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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2019

Band 2: Vertiefung bekannter Problemlagen, langatmig, melodramatisch

Zeit der Sehnsucht auf Morgan's Hall
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Man sollte Band 1 gelesen haben und sich auf mindestens vier Bände mit jeweils offenem Ende einlassen wollen (vergleichbar Clifton-Saga von Jeffrey Archer). Es erhärtet sich die Zuordnung zu den Genres ...

Man sollte Band 1 gelesen haben und sich auf mindestens vier Bände mit jeweils offenem Ende einlassen wollen (vergleichbar Clifton-Saga von Jeffrey Archer). Es erhärtet sich die Zuordnung zu den Genres Belletristik für Frauen, (komplizierte) Liebe, Heimatroman (Kleinstadt / landschaftliche Idylle / Apfelplantage in den USA). Spirituelles und Erotik ohne explizite Szenen sind enthalten. Band 1 ließ Ansätze eines historischen Romans erkennen (NS-Regime), das trifft auf Band 2 nicht mehr zu. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik in den beschriebenen Dekaden spielen eine untergeordnete Rolle, was ich schade finde. Bloß am antiquierten Frauenbild und beiläufig an Mode und Technik lässt sich die zeitliche Verortung erahnen.

Band 1 betrachtete 20 Jahre. Band 2 umfasst September 1956 bis August 1959 rund um John, Ehefrau Isabelle, Schwester Violett sowie die nächste Generation: Tochter Elizabeth, Ziehsohn James und Neffe Tristan. Schauplatz ist überwiegend das landschaftlich geprägte Anwesen Morgan’s Hall und die unmittelbare Umgebung. Ein Abschnitt in New York bildet einen starken Gegenpart, der mir gut gefiel.

Die Erwartungen waren hoch, da mich der Auftaktband auf eine tolle Gefühlsachterbahn mitnahm. Leider tritt die Handlung hier oft auf der Stelle, bietet wenig Neues. Gedankenkarussell, innere Kämpfe nehmen einen großen Teil ein. Dabei empfand ich die Sprache oft als gestelzt (z. B. Herz bleibt ständig stehen). Das erschwerte mir das Mitfiebern. Viele Gedankengänge wirken oberflächlich: Die Schönheit diverser Frauen wird gepriesen, immerzu werden Haarfarbe, intensive blaue und grüne Augen hervorgehoben. Eine rationale Abwägung von Argumenten für mögliche Lebensentwürfe hätte die Intelligenz der Figuren unterstreichen können. Dass lebensverändernde Entscheidungen aus der Laune heraus getroffen werden, entfaltet einen faden Beigeschmack. Trotz in Summe mehr glücklicher Momente hinterlässt das Ende ein negatives Gefühl.

Trotz aller Kritik: Drei Sterne mit Tendenz zu vier. Man profitiert davon, wenn man wie ich einige Charaktere bereits in Band 1 liebgewonnen hat. Auch wenn das Vokabular nicht so meins war, ich gern Politik und Gesellschaft mehr beleuchtet sehen würde und ein höheres Erzähltempo bevorzugt hätte, konnte ich streckenweise emotional mitgehen und hoffen. Atmosphäre und Spiritualität sind etwas Besonderes. Es erfüllt mich mit Spannung, wie es - insbesondere rund um James und Elizabeth - in Band 3 und 4 in 2020 weitergeht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.10.2019

Spezieller Genremix, berührend, widersprüchliche Hauptfigur

Washington Black
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Cover, Klappentext, positive Kritiken und Prämierungen veranlassten mich dazu, das Buch lesen zu wollen.
Der Beginn gerät packend. Die beschriebenen Auswirkungen der brutalen Sklaverei (auch z. B. zu Schwangerschaften ...

Cover, Klappentext, positive Kritiken und Prämierungen veranlassten mich dazu, das Buch lesen zu wollen.
Der Beginn gerät packend. Die beschriebenen Auswirkungen der brutalen Sklaverei (auch z. B. zu Schwangerschaften und Neugeborenen) erschüttern, lösen Mitgefühl aus, schaffen Assoziationen zu Meisterwerken wie Onkel Toms Hütte, Fackeln im Sturm, Ten Years a Slave.
Nebenfiguren wie z. B. Kit weckten bei mir großes Interesse.

