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Veröffentlicht am 27.08.2019

Warmherzige Geschichte, die den Leser anschaulich in die DDR versetzt und die positiven als auch kritischen Folgen der Wende betrachtet

Kastanienjahre
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2018 lebt Elise seit über 20 Jahren in Paris, wo sie Inhaberin einer kleinen Boutique ist und sich damit einen lang gehegten Traum wahr gemacht hatte. Aufgewachsen ist Elise in der DDR, in dem kleinen ...

2018 lebt Elise seit über 20 Jahren in Paris, wo sie Inhaberin einer kleinen Boutique ist und sich damit einen lang gehegten Traum wahr gemacht hatte. Aufgewachsen ist Elise in der DDR, in dem kleinen Ort Peleroich an der Ostsee, wo die Möglichkeiten als Modedesignerin zu arbeiten aufgrund von Ressourcenknappheit und mangelnder Berufsfreiheit stark eingeschränkt waren.
Als sie einen anonymen Brief erhält, der ihre Hoffnungen macht, etwas über das Verschwinden ihres Jugendfreundes Jakob und zum Tod ihres Vaters Karl zu erfahren, kehrt Elise in ihren Heimatort zurück.

Auf den ersten Blick fällt auf, wie liebevoll der Roman aufgemacht ist. Auf den ersten Seiten ist ein Ausschnitt von Peleroich eingezeichnet und eine Übersicht über die Bewohner des Ortes aufgelistet.
Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen, wobei die Erzählung in der Vergangenheit von den 1960er-Jahren bis nach der Wende den größten Anteil ausmacht und die jungen, bewegten Jahre von Elise, ihrer Familie und Bekannten des Dorfes darstellt.

Der fiktive Ort Peleroich mit seinen Bewohnern wird dabei so anschaulich beschrieben, dass man ein Gefühl für die Epoche, einen Eindruck von den Einschränkungen in der DDR und eine klare Vorstellung von dem Dorf und den einzelnen Charakteren erhält.
Peleroich besteht aus wenigen Familien und Betrieben, die fast alle unter dem staatstreuen Bürgermeister Ludwig Lehmann leiden, der Peleroich zu einem sozialistischen Vorzeigeort machen möchte. Die Bewohner selbst haben jedoch andere Träume, möchten frei leben und sich kreativ entfalten oder haben schlicht die Knappheit an alltäglichen Gütern und Lebensmitteln satt.

Durch den flüssigen, einfühlsamen Schreibstil von Anja Baumheier kann man sich perfekt an den Ort Peleroich versetzen lassen und in die Vergangenheit eintauschen. Schon mit ihrem Debütroman "Kranichland" habe ich es genossen, als "Wessi" mehr über das alltägliche Leben in der DDR zu erfahren.
Die kleineren Zeitsprünge in der Geschichte sorgen für Spannung, da die Autorin damit auch immer wieder auf kurze Rückblenden zurückgreifen muss, damit der Leser ein komplettes Bild erhält. So spürt man im weiteren Verlauf immer eindringlicher wie der Druck auf die Protagonisten wächst, die in dem kleinen Ort, aber vor allem durch die Politik massiven Einschränkungen unterliegen. Deshalb ist es auch spannend zu erfahren, wie Vergangenheit und Gegenwart zusammengehören, was mit Jakob passiert ist und in welchem Zusammenhang sein Verschwinden mit dem Tod von Elises Vater steht.
Weiterhin kann man sich gut in die junge Elise hineinversetzen, die in Perleroich aufgewachsen ist und dort stets zwischen zwei Männern stand: dem bodenständigen Henning, auf den sie sich stets verlassen konnte und dem Freigeist Jakob, der für ein aufregenderes Leben stand.

Die Geschichte entwickelt vor dem historischen Hintergrund eine Sogwirkung, während einem die Bewohner von Perleroich ans Herz wachsen. Es ist eine warmherzige, ehrliche Geschichte, die den Leser wieder sehr anschaulich in die DDR und die Umstände der damaligen Zeit versetzt, aber auch kritisch betrachtet, dass die Wende neben allen offensichtlich positiven Aspekten für den Ort den Untergang bedeutete.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Roman über die große Liebe und die Suche nach dem Glück, der den Leser packt und zum Träumen einlädt

Die schönste und die traurigste aller Nächte
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Bei ihrem Abschlussball küssen sich Victor und Amanda zum ersten Mal und verlieben sich ineinander. Doch Amanda zieht schon am nächsten Tag mit ihren Eltern nach Kenia, weshalb ihre junge Liebe auch aufgrund ...

