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Veröffentlicht am 02.08.2019

Charmant und zurückhaltend - ganz das 19. Jahrhundert

Effi liest
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Zuallererst möchte ich hier das Titelbild erwähnen, das einem sofort ins Auge sticht, wunderschön und perfekt zur Geschichte und der damaligen Zeit passend. Dann der Titel – Effi liest, ganz nah dran an ...

Zuallererst möchte ich hier das Titelbild erwähnen, das einem sofort ins Auge sticht, wunderschön und perfekt zur Geschichte und der damaligen Zeit passend. Dann der Titel – Effi liest, ganz nah dran an Effi Briest und schon hält man das Buch in der Hand und studiert den Klappentext:

Berlin, 1894.
Alles beginnt mit einem Buch, das die achtzehnjährige Elena Sophie von Burow, genannt Effi, zufällig entdeckt. Der Inhalt ist so skandalös, dass Effi aus ihrem vornehmen Pensionat fliegt, noch bevor sie die erste Seite gelesen hat. Sofort reist ihre Tante an, denn es ist wohl höchste Zeit, Effi in die Gesellschaft einzuführen und einen Ehekandidaten zu finden. Effi hingegen sucht Antworten auf ihre Fragen. Ob der junge und sehr sympathische Arzt Maximilian von Waldau Effi weiterhelfen kann?
Eine romantische Komödie aus der prüdesten Epoche der deutschen Geschichte.
Ein wunderbares Lesevergnügen für alle Fans von Jane Austen und "Der Trotzkopf".

Die Autorin hat nach ausgezeichneter Recherche ein ganz treffendes Bild der Frauen im ausklingenden 19. Jahrhundert geschaffen. „Hausfrau und Mutter zu sein, das ist der natürliche Beruf jeder Frau.“ (Zitat Pos. 1099)

Zum Glück sieht die junge Elenea Sophie von Burow, genannt Effi, das nicht ebenso und hat nach ihrem Rauswurf aus dem Mädchenpensionat vor, die Welt der Universität zu erobern und ein erfülltes, interessantes Leben zu führen.

Anna Morettis Schreibstil ist geprägt von Wortwitz und Charme, lustige Episoden und sachliche Hintergrundinformation greifen schön ineinander und verbinden historische Gegebenheiten mit Romanelementen, sodass viel Information in unterhaltsamer Weise transportiert wird.

Wenngleich auch nicht ständig hochspannende Szenen aneinandergereiht werden, so ist das Buch dennoch immer interessant zu lesen und spiegelt dadurch wohl auch die Zeit wider: angepasst, sittsam und brav hatte ein junges Mädchen zu sein, stricken, sticken und taktvolle Konversation mussten den Tagesablauf bestimmen.

Die einzelnen Personen sind wunderbar bildhaft charakterisiert und zaubern dem Leser mitunter ein Schmunzeln ins Gesicht. (z.B. Frl. Grimaud: den faltigen, putenähnlichen Hals weit vorgereckt...Pos. 271) Klar herausgearbeitet wird auch die Entwicklung, die einige Protagonisten im Laufe der Geschichte durchleben.

Wunderbar abwechslungsreich wird die Erzählung durch die unterschiedliche Sichtweise, die der Leser auf die Ereignisse bekommt: Effi erzählt selbst aus der „Ich-Perspektive“, während Max‘ Eindrücke in Form von Briefen an seinen jüngeren Bruder geschildert werden.

Abgerundet wird das Buch dann noch durch eine informative Aufstellung über medizinische Fortschritte im 19. Jahrhundert und ein sehr ausführliches Nachwort.

Wer einen gelungenen Mix aus sehr gut recherchierten realen Elementen und einer liebevollen Romanhandlung ohne dramatische Aufregung sucht, ist hier bestimmt gut aufgehoben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Humor
Veröffentlicht am 21.07.2019

Dramatische Reise

Die Melodie der Schatten
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Nach dem Tod ihrer Mutter schickt Earl Hemington seine Tochter Fiona als Gesellschafterin zu deren Tante Maud. Doch soll die Kutsche nie dort ankommen. Während eines schrecklichen Überfalls kann sich Fiona ...

