Profilbild von bookloving

bookloving

Lesejury Star
offline

bookloving ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bookloving über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.02.2020

Berührender Roman über bemerkenswerte Frauen

Das Haus der Frauen
0

INHALT

In Paris steht ein Haus, das allen Frauen dieser Welt Zuflucht bietet. Auch der erfolgreichen Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch ihr Leben in Frage stellt. Im »Haus der Frauen« schreibt ...

INHALT

In Paris steht ein Haus, das allen Frauen dieser Welt Zuflucht bietet. Auch der erfolgreichen Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch ihr Leben in Frage stellt. Im »Haus der Frauen« schreibt sie nun im Auftrag der Bewohnerinnen Briefe - an die Ausländerbehörde, den zurückgelassenen Sohn in Guinea, den Geliebten - und erfährt das Glück des Zusammenhalts und die Magie dieses Hauses. Weil Solène anderen hilft, hat ihr Leben wieder einen Sinn. Doch wer war die Frau, die vor hundert Jahren allen Widerständen zum Trotz diesen Schutzort schuf? Solène beschließt, die Geschichte der Begründerin Blanche Peyron aufzuschreiben.

(Quelle: S. Fischer Verlag)

MEINE MEINUNG
Nach ihrem weltweit gefeierten Debüt „Der Zopf” hat die französische Autorin Laetitia Colombani erneut einen berührenden Roman über bewegende Frauenschicksale und bemerkenswerte Frauen geschrieben.
Ein Roman, der auf die weibliche Leserschaft ausgerichtet ist und sicherlich bald ebenfalls zu einem Bestseller anvancieren wird.

Ihre Geschichte kreist um den „Palais de la femme“ – das titelgebende „Haus der Frauen“, ein 1926 von der Heilsarmee gegründetes Frauenhaus im 11. Arrondissement von Paris, das in Not geratenen Frauen jeglicher Nation und Herkunft Zuflucht und geschützte Unterkunft bietet, und erzählt sehr eindrücklich von den verschiedenen Frauenschicksalen, die auf unterschiedlichste Weise mit diesem Haus verknüpft sind.
Im Mittelpunkt dieses Romans stehen aber auch zwei Frauen, die zu verschiedenen Zeiten in Paris gelebt haben - fast ein Jahrhundert liegt zwischen ihnen, und doch verbindet sie ihr Engagement für all die Frauen in Notlagen, die ihre Hilfe, Stärke und Zuversicht brauchen.

Sehr kunstvoll hat die Autorin die beiden zwischen Gegenwart und Vergangenheit abwechselnden Handlungsstränge miteinander verwoben. Die Protagonistinnen erzählen ihre Geschichte jeweils aus ihrer Perspektive in der 3. Person.

So lernen wir nach und nach die Hauptfigur Solène kennen und erfahren einige Details zu ihrer Lebenssituation. Sie ist eine junge, äußerst erfolgreiche Anwältin aus Paris, deren Leben durch einen Burn-Out völlig aus der Bahn geraten ist und von tiefen Depressionen beherrscht wird. Als therapeutische Maßnahme soll sie ihre Komfortzone verlassen und sich ehrenamtlich im Frauenhaus als eine Art Schreiberin engagieren. Schön ist es mitzuerleben, wie es Solène allmählich gelingt sich immer mehr zu öffnen, Kontakte zu knüpfen und wieder neuen Lebensmut zu schöpfen. In verschiedenen Episoden erfahren wir mehr über die Bewohnerinnen und Angestellten des Frauenhauses und nehmen gebannt Anteil an ihren aufwühlenden Schicksalen. Ob nun Flüchtlinge, obdachlose oder misshandelte Frauen, Opfer von häuslicher Gewalt – sie alle sind von den Widrigkeiten des Lebens und Gewalt gezeichnet und haben hier unabhängig von Kultur, Religion oder Herkunft Zuflucht gefunden, können zur Ruhe kommen, erhalten Beratung und Hilfe für einen Neuanfang in ein selbstbestimmtes Leben. Sehr glaubwürdig hat die Autorin aber auch die Dynamik und die ganz besondere Atmosphäre dieses Ortes, an dem so viele unterschiedliche Charaktere leben, eingefangen. Neben lautstark ausgetragenen Konflikten, chaotischen Zuständen gibt es auch die berührenden Momente der Solidarität und des Zusammenhalts untereinander.

