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Veröffentlicht am 21.06.2019

Eine schöne Coming-of-Age-Geschichte

Ramona Blue
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"Ramona Blue" war mein erstes Buch der Autorin, deren bekanntestes Werk "Dumplin'" den meisten wohl ein Begriff sein sollte. Ich bin erst durch eine Empfehlung auf Goodreads auf den Titel aufmerksam geworden. ...

"Ramona Blue" war mein erstes Buch der Autorin, deren bekanntestes Werk "Dumplin'" den meisten wohl ein Begriff sein sollte. Ich bin erst durch eine Empfehlung auf Goodreads auf den Titel aufmerksam geworden. Das Buch wurde mir vorgeschlagen, weil ich unter anderem "Am Ende sterben wir sowieso" und "Was mir von dir bleibt" von Adam Silvera und "Nur drei Worte" von Becky Albertalli gelesen hatte. Gemeinsam haben nicht nur alle drei Bücher, dass sie im Young Adult Contemporary Genre angesiedelt sind, sondern auch der Einbezug von Diversity.

Bei "Ramona Blue" handelt es sich um eine Coming-of-Age-Geschichte, die der Leserschaft einen Ausschnitt aus dem Leben der gleichnamigen Protagonistin aufzeigt. Inhaltlich kann ich gar nicht so viel mehr verraten, als es in der offiziellen, sehr ausführlichen Inhaltsangabe beschrieben wird, denn die deckt eigentlich schon den gesamten Plot ab. Es war aber nicht mal so sehr das was passiert, was mir so gut am Buch gefallen hat, sondern wie es passiert. Obwohl das Buch jede Menge Drama beinhaltet, empfand ich es dennoch als eine locker-leichte Sommerlektüre, die bei mir gute Laune verursacht hat. Ramona ist ein Charakter mit Ecken und Kanten, die kurz vor dem Erwachsenwerden steht und einige wichtige Entscheidungen über ihre Zukunft treffen muss, nachdem sie einen wunderschönen Sommer mit einem Mädchen verbracht hat. Nachdem die Schule wieder losgeht, muss Ramona allerdings wieder in die Realität zurückkehren, fernab von der Wolke 7, auf der sie sich zuvor befunden hat. Und als wäre ihr Leben nicht schon aufgrund ihrer schwierigen familiären Situation eine Herausforderung, wird es noch komplizierter, als Freddie - ein ehemaliger Freund - zurück nach Eulogy kehrt und Ramonas Leben auf den Kopf stellt. Was als Freundschaft anfängt, verändert sich zunehmend zu einer engeren, romantischen Bindung, die Ramonas bisherige sexuelle Orientierung in Frage stellt und bei ihr verständlicherweise zu einer Identitätskrise führt. Mit dem nahenden Schulabschluss muss sich Ramona aber nicht nur über ihre Sexualität klar werden, sondern auch darüber, was ihre Zukunftspläne angeht. Das Schwimmen war schon immer eine grosse Leidenschaft von ihr und als es so aussieht, als könnte sie damit ihre berufliche Zukunft einschlagen, muss sie sich entscheiden, ob sie ihre schwangere Schwester nahezu alleine auf sich selbst gestellt zurücklassen kann, oder ob sie dazu verdammt ist, ihre restlichen Leben in Eulogy zu verbringen. Keine einfache Entscheidung, vor der Ramona steht - doch zum Glück hat sie jede Menge Freund*innen, die ihr in dieser Zeit der Unsicherheit zur Seite stehen.

Ich kann gar nicht so genau benennen warum, aber mir hat das Buch unglaublich gut gefallen. Ich fand Ramona sehr sympathisch und war natürlich begeistert davon, dass die Autorin auf verschiedene Art und Weise Diversity in die Geschichte einfliessen lässt und dies auch mit der nötigen Sensibilität thematisiert. Anfangs war ich etwas skeptisch über den Umstand, ob man einen eigentlich lesbischen Charakter nun auch auf hetero "trimmen" muss, aber je länger in der Geschichte verweilt habe, desto klarer wurde mir die Botschaft, die die Autorin mitgeben will. Es ist halt nicht immer alles so Schwarz-und-Weiss wie man vielleicht denkt und genau diese Erkenntnis muss auch Ramona im Laufe der Geschichte machen. Der Schreibstil der Autorin ist locker und flüssig zu lesen und die teilweise umgangssprachlichen Begriffe, passt er sehr gut zu einem Jugendbuch.