Bei ihrem Abschlussball küssen sich Victor und Amanda zum ersten Mal und verlieben sich ineinander. Doch Amanda zieht schon am nächsten Tag mit ihren Eltern nach Kenia, weshalb ihre junge Liebe auch aufgrund von Victors Gabe keine Chance erhält. Für Victor spielt Zeit eine besondere Rolle. Seit dieser Nacht wird er in glücklichen Momenten in die Vergangenheit und wenn er traurig ist, in die Zukunft versetzt. Er kann die Zeitsprünge nicht beeinflussen, die ihn auf andere wunderlich wirken lassen, weshalb er seine Heimat Brasilien verlässt und nach Italien zieht. Dort absolviert er eine Ausbildung als Winzer, bleibt aber stets für sich allein.
Zurück in Brasilien betreibt er erfolgreich ein Weingut und wird als "Schaumprinz" bekannt. Als er eine Einladung zum Klassentreffen anlässlich des 20-jährigen Jubiläums erhält, zögert er zunächst, nimmt aber doch teil und ist überrascht, dort Amanda zu begegnen und vor Glück erfolgt unmittelbar ein Zeitsprung. Victor war bislang davon ausgegangen, dass Amanda bei einem Terroranschlag ums Leben gekommen ist und hofft nun, dass ihre Liebe eine zweite Chance bekommt. Doch Amanda ist verheiratet.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Victor und Amanda erzählt, wobei manche Ereignisse, die beide betreffen, sogar doppelt erzählt werden, was aber keines falls langweilt. Beide Protagonisten führen keine glücklichen Leben, obwohl gerade für Victor die Frage nach dem Glück ist. Im Verlauf des Romans fragt er verschiedene Personen, was Glück bedeutet und erhält ganz unterschiedliche Antworten.

Die Atmosphäre ist wunderschön bildhaft beschrieben. Ich mochte sowohl den Schauplatz in Brasilien auf Victors Weingut, aber auch Amandas Arbeitsplatz in "der schönsten Buchhandlung der Welt" in Argentinien.

Die Geschichte der beiden berührt und die Zeitreisen Victors bieten einen bezaubernden Hintergrund für die Romanze. Alles beginnt mit der Nacht, in der sie sich zum ersten Mal küssten und seitdem versucht Victor herauszufinden, ob die Zeitreisen Fluch oder Geschenk sind und wie diese mit Amanda zusammenhängen.

Man leidet unweigerlich mit den Figuren mit, vor allem da ihnen vom Schicksal so viele Steine in den Weg gelegt werden. Selbst ihre Wiederbegegnung nach 20 Jahren, mit der sie die Gefühle wieder für einander entdecken, führt nicht direkt zu einem Happy End. Es folgen eine Reihe von Missverständnissen und dramatische sowie gefährliche Situationen, die sie überstehen müssen.

Es ist ein Roman über die große Liebe und die Suche nach dem Glück, der den Leser packt und zum Träumen einlädt und der eher ruhig, aber wunderschön warmherzig geschrieben ist. Dabei stört auch nicht, dass es für die Zeitreisen am Ende keine realistische Erklärung geben kann.

Veröffentlicht am 02.08.2019

Spannende Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen über den Umgang mit (ungewollt) Schwangeren während des Nationalsozialismus.

Herbstvergessene
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Maja Sternberg hatte seit Jahren ein distanziertes Verhältnis zu ihrer in Wien lebenden Mutter Lilli. Als sie von ihr angerufen und zu einem Treffen gedrängt wird, fährt sie nur widerwillig hin und erfährt ...

Maja Sternberg hatte seit Jahren ein distanziertes Verhältnis zu ihrer in Wien lebenden Mutter Lilli. Als sie von ihr angerufen und zu einem Treffen gedrängt wird, fährt sie nur widerwillig hin und erfährt vor Ort, dass ihre Mutter am Morgen von Majas Ankunft tödlich von ihrer Terrasse gestürzt ist. Aufgrund einer vorliegenden Krebsdiagnose schließt die Polizei ein Fremdverschulden aus. Maja kann allerdings nicht an einen Selbstmord glauben und stößt bei der Durchsicht des Nachlasses auf mehrere Ungereimtheiten, die ihr keine Ruhe mehr lassen. Sie findet ein Foto ihrer Großmutter Charlotte, auf der sie ein Baby im Arm hält, das nicht ihre Mutter Lilli sein kann. Zudem soll ihre Großmutter ihre Memoiren verfasst haben, wovon aber nur 50 Seiten auffindbar sind, die sie an einen Verlag geschickt hatte.
Es stellt sich heraus, dass Charlotte im Herrenhaus Hohehorst, einem Lebensborn-Heim der Nationalsozialisten, 1944 ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hat. Während ihrer Suche nach der Wahrheit und nach einem unbekannten Großvater, der noch leben könnte, fühlt sich Maja zunehmend beobachtet und verfolgt.