Im zweiten, Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelten Handlungsstrang widmet sich die Autorin einer faszinierenden historischen Persönlichkeit, die in der Geschichtsschreibung leider völlig in Vergessenheit geraten ist – Blanche Peyron. In kurzen, aber sehr anschaulich erzählten Episoden zeichnet sie das bewegte, entbehrungsreiche Leben dieser mutigen und willensstarken Frau nach, die ihr Leben ganz der Heilsarmee und dem sozialen Engagement für die bedürftigen und benachteiligten Menschen verschrieben hatte. Dank ihres heldenhaften Einsatzes und ihrer Hartnäckigkeit ist es ihr allen Widerständen zum Trotz gelungen, den „Palais de la femme“ in Paris zu kaufen und zu einem Frauenhaus umzubauen.

So ist Laetitia Colombani ein stimmiges Portrait dieser äußerst beeindruckenden Frau und eine wundervolle Hommage gelungen!

Der für die Autorin typische recht einfache, pointierte Schreibstil verbreitet eine angenehme Leichtigkeit beim Lesen. Ihr gelingt es, oft auch ohne ausführliche Beschreibungen eine eindringliche Atmosphäre aufkommen zu lassen und berührende Momente einzufangen.

Obwohl die Autorin ihre Hauptfiguren und deren charakterliche Entwicklung sehr einfühlsam und behutsam ausgearbeitet hat, hätte ich mir bei ihnen doch deutlich mehr Nuancen und Tiefgang gewünscht, um mich besser in sie hineinzuversetzen, sie weniger aus der Distanz zu erleben und mich mehr berühren zu können. Auch die vielen tragischen Schicksale der Frauen aus dem Frauenhaus waren insgesamt zu kurz angerissen und wirkten zu schablonenhaft, um wirklich unter die Haut zu gehen.

Dennoch ist der Autorin mit ihrer ergreifenden Geschichte über ein Haus für alle Frauen dieser Welt erneut ein bemerkenswerter, warmherziger und nachdenklich stimmender Roman gelungen, der zugleich als Plädoyer für mehr Solidarität zu verstehen ist.

FAZIT

Ein berührender Roman über bewegende Frauenschicksale und bemerkenswerte Frauen, dem etwas mehr Tiefgang und einige zusätzliche Seiten nicht geschadet hätten! Dennoch lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.02.2020

Packender, temporeicher Thriller-Auftakt

Feuerland
0

INHALT
In Stockholm wird ein exklusiver Uhrenladen überfallen, kurz darauf verschwinden zwei reiche Geschäftsmänner. Vanessa Frank beginnt zu ermitteln und deckt Verbindungen zu einer Klinik in Chile auf, ...

INHALT
In Stockholm wird ein exklusiver Uhrenladen überfallen, kurz darauf verschwinden zwei reiche Geschäftsmänner. Vanessa Frank beginnt zu ermitteln und deckt Verbindungen zu einer Klinik in Chile auf, die illegale Organtransplantationen vornimmt. Im Auftakt der Thriller-Serie muss die Kriminalkommissarin sich der Macht des Organisierten Verbrechens stellen. Kann sie allein ein ganzes Netzwerk zu Fall bringen?
Schweden: Vanessa Frank, Kriminalleiterin der Sonderkommission Nova, wurde betrunken am Steuer erwischt und vom Dienst suspendiert. Nicht das Einzige, was in ihrem Leben momentan schiefläuft. Doch anstatt einen Gang runterzuschalten, stürzt sie sich von ferne in neue Ermittlungen. Ein exklusiver Uhrenladen wurde ausgeraubt, aber keine einzige Uhr entwendet. Kurz darauf werden mehrere Geschäftsmänner entführt und nach Erpressung eines hohen Lösegeldes unversehrt wieder freigelassen. Außer ihrem dicken Bankkonto verbindet die Männer nichts miteinander. Und niemand von ihnen will auch nur ein Wort sagen. Was zunächst wie zwei seltsame Einzeltaten wirkt, entpuppt sich schon bald als brisanter Fall, der Vanessa Frank um den halben Erdball bis nach Chile jagt.
(Quelle: Klett-Cotta )

