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Veröffentlicht am 11.07.2019

Abenteuerroman vor interessantem Hintergrund

Der Gesang der Bienen
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Münstertal im Jahre 1152: Seyfried ist Zeidler. Seine Tätigkeit besteht darin, aus den Stöcken wilder und halbwilder Bienen Honig, Wachs und andere wertvolle Produkte zu gewinnen. Doch sein Leben wird ...

Münstertal im Jahre 1152: Seyfried ist Zeidler. Seine Tätigkeit besteht darin, aus den Stöcken wilder und halbwilder Bienen Honig, Wachs und andere wertvolle Produkte zu gewinnen. Doch sein Leben wird auf den Kopf gestellt, als seine Frau Elsbeth zu Unrecht beschuldigt wird, für den Tod der Tochter von Marschall Gottfried verantwortlich zu sein. Das Urteil lautet auf Tod durch Köpfen. Nur 16 Tage hat Seyfried Zeit, die Hinrichtung zu verhindern. Er macht sich auf den Weg nach Bingen, um die berühmte Äbtissin, Prophetin und Heilerin Hildegard um Hilfe zu bitten.
Seine Kinder Anna und Jasper müssen derweil auf Gottfrieds Burg bleiben, wo Anna die Aufmerksamkeit eines gefährlichen Mannes auf sich zieht.

Diese Geschichte wird flott und aus mehreren verschiedenen Perspektiven erzählt. Dabei wird einige Spannung aufgebaut, wozu auch beiträgt, dass in den Kapitelüberschriften immer wieder angegeben wird, wie viele Tage noch bis zur Vollstreckung des Urteils verbleiben.
Die Handlung ist mitreißend und beeindruckt mit anschaulichen Schilderungen historischer Gegebenheiten und Lebenswelten. An manchen Stellen wird vielleicht ein bisschen zu viel Dramatik erzeugt und einige Wendungen wirken etwas unrealistisch oder sind vorhersehbar. Doch all dies bleibt im Rahmen dessen, was man in diesem Genre eben erwarten muss. Es gibt aber jedenfalls auch ein paar Überraschungen und das Ende ist insgesamt stimmig.
Außerdem sind die Protagonisten einfühlsam und facettenreich gezeichnet, sodass ich mich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen mitfiebern konnte. Dabei sticht natürlich vor allem Hildegard heraus. Diese historische Persönlichkeit wird nachvollziehbar dargestellt, nicht nur als große Heldin, sondern durchaus auch mit Schwächen ausgestattet.
Generell sind in den Text viele interessante Informationen eingeflochten, insbesondere zur Zeidlerei sowie eben zu Leben und Werk der Hildegard von Bingen.

Es handelt sich hier also um einen rundum gelungenen historischen Roman, der sich schon allein aufgrund seines außergewöhnlichen Themas vom sonstigen Einheitsbrei abhebt.

Veröffentlicht am 11.07.2019

100 ereignisreiche Jahre

100 Jahre Republik
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Mit 20 Beiträgen verschiedener Autoren erstellt dieses Buch eine breit-gefächerte Zusammenschau des Zeitraums seit der Gründung der Ersten Republik.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen ...

Mit 20 Beiträgen verschiedener Autoren erstellt dieses Buch eine breit-gefächerte Zusammenschau des Zeitraums seit der Gründung der Ersten Republik.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums wird hier auch der Zeit nach 1955 relativ viel Platz gewidmet. Nur die allerjüngste Vergangenheit (seit 2010) kommt etwas zu kurz.
Die einzelnen Kapitel geben interessante Einblicke in die Ereignisse und Entwicklungslinien, welche Österreich prägten. Sowohl wegen der unterschiedlichen Zugänge der Autoren als auch wegen der historischen Abläufe als solches gestaltet sich die Lektüre abwechslungsreich und die immer wieder eingeschobenen Zitate von Zeitzeugen tragen zur Anschaulichkeit bei und machen die Sache lebendig.
Als flott erzählter Überblick zur österreichischen Geschichte ist dieses Werk also sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 15.06.2019

Ungewöhnlicher Krimi mit interessantem Antiheld

Das Verschwinden der Adèle Bedeau
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Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort ...

Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort stattfindet und etwas gezwungen wirkt.

Die eigentliche Handlung ist um das Jahr 1980 herum in einer Kleinstadt im Elsass angesiedelt. Das eigenbrötlerische und einer strikten Routine folgende Leben des 36jährigen Bankdirektors Manfred Baumann gerät aus den Fugen als die junge Kellnerin seines Stammlokals plötzlich verschwindet. Er macht der Polizei gegenüber falsche Angaben und gerät daher in den Fokus von Kommissar Gorski. Baumann und Gorski ahnen nicht, dass ihrer beider Vergangenheit von demselben Ereignis überschattet wird.

Für einen Krimi schreitet diese Geschichte eher gemächlich voran. Es gibt wenige wirklich spannende Szenen. Außerdem bleiben am Ende relativ viele Fragen offen.
Dennoch hat mir die Lektüre gut gefallen. Das Leben in einer Kleinstadt mit all seinen tatsächlichen oder eingebildeten Einschränkungen wird anschaulich porträtiert und die Protagonisten sind interessant und mit psychologischem Feingefühl gezeichnet. Es kommt keine wirklich sympathische Person vor, gerade davon geht jedoch eine gewisse Faszination aus. Vor allem Manfred Baumann ist ein gelungener Antiheld. Es ist reizvoll, sich in ihn hineinzuversetzen und seine verqueren und oftmals unnötig komplizierten Gedankengänge mitzuerleben. Doch auch sein Gegenspieler ist vielschichtiger als es zunächst scheint.

