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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.07.2019

Vernetzung und weitreichende Folgen

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
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Elektrizität - das ist etwas, das wir als ganz selbstverständlich betrachten. Ein alltäglicher Vorgang: es wird hell in der Wohnung, wenn wir den Lichtschalter betätigen, unsere Waren holen wir frisch ...

Elektrizität - das ist etwas, das wir als ganz selbstverständlich betrachten. Ein alltäglicher Vorgang: es wird hell in der Wohnung, wenn wir den Lichtschalter betätigen, unsere Waren holen wir frisch und gut gekühlt aus dem Kühlschrank und wenn uns kalt ist, drehen wir die Heizung auf … Was aber geschieht, wenn der Strom über mehrere Tage, vielleicht gar Wochen, ausfällt?
Ein solches Szenario schildert Elsberg in seinem überaus packenden Roman „Blackout“. Ein tagelanger Stromausfall hat für die Bevölkerung weitreichende, erschreckende Konsequenzen. Fast ganz Europa (und später auch die USA) ist betroffen; denn die Stromnetze der einzelnen Länder sind miteinander verbunden. Dem Autoren gelingt es, die technischen Details verständlich zu erklären und die Auswirkungen einer solchen Katastrophe überzeugend darzulegen. Stück für Stück wird der Leser in eine apokalyptisch anmutende Szenerie hineingezogen. In kurzen Kapiteln, die Elsberg in unterschiedlichen Gegenden Europas stattfinden lässt, wird das Geschehen aus den Perspektiven verschiedener Personen wiedergegeben. Nach und nach setzt sich ein genaueres Bild zusammen; wir erfahren Details zu dem Vorfall, zu den Auswirkungen in den einzelnen Ländern und den Lösungsstrategien von Politikern und Spezialeinheiten. Doch schließlich ist es der nicht mehr ganz junge IT-Spezialist Piero Manzano, der die entscheidenden Hinweise geben kann. Welches sind die Hintergründe de Katastrophe? Welche Motive stecken dahinter?
Wer sich bislang nur wenige Gedanken gemacht über das Thema Strom und seine Vernetzung, wird nach diesem Roman sicher nachdenklicher und vielleicht auch kritischer.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Lustig-schräges Abenteuer

Onkel Stan und Dan und das ungeheuerlich ungewöhnliche Abenteuer
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Ungewöhnlichkeit ist gefährlich und ansteckend. Das behauptet der selbsternannte Dr. P´Krall, der eines Tages in Pandrumdroochit auftaucht, und beginnt, in seinem Institut alles Ungewöhnliche aus seinen ...

Ungewöhnlichkeit ist gefährlich und ansteckend. Das behauptet der selbsternannte Dr. P´Krall, der eines Tages in Pandrumdroochit auftaucht, und beginnt, in seinem Institut alles Ungewöhnliche aus seinen „Patienten“ mithilfe einer Maschine herauszuquetschen. Das wird ein Fall für Onkel Stan von der Lamafarm, dessen offenes, freundliches Wesen dem Doktor geradezu körperliche Schmerzen bereitet. Er hat zwar einen Plan, wie er P´Krall vertreiben kann, gerät aber selbst in das Institut und damit in große Gefahr. Ob seine Freunde, Dan der Dachs und die Lamas von seiner Farm ihm mit einem weiteren guten Plan helfen können?
Alle Personen in Kennedys Geschichte sind - vorsichtig ausgedrückt - ungewöhnlich. Die Tiere können sprechen, denken und besitzen viele menschliche Eigenschaften. Da ist Dan, ein eigentlich schüchterner tanzender Dachs, dann die eitle Lamadame Ginalollobrigida, der ängstliche Bert und die Streithähne Carlos und Jennifer Lama. Gemeinsam mit äußerst ungewöhnlichen Kindern bilden sie ein skurriles Rettungskommando für Onkel Stan.
Frisch und locker fabuliert die Autorin drauflos. Ihre Geschichte ist total verrückt, aber liebenswert und verkündet die Aussage: stehe zu deinem Wesen - egal, wie andere es sehen und dich kritisieren. Ebenso satirisch wie die Erzählung erscheinen die zahlreichen Zeichnungen von Gemma Correll. Fast kindlich naiv muten sie an, sehr schlicht mit zusätzlich erläuternden Beschriftungen und ergänzen so wunderbar den Text.
Ein großes Lesevergnügen für Kinder ab 9 Jahren, die Spaß an schrägen Geschichten haben!

