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Veröffentlicht am 20.07.2022

Wundervoller Einblick in die Welt des Tees

Der Duft der Kirschblüten
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Wenn es eines gibt, womit man mich immer locken kann, dann ist es Japan und eine Geschichte, in der es um Tee geht. Verpackt als historischer Roman mit einem guten Schuss Romantik war dieses Buch entsprechend ...

Wenn es eines gibt, womit man mich immer locken kann, dann ist es Japan und eine Geschichte, in der es um Tee geht. Verpackt als historischer Roman mit einem guten Schuss Romantik war dieses Buch entsprechend für mich beinahe Pflichtlektüre.



Fokus auf Tee und der historischen Epoche

Das Buch eröffnet ohne Umschweife im Teegeschäft am Ende des 19. Jahrhunderts. Wir lernen eine Familie kennen, deren Mitglieder sich nahestehen, und die allesamt die Leidenschaft für das Geschäft teilen. Von der ersten Seite an konnte ich die Liebe der Autorin zum Tee spüren. Die einfühlsamen Beschreibungen des Geschäfts machten es zu einem Ort des Wohlfühlens und weckten Erinnerungen an den stets gleichen, wundervollen Geruch, den ein Teeladen mit sich bringt. Gleichzeitig ist die Geschichte sehr eindeutig im Jahr 1870 verankert. Nicht nur die Kleidung, sondern vor allem die gerade erst beginnende Modernisierung dank Elektrik und Industrialisierung werden immer wieder beiläufig erwähnt und erinnern uns daran, mit welchen Problemen unsere Protagonistin zu kämpfen hatte.

Dass in dieser Geschichte der grüne Tee als neu und fremdländisch angesehen und von vielen abgelehnt wird, war ein faszinierendes Detail. Japan hat sich im Zuge der Meiji-Restauration erst 1868 der Welt geöffnet, und so war es naheliegend, dass ein japanischer Teehändler in Europa zunächst auf Ablehnung stoßen würde. Die Autorin schafft es, dass dieser historische Prozess nicht nur als Hintergrundkulisse dient, sondern vielmehr für den Plot und die Entwicklung der Figuren wichtig wird. Alles ist verwoben mit dem Tee, der so viel mehr ist als nur Getränk. Der Schreibstil, der stets Ruhe ausstrahlt und zum Träumen einlädt, unterstreicht die Philosophie, die Akeno und Clara in einer Tasse Tee teilen.



Einige Nebenfiguren bleiben blass

Clara ist als Protagonistin von Beginn an greifbar. Fleißig und durchaus im traditionellen Sinne brav und auf Anstand bedacht, hat sie doch ihre Träume und Sehnsüchte nach der weiten Welt. Dass Akeno, der als deutschsprechender Japaner den Tee und viele Geschichten aus der Ferne mit sich bringt, ihre Aufmerksamkeit erweckt, ist natürlich und nachvollziehbar. Aber auch umgekehrt versteht man die Faszination – Clara ist authentisch interessiert am Tee und der Welt, nicht einfach nur geblendet von Exotik, sondern offen für alles, was Akeno als Person darstellt. Beide teilen einen ruhigen Geist, der doch immer nach neuem sucht. Diese beiden Figuren gehen mir nahe und haben mich sofort abgeholt.

Leider ist das nicht mit allen Charakteren so. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht aus dieser Zeit stamme, doch ich habe immer wieder in historischen Romanen damit zu kämpfen, dass ein Mann eine Frau heiraten will, nur weil er es schon immer so geplant hat – insbesondere, wenn die Frau weder Reichtum noch Stand mit sich bringt. In diesem Buch stellt das den zentralen Konflikt dar, und ich habe große Probleme damit, die Handlungsmotivationen zu verstehen. Der Charakter des Ehemanns bleibt blass, was insbesondere deswegen schade ist, weil andere Nebenfiguren durchaus Tiefe haben und nicht nur für den Plot existieren, sondern offensichtlich eigene Ziele haben.

Überrascht wurde ich am Ende davon, dass es noch einen weiteren Band geben wird. Auch wenn so das Ende nicht ganz ein Schlusspunkt ist, habe ich mich doch darüber gefreut – ich kann nächstes Jahr noch mehr Zeit mit den liebgewonnenen Charakteren verbringen.