Für Leute, die gern ungewöhnliche Perspektiven einnehmen und einen Krimi ohne richtige Auflösung akzeptieren können, bietet dieses Buch daher Lesevergnügen abseits des in diesem Gerne üblichen Einheitsbreis. Ich freue mich schon auf das nächste Werk des Autors!

Veröffentlicht am 15.06.2019

Vergangenheit und Zukunft der Gen-Forschung

Das Gen
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Die Frage, welche Eigenschaften vererbbar sind und wie Vererbung genau funktioniert, beschäftigt die Menschheit wohl schon seit Jahrtausenden.
Doch erst in den letzten ca 150 Jahren wurden auf diesem Gebiet ...

Die Frage, welche Eigenschaften vererbbar sind und wie Vererbung genau funktioniert, beschäftigt die Menschheit wohl schon seit Jahrtausenden.
Doch erst in den letzten ca 150 Jahren wurden auf diesem Gebiet nach und nach bedeutende Fortschritte gemacht, die auch unser Bild von uns selbst immer wieder revolutioniert haben.

Siddhartha Mukherjee folgt hier dem Werdegang der Genforschung (wobei der Begriff „Gen“ erst etwas später geprägt wurde) von den Anfängen mit Darwin und Mendel über die Entschlüsselung der DNS-Struktur durch Watson und Crick bis zum Humangenomprojekt – und darüber hinaus. Er nimmt die Leser mit zu den Schauplätzen kleiner und großer Ereignisse und berichtet nicht nur von bedeutsamen Erkenntnissen, sondern erzählt auch von deren Hintergründen und den beteiligten Personen.

So entsteht ein lebendiges Bild des Forschungsprozesses inklusive diverser Schwierigkeiten und Rückschläge sowie all der Kleinkriege hinter den Kulissen. Auch die politischen und gesellschaftlichen Folgen bleiben nicht unerwähnt, einschließlich so dramatischer Aspekte wie Zwangssterilisationen und Euthanasie.
Generell nehmen ethische Betrachtungen relativ breiten Raum ein. Es wird beispielsweise hinterfragt, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe ins menschliche Genom legitim wären – erst recht im Hinblick darauf, dass wir vieles über die genaue Funktionsweise von Genen noch nicht wissen. Der Autor wird dabei sicherlich auch durch die Geschichte seiner eigenen Familie beeinflusst, welche durch in mehreren Generationen auftretende mutmaßlich genetisch bedingte Krankheiten geprägt ist.
An ein paar Stellen wären etwas tiefschürfendere Gedanken schön gewesen, dies hätte aber wohl den Rahmen dieses ohnehin nicht gerade dünnen Buches gesprengt.

Fazit: Hier wird ein interessantes und hochaktuelles Thema allgemein verständlich aufbereitet. Trotz des bisweilen komplexen Inhaltes gestaltet sich die Lektüre unterhaltsam und oftmals richtig fesselnd.

Veröffentlicht am 26.05.2019

Toller Inhalt, die deutsche Ausgabe könnte aber besser sein

Forscher aus Leidenschaft
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Das englische Original (Science in the Soul) habe ich schon vor einiger Zeit gelesen. Nachdem ich in der Bibliothek auf die deutsche Ausgabe gestoßen war, habe ich mir nun auch diese noch mal vorgenommen. ...

Das englische Original (Science in the Soul) habe ich schon vor einiger Zeit gelesen. Nachdem ich in der Bibliothek auf die deutsche Ausgabe gestoßen war, habe ich mir nun auch diese noch mal vorgenommen.
Der Inhalt als solches ist natürlich praktisch identisch: Dieser Band versammelt 41 Beiträge von Richard Dawkins, die er zu verschiedenen Gelegenheiten innerhalb der letzten vierzig Jahre verfasst hat, wobei „neuere“ Text aber überwiegen. Sie illustrieren sehr gut das breite Spektrum an Fragen und Problemstellungen, mit denen sich dieser bedeutende Wissenschaftler und Intellektuelle im Rahmen seines öffentlichen Wirkens bereits auseinandergesetzt hat.
Überlegungen zum Wesen der Wissenschaft bzw zu den Vorteilen des wissenschaftlichen Denkens sowie zu verschiedenen Facetten der Evolutionsbiologie nehmen breiten Raum ein, aber auch Religionskritik und Spitzen gegen Kreationisten kommen nicht zu kurz. Garniert wird das Ganze beispielsweise durch Gedanken zum Justizsystem oder zur Sinnhaftigkeit von Feuerwerken.

Obwohl dieses Buch für Leute, die sich bereits näher mit Dawkins Werken befasst haben, keine wirklich neuen Erkenntnisse bereithält, ist es doch absolut empfehlenswert und stellenweise richtig fesselnd. Es gelingt dem Autor hervorragend, seine Gedanken und Aussagen auf den Punkt zu bringen, schlüssig zu argumentieren und seine Ausführungen immer wieder mit einigem Humor zu würzen.

Hinsichtlich der Bearbeitung für die deutsche Ausgabe gäbe es allerdings Verbesserungspotential. Mag sein, dass ich dem Übersetzer teilweise Unrecht tue – normalerweise lese ich ein Buch nicht in mehreren Sprachen – doch manche Sätze klingen etwas holprig.
Vor allem aber hätte ich mir mehr zusätzliche Fußnoten gewünscht. Einige Texte enthalten Bemerkungen oder Anspielungen, die sich auf britische oder US-amerikanische Gegebenheiten beziehen. Hier wären ein paar Erläuterungen sinnvoll gewesen, um sie für die deutschsprachigen Leser besser verständlich zu machen.