Nach dem Tod ihrer Mutter schickt Earl Hemington seine Tochter Fiona als Gesellschafterin zu deren Tante Maud. Doch soll die Kutsche nie dort ankommen. Während eines schrecklichen Überfalls kann sich Fiona als einzige retten und sucht Zuflucht in einem abgelegenen Herrenhaus. Bereits ab ihrer Ankunft ist ihr dort nicht alles ganz geheuer, finstere Schatten schleichen durch die Nacht, der Besitzer ist kalt und abweisend, das wenige Personal wortkarg. Die alten Gemäuer selbst scheinen Schritte, Stimmen und alte Melodien gefangen zu halten, die Fiona nachts quälen. Träumt sie oder verliert sie den Verstand?


Die schottischen Highlands im Jahre 1837 bilden den mystischen und legendenreichen Hintergrund für diesen faszinierenden Roman.

Bereits während der ersten Seiten wird man in den Bann gezogen von Maria W. Peters klarem und feinen Schreibstil. Bald darauf kommen die wundervolle Beschreibung der schroffen, mystischen Landschaft im schottischen Norden dazu sowie die ausgezeichnete Charakterisierung der einzelnen Personen. Deren Zahl hält sich in angenehm überschaubaren Grenzen, sodass man diese umso besser kennen lernt und deren Entwicklung deutlich mitverfolgen kann.

Nach und nach werden einzelne Szenen beleuchtet, die sich erst langsam, dafür aber gekonnt, zu einem Ganzen fügen; Worte entwickeln sich zu schaurigen Bildern und Melodien und lassen den Leser lange darüber im Unklaren, wohin sich alles entwickeln wird. Dadurch erzeugt die Autorin eine stetige Spannung, die sich perfekt in der düsteren Herbstlandschaft widerspiegelt. Viele Details sind liebevoll in das Geschehen eingearbeitet, bemerkenswerte Recherche und wortgewandte Darstellung bilden – wie auch in anderen Büchern von Maria W. Peter – das Fundament für eine dramatische Geschichte.

Trotz des Umfangs bleibt dieses Buch, das sich in zwei große Teile gliedert, stets kurzweilig und unterhaltsam. Bisweilen hält man auch den Atem an, was sich hinter Menschen, die man zu kennen glaubt, alles verbergen kann.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die ausführlichen Informationen am Schluss: Glossar, schottisch-gälische Redewendungen, Wissenswertes über Geschichte und historische Persönlichkeiten sowie weiterführende Literatur und Stöbertipps runden den Roman ab, der dadurch weit mehr ist als ein einfaches Buch, nämlich ein wahres Leseabenteuer.

Dieses ist nun für mich zu Ende; ich möchte aber hier die wirklich schöne, interessante, aufregende – und vor allem in weiten Teilen nicht vorhersehbare – Reise in die Zeit des alten Schottlands und in die geheimnisvolle Welt der Highlands gerne weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 07.07.2019

Wechselbälger - Ein Wechselbad der Gefühle

Kalte Wasser
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Alles beginnt im Krankenhaus, nach einer schweren Geburt von Zwillingsbuben und traumatisierenden Eingriffen: Lauren ist erschöpft und will sich dennoch aufopfernd um ihre beiden Kinder kümmern, als zwischen ...

Alles beginnt im Krankenhaus, nach einer schweren Geburt von Zwillingsbuben und traumatisierenden Eingriffen: Lauren ist erschöpft und will sich dennoch aufopfernd um ihre beiden Kinder kümmern, als zwischen Stillen und Träumen eine finstere Frau vor ihrem Bett steht und sie auffordert, einen Zwilling gegen eines ihrer Kinder zu tauschen – andernfalls würde sie alsbald beide Jungen rauben…


Die junge Mutter kann sich mit den Kindern in Sicherheit bringen und die Polizei verständigen, jedoch nimmt man sie dort vorerst nicht ernst. Nur Jo Harper hat ein komisches Gefühl bei der Sache und forscht tiefer, während Lauren seltsame Erlebnisse widerfahren. Warum erkennt niemand außer ihr die drohende Gefahr? Und wird Harper ihr helfen können?

Melanie Golding entwirft mit diesem Roman ein geschicktes Bild zwischen Alptraum und Realität, zwischen weisem Rat aus früheren Tagen und abgeklärter Wissenschaft. Ebenso wie Lauren weiß der Leser nicht, wem er Glauben schenken soll, wer vertrauenswürdig ist und wer sich hinter einer grausamen Tat verbergen könnte.