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wobei die Gegenwart aus Majas Sicht den größten Anteil hat. Die Geschichte wird durch die Autobiographie ihrer Großmutter unterbrochen, die die Umstände ihrer Schwangerschaft und ihre Zeit in dem von der SS geführten Lebensborn-Heim schildert.

Maja empfand ich als Protagonisten etwas unzugänglich und wenig sympathisch. Die Familiengeschichte liest aber dennoch durchweg spannend. Gegenwart und Vergangenheit werden flüssig miteinander verknüpft und fesseln den Leser durch Mini-Cliffhanger an den jeweiligen Kapitelenden.
Historisch interessant fand ich es, etwas über den von Heinrich Himmler gegründeten Lebensborn-Verein zu erfahren, ein während der NS-Zeit von der SS getragener Verein, dessen Ziel es war, ungewollt Schwangere dabei zu unterstützen, "arische" Kinder auf die Welt zu bringen. So sollten vor allem unverheiratete Frauen und Mädchen die Möglichkeit einer anonymen Entbindung erhalten, um Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern, Dass Majas Großmutter formal nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in Hohehorst erfüllte, macht ihren auf einer Lüge aufgebauten Aufenthalt dort genauso brisant wie die Gefahr, der sich Maja beim Aufwühlen ihrer Familiengeschichte aussetzt.

Veröffentlicht am 29.07.2019

Das Geheimnis einer glücklichen Ehe - warmherziger und sehr authentischer Liebesroman vor dem Hintergrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs

Für immer die Deine
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Das Hamburger Magazin "Zeitgeist" plant eine Sonderausgabe anlässlich des 80. Jubiläums des Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die junge Journalistin Marie möchte dafür einen Artikel über das Ehepaar Hansen ...

Das Hamburger Magazin "Zeitgeist" plant eine Sonderausgabe anlässlich des 80. Jubiläums des Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die junge Journalistin Marie möchte dafür einen Artikel über das Ehepaar Hansen schreiben, die kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geheiratet haben und noch immer gemeinsam ihren Hochzeitstag feiern könnten. Der Herausgeber ist zunächst skeptisch, ob diese Liebesgeschichte das richtige Format ist, aber Marie fährt trotzdem in das Alte Land, wo sie das betagte Paar interviewt.
Während Fritz Hansen zurückhaltend ist, erzählt Klara ganz offen, was sich in den Jahren 1939 bis 1943 ereignet hat, wie sie ihren Jugendfreund Fritz heiratete und ihn während der Kriegsereignisse fast verloren hätte.
Die berührende Geschichte über die Liebe und was diese aushalten kann, wird zum Vorbild für Marie, die ihre Entscheidung, sich von ihrem Mann zu trennen, zu überdenken beginnt.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen - 2019 in der Gegenwart und während des Zweiten Weltkrieges in der Vergangenheit - erzählt, wobei die Lebens- und Liebesgeschichte von Klara und Fritz Hansen den größten Anteil ausmacht.

Die Jugend und die ersten Jahre der Ehe von Klara und Fritz sind lebendig und sehr authentisch geschildert. Man kann problemlos in die Gefühlswelt von Klara, ihre Liebe zu Fritz, aber auch ihre Angst und Entbehrungen während der ersten Kriegsjahre eintauchen. Nach der Geburt von Paul muss Fritz an die Front nach Polen und Klara ist daraufhin allein in der Wohnung in Hamburg unter der Bombardierung der Alliierten. Sie arbeitet als Fahrscheinkontrolleurin, schlägt sich darüber hinaus mit Näharbeiten durch und hilft sogar noch ihrem älteren Nachbarn. Als sie herausfindet, dass dieser nicht der ist, der er vorgibt zu sein, beweist sie Mut, gefährdet damit aber ihr eigenes Lebens- und Liebesglück.

"Für immer die Deine" ist in erster Linie eine Liebesgeschichte, geht aber vor dem Hintergrund der erschütternden Taten der Nationalsozialisten noch tiefer. Es ist bewegend, was Marie erlebt und welche Entscheidungen sie trifft, die sie am Ende zu einer "stillen Heldin" des Zweiten Weltkriegs machen. Dabei ist sie aber ein Mensch, der nicht perfekt ist, der Fehler macht, was diese facettenreiche Geschichte so authentisch wirken lässt.
Die große Frage nach der Existenz der ewigen und einzigen Liebe und des Erfolgsrezepts einer glücklichen Ehe wird anhand der fiktiven Geschichte des Paares Klara und Fritz Hansen für die kurz vor der Scheidung stehenden Marie erklärbar.