MEINE MEINUNG
Mit seinem Debütroman „Der Patriot“ ist dem jungen schwedischen Autoren und ehemaligen Journalisten Pascal Engman ein beeindruckender, äußerst rasanter Thriller mit brandaktueller Thematik gelungen.
Auch für seinen neuen Page Turner „Feuerland“ hat er sich einen sehr packenden, vielschichtigen Plot ausgedacht, der zugleich fesselnder Auftakt einer neuen dreiteiligen Thriller-Reihe ist, in deren Mittelpunkt die Stockholmer Kriminalkommissarin Vanessa Frank steht.
In seinem Thriller greift er neben der organisierten Kriminalität, dem Bandenkrieg in Stockholm und dem spurlosen Verschwinden von Flüchtlingskindern auch das Thema des internationalen illegalen Organhandels auf, dessen Spuren zu gewissenlosen Drahtziehern in Südamerika führen. Geschickt entführt uns der Autor zu unterschiedlichen Schauplätzen in Schweden und nach Südchile, wo wir aufschlussreiche Einblicke in das schockierende Treiben des despotischen Don Carlos und den zwielichtigen Geschäften in der hermetisch abgeriegelten, deutschen Exklave Colonia Rhein mit der angeschlossenen Clinica Bavaria erhalten.
Zudem nimmt uns Engman mit in das beschauliche Land Schweden, das sich eigentlich durch eine äußerst niedrige Kriminalitätsrate auszeichnet, in den letzten Jahren aber mit einer stark zunehmenden und erstaunlich brutalen Bandenkriminalitiät konfrontiert sieht, für die vor allem rivalisierende Drogengangs verantwortlich sind.
Engmans komplex angelegte Geschichte mit verschiedenen, parallel laufenden Handlungssträngen, unterschiedlichen Schauplätzen und etlichen Akteuren ist lange Zeit nicht vorhersehbar, baucht aber etwas Zeit, um in Gang zu kopmmen. Geschickt steigert der Autor immer mehr das Tempo, so dass man den fesselnden Thriller schließlich nicht mehr aus der Hand legen und unbedingt wissen möchte, wie die verschiedenen Plots miteinander zusammenhängen.
Der Autor sorgt wirklich für eine sehr filmreife Umsetzung seiner nervenaufreibenden, rasant geschriebenen Geschichte, bei der man sich auch auf einige recht brutale und blutrünstige Szenen gefasst machen sollte. Kurz gehaltene Kapitel, viele Cliffhanger und rasche Perspektivwechsel lassen enorme Spannung aufkommen. Gekonnt führt Engman die verschiedenen, geschickt miteinander verwobenen Handlungsstränge immer mehr zusammen, überrascht uns mit einigen unerwarteten Wendungen und lässt seinen Thriller schließlich in einem äußerst fesselnden, atemberaubenden Showdown gipfeln.
Natürlich bedient sich der Autor auch einiger, für dieses Genre recht typischer Klischees und etwas übertriebener Zuspitzungen. So bleiben Glaubwürdigkeit und Realitätsbezug für meinen Geschmack bisweilen etwas auf der Strecke, aber dafür bekommt der Leser auch jede Menge Action und rasante Unterhaltung geboten.
Der Autor hat sich bemüht seine Hauptfiguren und ihre Gegenspieler als recht vielschichtige Charaktere mit interessanten Hintergrundgeschichten anzulegen, deren Motive und Handlungsweisen man insgesamt gut nachvollziehen kann. Manchmal jedoch wirkten die Figuren auf mich doch etwas zu eindimensional und klischeebehaftet.
Mit seiner Protagonistin Vanessa Frank hat der Autor eine interessante, etwas angeschlagene und sicher noch ausbaufähige Figur geschaffen. Als taffe Gruppenführerin der Sondereinheit NOVA ist sie im Großraum Stockholm zuständig für die Aufklärung von Verbrechen, die im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität stehen. Ganz Genre-typisch hat sie in ihrem Leben schon einiges mitgemacht, so einige private Probleme zu bewältigen und ist zudem wegen Alkohols am Steuer vom Dienst suspendiert, so dass sie in dem brisanten Fall kurzerhand beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Mit all ihren Ecken und Kanten, ihren eher unkonventionellen Ermittlungsmethoden und einer unerschrockenen Zähigkeit wirkt sie zwar nicht immer glaubwürdig, aber insgesamt doch ziemlich authentisch und recht sympathisch.
Ich bin schon sehr neugierig, wie es mit Kriminalkommissarin Vanessa Frank weitergehen wird und in welche Abgründe ihre Ermittlungen im neuen Fall sie führen werden. Der zweite Band mit dem Titel „Råttkungen“ – Rattenkönig ist bereits 2019 in Schweden erschienen, so dass wir sicher nicht allzu lange auf die Fortsetzung warten müssen.