Fazit:
Eine lockere, unterhaltsame Coming-of-Age-Geschichte über eine junge Protagonistin, die am Schwellenübergang zum Erwachsenenleben steht und einige schwierige Entscheidungen für ihre Zukunft treffen muss. Die liebenswerte Protagonistin, der Einbezug von Diversity und der flüssige, jugendhafte Schreibstil haben das Buch zu einem sommerlichen Lesevergnügen für mich gemacht. Für Freunde der LGBT-Literatur kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Von mir gibt's 4.5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.12.2018

Eine berührende Geschichte

Jeder von uns ist ein Rätsel
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Auf "Jeder von uns ist ein Rätsel" bin ich in erster Linie aufgrund des auffälligen Covers aufmerksam geworden. Das Cover stellt ein Labyrinth dar, das im Laufe der Handlung seine Erwähnung findet und ...

Auf "Jeder von uns ist ein Rätsel" bin ich in erster Linie aufgrund des auffälligen Covers aufmerksam geworden. Das Cover stellt ein Labyrinth dar, das im Laufe der Handlung seine Erwähnung findet und einen direkten Zusammenhang mit der Protagonistin Alvie aufweist, die unter dem Asperger Syndrom - also einer Form von Autismus - leidet. Als Leser hat man nicht direkt von Anfang an Kenntnis von dieser Diagnose und man wird zuerst einmal mit den teilweise sonderbaren Verhaltensauffälligkeiten und Eigenheiten von Alvie vertraut gemacht. Wenn man das Buch sehr aufmerksam liest und sich ein Stück weit mit Autismus auskennt, dann wird man vermutlich sehr bald einmal auf die Verdachtsdiagnose Autismus oder Asperger kommen - zumindest erging es mir so. Das erwähne ich deshalb besonders, weil dieser Umstand dafür spricht, dass es der Autorin gelungen ist, die Krankheit sehr authentisch und realistisch darzustellen, ohne das Kind direkt beim Namen zu nennen. Dafür gibt es einen grossen Pluspunkt von mir. Man kann sich selbst als Nicht-Autist/in sehr gut in die Gedanken- und Gefühlswelt von Alvie einfühlen und ein Stück weit erleben, wie herausfordernd für sie ganz alltägliche Situationen mit sozialem Kontakt sein können.

A. J. Steiger ist es gelungen, mit Alvie eine sehr tiefgründige, vielschichtige und vor allem liebenswerte Protagonistin zu schaffen, ohne ihre psychische Erkrankung beschönigend darzustellen. Jedes Mal wenn Alvie an die Grenzen ihres Aspergers Syndroms gelangt ist, habe ich mit ihr mitgefühlt. Was Alvies Schicksal doppelt so traurig macht, ist ausserdem der Umstand, dass sie sich mit gerade mal 17 Jahren alleine durchs Leben kämpfen muss, da ihre Mutter, die ihre einzige Bezugsperson gewesen war, vor ein paar Jahren verstorben ist. Wie es dazu gekommen ist, erfährt man auch erst nach und nach und ich will nur so viel verraten: Auch dieser Schicksalsschlag hat mich sehr berührt und mitgenommen.

Neben all den bedrückenden Thematiken, die besonders Alvies Autismus und ihre Vergangenheit betreffen, gibt es aber auch viele amüsante und wunderschöne Szenen im Buch, die einen immer wieder über die traurigen Erinnerungen hinwegtrösten. Grund dafür ist unter anderem Stanley, ein 19-jähriger junger Mann, den Alvie eher durch Zufall in einem Chat kennenlernt, nachdem sie sein Handy aus einem Teich im Park gefischt hat. Sehr bald entsteht zwischen den beiden eine enge Bindung, und das trotz Alvies auffälligem und teilweise sonderbarem Verhalten, das auch Stanley nicht entgangen ist und immer wieder zu ulkigen Situationen führt. Trotz, oder gerade wegen Alvies Eigenheiten scheint Stanley ein besonderes Interesse für sie zu entwickeln und die beiden verlieben sich ineinander, was sie immer wieder vor neue Herausforderungen stellt - denn was Alvie anfangs nicht weiss: Nicht nur sie, sondern auch Stanley hat eine Krankheit, die sein Leben beeinträchtigt. Auch seine Charakterisierung ist der Autorin sehr gelungen, was Alvie und Stanley zu einem aussergewöhnlichen und tollen Pärchen macht.