Die einzelnen Personen sind klar und deutlich charakterisiert; vor allem Lauren wird schnell eine lebensnahe und lebendige Figur mit all ihren Ängsten und aufgestauten Gefühlen, ihrer Ohnmacht gegenüber dem medizinischem Personal, ihrer mangelnden Durchsetzungskraft gegenüber ihrem Mann und dessen rasch zutage tretendem klassischen Rollendenken und schließlich ihrer herausfordernden Aufgabe als frischgebackene Mutter von Zwillingen. Unglaublich real werde die Probleme im Haushalt geschildert, die recht bald auch die Beziehung zwischen Lauren und Patrick überschatten, die Defizite des Partners, die man bislang nicht gesehen hat oder nicht hat sehen wollen, die unterschiedliche Auffassung über Elternschaft und den Umgang mit den Säuglingen.

Genauso treffend beschrieben ist Joanne Harper, die einzige Polizistin, die aus einem Bauchgefühl heraus Laurens Geschichte respektiert und – trotz Verbots ihres Vorgesetzten – weitere Nachforschungen anstellt.

Spannend bleiben die Ereignisse rund um Lauren bis zum Schluss, nicht zuletzt, weil regelmäßig eingestreute Ausschnitte aus alten Sagen und Legenden über Zwillinge auf die Gefühlswelt der jungen Mutter projiziert werden.

Wer Romane mit Mysteryelementen mag, wird Gefallen an diesem Buch finden.

Veröffentlicht am 05.07.2019

Welschtirol zwischen den Fronten

Gefangene der Festung
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Palera, ein kleines Bergdorf in der Provinz Trient (Trentino), gehört 1907 noch zu Österreich. Die Bewohner leben ärmlich aber mehrheitlich zufrieden in ihrer abgeschiedenen Heimat – bis das Fort Martinella ...

Palera, ein kleines Bergdorf in der Provinz Trient (Trentino), gehört 1907 noch zu Österreich. Die Bewohner leben ärmlich aber mehrheitlich zufrieden in ihrer abgeschiedenen Heimat – bis das Fort Martinella an der italienischen Grenze errichtet wird.


Nun ziehen Wohlstand, aber auch Neid und Missgunst bei den Siedlern ein. Insbesondere als ein Arbeiter kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs spurlos von der Baustelle verschwindet, wird man vorsichtig mit laut ausgesprochenen Spekulationen. Fehlenden Plänen zufolge könnte er als Spion zum Feind übergelaufen sein, aber auch ein Verbrechen ist nicht auszuschließen. Aufgrund von unterschiedlichen Nationalitäten und Sprachproblemen gestaltet sich das Leben im Fort während der Kriegsjahre nicht ganz unkompliziert, dennoch scheinen die Soldaten „Glück“ zu haben – es gibt nicht allzu viele Tote zu beklagen. Und auch der nächste Krieg lässt nicht lange auf sich warten, das verlassene Fort gerät wieder in den Mittelpunkt des militärischen Interesses, Nachforschungen zu einigen früheren Ungereimtheiten werden wieder aufgenommen und in den 1960er-Jahren graben zwei Hobbyhistoriker in den verstaubten Archiven.

Rolf Hentzschels Roman spielt zur Zeit der beiden Weltkriege und später, stellt diese jedoch nicht ins Zentrum des Geschehens, sondern richtet sein Augenmerk auf die Schicksale der Menschen auf dieser entlegenen Hochebene, beschreibt eindrucksvoll ihren Alltag und ihre Routine, die plötzlich aus dem Gleichgewicht gerät. Fragen tauchen auf, ob man Österreicher oder Italiener ist, welche Sprache die „richtige“ ist - Deutsch oder Italienisch - und ob dem Kaiser oder dem Duce die Treue zu halten ist. Magere Kriegsjahre, Flucht und Sorge um das Schicksal der Männer an der Front prägen das Leben der Frauen, Kinder und Alten.

In eindrucksvoller Schreibweise bringt der Autor dem Leser das Los der Bewohner Paleras näher, bewegend und einfühlsam werden die Szenen gezeichnet ohne aber jemals gefühlsduselig oder gar kitschig zu wirken. Durch ausgezeichnete und detaillierte Recherchen fließen viele Sachinformationen in die Geschichte mit ein und so verschmelzen Realität und Dichtung fließend zu einem großen Ganzen. Spannend an diesem historischen Roman ist die Auswahl einzelner Ereignisse, die teilweise auch Monate oder gar Jahre auseinander liegen, wodurch gekonnt wesentliche Abschnitte beleuchtet werden und keine unnötigen Längen entstehen.

