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Veröffentlicht am 06.11.2019

Eine Mutter verschwindet

Die Hüterin der verlorenen Dinge
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„Die Hüterin der verlorenen Dinge“, das ist Ivy, eine junge New Yorkerin, die in den Parks und auf den Straßen immer wieder auf Dinge stößt, die niemandem mehr zu gehören scheinen, die verloren oder vergessen ...

„Die Hüterin der verlorenen Dinge“, das ist Ivy, eine junge New Yorkerin, die in den Parks und auf den Straßen immer wieder auf Dinge stößt, die niemandem mehr zu gehören scheinen, die verloren oder vergessen wurden und deren „Schicksal“ sie anrührt, denn es erinnert sie alles an einen persönlichen Schicksalsschlag. Vor 13 Jahren hat ihre Mutter das Haus verlassen und ist nie wieder zurückgekehrt. Niemand weiß, was ihr geschehen ist. Die Polizei konnte sie nicht finden. Ihr Ehemann ist ratlos und tief erschüttert. Und Ivy hat Mühe, nicht an dieser Tatsache zu zerbrechen. Sie sucht die Schuld zuerst bei sich und später bei allem möglichen und jederman. Sie sucht nach einer Erklärung, einer Geschichte vor diesem Verschwinden. Und stellvertretend findet sie für ihre gefundenen Dinge deren Geschichten. Aber um ihr Trauma zu überwinden muss sie tiefer gehen und sie fährt also in die Heimatstadt ihrer Mutter und zu deren Familie, um mehr zu erfahren und vielleicht doch noch eine Spur zu finden.

Ein berührendes Buch über eine junge Frau auf der Suche nach ihrer Mutter und sich selbst. Ivys Schicksal geht unter die Haut und auch, wenn eigentlich nicht viel passiert und es am Schluss nicht auf alles eine Antwort geben wird, so nimmt der Plot gefangen und liest sich angenehm und dank einer schönen Sprache mit reichlich Nährwert.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Der kleine Schubs

Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon
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Jetzt noch nicht aber irgendwann schon, denkt Martin Simons, als er erfährt, dass er eine lebensbedrohliche Hirnblutung erlitten hat. Auch wenn er bald wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird, so ist ...

Jetzt noch nicht aber irgendwann schon, denkt Martin Simons, als er erfährt, dass er eine lebensbedrohliche Hirnblutung erlitten hat. Auch wenn er bald wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird, so ist dies doch ein Schuss vor den Bug und ein Weckruf, sein Leben zu überdenken, neu zu ordnen, anders zu leben, als bisher.

Der Autor schreibt von einer selbst erlebten Erfahrung. Er ist dabei wohltuend ehrlich und betrachtet sich selbst ungeschminkt und mit einer Portion Galgenhumor. Der Erzählstil ist es vor allem, der mir sehr gefallen hat. Und die leisen aber intensiven Töne, die in seiner Geschichte liegen. Fast zwangsläufig findet man sich in vielen Situationen wieder, kann sich ähnliche Fragen stellen, bleibt durchaus auch nach dem Zuschlagen des Buchdeckels an einigen Überlegungen hängen, die für jeden relevant sind.

Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, das Buch ändert Lebenseinstellungen und Lebensentwürfe. Aber es gibt vielleicht einen kleinen Schubs, mal wieder selber zu reflektieren und auf das eigene kleine Selbst zu schauen.

Veröffentlicht am 11.07.2019

Intensives Leseerlebnis

Die Kinder des Borgo Vecchio
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Endlich einmal ein Klappentext, der erahnen lässt, was sich zwischen den zwei Buchdeckeln wirklich befindet.

"Irgendwo im Süden, im Herzen der Stadt, wo die Menschen arm sind und das Gesetz der Straße ...

Endlich einmal ein Klappentext, der erahnen lässt, was sich zwischen den zwei Buchdeckeln wirklich befindet.

"Irgendwo im Süden, im Herzen der Stadt, wo die Menschen arm sind und das Gesetz der Straße gilt: Hier wachsen Mimmo, Cristofaro und Celeste auf. Sie haben Träume und Hoffnungen, obwohl ihnen der kindliche Blick längst abhanden gekommen ist."

Zuallererst sind es die Kinder und ihr trauriges Leben, welches den Leser erschüttert. Da wird ein Pferd zum besten Freund, weil der Vater herzlos und dem Sohn kein Vorbild ist. Da sieht ein ganzer Stadtteil weg, dass ein Vater sein Kind fast täglich prügelt und wenn der Junge vor Schmerzen schreit, schließen die Menschen ihre Fenster und ihre Herzen. Und ein Mädchen erlebt den Alltag ihrer Mutter, die anschaffen gehen muss, um ihrer Tochter etwas bieten zu können.

Kein Wunder, dass die Kinder davon träumen, ihre Eltern wären tot oder man könnte sie doch mit Hilfe des Ganoven Totó und seiner Pistole aus dem Weg schaffen. Aber auch der hat sein Scherfflein zu tragen und wirklich glücklich ist in dieser Geschichte niemand.

„Eines der schönsten und grausamsten Bücher des Jahres.“ Corriere della Sera
„Voller Farben, Geschmack und schmerzlicher Gefühle.“ Internazionale

Ja, ein Buch, welches auf grausam-ehrliche Weise von traurigen Alltag der Menschen erzählt. Erst dachte ich, hoppla, was für ein dünnes Büchlein. Im ebook sind es gerade mal 92 Seiten. Aber es ist so prall voller Poesie und Drama, dass einem fast Angst und Bange wird und ich gar keine 500 Seiten brauchte, um berührt zu werden vom Schicksal der Darsteller.

