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Veröffentlicht am 26.07.2019

Ein gelungener griechischer Familienroman

Makarionissi oder Die Insel der Seligen
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In „Makarionissi“ nahm mich die Autorin Vea Kaiser mit in das kleine griechische Bergdorf Varitsi, dessen glorreiche Zeiten als wichtiger Punkt an der Handelsstraße von Griechenland nach Albanien in den ...

In „Makarionissi“ nahm mich die Autorin Vea Kaiser mit in das kleine griechische Bergdorf Varitsi, dessen glorreiche Zeiten als wichtiger Punkt an der Handelsstraße von Griechenland nach Albanien in den 1950er Jahren bereits vorbei sind. Für den kleinen Lefti, dem einzigen männlichen Nachkommen der Familie von Yiayia Maria Kouzis, gibt es im Dorf keine geeignete Verlobte. Deshalb wird gleich nach der Geburt seiner Cousine Eleni beschlossen, dass er diese heiraten wird. Als Kinder sind die beiden befreundet, entwickeln sich danach aber in ganz unterschiedliche Richtungen. Die rebellische Eleni schließt sich linken Gruppen an und will die Hochzeit nicht, während der feinsinnige Lefti sich ganz aus der Politik heraushalten will. Doch alles kommt anders als gedacht, als die Junta 1967 die Macht übernimmt.

Ich habe mich den Protagonisten Eleni und Lefti beim Lesen schnell verbunden gefühlt und an ihrer Seite den Alltag in ihrem kleinen griechischen Dorf erlebt. Ich fand die Einblicke in ihre große griechische Familie unterhaltsam. Die Machtposition der Großmutter, die die beiden unbedingt verheiraten will, stimmte mich aber auch nachdenklich. Die Machtübernahme der Junta hat vor allem für die politisch in linken Spektrum aktive Eleni schwerwiegende Konsequenzen. Sie und Lefti gehen schließlich gemeinsam nach Deutschland, doch ihr Verhältnis ist schwierig und beide suchen noch immer nach ihrem Platz in der Welt. Gern habe ich die Charaktere durch Höhen und Tiefen begleitet, welche die Autorin mit großem sprachlichen Geschick beschreibt. Zum Ende hin liegt der Fokus immer stärker auf der nachfolgenden Generation und die Entwicklungen waren für meinen Geschmack schon zu spektakulär für diese Geschichte, ich wäre lieber noch einmal nach Varitsi zurückgekehrt. Insgesamt ist „Makarionissi“ eine gelungene Familiengeschichte, in deren Zentrum die beiden Griechen Eleni und Lefti stehen, die sich lieben sollen und nicht wollen und ihren eigenen Weg zum persönlichen Glück finden müssen.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Eine Reise in die Vergangenheit und nach England, Australien und Chile

Die Tochter des Blütensammlers
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Bei Renovierungsarbeiten im Haus ihrer verstorbenen Großmutter in Sydney entdeckt Anna eine geheimnisvolle Metallkassette. In dieser findet sie ein Skizzenbuch mit botanischen Illustrationen, Samen und ...

Bei Renovierungsarbeiten im Haus ihrer verstorbenen Großmutter in Sydney entdeckt Anna eine geheimnisvolle Metallkassette. In dieser findet sie ein Skizzenbuch mit botanischen Illustrationen, Samen und ein Tagebuch - datiert aufs Ende des 19. Jahrhunderts! Als Gärtnerin will Anna dem Geheimnis unbedingt auf die Spur kommen. Die ursprünglich Besitzerin scheint aus England zu kommen, wo auch die Experten fürs Thema sitzen - doch Anna hat Australien noch nie verlassen.

Zwischen diesen Kapiteln reist der Leser ins Jahr 1886 nach Cornwall, wo Elizabeth von ihrem Vater, einem bekannten Blütensammler, vor seinem Tod einen Auftrag erhält: Sie soll an seiner statt die geplante Reise nach Chile antreten und dort eine sagenumwobene Pflanze finden. Die Zeit drängt, denn sein größter Konkurrent will ihm zuvorkommen. Schon bald tritt sie gemeinsam mit ihrem Dienstmädchen Daisy die Überfahrt an.

