hilfe der Möwe Kriwa und des Meermannes Nikk, der auf der Suche nach einem Heilkraut für seinen Vater, Meerkönig Aqualonius ist, gelingt die Befreiung.

Aber die Situation erweist sich auch danach alles andere als einfach. Die Nebelköngin Morgoya hat sich Fis Heimat, das Elfenreich Albion, und seine Bewohner untertan gemacht. Doch davon ahnt Fi erst nach und nach etwas, ebenso dass sie mit einer wichtigen Mission beauftragt wurde. In Begleitung ihrer neuen Freunde, zu denen neben Kriwa, Koggs und Nikk der Däumlingsmagier Eulertin und zu Fiadoras Verdruss auch die Gargyle Dystariel gehören, beginnt ein abenteuerliche Zeit, die der Elfe einiges abverlangt und in der schwierige und knifflige Situationen gemeistert werden müssen.


Mit „Der silberne Traum“ hat Thomas Finn ein sogenanntes Prequel, also eine Vorgeschichte zu seinen Chroniken der Nebelkriege geschrieben. Durch den Verlag Feder & Schwert wurde die Reihe in zeitlich chronologischer Folge in einer erlesenen Neuausstattung aufgelegt.

„Der silberne Traum“ lässt sich ohne Kenntnis der später folgenden Trilogie lesen. Hier findet sich alles, was von fantastischen Geschichte erwartet wird: ein einfallsreiche Handlung, in der unscheinbare, sensible Helden, attraktive und entschlossene Helfer, charismatische Bösewichter, also eine Mischung außergewöhnlicher mythischer Wesen wie Seekobolde, Meermänner, Elfen, Feen, untote Piraten, Humeride, Gargylen und Däumlinge agieren.

Thomas Finn stattet seine Figuren einerseits mit klassischen, andererseits mit originellen skurrilen Eigenschaften aus. Kauzige Liebenswürdigkeiten finden sich auch in der Namensgebung, was des Öfteren zu amüsiertem Schmunzeln führt.

Der Autor schildert die Ereignisse bis auf wenige Ungeschicktheiten leicht verständlich und stringent, gleichwohl in bemerkenswert facettenreichen bunten Bildern. Mehrfache Andeutungen, Hinweise, Verknüpfungen mit Motiven aus alten Sagen und Legenden, dargestellte Schauplätze und auftretende Namen in seiner sorgfältig entwickelten Welt haben nicht nur für den jugendlichen Leser einen hohen und unterhaltsamen Wiedererkennungswert. So gelangt man beispielsweise über die Elbe vorbei an den Harzenen Bergen nach Hammaburg und kann diesen Weg auf der wunderschönen Landkarte von Matthias Rothenaicher verfolgen.

Ein bisschen Grusel ist ebenfalls erlaubt. Es gibt riskante Manöver und Kämpfe, doch insgesamt hält sich der Autor hier zurück, setzt hingegen auf Entdeckungen und Enthüllungen, um die Handlung und letztlich die Neugier auf die eigentlichen Chroniken der Nebelkriege voranzutreiben. Und die sind nach der Lektüre von „Der silberner Traum“ ein Muss…

4,5 Sterne