Veröffentlicht am 27.06.2019

Milieustudie

All die unbewohnten Zimmer
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Was wäre passiert, wenn … Am Ende des Romans stellt sich Ermittlerin Fariza Nasri die Frage, wie die aktuelle Situation für die Akteure aussehen könnte, wenn manche Dinge auf andere Weise oder gar nicht ...

Was wäre passiert, wenn … Am Ende des Romans stellt sich Ermittlerin Fariza Nasri die Frage, wie die aktuelle Situation für die Akteure aussehen könnte, wenn manche Dinge auf andere Weise oder gar nicht geschehen wären. Wäre vieles besser?
Nasri, erst seit kurzem aus der beruflichen „Verbannung“ aufs Land nach München zurückgeholt, und Polonius Fischer, ein ehemaliger Mönch, sollen gemeinsam mit ihrem Team zwei Morde aufdecken. Im ersten Fall erschießt jemand von einem Fenster aus eine Frau und verletzt einen Polizisten schwer; bei dem zweiten Mord wird ein Polizist erschlagen. Während die „Zwölf Apostel“, wie Fischers Mitarbeiter scherzhaft genannt werden, den ersten Täter relativ schnell fassen, zieht sich die Suche nach dem Polizistenmörder in die Länge. Tabor Süden, ein alternder Privatdetektiv, und der ehemalige Kommissar Jakob Franck, eigentlich schon Pensionär, schalten sich ein, wobei jeder seine eigene, besondere Ermittlungsmethode verfolgt. Heldenrollen spielen sie alle nicht, sie scheinen eher belastet, beladen mit ihren Vergangenheitsproblemen, bedrängt von Einsamkeit. Eigentlich erscheint jeder Charakter, den Autor Friedrich Ani agieren lässt, problembeladen zu sein; es sind oft Menschen, die sich aus Herkunfts-, Gesinnungs- oder Altersgründen „aussortiert“ vorkommen und mit sich und ihrer Umwelt hadern.
Überhaupt ist dieser Kriminalroman ganz anders gestrickt, als „normale“ Krimis. Man hat den Eindruck, ein Ermittlungsergebnis ist zwar von Bedeutung, doch die Hintergründe, Motive, Zufälle, die bei den Taten eine Rolle spielten, sind wichtiger. Das Milieu, der Blick auf (aktuelle) gesellschaftliche Zusammenhänge selbst ist packender als das Geschehen im Buch. Dabei ist der Roman relativ kompliziert konstruiert, erzählt wird in Rückblenden und Vorschau, aus unterschiedlichen Sichtweisen. Ein anspruchsvolles Buch, das einige Konzentration vom Leser verlangt.

Veröffentlicht am 21.06.2019

Vision oder Erkenntnis?

Das Licht
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T.C. Boyles neuer Roman ist in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Er spiegelt das Leben einer Gruppe von Anhängern Timothy Learys wider, die sich von spießigen Bürgeridealen lossagen und ...