Fazit

Der Roman „Der Duft der Kirschblüten“ von Rosalie Schmidt ist wie eine Tasse Macha: komplex, mit vielen verschiedenen Nuancen, und am besten in absoluter Ruhe und mit offenem Geist zu genießen. Die Geschichte lädt zum Träumen ein, macht Lust auf Japan, und ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Liebe. Auch wenn nicht alle Figuren Tiefe erhalten, so nehmen Clara und später auch Akeno den Leser mit auf eine emotionale Reise, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

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Veröffentlicht am 01.07.2021

Hochspannender historischer Roman mit bisweilen zu starker Heldin

Die Highlanderin
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Die historischen Romane, die ich häufig lese, spielen üblicherweise im 17. bis 19. Jahrhundert und ich habe lange gezögert, ob ich einen Roman über Schottland im 13./14. Jahrhundert wirklich lesen will. ...

Die historischen Romane, die ich häufig lese, spielen üblicherweise im 17. bis 19. Jahrhundert und ich habe lange gezögert, ob ich einen Roman über Schottland im 13./14. Jahrhundert wirklich lesen will. Nach Ende der Lektüre bin ich froh, dass ich diesem Buch eine Chance gegeben habe, gerade weil so Vieles neu für mich war, aber auch, weil wir eine sehr untypische weibliche Hauptfigur kennenlernen können. Trotz einiger kleinerer Schwächen habe ich diese Geschichte förmlich verschlungen.

Die Geschichte zweiter Welten

Das erste, was mich überrascht hat, war, wie viel Raum die Vergangenheit der Protagonistin einnimmt, wie viel wir von ihr im Orient sehen. Wenn ich schon über Schottland im 13. Jahrhundert kaum etwas weiß, so trifft dies noch mehr auf Persien zu. Gleichzeitig bietet sich diese Region für historische Romane sehr an, dann gerade in der Wissenschaft waren uns die Menschen dort doch um einiges voraus. Und so habe ich mit großem Interesse und einiges an Überraschung gelesen, wie Enja, die Protagonistin, Heilkunst erlernt und wie gewagt viele der Operationen und Behandlungsmethoden für die damalige Zeit waren – und wie viel man dort schon wusste.

Zurück in Schottland dreht sich natürlich viel um die Unabhängigkeitskriege. Selbst wenn man Geschichte nicht studiert hat, so weiß man doch grob, worum es ging und was geschehen ist. Große Namen wie William Wallace und Robert de Bruce fallen, ohne dass der Fokus wirklich von Enja wegrückt. Die Geschichte bleibt bodenständig, zeigt den Kampf einer starken jungen Frau um Anerkennung und wie sie ihren Clan und ihre Burg erbittert hält. Fiktion mischt sich hier spannend mit Fakten, historische Persönlichkeiten werden zum Leben erweckt, ohne je von der Protagonistin abzulenken. Das ist die größte Stärke dieses historischen Romans.

Eine etwas zu starke Protagonistin

Die Enja, die wir in der Vergangenheit kennenlernen, wie sie zuerst zur Haremsdame, dann zum Assassinen ausgebildet wird, ist eine starke junge Frau – zu stark manchmal. Alles, was sie anfasst, gelingt ihr. Sie lernt problemlos neue Sprachen, eignet sich medizinisches Wissen an, ist nach kurzem Training schneller und gewandter als andere Straßenkinder und übertrifft darin auch bald andere Assassinen. Immer mal wieder scheint es beinahe, als wären wir in einem Fantasy-Roman gelandet, in dem die Heldin übernatürliche Fähigkeiten hat.

Die Enja der aktuellen Zeit, die in Schottland ihren Clan anführt, wirkt da viel menschlicher, echter. Sie ist immer noch stark und den meisten im Kampf überlegen, aber ihr Temperament und ihr Charakter bringen sie immer wieder in Schwierigkeiten, und insbesondere zwischenmenschlich ist sie oft verunsichert und überfordert. Gerade weil sie so stark und unabhängig erscheinen viel, wird sie manchmal schwach. Das ist eine gelungene Darstellung, die in der Vergangenheit fehlt. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Enja der Vergangenheit etwas blass bleibt und viele Dinge tut, fühlt und sagt, die dem Plot geschuldet sind. Spannenderweise war es dennoch dieser Einblick in die Vergangenheit, der mich wirklich gefesselt hat – vielleicht, weil die Welt mir so fremd war und ich all die neuen Informationen aufgesogen habe wie ein Schwamm.