Als Abrundung findet der Leser Zusatzinformationen in Form von einer Landkarte, übersichtlichem Personenregister, einer Zeittafel und einer Auflistung zeitgenössischer Begriffe.

Wer gut recherchierte und realitätsnahe historische Romane liebt, die ohne groß inszenierte Liebesgeschichten auskommen, der sollte zu „Gefangene der Festung“ greifen!

Veröffentlicht am 14.06.2019

In der Liebe gefangen

Solch ein zephyrleichtes Leben
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Da mich ja Petra Huckes „Moorschwestern“ schon überaus begeistert haben, war meine Freude groß, dass es bereits wieder etwas Neues von ihr zu lesen gibt, diesmal ein Roman, der den Leser in vergangene ...

Da mich ja Petra Huckes „Moorschwestern“ schon überaus begeistert haben, war meine Freude groß, dass es bereits wieder etwas Neues von ihr zu lesen gibt, diesmal ein Roman, der den Leser in vergangene Zeiten entführt: Kopenhagen um 1816 ist der Ausgangspunkt.


Adelaide Caroline Johanne Brun, genannt Ida, ist eine junge und schöne Künstlerin, sicher fühlt sie sich singend, aber noch sicherer, wenn sie schweigt und tanzt. Namhafte Persönlichkeiten wie Goethe sind begeistert.

Allerdings schränkt Mutter Friederike Idas Freiraum stark ein und bestimmt, in welche Richtung das Fräulein Tochter sich entwickeln darf, ja sogar muss. Um aus diesem Gefangensein auszubrechen, stimmt Ida einer Hochzeit mit dem deutlich älteren Grafen von Bombelles zu, jedoch nur, um in eine andere Abhängigkeit zu schlittern. Wird sich Ida loslösen können von alten Konflikten und ohne neuerliche Enttäuschungen ins Eheleben gehen können?

Petra Hucke erschafft in diesem Roman ein ganz besonderes Bild der Ida Brun, keine langweilige Biographie von 1792 bis 1857, sondern beleuchtet ganz speziell ausgewählte Stationen aus Idas Kinder- und Jugendjahren; der Fokus liegt auf einer Künstlerseele, die authentischer und gefühlvoller nicht geschrieben sein könnte.

Gleich zu Beginn trifft der Leser auf wunderschöne Zeilen August Wilhelm Schlegels, die Ida Brun gewidmet sind.
In weiterer Folge tritt Ida selbst auf, kurz vor ihrer Hochzeit mit Bombelles im Winter des Jahres 1816. Wortgewandt und plastisch schildert sie ihre Eindrücke; der Roman ist in der Ich-Form geschrieben. Ich höre also förmlich Idas Stimme, wie sie locker und leicht dahin plaudert, die Sprachmelodie erinnert unterschwellig an frühere Jahrzehnte. Immer wieder wird das Jetzt unterbrochen für Rückblenden in die Jahre 1801 bis 1809, Ida erinnert sich an Reisen nach Rom und inspirierende Treffen mit Künstlern und Theaterdirektoren, an Rausch und Phantasie, an Hass und Liebe. Fließend gehen Gegenwart und Vergangenheit ineinander über, begegnen wir griechischen Göttinnen und anderen Sagengestalten, tauchen wir ein in Oper und Gesang und begleiten Ida in perfekte Augenblicke, die sie in ihren Attitüden sucht und findet. Ausdrucksstark und faszinierend verhilft die Autorin Ida zu einer bewegenden Erinnerung, die schließlich in einer Konfrontation mit der Mutter gipfelt.

Eine Glanzleistung, wie Petra Hucke wieder mit der Sprache spielt, gleich einem über die Tasten fliegenden Pianisten am Klavier, virtuos und voll Gefühl.

Wer gerne eintaucht in die Welt der Kunst und dabei die bezaubernde und willensstarke Ida Bombelles, geb. Brun, kennen lernen möchte, ist hier goldrichtig!
Wiederum 5* plus für ein absolut gelungenes Werk!