T.C. Boyles neuer Roman ist in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Er spiegelt das Leben einer Gruppe von Anhängern Timothy Learys wider, die sich von spießigen Bürgeridealen lossagen und außerhalb der Norm leben. Dabei steht Leary, der zunächst in Harvard Psychologie lehrte, jedoch nicht im Mittelpunkt des Romans. Er erscheint zunächst als Leiter von Experimenten zum Einsatz von LSD als therapeuthisches Heilmittel, wird aber im Laufe der Zeit für die Gruppe seiner „Jünger“ immer wichtiger; denn er führt sie durch die Sessionen; er ist Dreh- und Angelpunkt der neuen Gruppenerfahrungen und am wichtigsten: er ist es, der über das „Sakrament“ verfügt und es verteilt. Der Student Fitz Loney, dessen Doktorvater Leary ist, fühlt sich stolz, zu den Auserwählten von Learys innerem Kreis zu gehören. Er und seine Frau Joanie nehmen an den Sitzungen teil und geraten zunehmend in den Bann von Bewusstseins erweiternden Mitteln. Bald leben Learys Anhänger gemeinsam als Kommune mit ihrem Guru zusammen, argwöhnisch beäugt von einer verständnislosen Umwelt.
Für seinen Roman würfelt der Autor eine Gruppe Menschen zusammen, die teils authentisch (wie Leary), teils erfunden sind, und stellt sie in den historischen Kontext von Learys Vorstellung, dass jeder Mensch jederzeit das Recht habe, sein Bewusstsein zu verändern und zu erweitern. Er gibt vor allem die Erfahrungen des Paares Fitz und Joanie wieder, ihr Verlangen nach immer höheren Dosen LSD, ihr Wunsch, als Teil der Gruppe mit ihr zu verschmelzen, ihre Drogenerfahrungen und letztlich ihr Scheitern. Boyle geht in seiner Erzählung strikt chronologisch vor, beginnt in einem „Vorspiel“ mit der Entdeckung und dem Ausprobieren von LSD im Baseler Labor. Er versteht es, seine Schilderungen der Geschehnisse um Leary äußerst fesselnd darzustellen; aus der Sicht des jungen Ehepaares Joanie und Fitz erscheint manches Detail und Ereignis harmlos, ja sogar naiv, so dass man ihnen am liebsten eine Warnung zurufen möchte.
Der eine oder andere „Jünger“ wird durch die Vorgänge in der Kommune wachgerüttelt, für andere bleibt das „Sakrament“ Lebensmittelpunkt und wichtigstes Ziel: „Ich will das Zweite Licht sehen, ich will Gott sehen …“
Ein Trip in und durch die Welt von Bewusstseins erweiternden Drogen - ohne wertenden Kommentar des Autors!

Veröffentlicht am 16.05.2019

Ein Roman der leisen Töne

Bell und Harry
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Zwei ganz unterschiedliche Familien lernen sich in den Yorkshire Dales kennen und achten. Die Teesdales leben schon seit Generationen hier als Farmer und vermieten der Londoner Großstadtfamilie Bateman ...

Zwei ganz unterschiedliche Familien lernen sich in den Yorkshire Dales kennen und achten. Die Teesdales leben schon seit Generationen hier als Farmer und vermieten der Londoner Großstadtfamilie Bateman für die Ferien Light House, ein altes Bauernhaus. Farmerssohn Bell ist gerade acht Jahre alt, als er den jüngsten Sohn der Batemans kennenlernt. Harry geht zu dieser Zeit noch nicht zur Schule, doch nach und nach freunden sich die beiden Jungen an.
In ihrer ruhigen, gleichmäßigen Art schildert Jane Gardam die Ereignisse während der Ferienzeit, die manchmal in recht riskante Unternehmungen der Freunde münden.
Sie gibt die friedliche Urlaubsstimmung wieder, und es gelingt ihr mühelos, die Atmosphäre der stillen Landschaft der Yorkshire Dales zu beschwören, in der natürlich auch während der Sommerzeit die landwirtschaftlichen Arbeiten der Ortsansässigen nicht ruhen. Warmherzig und mit viel Humor erzählt sie, wie sich von Jahr zu Jahr die Freundschaft zwischen Bell und Harry vertieft, obwohl sie unter völlig unterschiedlichen familiären und sozialen Bedingungen aufwachsen. Ganz sachte wird der Leser mit dem Fortschreiten der Zeit konfrontiert; am Ende des Romans zeigt sich, wie sehr beide Protagonisten einander auch als Erwachsene noch verbunden sind. Gardam versteht es einmalig, alltägliche Vorkommnisse in eine bildhafte Sprache zu fassen und Stimmungen sehr eindrücklich weiter zu geben. „Bell und Harry“ ist ein stiller, unprätentiöser Roman, sehr empfehlenswert für Leser, welche die leisen Töne zu schätzen wissen.