Die Geschichte wird eher in einem gemächlichen Tempo erzählt, so dass zwischenzeitlich manchmal für kurze Momenten ein paar Längen entstanden sind, die aber durch meist darauffolgende berührende Szenen wieder wett gemacht werden. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm und flüssig zu lesen und passt perfekt zu einer Geschichte aus den Augen einer 17-jährigen.

Fazit:
Das Buch hat mich mit seinen Themen wie Erwachsenwerden, erste Liebe, schwierige Familiengeschichten und Schicksale und psychische und körperliche Erkrankungen sehr bewegt. Es war sehr berührend, die 17-jährige Alvie, die unter Asperger leidet, ein Stück weit auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Es gelingt der Autorin sehr gut, die täglichen Herausforderung von Betroffenen mit Autismus realistisch darzustellen, so dass man als Leser ein Stück weit nachempfinden kann, wie schwierig selbst alltägliche soziale Situationen für Betroffene sein können. Insgesamt ein wunderschönes Buch, das zwischenzeitlich ein paar Längen aufweist, aber sehr empfehlenswert ist. Von mir gibt es deshalb 4,5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.10.2018

Ein actiongeladener Fantasyroman mit einer starken Protagonistin

ASH PRINCESS
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Auf dieses Buch habe ich lange gewartet und ich bin froh, sagen zu dürfen, dass sich das Warten gelohnt hat. Man wird als Leser von Anfang an direkt in die Geschichte hineingeworfen und erfährt durch die ...

Auf dieses Buch habe ich lange gewartet und ich bin froh, sagen zu dürfen, dass sich das Warten gelohnt hat. Man wird als Leser von Anfang an direkt in die Geschichte hineingeworfen und erfährt durch die Augen der Protagonistin Theo, wie es dazu gekommen ist, dass sie nun seit über zehn Jahren als Sklavin der sogenannten "Kalovaxianer" gehalten wird - und das obwohl sie eigentlich selbst Königin eines anderen Volkes wäre, den "Astreanern". Die beiden Völker sind seit jeher verfeindet und vor einem Jahrzehnt ist es dem grausamen Kaiser der Kalovaxianer gelungen, das Reich der Astreaner zu erobern, sie zu besiegen und seine Feinde unter seinem brutalen Regime für sich als Sklaven arbeiten zu lassen.

Der Schreibstil ist so flüssig und packend, dass ich mich sofort in der Fantasywelt zurechtgefunden habe, die Laura Sebastian geschaffen hat. Es ist ihr gelungen, dass ich von Anfang an eine Bindung zu der Protagonistin aufbauen und mit ihr mitfühlen konnte. Obwohl sich Theo seit Jahren in Gefangenschaft befindet, ist sie nach wie vor eine starke junge Frau, die sich selbst durch regelmässige Peitschenhiebe oder dem Spott, bei öffentlichen Anlässen eine Krone aus Asche tragen zu müssen (durch die sich der Kaiser über Theos Herkunft als Tochter der Feuerkönigin lustig macht), nicht unterkriegen lässt. Ihre Situation scheint aussichtslos zu sein und dennoch lassen sie ihre Rachegelüste Tag für Tag überleben, es eines Tages dem Kaiser und allen anderen Kalovaxianern heimzuzuzahlen, die sie und ihr Volk unterdrückt und gefoltert haben.

Anfangs scheint Theos Vorhaben noch aussichtlos zu sein, doch nach einer furchtbaren Tat, zu der sie vom Kaiser gedrängt wird, werden einige Rebellen auf den Plan gerufen, die ihr zur Seite stehen. Mit Hilfe ihrer Freunde schmiedet die Ascheprinzessin einen Plan, wie sie es dem Kaiser ein für alle Mal heimzahlen kann. Der Plan beinhaltet jedoch einige Gefahren und Tücken, die das Risiko bergen, dass weder Theo, noch die anderen Rebellen, das Vorhaben überleben werden. Doch Theo ist bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Für sich selbst und für ihr Volk.

Was mir neben der packenden Handlung, die mit vielen überraschenden Wendungen und Actionszenen versehen ist, besonders gefallen hat, ist die Stärke der weiblichen Protagonistin. Obwohl sie mit Blaise, einem Rebellen aus ihrem Volk und mit Soren, dem Sohn des Kaisers, zwei Männer an ihrer Seite als Unterstützung hat, schafft sie es dennoch, sich immer wieder ganz eigenständig durch verschiedene gefährliche Situationen zu manövrieren. Sie muss die Schmach und die Folter des Kaisers auf ihren Schultern tragen, ohne dass ihr ein Mann dies abnimmt. Das will sie auch gar nicht, denn angesichts dessen, was ihr Volk alles ertragen muss, trägt sie das Leid so mit ihnen. Und das ist ein ganz grosser Pluspunkt, durch den sich Theo meinen Respekt als Leserin verdient hat.

Das Buch beinhaltet neben Theo noch viele weitere, vielschichtige Charaktere, die vielleicht am Anfang noch unscheinbar und klischeehaft wirken, aber sich am Ende als viel tiefgründiger entpuppen, als sie am Anfang den Anschein gemacht haben. Auch hier hat die Autorin sich immer wieder überraschende Entwicklungen überlegt, die ich so nicht habe kommen sehen. Allen voran betrifft das Theos beste Freundin Cress, die eine Wandlung durchmacht, die ich so nicht erwartet hätte.

Ein kleiner Kritikpunkt muss am Ende aber dennoch erwähnt werden: Leider greift die Autorin in ihrem Buch auf ein „altbewährtes“ Liebesdreieck zurück, das man schon von so vielen anderen Young Adult (Fantasy) Büchern kennt. Dieses Liebesdreieck oder generell die Romantik nimmt im Buch zwar (zum Glück!) viel weniger Raum ein, als ich es befürchtet hatte, aber dennoch habe ich gegen Liebesdreiecke inzwischen eine solche Abneigung entwickelt, dass mir die Geschichte besser gefallen hätte, wenn die Autorin darauf verzichtet hätte. Die Story hätte auch ohne Liebesdreieck wunderbar funktioniert.

Fazit:
Ein packender, actiongeladener Fantasyroman mit einem fantastischen Worldbuilding und einer starker Protagonistin, der mich von Anfang an in seinen Bann reissen konnte. Die Autorin schafft es mit einem flüssigen Schreibstil und vielen überraschenden Wendungen, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen will. Nur das klischeehafte Liebesdreieck hätte man meiner Meinung nach getrost weglassen können, ohne dass es der Geschichte einen Abbruch getan hätte.
Dieser spannende Reihenauftakt kriegt von mir 4.5 Sterne und ich kann es kaum erwarten, den zweiten Band zu lesen.

Veröffentlicht am 07.06.2023

Ein hilfreiches Begleitbuch zur Therapie/Beratung

Gefühle surfen
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Bei diesem Buch handelt es sich um ein Selbsthifebuch, das sich mit der Emotionsregulation und -bewältigung beschäftigt und von einer ausgebildeten Psychotherapeutin als Autorin geschrieben wurde. Und ...

Bei diesem Buch handelt es sich um ein Selbsthifebuch, das sich mit der Emotionsregulation und -bewältigung beschäftigt und von einer ausgebildeten Psychotherapeutin als Autorin geschrieben wurde. Und letzteres merkt man dem Buch auch an, denn die Sprache und Erläuterungen wirken nicht nur sehr professionell, sie basieren auch tatsächlich auf gängigen Interventionen, die in der Psychotherapie ihre Anwendung finden. Und das hat direkt einen sehr positiven Eindruck bei mir hinterlassen, weil man merkt, dass Stegmüller auf ihre beruflichen Erfahrungen zurückgreifen kann und ihre Übungen praxiserprobt sind.

Das Buch selbst ist mit seinen 200 Seiten eher dünn, umfasst dabei aber eine ganze Bandbreite an Themen, die in Zusammenhang mit der Emotionsregulation stehen.
Zu Beginn wird einem psychoedukativ vermittelt, wofür Gefühle eigentlich gut sind und sie mit unterschiedlichen Techniken (allen vor an dem titelgebenden "Wellen Surfen") bewältigt werden können. In späteren Kapiteln folgen dann Erläuterungen und Übungen zum Thema Achtsamkeit, Selbstfürsorge und dem inneren Kritiker.
Aus meiner Praxiserfahrung kann ich bestätigen, dass das alles Themen sind, die mir in nahezu jeder Therapie früher oder später begegnen und viele der Interventionen wende ich dabei ebenfalls an, sodass Stegmüller mit ihrem Buch vermutlich bei vielen ins Schwarze treffen wird.

Das einzige, das ich dem Buch ankreiden würde, ist der Umstand, dass viele der Übungen sehr simpel erscheinen und auch ihr Sinn und Zweck beim Lesen einleuchtend klingen, aber in der Umsetzung ist vieles davon gar nicht so einfach, wie es den Anschein macht.
An einer Stelle im Buch schreibt sie zum Beispiel (frei erinnert), dass wir reflektieren sollen, welche Bedürfnisse in unserer Lebensgeschichte von unseren Bezugspersonen nicht erfüllt wurden, sodass sie nun in der Gegenwart dazu führen, dass wir manchmal Gefühle empfinden, die nicht situationsadäquat sind. Damit hat sie absolut recht, diesen biografischen "Rucksack" tragen wir sicherlich alle mit uns, aber das klingt in wenigen Sätzen so einfach, setzt meiner Meinung nach aber eine riesige Reflexionsfähigkeit, sowie auch eine gute Expertise im Wahrnehmen und Einordnen von Gefühlen voraus, die erfahrungsgemäss sehr viele Menschen nicht (ohne eine längere Therapie) besitzen. Das, was hier als einfache "Denkübung" beschrieben wird, setzt in der Realität oftmals Therapiesitzungen über mehrere Monate (und bei schwierigen biografischen Erlebnissen sogar mehrere Jahre) voraus.
Auch beim inneren Kritiker ist es so, dass viele meine Patient:innen das Konzept relativ rasch verstehen und auch bestätigen können, dass sie mit sich selbst sehr streng/abwertend/kritisch umgehen, aber ganz oft braucht es viel Zeit und Geduld, dieses Muster zu verändern, was im Buch meiner Meinung nach etwas zu vereinfacht dargestellt wird.
Man muss Stegmüller aber zugutehalten, dass sie an mehreren Stellen darauf hinweist, wie wichtig auch professionelle Unterstützung ist - sodass sie sich meiner Kritik sicher auch bewusst ist.

Abschliessend lässt sich sagen, dass für mich als Fachperson nichts Neues dabei war, allerdings bin ich auch nicht Zielgruppe des Buches, sodass ich es vor allem an Leser:innen empfehlen kann, die ihre Emotionsregulation und den Umgang mit sich selbst (bestehend aus Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl) verbessern möchten.

Fazit:
Es handelt sich hierbei um ein empfehlenswertes "Selbsthilfebuch" zum Umgang mit Emotionen, das viele hilfreiche Informationen und Übungen enthält, die ich in meiner therapeutischen Praxis ebenfalls anwende. Manchmal klingen die Übungen nur etwas zu vereinfacht, und sie setzen meiner Meinung nach eine grosse Reflexionsfähigkeit und eine sehr gute Emotionswahrnehmung voraus, die viele erst durch professionelle Hilfe erreichen. Deshalb würde ich das Buch wahrscheinlich eher als Begleitung zu einer Therapie oder Beratung empfehlen.

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Veröffentlicht am 29.12.2022

Ein interessanter Einblick in das Leben einer giftmischenden Apothekerin des 18. Jahrhunderts

Die versteckte Apotheke
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Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Auf der einen Seite lernen wir die Apothekerin Nella kennen, die am Ende des 18. Jahrhunderts einer geheimnisvollen Nebentätigkeit als Giftmischerin nachgeht. ...

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Auf der einen Seite lernen wir die Apothekerin Nella kennen, die am Ende des 18. Jahrhunderts einer geheimnisvollen Nebentätigkeit als Giftmischerin nachgeht. Sie ist jedoch keine skrupellose Mörderin, sondern erfüllt lediglich Aufträge von Frauen, die in den meisten Fällen ihre untreuen Männer loswerden wollen. Warum das so ist, wird im Buch nach und nach aufgedeckt.
Auf der anderen Seite lernen wir in der Gegenwart mit Caroline eine weitere Protagonistin kennen, die aufgrund eines Ehekonflikts nach London geflohen ist und dort durch Zufall auf die Spuren der inzwischen längst verstorbenen Nella gerät. Durch intensive Recherche deckt Caroline schrittweise auf, welche Tragödie sich vor knapp 200 Jahren ereignet hat, nachdem einer von Nellas Aufträgen nicht so verläuft, wie geplant – und dabei stellt Caroline überraschenderweise einige Parallelen zu ihrem eigenen Eheleben fest...

Ich habe mich relativ unvoreingenommen auf die Geschichte eingelassen und wurde überraschend schnell in ihren Bann gezogen. Besonders die Perspektive rund um Nella hat mich neugierig gemacht, denn nachdem sie Freundschaft mit der 12-jährigen Eliza schliesst, wird ihre geheime Tätigkeit durch eine Unachtsamkeit des jungen Mädchens ungewollt aufgedeckt. Das führt dazu, dass sich während des Lesens stetig eine Spannung aufbaut, die mich hat mitfiebern lassen, ob Nella wohl wieder heil aus dem ganzen Schlamassel rauskommen wird.

Der Schreibstil selbst ist dabei eher unaufgeregt und ruhig, und punktet vor allem durch emotionale Themen, und weniger durch spannungsgeladenen Szenen, wie man sie durch den Mysteryanteil vielleicht erwarten würde. Obwohl ich eigentlich selbst einen temporeichen Erzählstil bevorzuge, hat mich in diesem Fall das eher langsame Erzähltempo erstaunlicherweise gar nicht gestört, da so viel zwischen den Zeilen erzählt wurde, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt habe. Mit jedem weiteren Kapitel hat man etwas mehr zu Nellas Persönlichkeit und ihrer Geschichte erfahren, was sie nicht nur zu einer vielschichtigen Protagonistin gemacht hat, sondern auch die Gründe für ihren Entscheid als Giftmischerin tätig zu sein, nachvollziehbar gemacht haben. (Ob man das jetzt gut oder schlecht findet, lasse ich jetzt mal aussen vor.)
Der Handlungsstrang in der Gegenwart hat zwar für Abwechslung gesorgt, ich muss jedoch zugeben, dass mich Carolines Eheprobleme mit ihrem untreuen Ehemann nur mässig interessiert haben. Vieles davon hat sich wie eine klischeehafte Chick-Lit gelesen. Es gab dabei jedoch einige Parallelen zu Nellas Erzählung, dass ich nachvollziehen konnte, weshalb sich die Autorin entschieden hatte, diese Zeitebene ebenfalls einzuführen – auch wenn sie nicht meinen Lesegeschmack getroffen hat.

Die Autorin baut während ihrer Erzählung immer mehr Spannung auf, dass ich irgendwann sehr hohe Erwartungen an das Ende hatte, die jedoch nur zum Teil erfüllt werden konnten. Die Geschichte findet zwar einen runden Abschluss, aber mir waren einige Ereignisse dann doch zu abrupt und auch teilweise absurd und an den Haaren herbeigezogen, sodass das Ende zwar okay, aber nicht vollumfänglich zufriedenstellend war.

Fazit:
Bei diesem Buch handelte es sich um eine feministische Erzählung zweier Frauen, deren Erlebnisse zwar im Abstand von 200 Jahren geschehen, aber dennoch überraschend viele Parallelen aufweisen. Obwohl der Erzählstil eher langsam und aufgeregt ist, gelingt es der Autorin genügend Spannung um das geheimnisvolle Leben einer giftmischenden Apothekerin aus dem 18. Jahrhundert aufzubauen, die mich gut unterhalten konnte. Einzig das Ende weist einige Schwächen auf, ansonsten kann ich das Buch definitiv weiterempfehlen.

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