Es ist ein ergreifender Roman, der fließend zwischen den Zeiten wechselt, der warmherzig ohne Pathos und Kitsch erzählt ist und den Leser insbesondere durch die lebendige Schilderung der Vergangenheit packt. Bis zuletzt bleibt dabei spannend, wie Klara und Fritz die Kriegsereignisse überstehen und wie sie ihren Bund der Ehe bis in die Gegenwart retten können.

Veröffentlicht am 18.07.2019

Spannendes Science-Fiction-Abenteuer und emotionale Liebesgeschichte mit interessanten Einblicken in die Raumfahrt

Die Astronautin - In der Dunkelheit wird deine Stimme mich retten
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May erwacht am Zweiten Weihnachtsfeiertag 2067 auf der Krankenstation der Hawking II. Sie ist die letzte Überlebende des Raumschiffes, das unter ihrer Leitung als Commander auf dem Weg vom Planeten Europa ...

May erwacht am Zweiten Weihnachtsfeiertag 2067 auf der Krankenstation der Hawking II. Sie ist die letzte Überlebende des Raumschiffes, das unter ihrer Leitung als Commander auf dem Weg vom Planeten Europa zur Erde ist. Unterstützung erfährt sie zunächst nur von der KI, die sie Eve nennt, bis sie die Richtung des Raumschiffes soweit ändern kann, um wieder eine Funkverbindung zur NASA herzustellen.
May leider unter retrograder Amnesie und kann sich an die Wochen vor dem Unfall auf dem Raumschiff und unmittelbar davor nicht erinnern. Sie weiß nicht, wie und warum die gesamte Besatzung ihr Leben lassen musste, deren Leichen sie im Hangar findet. Genauso wenig weiß, sie weshalb sie die Scheidung von ihrem Ehemann eingereicht hat. Dr. Stephen Knox ist Wissenschaftler bei der NASA und versucht mit dem gesamten Team, May zu helfen, wieder auf die Erde zu gelangen. Stephens Videobotschaften verstärken Mays Heimweh, schenken ihr gleichzeitig aber auch Hoffnung und Kraft, nicht zu resignieren und weiterzumachen.

Der Roman handelt überwiegend im Dezember 2067 nach der Katastrophe auf der Hawking II, während man in Rückblenden zurück in das Jahr 2054, den Beginn der Europa-Mission, sowie das Jahr 2066 versetzt wird, als sich May und Stephen im Februar kennen und lieben lernten und die Vorbereitung der Mission in die finale Phase trat.
Durch wechselnde Perspektiven erfährt man, wie es May auf der Hawking II ergeht und was parallel auf der Erde passiert.

Die Gegebenheiten auf dem Raumschiff und die zahlreichen Probleme, denen sich May unaufhörlich stellen muss, sind sehr anschaulich und lebendig dargestellt. Trotz aller technischer Details wird der Leser nicht überfordert. Die Handlung bleibt verständlich und zielt stark auf die Gefühlswelt von May ab, so dass man sich sehr gut in ihre Situation hineinversetzen kann. May ist als ausgebildete Astronautin und Commander eines Raumschiffes eine starke Persönlichkeit. Es ist kaum vorstellbar, wie sie - bis auf die KI auf sich allein gestellt - fernab der Zivilisation nicht verzweifelt und trotz der schier ausweglosen Lage nicht aufgibt, tapfer kämpft und den Lebensmut nicht verliert.

Der Roman zieht den Leser in den Bann und entwickelt sich zu einem spannenden Thriller, bei dem man um das Überleben von May und eine mögliche Rückkehr auf die Erde bangt.

"Die Astronautin" ist ein sehr vielschichtiger Roman mit einem klassischen Ende Gut gegen Böse.
Er bietet Emotionen und eine komplizierte Liebesgeschichte, einen Ausblick in die Zukunft und interessante Details über die Raumfahrt, ein unterhaltsames Abenteuer und packende Spannung und damit die perfekte Mischung aus Science Fiction-Abenteuer und Liebesgeschichte. Noch runder wäre die Geschichte für mich geworden, wenn die politischen Hintergründe und die Ansätze einer Kriminalgeschichte noch weiter ausgebaut worden wären.