Die Geschichte startet ruhig und gibt dem Leser Zeit, die beiden Protagonistinnen kennenzulernen. Anna führt ein zurückgezogenes Leben, seit vor sechs Jahren etwas passiert ist, über das sie nicht gern redet. Elizabeth hingegen steckt voller Tatendrang. Ich war neugierig darauf, was sie in Chile findet wird, einem Land, das damals noch als höchst exotisch galt. Etwas enttäuscht hat mich, dass die Suche nach der Pflanze recht schnell abgehandelt wird. Dafür rückt eine Liebesgeschichte in den Vordergrund. In der Gegenwart bricht Anna aus ihrem Trott der letzten Jahre aus, um der Spur der Kassette zu folgen. Die Protagonistinnen fand ich beide sympathisch und sie entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter. Es gibt viele schöne Momente und insbesondere die Liebe kommt nicht zu kurz. Zum Ende hin gibt es rund um die Lüftung der Geheimnisse aber auch einige traurige Enthüllungen.

„Die Tochter des Blütensammlers“ von Kayte Nunn ist ein Familien- und Liebesroman, bei dem einige Geheimnisse gelüftet werden wollen. Die beiden Zeitebenen wurden gelungen miteinander verwoben und nehmen den Leser mit auf eine Reise nach England, Australien und Chile.

Veröffentlicht am 07.07.2019

Nach den Novemberpogromen ist für die jüdische Familie Meyer nichts wie zuvor

Zeit aus Glas
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Im November 1938 hat die jüdische Familie Meyer in Krefeld die Pogromnacht unverletzt überstanden, während viele andere verletzt, verhaftet oder gar getötet wurden. Doch ihr Haus wurde von den Nationalsozialisten ...

Im November 1938 hat die jüdische Familie Meyer in Krefeld die Pogromnacht unverletzt überstanden, während viele andere verletzt, verhaftet oder gar getötet wurden. Doch ihr Haus wurde von den Nationalsozialisten völlig verwüstet und jetzt müssen sie die Schäden selbst schnellstmöglich beheben. Ruth und ihre Schwester Ilse konnten vorübergehend bei den Aretz’, Freunden der Familie, unterkommen. Sie helfen ihrem Vater bei den Aufräumarbeiten, während ihre Mutter Symptome eines Nervenzusammenbruchs zeigt. Die Familie hat Ausreisegenehmigungen für die USA erhalten, doch aufgrund der begrenzten Aufnahmequoten müssen sie noch rund drei Jahre warten. Kann man diese Zeit in einem Land überstehen, in dem die Repressalien immer schlimmer werden und ein Krieg zunehmend wahrscheinlich wird?

Der erste Teil der Seidenstadt-Saga endete mit den Novemberpogromen des Jahres 1938. Die Familie Meyer hat ihr Haus rechtzeitig verlassen und konnte so eine Begegnung mit den Nationalsozialisten vermeiden. Der zweite Teil beschäftigt sich intensiv mit den Tagen danach. Man packt an und beginnt, Schäden zu beseitigen. Doch nichts fühlt sich mehr so an wie zuvor.

Einfühlsam und eindrücklich schildert die Autorin die Gefühle von Ruth beim Anblick der Verwüstung. Die Siebzehnjährige will stark sein, vor allem für ihre kleine Schwester. Doch Angst, Verzweiflung und Ungewissheit nehmen stetig zu. Ihre Mutter Martha geht es psychisch immer schlechter und die Familie versucht, ihr schrittweise das ganze Ausmaß der Katastrophe zu erklären.