Die Handlung beginnt in einem engen Mikrokosmos. Dann begleitet man Hauptfigur Wash beim Erforschen neuartiger Tätigkeiten, Menschen, Gegenden, von denen ihn manche faszinieren und manche abstoßen. Zunächst notgedrungen wird er Teil eines Abenteuers, schnuppert an der Freiheit.
Nach einem Genre befragt, müsste ich antworten: Irgendwie von vielem ein bisschen, nichts so richtig. Coming-of-Age, Selbstfindung, Entdeckungs-/Forschungs-/Abenteuerroman. Mal sanft, mal brutal. Ein Roman über ungewöhnliche Freundschaft. Der historische Anteil lässt sich nur näherungsweise bestimmen. Zu hart-realistisch, um als magisch-träumerisch durchzugehen.

Dem Grunde nach hat meine Leidenschaft für dieses Buch immer mehr abgenommen. Teils empfand ich Wissenslücken bei Zeitsprüngen, teils wurde mir zu detailverliebt und mit einigen merkwürdigen Bildnissen erzählt. Vor allem aber rechne ich dies dem zu, dass der namensgebende Hauptcharakter, aus dessen Sicht man die gesamte Geschichte begleitet, auf mich nicht stringent und glaubhaft wirkt.
Irritiert hat mich beispielsweise, wenn ein mit Schmerz und Entbehrung aufgewachsener Sklave merkwürdig riechendes Essen verschmäht oder eine Zufluchtsstätte verlassen möchte, weil ihn der Job des Schützers gruselt. Ich fragte mich zudem, wie er sich sein Wissen und Auftreten aneignete, wenn er doch keine Schulbildung oder Vorbilder hatte.
Solche Irritationen sorgten für emotionale Distanz beim Lesen. Dies geht zulasten von Thrill und Dramatik.
Das Ende wirkt dann auch sehr abrupt und lässt viel offen. Es bleibt die Frage im Raum: Was will mir die Autorin mit diesem Roman eigentlich sagen? Und wie viel Fiktion und wie viel Wahrheit steckt hinter den Schilderungen? Ein erklärendes Nachwort oder Ähnliches gibt es leider nicht.

Ich vergebe knappe vier Sterne. Das Werk hat mich streckenweise berührt und unter Unterhaltungsaspekten gut bei der Stange gehalten. Besonders die Nebenfiguren sind reizvoll. In Ansatz, Handlung und bildmalerischer Sprache ist es etwas Besonderes und weist literarischen Wert auf. Es vermittelte mir einige glaubwürdige Einblicke in die Lebenswirklichkeit der 1830er. Negativ fällt auf, dass mich die Hauptfigur nicht überzeugen konnte und Intention und Ausgang für mich zu viele Fragen offenlassen.

Veröffentlicht am 31.07.2019

Eigenständig lesbare Fortsetzung von „Winterjagd“, unterhaltsam, mit Längen

Schwarze Knochen
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Genres: Krimi, Belletristik für Frauen, Liebesroman, Heimatroman (Kleinstadt im winterlichen Kanada).

Der Roman ist eigenständig lesbar. Man erfährt, wie es mit der Gegend und Figuren aus „Winterjagd“ ...

Genres: Krimi, Belletristik für Frauen, Liebesroman, Heimatroman (Kleinstadt im winterlichen Kanada).

Der Roman ist eigenständig lesbar. Man erfährt, wie es mit der Gegend und Figuren aus „Winterjagd“ in Nebenrollen einige Monate später weitergeht. Spoiler sind enthalten. Als Fan freue ich mich über diese optionale Fortsetzung.
Enttäuschend sind die auffalllend vielen Parallelen zu „Im kalten Nebel“. Die ca. 36 Jahre alte Hauptfigur Rebecca ähnelt der dortigen Hauptfigur Meg. Auch hier rankt sich die Handlung um ein 20 Jahre altes Verbrechen, das nach Aufklärung verlangt, was Täter in Aufruhr versetzt. Es geht auch diesmal um Lügen, eine alte Flamme, verlorene Träume und zweite Chancen.
Im Vergleich finde ich die Romanze bei „Schwarze Knochen“ glaubhafter, aber ansonsten „Im kalten Nebel“ besser, weil die dortigen Charaktere farbiger, die Umgebung vielfältiger erlebbar und die Ermittlungen spannender und wendungsreicher sind.

Der Liebesteil kommt ohne explizite Erotikszenen aus. Viele gedankliche Monologe, streckenweise stark und intensiv mit tollen Zitaten, ein bisschen kitschig und voraussehbar.
Die Ermittlungen sind mal nüchtern und mal spannungsgeladen, insgesamt von durchschnittlicher Qualität. Ich konnte gut folgen, war weder gelangweilt noch so richtig mitgerissen, habe mitgerätselt. Einige Entwicklungen habe ich geahnt, manche Erkenntnisse haben mich angenehm überrascht.
Ein emotionales Highlight bilden für mich die Rückblenden.
Die Story ist glaubwürdig und vergleichsweise ruhig, kein effektheischender Action-Thriller.