Generell hätte ich mir auch mehr ausführlich beschriebene Kampfszenen gewünscht. Uns wird oft gesagt, wie überlegen sie ist, doch wir sehen nur selten wirklich etwas davon. Ich hoffe, dass wir im zweiten Teil mehr von Enja in Aktion sehen werden.

Fazit

Der historische Roman „Die Highlanderin“ ist ein hochspannendes und stark recherchiertes Portrait einer jungen Frau, die sich nicht den Regeln der Zeit fügen will. Während der Fokus stets auf ihr und ihrem Werdegang liegt, lernen wir viel über den Orient, Schottland, die Unabhängigkeitskriege und die Medizin der damaligen Zeit. Auch wenn die Protagonistin Enja bisweilen zu übermächtig wirkt, habe ich doch bis zum Schluss mitgefiebert und ihr Erfolg gewünscht. Trotz kleinerer Schwächen kann ich den im Oktober erscheinenden zweiten Band „Der Weg der Highlanderin“ kaum abwarten.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Starker Polit-Thriller, der Lust auf mehr macht

Die Akte Adenauer
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Mit dem Roman „Die Akte Adenauer“ ist Ralf Langroth ein starker Auftakt seiner Reihe um den Ermittler Philipp Gerber gelungen. Umfassende Recherche zu den politischen und historischen Hintergründen werden ...

Mit dem Roman „Die Akte Adenauer“ ist Ralf Langroth ein starker Auftakt seiner Reihe um den Ermittler Philipp Gerber gelungen. Umfassende Recherche zu den politischen und historischen Hintergründen werden vor der authentisch erzählten Kulisse des Deutschlands der 50er Jahre zum Leben erweckt. Dieser Polit-Thriller hat sehr viele Stärken, die fast ausreichen, die wenigen Schwächen vergessen zu machen.


> Akribische Recherche und passender Spannungsbogen

Von der ersten Seite an habe ich mich in das Deutschland der 50er Jahre zurückversetzt gefühlt. Das Biedere, aber auch das Hoffnungsvolle dieser Zeit springt einen beim Lesen förmlich an. Mit Philipp Gerber, dem Amerikaner im Auftrag des CICs, gibt es gleichzeitig eine Figur, die modern genug wirkt, um den Leser abzuholen. Als eigentlich Deutscher, der nur kurzfristig für das BKA und die Sicherungsgruppe Bonn ermitteln soll, ist er ebenso zerrissen wie das Land, in dem er tätig ist: Der Krieg ist noch gar nicht lange her, und während einige am liebsten alles vergessen und nur nach vorne sehen wollen, sind andere nicht bereit, den Traum von Größe, den sie unter der nationalsozialistischen Diktatur hatten, aufzugeben.

Neben Philipp Gerber, der ebenso intelligent wie abgebrüht und erfahren ist, lernen wir diverse politische Figuren und andere Ermittler kennen, die zum größten Teil ein ganz eigenes Spiel zu spielen scheinen. Wie es sich für einen Polit-Thriller gehört, entsteht beim Leser ganz schnell der Eindruck, dass überhaupt nicht klar ist, wem Gerber eigentlich trauen kann. So wie er sich also ständig umdrehen muss, so ist auch der Leser stets auf der Hut, vermutet hinter jeder neuen Figur den eigentlichen Drahtzieher der Verschwörung. So kommt Langroth mit einigen wenigen actiongeladenen Szenen aus, um Spannung aufzubauen, da unsere Nerven beim Lesen sowieso schon zum Zerreißen gespannt sind.

Geschickt streut der Autor auch entlang des Weges kleinere Hinweise hier und da ein, Sätze, die einen aufmerksamen Leser innehalten lassen – und am Ende wird man belohnt, wenn der Verdacht, den man noch vor Gerber hatte, sich als richtig herausstellt. So macht das Lesen Spaß, denn auch, wenn man vielleicht das Wer ein wenig schneller weiß als der Ermittler, klärt sich doch die Frage des Warums erst am Ende. Es wird Seite um Seite spannender, bis die Auflösung am Ende hart erfochten und wohl verdient ist.


> Unpassende Stolpersteine

Umso unschöner ist es, dass man offenbar der Meinung war, dass ein solide ermittelter Polit-Thriller alleine nicht ausreicht. Wir bekommen regelmäßig kleine Einschübe, die uns die Sicht der lange Zeit namenlosen Verschwörer zeigen, doch für mich trug dies nie zur Spannung bei. Auch ohne diese Einschübe wusste ich, dass die Verschwörer hinter jedem Busch lauern könnten. In meinen Augen hätte es diesen Griff in die Trickkiste nicht gebraucht.

Ebenso enttäuscht war ich von dem romantischen Nebenstrang der Erzählung. Nicht, dass ich etwas gegen Romantik in einem Thriller hätte, im Gegenteil. Doch hier wird er in meinen Augen schlecht ausgeführt. Die Figur, mit der Gerber eine Affäre beginnt, ist zentral wichtig für den Plot, aber es braucht dafür die Liebe nicht. Ebenso war für mich unbegreiflich, wie sich Gerber derart chauvinistisch verhalten kann und trotzdem auf Zuspruch stößt. Gewiss, andere Zeiten waren es damals, aber der Roman ist heute geschrieben, da könnte man eine aufkeimende Beziehung ohne solche Bevormundung durch den Mann anfangen. Die Frau ist ein spannender Charakter, doch obwohl sie so wichtig für Gerbers Ermittlungen ist, wird sie immer mehr degradiert zur Damsel in Distress, der schönen Frau, die durch den starken Mann gerettet werden muss. Das hat mich mehrmals stolpern lassen, was schade ist.

Auch dass am Ende der Bösewicht, der schon aufgrund seiner politischen Ausrichtung verabscheuungswürdig ist, noch schnell eine weitere, heftige Charakterverfehlung angedichtet bekommt, war seltsam. Reicht es nicht aus, rassistisch zu sein, um offensichtlich nicht zu den Guten zu gehören?


> Fazit

Der Polit-Thriller „Die Akte Adenauer“ macht viel richtig und hat in mir die Lust geweckt, mehr über die jüngere Geschichte Deutschlands zu lernen. Mit Philipp Gerber ist zudem ein Ermittler erschaffen worden, von dem ich auch in Zukunft gerne noch mehr lesen will. Auch wenn einige Details in der Ausführung mir nicht gefallen haben, hat mich das Buch doch stets gefesselt und unterhalten.

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Veröffentlicht am 15.06.2019

Spannender Krimi, der Hollywood zum Leben erweckt

Der Mann, der nicht mitspielt
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Zu diesem Buch gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer: Es ist sehr gut. Eine Perfekte Mischung aus spannendem Kriminalfall und Darstellung historischer Umstände und Kulissen. Für mich als großen ...

Zu diesem Buch gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer: Es ist sehr gut. Eine Perfekte Mischung aus spannendem Kriminalfall und Darstellung historischer Umstände und Kulissen. Für mich als großen Fan des frühen Kinos war dieses Buch eine tolle Entdeckung, denn es hat mir das Hollywood, von dem noch heute geschwärmt wird, obwohl es nicht mehr in der Form existiert, auf eine Art und Weise näher gebracht, die ich nicht erwartet hatte: Es ist viel glänzender und aufregender, aber auch viel schmutziger und abstoßender als angenommen. Wenn ich versuche, dem Roman gerecht zu werden, muss ich länger ausholen - entsprechend ausführlich fällt diese Rezension aus.



Die Glanzzeit von Hollywood

Die große Stärke dieses Romans liegt darin, dass der Autor sehr genau weiß, worüber er schreibt: Das Hollywood der 20er Jahre erwacht von der ersten Seite an zum Leben. Da ist auf der einen Seite die dreckige Stadt, die oft beinahe selbst wie eine Persönlichkeit wirkt mit all ihren sonderbaren Gegebenheiten. Dann sind da authentische Figuren, die jungen Schauspielerinnen, die alles für den Erfolg tun würden, oder die Bewohner von Chinatown, die anders als die anderen Einwanderer viel stärker unter sich bleiben und dadurch geheimnisvoll wirken. Natürlich sehen wir auch viele bekannte Persönlichkeiten, die es in der Geschichte wirklich gegeben hat: Carl Laemmle zum Beispiel, der Schwabe, der Universal Studios gegründet hat, oder Adolph Zukor, der Ungar, der im Roman "Famous Players" leitet, welches sich später in Paramount Pictures umbenennt. Sie alle bekommen schillernde Persönlichkeiten, ohne jedoch wie stereotype Abziehbilder von klischeehaft-bösen Studio-Bossen zu wirken.

Alles in diesem Roman atmet die Luft der 20er Jahre. Egal, wer man ist, egal, welchen Hintergrund man hat, jeder kann es zu etwas Großem bringen, wenn er nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Dieses Gefühl des amerikanischen Traums, der damals noch so wirklichkeitsnah war, steht auf jeder Seite. Trotzdem fühlt man sich als Leser nie wirklich wohl in dieser Welt. Es ist, als könnte man die Dekadenz und die Korruption unter allem riechen.



Ein schwer greifbarer Ermittler

Die Ermittlerfigur selbst, Hardy Engel, der ebenfalls Deutscher ist, blieb mir hingegen bis zum Schluss ungreifbar. Obwohl der Roman in der Ich-Perspektive geschrieben ist, konnte ich nie wirklich eine Verbindung zu ihm aufbauen. Gerade in der ersten Hälfte des Romans, der in insgesamt vier Abschnitte unterteilt ist, war die Ursache dafür seine erstaunliche Kompetenz: Er scheint nie Fehler zu machen, immer den richtigen Riecher zu haben und eine herausragende Menschenkenntnis zu besitzen. Über weite Strecken wirkte er wie ein bloßes Werkzeug, durch das die Geschichte erzählt werden sollte. Umso angenehmer war ich überrascht, als sich herausstellte, dass der ganze Fall deutlich komplexer ist und Hardy weit, weit entfernt davon, die Wahrheit zu kennen.

Trotzdem fällt es mir auch jetzt noch schwer, ihn wirklich zu greifen. Er ist clever und hart im Nehmen, immerhin war er Soldat im Großen Krieg und zuvor bei der Polizei in Deutschland gewesen. Darüber hinaus ist er nicht bestechbar. In einem Hollywood, das nur aus Korruption und Betrug zu bestehen scheint, fällt er damit natürlich auf. Gleichzeitig behält er bis zum Schluss einen gesunden Selbsterhaltungstrieb: Er versucht alles, um den Fall aufzuklären und an die Öffentlichkeit zu bringen, aber er versteht auch, wann er stumm bleiben muss. 



Überraschungen und Wendungen bis zum Schluss

Was dieser Roman mit Hilfe von Hardy Engel wunderbar schafft, ist, ganz langsam den Fall aufzubauen. Es fängt nicht direkt mit Mord an, sondern erscheint zunächst klein und unbedeutsam. Erst später stirbt die im Klappentext erwähnte Virginia Rappe und damit ist der Skandal da. Augenblicklich scheint ganz Hollywood betroffen zu sein. Doch Hardys Ermittlungen fördern immer neue Wahrheiten zu Tage, manche stellen sich davon später als Lügen heraus, manche erscheinen in neuem Licht. Da wir als Leser in Hardys Perspektive feststecken, bleiben wir genauso wie er bis zum Schluss im Dunkeln, wer es wirklich war und wer aus dem Hintergrund wo die Strippen gezogen hat. Wir sehen ihm bei der Detektivarbeit über die Schulter, können jeden Schritt nachvollziehen, aber wir sind ihm nie Voraus. Weigold spielt wundervoll mit den Eigenschaften des Ich-Erzählers, so dass es bis zum letzten Kapitel spannend bleibt, wie die Geschichte ausgeht.

In diesem Sinne stimmt es mich auch zuversichtlich, dass wir noch mehr von Hardy Engel zu lesen bekommen. Ein zweiter Teil um diesen Privatdetektiv Der blutrote Teppich ist bereits erschienen und ich kann es kaum abwarten, auch diese Geschichte zu lesen.



Fazit

Der Kriminalroman "Der Mann, der nicht mitspielt" von Christof Weigold versteht es meisterhaft, einen spannenden Mordfall vor der Kulisse des frühen Hollywoods zum Leben zu erwecken. Obwohl Hardy Engel bis zum Schluss eine schwer greifbare Figur bleibt, ist der Fall spannend und bis zum Schluss fragt man sich, wer nun wirklich hinter allem steckt. Für jeden Fan von Hollywood, aber auch alle, die sehr kritisch dieser Welt des schönen Scheins gegenüber stehen, ist dieser Krimi definitiv empfehlenswert!

Veröffentlicht am 10.11.2017

So lustig wie relevant

QualityLand
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Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen ...

Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen oder aufklärende Texte für Touristen, die das fiktiven Land beinahe real erscheinen lassen. Das sind schöne Stilmittelt, die ich tatsächlich zunehmend zu schätzen gelernt habe. Während ich anfangs noch dachte, dass es schmückendes Beiwerk ist, wurde mir im Laufe der Geschichte bewusst, dass sie tatsächlich einen Sinn haben und zur Geschichte beisteuern.



Zwei parallel laufende Handlungsstränge

Doch was ist diese Geschichte eigentlich? Vor kurzem erst habe ich den Science-Fiction-Roman „Die Optimierer“ gelesen, der in vielerlei Hinsicht eine ähnliche Prämisse hat: In der Zukunft ist alles digitalisiert und wir verlassen uns zunehmend auf K.I. und Algorithmen. Die Parallelen beider Bücher waren zum Teil unübersehbar. Ähnlich verhält es sich mit dem Roman „Heartware“, bei dem am Ende alles auf die Frage einer übermenschlichen K.I. hinausläuft. Der zentrale Plotpunkt von QualityLand ist aufgebaut um die Kampagne zur Präsidentschaftswahl, auch wenn die eigentliche Hauptperson, Peter Arbeitsloser, nicht Teil der Kampagne ist. In Gestalt der K.I. John of us tritt erstmals ein Androide auf die politische Bühne, dessen Gegner ausgerechnet ein rechtsradikaler, roboterhassender Populist ist. Jener Conrad Koch ist gerade in seiner klischeehaften Radikalisierung leider sehr nahe an unserer echten Realität dran, ebenso wie die immer wieder misslingenden Versuche Johns, Wähler durch Logik und Weitsicht zu überzeugen, die tragische Realität eines jeden Wahlkampfes widerspiegeln.

Nebenher verfolgen wir das zunächst immer trostloser werdende Leben von Peter Arbeitsloser, der als Maschinenverschrotter in einer Blase der Nutzlosigkeit gefangen ist. Da die Algorithmen ihm verwehren, höherwertige Jobs zu bekommen oder auch nur höherwertige Menschen kennenzulernen, ist ihm jede Aufstiegschance verwehrt. Die Algorithmen von Everybody, dem allumfassenden Social Network, QualityPartner, der Datenkrake, die Tinder ersetzt hat, und TheShop, dem an sich einzig relevanten Online-Versandhandel, sorgen dafür, dass Peter in seiner Blase gefangen bleibt. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem er von TheShop ein Produkt erhält, welches er definitiv nicht wollte, auch wenn TheShop damit wirbt, dank der Algorithmen besser zu wissen, was die Kunden wollen, als die Kunden selbst. Seine Versuche, das Produkt zurückzugeben, ziehen immer weitere Kreise und werden immer absurder.



Stereotypen, die mit Klischees brechen dürfen

Aufgrund des satirischen Charakters des Buches haben wir es kaum mit komplexen Figuren zu tun. Die meisten Figuren existieren, um den Plot voranzutreiben, und bleiben daher eindimensional. Da dem Leser jedoch stets bewusst ist, dass er die Geschichte nicht vollständig ernst nehmen soll, ist das überhaupt kein Mangel, im Gegenteil, es trägt zur Erheiterung bei. Gleichzeitig werden bestimmte Klischees etabliert, nur um sie dann ins Gegenteil zu verkehren. So ist zum Beispiel die schöne Fernsehmoderatorin, die für höchste Einschaltquoten sorgt, da sie stets nackt auftritt, tatsächlich klug und hat eine sehr spitze Zunge. Während sie absichtlich alle Klischees bedient, um für Quote zu sorgen, bricht sie doch zugleich damit, weil sie als Moderatorin politischer Gespräche tatsächlich funktioniert.

Einige Charaktere sprechen sogar explizit aus, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten, um gerade nicht das Vorhersehbare zu tun, nur um dann zu überlegen, ob sie nicht genau dadurch vorhersehbar werden. Sogar die K.I.s, denen man über den Weg läuft, zeigen bisweilen sehr eigenwillige Charaktere, auch wenn sie auf wenige Eigenschaften begrenzt bleiben und deswegen vor allem als humoristische Sidekicks funktionieren.



Relevante, aktuelle Fragen

Die Frage, wie weit wir Algorithmen vertrauen dürfen, ob sie unser Leben bereichern oder einschränken, und ab wann eine selbstständig lernende K.I. für uns gefährlich werden kann, ist nicht umsonst in den letzten Jahren zu einem großen Thema der Science-Fiction-Literatur geworden. Wir befinden uns an einem Punkt des technischen, digitalen Fortschritts, wo wir uns als Gemeinschaft diese Fragen stellen müssen. Obwohl Marc-Uwe Kling auch in „QualityLand“ die zu erwartende Satire liefert, so beweist er doch erneut, dass er sehr wohl politische, kluge Gedanken zu formulieren weiß. Auch seine Känguru-Chroniken sind mehr als bloß lustige Hörspiele. Obwohl mir die Frage nach der K.I. in „Heartware“ besser diskutiert erscheint, muss sich „QualityLand“ nicht hinter seinen Vorgänger verstecken.

Das Ende ist ebenfalls gelungen, da es auf angemessene Weise einen Abschluss darstellt und dennoch offen bleibt. Es passt zu diesem Roman, der viele Fragen stellt, aber deutlich macht, dass es keine oder zumindest keine eindeutigen Antworten gibt. Was wir vor allem aus diesem Buch mitnehmen können, ist, dass wir noch immer viel weniger wissen, als wir glauben. Die einzige Schwäche des Buches ist, dass es zu keinem Zeitpunkt wirklich spannend war. Der Schwerpunkt auf Humor sorgte zumindest bei mir dafür, dass ich mich keinem Charakter wirklich verbunden fühlte. Insofern war es eine lustige bis interessante, aber nicht ernsthaft fesselnde Lektüre.

Übrigens: Das Buch kommt in zwei unterschiedlichen Ausgaben daher. Während die Hauptgeschichte gleich bleibt, unterscheiden sich die eingestreuten Nachrichten zwischen den Kapiteln. Dunkel für apokalyptisch, hell für optimistisch. Im Internet gibt es die Möglichkeit, beide Nachrichten-Streams nachzulesen. Ich persönlich habe die dunkle Ausgabe gelesen.



Fazit

Der Science-Fiction-Roman „QualityLand“ von Marc-Uwe Kling ist eine gelungene Satire, die für sehr viel Lesespaß sorgt. Gleichzeitig artikuliert der Autor jedoch wie gewohnt tatsächlich spannende Fragen über Politik und Gesellschaft, die in der heutigen Zeit relevant sind. Mit Hilfe diverser stereotyper Charaktere, die aber oft genug die Chance bekommen, mit Klischees zu brechen, erzählt er die Geschichte um den Wahlkampf einer K.I. gegen einen Rechtspopulisten und die Reise eines Maschinenverschrotters, der ein unerwünschtes Produkt zurückgeben will. Facettenreich, mit vielfältigen Stilmitteln durchsetzt und immer lustig, liefert Kling genau das ab, was man erwartet. Ein etwas besser ausgearbeiteter Spannungsbogen, der einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt, fehlt leider, so dass der Roman die Höchstnote knapp verpasst.