Als die Trilogie angekündigt wurde war das zweite Buch mit dem Hinweis versehen, dass es um Ruths Ausreise geht. Im Klappentext wird das jetzt nur ganz am Ende erwähnt. Hier wurde scheinbar noch einmal umgeplant. Die ersten 350 von insgesamt 470 Seiten spielen in den Wochen nach den Pogromen. So intensiv und wichtig gegen das Vergessen diese Schilderungen sind, für mich wiederholte sich der Gesprächsinhalt zu oft: Eine Ausreise in die USA ist erst in drei Jahren möglich, das einst von Mutter Martha schön eingerichtete Haus ist verloren, man wagt den gefährlichen Schmuggel von Wertgegenständen außer Landes und Ruth hadert mit der Frage, ob sie das Land im ersten Schritt allein verlassen soll.

Mit einem Sprung in den April 1939 kommen schließlich viele Dinge in Bewegung und konnten mich so packen, dass ich diesen letzten Teil des Buches in einem Rutsch gelesen habe. Hier gab es viele spannende und hoffnungsvoll stimmende Momente sowie überraschende Hilfsbereitschaft (fast) Fremder. Dennoch bleibt die Gesamtlage höchst angespannt und ich werde den dritten und letzten Teil auf jeden Fall lesen, um zu erfahren, was aus Ruth und ihrer Familie geworden ist. Auch wenn dieser zweite Teil Längen hatte ist die Reihe für mich eine lesenswerte Auseinandersetzung mit dem Schicksal einer jüdischen Familie aus Krefeld zur Zeit des Nationalsozialismus, die auf wahren Begebenheiten beruht.

Veröffentlicht am 23.06.2019

Eine gelungene Mischung aus Spannung, Humor und Fantasy

Der Freund der Toten
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In „Der Freund der Toten“ kommt 1976 der sechsundzwanzigjährige Mahony, der in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, ins kleine irische Dorf Mulderrig. Dort hat einst seine Mutter gewohnt, die das Dorf und ...

In „Der Freund der Toten“ kommt 1976 der sechsundzwanzigjährige Mahony, der in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, ins kleine irische Dorf Mulderrig. Dort hat einst seine Mutter gewohnt, die das Dorf und ihn angeblich verlassen hat. Doch ein Brief, der Mahony erst jetzt ausgehändigt wurde, legt einen Mord nahe. Gemeinsam mit der exzentrischen ehemaligen Schauspielerin Mrs Cauley beginnt er mit Nachforschungen und stößt größtenteils auf Ablehnung bis hin zu offener Feindseligkeit. Auch die Toten, die Mahony sehen kann, haben etwas zu sagen - wenn sie sich doch nur konkreter ausdrücken würden! Und das ist bald nicht mehr das einzige, was in Mulderrig nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheint.

Gleich auf den ersten Buchseiten wird der Leser Zeuge eines Verbrechens, sodass die Vermutung nahe liegt, dass es sich hier um einen Krimi handelt. Tatsächlich kommt Mahony mit dem konkreten Ziel ins Dorf, den Tod seiner Mutter aufzuklären. Doch das Buch entwickelt sich schnell zu mehr. In Mulderrig lernt man zahlreiche Charaktere kennen, die auf ihre Weise skurril sind, ganz zu schweigen von den Toten, die Mahony sieht und mit denen er manchmal auch sprechen kann. Die Ermittlungen schreiten voran, doch nebenher werden Kleinkriege angezettelt, ein Theaterstück wird geplant und auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Die Schilderungen der Autorin sind phantasievoll und spätestens als Wirbelstürme als Orakel eingesetzt werden und Frösche Wohnzimmer bevölkern weiß man, dass hier auch die Natur verrückt spielt. Realität und Fiktion fließen immer stärker ineinander, während sich die Situation zuspitzt und es immer spannender wird. In der Folge muss man immer mehr zwischen den Zeilen lesen und ich hätte mich rund um die Aufklärung der Verbrechen noch einige klarere Antworten gewünscht. Insgesamt ist die Geschichte eine tolle und ungewöhnliche Mischung aus Spannung, Humor und Fantasy, die mir Lust auf weitere Bücher der Autorin macht!