Die Gedanken und inneren Kämpfe der Hauptfigur inkl. Reflektionen zum Vater-Tochter-Gespann machen einen großen Teil der Geschichte aus. Mit Vergleichen im Hinterkopf gelang es mir nach und nach mich hineinzufühlen.
Beschreibungen zu Natur, Räumen, Personen und Wetterlage geraten sehr ausführlich. Das erzeugt Atmosphäre und stärkt die Vorstellungskraft. Auch wenn ich das tendenziell mag, hätte ich ein etwas höheres Erzähltempo bevorzugt. Der Roman ist bei eigentlich überschaubarer Handlung sehr lang. Gefühlt bildet das Buch keine Werbung für die beschriebene Gegend (Depression, Sucht, Fernweh bei den Einwohnern), was ich bei den ersten beiden in deutscher Übersetzung veröffentlichten Werken von Loreth Anne White differenzierter empfand.

Ich vergebe knappe vier Sterne. Das Werk ist unterhaltsam, sodass ich immer wissen wollte, wie es weitergeht. Das Ende hat mich zufriedengestellt. Anders als die beiden Vorgänger hat es aber nicht die nötigen Wendungen, den beständigen Thrill oder den emotionalen Tiefgang entfacht, um ein Highlight zu bilden.

Veröffentlicht am 11.06.2019

Beziehungsebene schwer zu greifen; häufige Wechsel zwischen Erzählebenen störend

Hannah und ihre Brüder
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Ich kam zunächst schwer in die Geschichte hinein. Die Figuren in der Gegenwart (Detektiv Liam, Anwältin Catherine, 83-jähriger potentieller Mandant Ben) wirken erstmal unsympathisch, denn sie agieren oft ...

Ich kam zunächst schwer in die Geschichte hinein. Die Figuren in der Gegenwart (Detektiv Liam, Anwältin Catherine, 83-jähriger potentieller Mandant Ben) wirken erstmal unsympathisch, denn sie agieren oft egoistisch, stur, widersprüchlich, reden aneinander vorbei. Das wurde im Laufe der Geschichte zwar besser, aber irgendwie war für mich zu viel Schwarz-Weiß-Zeichnung, Klischee und Vorhersehbares mit im Spiel.
Erwartungsgemäß finde ich den zeitgenössischen Erzählteil (1930er und Anfang und Mitte der 1940er in Polen) am stärksten. Doch in meinen Versuchen, sich hineinzufühlen, fühlte ich mich ständig torpediert, weil entweder der Erzählabschnitt nach fünf Minuten endet oder jemand dazwischenquatscht. Das wäre noch erträglich, wenn wichtige Fragen aufgeworfen würden, aber in vielen Fällen geht es um’s Drängeln (man muss ja schließlich Geld verdienen), um Müdigkeit, Hunger und Durst, wohlgemerkt in den USA im Jahr 2004. Irgendwie zynisch, wenn vom Kampf um Existenz und Überleben berichtet wird. Durch eine Abgrenzung in der Formatierung (z. B. durch Absätze zwischen den zwei Erzählebenen oder durch zwei Schriftarten), könnte dieser Eindruck gemindert werden.
Mit weiterem Lesefortschritt gelang mir das Mitfiebern immer besser. Getragen durch die Handlung wird es spannend, teils auch berührend. Mit kleinen Überraschungen, aber ohne Wow-Erlebnis.
Glaubhaftigkeit und Identfikationsgefühl hätten aus meiner Sicht höher ausfallen können, wenn die Beziehungen zwischen Ben und Otto sowie Ben und Hannah individueller dargelegt worden wären. Ähnliches gilt für den Kontakt von Ben zu Liam und Catherine. Es wird viel suggeriert (nach dem Motto „Vertrauen/Liebe/tiefe Freundschaft sind einfach da“) und zu wenig erlebbar gemacht.
Ich schließe mich anderen Rezensierenden an, dass der Originaltitel „Once we were brothers“ passender und ausdrucksstärker ist.
Kenntniszuwachs ist vorhanden, aber geringer als erwartet.
In einem einfachen, flüssig lesbaren Stil gehalten. Für Anfänger in diesem Genre geeignet.
Trotz wertvoller Botschaften für mich kein Highlight. Drei Sterne mit Tendenz zu vier Sternen.
Auf ganz andere Art und Weise haben mich folgende Werke rund um den 1. oder 2. Weltkrieg angerührt und gebildet: Unter blutrotem Himmel (Sullivan), Sturz der Titanen (Follett), Was wir zu hoffen wagten (Saalfeld), Tage des Sturms (Zeiss).