FAZIT
Ein unterhaltsamer, temporeicher Thriller-Auftakt mit einer interessanten, aktuellen Thematik und ein fesselndes, rasantes Lesevergnügen – aber nicht ganz so gut wie Engmans Debüt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2019

Solide Thriller-Unterhaltung

Draussen
0

INHALT
Ein Leben draußen im Wald, kein Zuhause, immer auf der Flucht: Das ist alles, was Cayenne und ihr Bruder Joshua kennen. Nur ihr Anführer Stephan weiß, warum sie hier sind und welche Gefahr ihnen ...

INHALT
Ein Leben draußen im Wald, kein Zuhause, immer auf der Flucht: Das ist alles, was Cayenne und ihr Bruder Joshua kennen. Nur ihr Anführer Stephan weiß, warum sie hier sind und welche Gefahr ihnen droht. Er lebt mit ihnen außerhalb der Gesellschaft, drillt sie mit aller Härte und duldet keinen Kontakt zu anderen. Cayenne sehnt sich nach einem normalen Alltag als Teenager. Doch sie ahnt nicht, dass sie alles, was Stephan ihr beigebracht hat, bald brauchen wird. Denn der Kampf ums Überleben hat schon begonnen. Und plötzlich steht er vor ihr: der Mann, der sie töten will.
(Quelle: Ullstein Verlag)
MEINE MEINUNG
Mit ihren humorvollen Allgäu-Krimis rund um ihren Kommissar Kluftinger mit Kult-Status begeistern die Bestsellerautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr Millionen von Lesern. Nun versucht sich das erfolgsverwöhnte Autorenduo in einem neuen Genre und hat mit ihrem neuen Werk „Draußen“ einen packenden, action-reichen Thriller vorgelegt, der uns in ein recht düsteres Szenario eines „near future“- Thrillers entführt.
Im Mittelpunkt steht der Teenager Cayenne, die mit ihrem jüngeren Bruder Joshua und ihrem Ziehvater Stefan abseits der Zivilisation im Wald lebt und sich mit extremem Survivaltraining auf eine Bedrohung vorbereitet, bis sie plötzlich bei einem brutalen Angriff ums nackte Überleben kämpfen muss.
Nach einem äußerst fesselnden Prolog, der wirklich unter die Haut geht, entwickelt sich die Handlung sehr spannend und temporeich. In zwei in der Gegenwart angesiedelten Handlungssträngen erhalten wir zum einen Einblicke in die Prepper-Szene, die sich in einem brandenburgischen Waldgebiet mit ihrem Überlebenstraining auf den Zusammenbruch der Zivilisation vorbereitet, und lernen Stephan mit den beiden Teenagern Cayenne und Joshua und ihre seltsamen Lebensumstände besser kennen, und verfolgen zum anderen die manipulative Arbeit des erfolgsverwöhnten, skrupellosen Lobbyisten der Energiewirtschaft Jürgen Wagner und Politiker in Berlin. Der dritte Erzählstrang besteht aus zurückblickenden Tagebucheinträgen eines Unbekannten, der über seine Erlebnisse bei der Fremdenlegion berichtet. Die Autoren verstehen es mit geschickt gesetzten Szenenwechseln, viel Action und brutalen Kampfszenen die Handlung voranzutreiben und den Spannungsbogen immer weiter zu spannen. Die Hintergründe für das Leben der Drei im Verborgenen, Stephans permanente Angst vor Verfolgern und sein undurchsichtiges Verhalten bleiben lange Zeit im Dunkeln, doch lassen sich nach und nach einige Zusammenhänge ableiten. Geschickt führen die Autoren die verschiedenen Handlungsstränge nach einigen überraschenden Wendungen immer weiter zusammen und lassen die Geschichte mit viel Thrill in einem fulminanten, nervenaufreibenden Showdown enden.
Bestimmte Handlungstwists wirkten auf mich allerdings etwas sehr konstruiert und sogar unlogisch. Die Hauptfiguren sind für meinen Geschmack insgesamt leider zu eindimensional ausgearbeitet, so dass ich ihre Motive wenig nachvollziehen konnte und ihre emotionalen Reaktionen bisweilen wenig glaubwürdig erscheinen. Schade, dass die Charakterzeichung hier auf Kosten der actiondominierten Handlung und des spektakulären Settings etwas vernachlässigt wurde.
FAZIT
Ein fesselnder, actionreicher und brutaler Thriller mit einem interessanten, sehr düsteren Setting, der zwar solide Unterhaltung bietet mich aber nicht völlig überzeugen konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2019

Außergewöhnlicher, lesenswerter Krimi

Der Verein der Linkshänder
0

INHALT
Kommissar Van Veeteren - mittlerweile im Ruhestand, aber so legendär wie eh undje - bereitet sich innerlich darauf vor, seinen 75. Geburtstag zu feiern, als ein früherer Kollege auftaucht, um ihn ...

INHALT
Kommissar Van Veeteren - mittlerweile im Ruhestand, aber so legendär wie eh undje - bereitet sich innerlich darauf vor, seinen 75. Geburtstag zu feiern, als ein früherer Kollege auftaucht, um ihn von einem alten Fall zu berichten. Damals waren in einer Pension in Oosterby vier Menschen ums Leben gekommen, die nur eines gemeinsam hatten: die Mitgliedschaft in einem "Verein der Linkshänder". Da das fünfte am Treffen teilnehmende Mitglied verschwunden war, wurde der Mann schnell als Täter identifiziert, aber niemals gefunden. Nun ist überaschend nach Jahren seine Leiche aufgetaucht, offensichtlich wurde er zur selben Zeit ermordet wie die anderen. Mit anderen Worten: Van Veeteren und seine Kollegen haben damals versagt, der Mörder ist weiter auf freiem Fuß. Bald danach wird eine weitere Männerleiche gefunden - mit den Ermittlungen hier betraut: ein gewisser Inspektor Barbarotti...
(Quelle: btb Verlag)

MEINE MEINUNG
In seinem neuen Kriminalroman „Der Verein der Linkshänder“ lässt der bekannte schwedische Erfolgsautor Hakan Nesser zwei seiner berühmten Ermittler aus seinen Krimireihen bei der Aufklärung eines lang zurückliegender Falls zum ersten Mal aufeinander treffen. Der pensionierte Kommissar Van Veeteren und der eigenwillige Inspektor Barbarotti ermitteln jeder auf seine einzigartige Weise und versuchen zunächst unabhängig voneinander den Hintergründen eines höchst verwickelten Verbrechens und einem äußerst raffinierten Mörder auf die Spur zu kommen. Es ist nicht nur ein äußerst spannender Kriminalfall, bei dem sich nach und nach die vielen Puzzleteilchen schlüssig ineinanderfügen, sondern auch eine anspruchsvolle, tiefgründige Geschichte, die dem Leser einiges an Aufmerksamkeit und Mitdenken beim Lesen abverlangt, aber nicht ganz frei von einigen Längen ist.
Mit großem erzählerischem Können, seiner behutsamen Erzählweise sowie einem genial verschachtelten Plot, der auf unterschiedlichen Zeitebenen angelegt ist, konnte Nesser mich von Anfang an fesseln.
Geschickt er wechselt er beständig die Perspektiven, führt uns Leser zu unterschiedlichen Schauplätzen, springt zwischen den Zeiten und verschiedenen Charakteren hin und her, und rollt so den verzwickten Kriminalfall auf. Ausgehend von den Ermittlungen in der Gegenwart 2012, wechseln wir in die 1960er Jahre zu den Mitgliedern des „Vereins der Linkshänder“ und erfahren in weiteren Rückblicken in die Vergangenheit zudem immer neue Details zu einem mysteriösen Verbrechen im Jahr 1991. Sehr fesselnd ist es mitzuverfolgen, wie sich aus den verschiedenen, sich abwechselnden Perspektiven und den Ermittlungen allmählich ein Gesamtbild entsteht. Faszinierend ist es auch, die unterschiedlichen, psychologisch sehr gut ausgearbeiteten Charaktere immer besser kennen zu lernen, über die Hintergründe zu spekulieren und anhand der gesammelten Informationen sich der Auflösung des Falls zu nähern, die mich dann auch nicht mehr sehr überraschen konnte.
Nessers Schreibstil mit seinem subtilen Humor und interessanten philosophischen Exkursen konnte mich wieder sehr überzeugen. Er versteht es hervorragend, Stimmungen und Bilder mit viel Feingefühl einzufangen und sehr anschaulich zu beschreiben, so dass sich man sich der besonderen Atmosphäre des Romans schon bald nicht mehr entziehen kann Sehr vielschichtig und beeindruckend zeichnet er seine eigenwilligen Protagonisten und vielen Nebenakteuren und lässt uns an ihren Besonderheiten und Gedanken teilhaben.

FAZIT
Ein fesselnder, anspruchsvoller Kriminalroman – behutsam und eloquent erzählt und mit einem tiefgründigen, raffiniert angelegtem Fall.
Außergewöhnlicher, lesenswerter Krimi - trotz einiger, kleiner Längen!

Veröffentlicht am 08.07.2019

Märchenhaft-schauriger Debütroman

Kalte Wasser
0

INHALT
Lauren ist gerade Mutter von Zwillingen geworden, als der Alptraum beginnt. Eine Frau steht nachts an ihrem Krankenhausbett und schlägt ihr einen grausamen Deal vor: Eines von ihren Kindern gegen ...

INHALT
Lauren ist gerade Mutter von Zwillingen geworden, als der Alptraum beginnt. Eine Frau steht nachts an ihrem Krankenhausbett und schlägt ihr einen grausamen Deal vor: Eines von ihren Kindern gegen eines von Laurens. Lauren kann sich retten und die Polizei rufen. Dort wird der Vorfall zuerst nicht ernst genommen. Nur die junge Polizistin Harper glaubt ihr. Als plötzlich Laurens Kinder entführt werden, ist sie überzeugt: Jemand hat es auf sie abgesehen. Wird sie langsam verrückt, oder weiß sie etwas, das sonst niemand weiß?
(Quelle: Harper Collins)
MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt „Kalte Wasser“ hat die britische Autorin Melanie Golding einen fesselnden und sehr außergewöhnlichen Roman vorgelegt, dessen Genre nicht leicht ein zu ordnen ist und eine interessante Mischung aus beunruhigendem Psychothriller, märchenhaft-schauriger Gruselgeschichte und nervenaufreibenden Elementen des Magischen Realismus darstellt. In ihrem Roman hat die Autorin die realistische Haupthandlung um ihre Protagonistin Lauren Tranter mit magisch-mystischen und übernatürlichen Geschehnissen verwoben und geschickt eine geheimnisvolle und sehr verstörende Atmosphäre heraufbeschworen, die mich zunehmend in ihren Bann ziehen konnte. Wie Golding in ihrem Nachwort erläutert, hat sie sich von finsteren Grimmschen Märchen, verschiedenen Volkslegenden aus der europäischen Sagenwelt und insbesondere dem walisischen „Wechselbalg“-Märchen „A Brewery of Eggshells“ für ihren unheimlichen Roman inspirieren lassen und greift die in Legenden weit verbreiteten Urängste vor dem Diebstahl von Neugeborenen durch bösartige Feen und untergeschobenen Elfenkindern auf. Zur Einstimmung auf die Geschehnisse werden immer wieder Auszüge aus ihnen den Kapiteln vorangestellt.
Äußerst raffiniert entwirft Golding ein äußerst beklemmendes Szenario, das sich für die gänzlich überforderte Protagonistin Lauren, die als junge Mutter von neugeborenen Zwillingen mit Versagens- und Verlustängsten zu kämpfen hat, zunehmend zu einem beängstigenden Alptraum zwischen Wahn und Wirklichkeit entwickelt. Es entspinnt sich eine fesselnde, abgründige Geschichte, die auch uns Leser nicht mehr loslässt, denn die Grenzen zwischen Realität, Wahn und Mystik erweisen sich als fließend. Schon bald wird es immer schwieriger, die vordergründig normalen Einblicke in den Laurens Alltag und die surrealen, oftmals gruseligen Erlebnisse einzuordnen und sich ein objektives Bild des wirklichen Geschehens zu machen. In der realen Handlungsebene zeichnet die Autorin sehr feinfühlig und stimmig ein aufrüttelndes Portrait der erschreckenden klinischen Symptome und psychischen Auswirkungen einer postpartalen oder Wochenbett-Depression – einem verstörenden Krankheitsbild, auf das das Umfeld der Betroffenen zumeist mit völligem Unverständnis reagiert und das sich für die erkrankten Frauen rasch von Überforderung, permanentem Schlafdefizit, Ohnmachtgefühlen, über eine emotionale Achterbahnfahrt und Paranoia bis hin zu einem wahren Horrortrip in die Psychiatrie auswachsen kann.
Golding hat mit ihrer Protagonistin Lauren eine äußerst vielschichtige und glaubwürdige Figur ausgearbeitet, die im Laufe der Handlung aufgrund einschneidender Erlebnisse und Traumata nach der Geburt ihrer Zwillinge eine schockierende Entwicklung und Extremzustände ihrer Psyche durchmachen muss. Durch ihre unmittelbar miterlebten Emotionen und Gedanken fällt es nicht schwer, Empathie für sie zu empfinden und man kann es nicht verhindern, sich von ihrer zunehmenden Paranoia zeitweise mitreißen zu lassen. Hervorragend getroffen ist auch die junge Polizistin Joanne Harper, die als einzige aufgrund ihrer persönlichen Dämonen Laurens Geschichte Glauben schenkt und ihre Ängste ernst nimmt. Trotz ihrer eher rational geprägten Ermittlungsarbeit beginnt sie auf eigene Faust mit Nachforschungen, um den Hintergründen auf die Spur zu kommen.
Golding überzeugt mit einem angenehmen, fesselnden Schreibstil und einer gekonnt heraufbeschworenen, schaurig-unheilvollen Atmosphäre, die für einen gewissen Gänsehautfaktor sorgt. Der Spannungsbogen steigt unaufhaltsam an, um schließlich in einem packenden Showdown zu gipfeln.
Auch wenn zum Ende einige Entwicklungen eher verwirren als zur Klärung der Hintergründe beitragen, klingt die Geschichte durchaus stimmig aus und lässt uns mit einem rundum unbehaglichen und beklemmenden Gefühl zurück.
FAZIT
Ein mystisches, fesselndes und sehr intensives Leseerlebnis, das mich mit einer vielschichtigen, sehr abgründigen Geschichte in seinen Bann ziehen konnte.