Der Erzählstil ist sehr intensiv und manchmal etwas kompliziert. Man muss aufmerksam und langsam lesen und genießen.

Veröffentlicht am 18.06.2019

empfehlenswert

Von Hoffnung getragen
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Das Interessante an Ella Zeiss Duologie ist natürlich erst mal, dass sie auf realen Geschehnissen in ihrer Familie passiert sind. Um ihren Großeltern und allen ähnlich Betroffenen eine Art Denkmal zu setzen ...

Das Interessante an Ella Zeiss Duologie ist natürlich erst mal, dass sie auf realen Geschehnissen in ihrer Familie passiert sind. Um ihren Großeltern und allen ähnlich Betroffenen eine Art Denkmal zu setzen und auch den Enkeln und Urenkeln zu erzählen was vor und nach dem zweiten Weltkrieg mit den deutschstämmigen Russen passiert ist.

Es fällt leicht, die beiden Bücher zu lesen. Das liegt zum einen am angenehmen Erzählstil der Autorin aber auch an den Protagonisten, deren Erlebnisse dem Leser nahegehen und der schnell zur Empathie mit Yvo und Harri führt. Da es eine Zeit voller Krieg, Zerstörung, Hass, Trauer und Tod war, ist die ganze Geschichte natürlich sehr dramatisch. Die Liebe der jungen Leute ist wie ein positives Leuchtfeuer in all dem Unglück und man wünscht, dass alles irgendwann doch noch zu einem kleinen Glück und einem guten Ende kommt. Das muss man aber selbst erlesen. Ich verrate nichts.

Ich würde mich freuen, bald wieder von der Autorin Neues zu lesen. Gerne auch in gedruckter Form.

Veröffentlicht am 21.03.2019

großartig

Kains Erben
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Die Geschichte von Kains Erben spielt auf der Isle of White im 13. Jahrhundert. Schon im Prolog beginnt das Trauma der Hauptdarsteller als Blut, Gewalt und Tod kindlich-naives Spiel zerstören und Menschen ...

Die Geschichte von Kains Erben spielt auf der Isle of White im 13. Jahrhundert. Schon im Prolog beginnt das Trauma der Hauptdarsteller als Blut, Gewalt und Tod kindlich-naives Spiel zerstören und Menschen für lange Zeit auseinanderreißen.
Eine davon ist Amicia, von allen nur liebevoll die Amsel genannt, die wir 10 Jahre später im Schatten einer Zisterzienser-Abtei wiedertreffen, wo der Abt Randulf ihr die letzten Jahre über gestattet hat, in einer kleinen Hütte zu hausen und zumindest teilweise am klösterlichen Leben teilzunehmen. Sie hat durch einen Schock ihre Vergangenheit vergessen und weiß nicht, wer ihre Eltern sind und wo sie herkommt. Eines Tages muss sie einen schwerverletzten Ritter und dessen Begleiterin Magdalene bei sich aufnehmen. Und sie ahnt nicht, wie sehr ihr Leben mit dem des Ritters Matthew de Camorys verknüpft ist. Randulf, der es wüsste, schweigt und nach der Genesung des Mannes bitten er diesen um Schutz und Begleitung von Amicia in ein Nonnenkloster. Er weiß, dass einige Leute hinter der kleinen Amsel und ihrem Leben her sind und will sie in Sicherheit bringen lassen. Neben dieser dramatischen Reise ist es aber auch eine Geschichte über das Judentum zur damaligen Zeit und die königlichen Erlasse, die später dazu führten, dass so gut wie alle Juden England verlassen haben.
Die Geschichte entspinnt sich auf mehreren Ebenen und ist kniffelig genug, dass man als Leser mit raten kann aber auch aufmerksam lesen und am Ball bleiben muss, um keine Feinheiten zu überlesen. Nicht nur Matthew und Amicia sondern auch Magdalene und Randulf, ein großer Hund und ein stummer alter Säufer wachsen einem schnell ans Herz. Ihre Beziehungen zueinander, die einzelnen Charakter, sind hervorragend gezeichnet, lassen einen schmunzeln und laut lachen, schimpfen und mitfiebern. Mehr als eine Liebesgeschichte steckt hier drinnen, ergreifend, traurig, fröhlich und naiv – alles und noch viel mehr.
Wer bereits ein Buch von Charlotte Lyne gelesen hat weiß, dass den Akteuren ihrer Romane meist in der Vergangenheit entsetzliche Dinge widerfahren sind, die ihre Seelen gepeinigt und ihren Glauben an Gott und die Menschen gebeutelt haben. Schon der Titel dieses Buches „Kains Erben“ deutet darauf hin, dass auch hier die Protagonisten ein nicht unbeträchtliches Päckchen zu tragen haben. Dennoch ist es kein depressives Buch und an vielen Stellen blitz der Schalk und die Lebensfreude auf, die die Autorin ihren Protagonisten einhaucht. Die Entwicklung der Gefühle und der Verlauf der Geschichte werden plausibel und sehr spannend vor dem Leser aufgeblättert. Die Sprache ist wie immer fein geschliffen und von nuancierter Tiefe. Ich hatte ein großartiges Leseerlebnis mit diesem Buch.