Veröffentlicht am 20.06.2019

Ein beruflicher Neustart, der anders läuft als gedacht

Meistens kommt es anders, wenn man denkt
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Voller Elan beginnt Nele ihren neuen Job in der Hamburger PR-Agentur M&T. Sie ist fest entschlossen, dort Karriere zu machen, nachdem sie ihre alte Agentur nach der Trennung von ihren Freund und Kollegen ...

Voller Elan beginnt Nele ihren neuen Job in der Hamburger PR-Agentur M&T. Sie ist fest entschlossen, dort Karriere zu machen, nachdem sie ihre alte Agentur nach der Trennung von ihren Freund und Kollegen Tobi freiwillig verlassen hat. Der Start verläuft reibungslos - bis der zweite Agenturinhaber Claas Maurien aus dem Urlaub kommt. Gemeinsam mit ihm soll sie an einer Imagekampagne für einen Politiker arbeiten, der Bürgermeister werden will. Dabei bringt er ihren Entschluss, den Männern abgeschworen zu haben, ganz schön ins Wanken. Und das als ihr Chef! Auch privat ist bei Nele einiges los, denn ihre Eltern wollten nach dreißig Jahren als Paar heiraten und ihr Bruder Lenny, der das Down-Syndrom hat, will ausziehen und sich einen neuen Job suchen.

Die Protagonistin Nele habe ich in Petra Hülsmanns vorherigem Buch „Wenn’s einfach wär, würd’s jeder machen“ schon kennengelernt. Deshalb freute ich mich darauf, mehr über sie zu erfahren. Die Trennung von ihrem Freund Tobi hat sie inzwischen halbwegs verdaut und ist bereit für einen beruflichen Neustart, während sie in Liebessachen eine Pause einlegen will.

Schnell war ich mittendrin in der Geschichte und in Neles trubeligem Leben. Langeweile kennt sie nicht. In der neuen Agentur ist viel zu tun und bei die Imagekampagne für einen Politiker ist ihre Chance, sich zu beweisen. Als ihr Kollege, der mit ihr an der Kampagne arbeitet, um Hilfe fragt, sagt sie natürlich zu. Auch als Trauzeugin ihrer Mutter übernimmt sie zahlreiche Aufgaben rund um die Vorbereitung. Und ihren Bruder Lenny, der ausziehen und Tierpfleger werden will, unterstützt sie bei der Recherche.

Nele ist jemand, der gern gebraucht wird und aufpassen muss, dass sie dabei nicht ausgenutzt wird. Ich war neugierig, ob sie im Laufe des Buches lernt, sich besser abzugrenzen und auch mal Nein zu sagen. Da es rund um ihre tausend ToDos viel zu erzählen gibt, verfliegen die Seiten nur so. Besonders gut gefallen hat mir Neles Bruder Lenny. Die Autorin thematisiert einfühlsam das Thema Down-Syndrom mit allem, was dazugehört. Das fügt sich gelungen in die Geschichte ein und bringt ins Nachdenken, ohne dass es belehrend wirkt.

Von Beginn an fühlt sich Nele zu ihrem Chef Claas hingezogen, will die Gefühle aber um keinen Preis zulassen. Die beiden verbringen aufgrund der Kampagne, an der sie gemeinsam arbeiten, viel Zeit miteinander und lernen sich besser kennen. Das ist für Neles Entschluss genauso wenig hilfreich wie Claas‘ süße Hündin Sally, die ihr sofort ans Herz wächst. Das Buch liest sich leicht und schafft ein warmes, fluffiges Gefühl, das durchweg anhält. Für meinen Geschmack lief alles ein bisschen zu glatt und nur mit wenigen ganz kurzen Krisen ab. Eine Feelgood-Lektüre, in der die Liebe nicht zu kurz kommt, aber auch Familie und das Thema Down-Syndrom eine wichtige Rolle spielen!