Veröffentlicht am 06.03.2019

Action und Mathematik bei gefährlicher Schnitzeljagd in Berlin

GIER - Wie weit würdest du gehen?
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Gelungen ist das dem aktuellen Angstbild entsprechende Setting rund um eine politische Konferenz und Demonstrationen zu einer aufkeimenden neuen Wirtschafts- und Finanzkrise. Scharfsinnige Politik spielt ...

Gelungen ist das dem aktuellen Angstbild entsprechende Setting rund um eine politische Konferenz und Demonstrationen zu einer aufkeimenden neuen Wirtschafts- und Finanzkrise. Scharfsinnige Politik spielt leider eine untergeordnete Rolle.
Der Wow-Effekt ist - im Vergleich zu anderen Werken von Marc Elsberg - gering. Im Zentrum des Konflikts stehen diesmal mathematische Berechnungen, die transparent machen, wie durch die gleichmäßigere Verteilung materieller Ressourcen der Wohlstand aller hieran Beteiligten gemehrt werden kann. Vereinfacht ausgedrückt: Aus Gier bei der Umverteilung mitmachen. Erläuterungen sind durch greifbare Beispiele und sogar Zeichnungen laienkompatibel gestaltet. Nebenher werden Anwendungsbereiche für die Mathematik, z. B. beim Glücksspiel und bei Lohnkürzungen und -erhöhungen, aufgezeigt. Hieraus ergibt sich ein Kenntniszuwachs für einen großen Adressatenkreis. Dieses Herausstellungsmerkmal hat mir - auch wenn Wiederholungen und Jans Zwischenrufe aufgrund ihrer hohen Anzahl einen gewissen Nervfaktor aufweisen - gut gefallen. Nun kann man diesem Autor für unterhaltsame Thriller schlecht vorwerfen, dass er es versäumt, das eingängige Berechnungsmodell in einen Kontext zu stellen, der in einer anonymisierten und globalisierten Gesellschaft und Wirtschaft (Steuervermeidung, etc.) funktioniert. Trotzdem verbleibt der Eindruck schnell verpuffender Euphorie und romantischer Verklärung, und damit verliert sich die der Story zugrundeliegende Relevanz, hierfür Morde zu begehen und zu vertuschen.
Die Figuren vermögen Interesse zu entfachen, aber Mitfiebern und Sympathisieren fiel mir schwer. Dafür bilden sie einfach zu sehr Klischees. Beispielsweise verkommt der hart arbeitende und mit seinem Verdienst unzufriedene junge Pfleger Jan zum nörgelnden Mitläufer und Helfer des gebildeten, coolen, aus gutem Hause kommenden und ihn übertrumpfenden Investment-Strategen. Reizvoll finde ich die engagierte Polizistin Maja und die schwer durchschaubare Jeanne. Problematisch ist, dass es selten vier Buchseiten ohne Wechsel zwischen zahlreichen Perspektiven gibt. Das verleiht Tempo, aber erschwert es, sich zu orientieren und tiefer in die jeweilige Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen.
Nebenfigur Oma und die jungen Aktivisten wirken greifbar und bilden eine (leider nur kurze) willkommene Auflockerung.
Immer wieder ist man mit auf der Flucht vor emotionslosen, muskelbepackten Killern und vor Ordnungshütern. Widerstände werden oft mit Geld und Waffen gelöst, sodass ich mich an diverse alte und neue Actionfilme erinnert fühle.
Entwicklungen und Konsequenzen sind voraussehbar. Zeitgemäße kreative Problemlösungswege an allen Fronten hätte ich befürwortet.
Trotz aller Kritik habe ich den Roman schnell gelesen und fühle mich gut unterhalten.
Zwischen drei und vier Sternen schwankend, wähle ich die kritische Rezension, weil mich das Ende nicht überzeugen kann und ich es persönlich schade finde, dass die üblichen Helden präsentiert werden, während potenzialträchtige „Underdogs“ (Helden des Alltags) wenig zum Gelingen beitragen dürfen, besonders Polizei und Sicherheitskräften in der Gesamtbetrachtung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird.