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Veröffentlicht am 06.08.2019

Toller Roman

Das Kino am Jungfernstieg
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Lilli ist Cutterin beim Film. Im Jahre 1946 nicht gerade ein krisensicherer Job. Nur langsam kommt in Deutschland das Filmgewerbe wieder auf die Beine. Als ihre Mutter in Hamburg schwer erkrankt kehrt ...

Lilli ist Cutterin beim Film. Im Jahre 1946 nicht gerade ein krisensicherer Job. Nur langsam kommt in Deutschland das Filmgewerbe wieder auf die Beine. Als ihre Mutter in Hamburg schwer erkrankt kehrt Lilli von Berlin nach Hamburg zurück. Um die nötige Reiseerlaubnis zu erhalten macht sie einen Deal mit dem britischen Filmoffizier John Fontaine. Er besorgt ihr die Reise- und Aufenthaltserlaubnis und sie hilft ihm verschollenes Filmmaterial wiederzufinden.

In Hamburg angekommen, muss Lilli feststellen, dass ihre Schwester Hilde sich nicht nur nicht ausreichend um die Mutter sondern auch nicht um deren Kino kümmert. Im Gegenteil, Lillis Schwager versucht das Kino zu schließen und sich an der Technik zu vergreifen.


Lilli ist für ihre Zeit eine sehr eigenständige und eigenwillige Person. Im Gegensatz zu ihrer Schwester und deren Mann hält sie nichts von den Nazis, im Gegenteil, sie war in ihrer Jugend Teil der Swing Jugend Hamburgs. In Hamburg werden die ersten Gehversuche der neuen deutschen Filmindustrie gemacht. Leon Caspari dreht dort gerade einen Film. Er ist auch der Regisseur des verschwundenen Films, den Lilli und John Fontaine suchen.


Ich war von Anfang an sofort mitten in der Geschichte. Micaela Jary gelingt es wirklich meisterhaft das Nachkriegshamburg und die Sorgen und Nöte der damaligen Zeit dem Leser nahe zu bringen. Die Charaktere sind toll ausgearbeitet, gerade bei Lillis Schwester Hilde wird das deutlich, die immer zwischen Zustimmung zu ihrem Mann und eigener Entscheidung hin und her wankt.

Die Geschichte ist anfangs eher unspektakulär, allerdings zeichnet sich im Laufe des Buches ab, dass hinter dem verschwundenen Film und den Personen, den er betrifft, noch viel mehr steckt. Im letzten Viertel des Buches wird es dann noch einmal dramatisch und was man vorher als gesetzt ansah, wird komplett über den Haufen geworfen. Das Buch endet dann auch relativ offen und macht Lust auf den nächsten Teil, der dann wohl einige Jahre später spielen wird.


Ich freue mich hier auf jeden Fall auf die Fortsetzung und möchte eine dicke Leseempfehlung aussprechen!

Veröffentlicht am 02.08.2019

Grandioser zweiter Teil!

Die Spiegelreisende 2 - Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast
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Endlich wird Ophelia offiziell am Hof vorgestellt. Dies verbessert ihre Lage aber nicht wirklich. Im Gegenteil, sie erhält Drohbriefe. Wenn sie ihre Hochzeit mit Thorn nicht absagt, würde ihr Schlimmes ...

Endlich wird Ophelia offiziell am Hof vorgestellt. Dies verbessert ihre Lage aber nicht wirklich. Im Gegenteil, sie erhält Drohbriefe. Wenn sie ihre Hochzeit mit Thorn nicht absagt, würde ihr Schlimmes widerfahren. Und tatsächlich verschwinden auch bald andere Persönlichkeiten vom Hof. Als plötzlich Archibald der Botschafter verschwindet, beauftragt Faruk Ophelia, ihn wieder zu finden. Dabei stösst sie auf manipulierte Sanduhren und eine Verschwörung, die ihr ganzes Glaubensbild in Frage stellt.


Das Buch schliesst nahtlos an den ersten Band an. Ophelias Versteckspiel hat nun ein Ende, aber ein wirkliche Verbesserung ist das nicht. Faruk ernennt sie zur Vize-Erzählerin, dabei kann sie doch besser lesen als erzählen. Freunde macht sie sich bei Hofe nicht damit und immernoch bleibt es ziemlich undurchsichtig, wer Freund und wer Feind ist. Und als dann hochgestellte Persönlichkeiten spurlos verschwinden, die alle ähnliche Drohbriefe wie Ophelia erhalten, wird es noch schwieriger, vor allem weil sie überhaupt nicht mehr weiss, wem sie nun vertrauen kann.


Das Buch ist in weiten Teilen nur aus der Sicht Ophelias geschrieben, allerdings gibt es jetzt Einschübe, die Dinge aus Faruks Vergangenheit beleuchten. Nach und nach wird dabei klar, was es mit Faruks Buch auf sich hat, das dieser von Ophelia mit ihrer besonderen Gabe gelesen haben möchte.

Mich hat die Geschichte weiter fasziniert. Durch die eingeschränkte Sichtweise wird nur nach und nach klar, was denn eigentlich im Hintergrund passiert. Ophelia bekommt die Dinge ja immer nur Stückchenweise präsentiert und die wenigsten sprechen offen mit ihr.
Dabei merkt man aber deutlich, wie sie mit ihren Aufgaben wächst und sich weiter entwickelt. Als dann ihre Familie zu Besuch kommt wird auch ihr klar, wie sehr sie sich durch den Aufenthalt auf Pol verändert hat.


Ich bin immer noch total begeistert von dieser Welt, in der doch so vieles Illusion ist und die wenigsten ehrlich und direkt sind. Ich bin sehr gespannt, wo uns die Geschichte in den nächsten Bänden wohl hinführen wird. Die Hinweise, die in diesem Buch dazu kamen, lassen auf ein recht aufwändiges Gerüst der Geschichte schliessen. Hut ab vor der Autorin, die scheinbar das gesamte Gerüst für die Reihe schon im Kopf hat und dem Leser jetzt dieses Stück für Stück enthüllt und dabei mit Leben füllt. Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, dass die Autorin genau weiss, wohin sie will.


Die Reihe ist auf jeden Fall eines meiner Jahreshighlights und ich freue mich schon sehr auf den dritten Band, der wohl im November erscheinen wird. Christelle Dabos hat wohl den vierten, abschliessenden Band der Reihe fertiggestellt, der wohl für das nächste Frühjahr geplant ist.

Von mir auf jeden Fall wieder eine Leseempfehlung für dieses Buch!

Veröffentlicht am 21.07.2019

Berührende Geschichte!

Für immer die Deine
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Maria ist Journalistin und auf der Suche nach Zeitzeugen. Ihre Zeitschrift möchte zum Jahrestag des Kriegsbeginns ein Spezial machen, in dem Zeitzeugen von damals zu Wort kommen.
Dabei fällt ihr ein Zeitungsartikel ...

Maria ist Journalistin und auf der Suche nach Zeitzeugen. Ihre Zeitschrift möchte zum Jahrestag des Kriegsbeginns ein Spezial machen, in dem Zeitzeugen von damals zu Wort kommen.
Dabei fällt ihr ein Zeitungsartikel in die Hände, in dem von Klara und Fritz berichtet wird, die 1939 geheiratet haben. Auch aus Neugierde darauf, was eine so lange Ehe ausmacht, macht Maria sich auf und kann Klara und Fritz davon überzeugen, ihr ihre Geschichte zu erzählen.
Die beiden sind Jugendfreunde, bei denen schon sehr bald aus Freundschaft Liebe wurde. Als Klara mit 17 schwanger wird, heiraten beide, kurz darauf muss Fritz in den Krieg. Klara bleibt in dem vom Bombenangriffen gezeichneten Hamburg zurück. Eines Tages stellt sie fest, dass der alte Mann, dem sie die Einkäufe mit erledigt, nicht der ist, für den er sich ausgibt. Daraufhin wird sie vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt.

Ich habe das Buch innerhalb eines Tages verschlungen. Die Autorin erzählt lebendig vom Leben im alten Land, der Freundschaft von Klara, Fritz und Ilse und von den Entbehrungen, die alle während des Krieges zu erleiden haben. Ich konnte mir sowohl das alte Land, als auch Hamburg lebhaft vorstellen und die Geschichte, die vor allen Dingen Klara zu erzählen hat, geht unter die Haut. Was tun, wenn man entdeckt, dass es manchmal mehr braucht als sich nur durch zu wurschteln. Dass man manchmal eben auch Gefahren eingehen muss, um anderen zu helfen. Und was, wenn diese Entscheidungen das Leben, wie man es kennt, komplett auf den Kopf stellt.

In dem Buch geht es um stille Helden und darum, Fehler anderer auch vergeben zu können. Die Frage, die Maria den beiden stellt: Was braucht es um eine so lange und augenscheinlich glückliche Ehe zu führen? beantwortet Fritz ganz lapidar mit: Man darf sich nicht scheiden lassen.
Dass genau das nicht immer so einfach ist, zeigt auch dieses Buch. Nicht alle Entscheidungen, die Klara trifft sind gut, aber man kann sie verstehen und auch Fritz‘ Entscheidungen bleiben für den Leser nachvollziehbar. Am Ende bleibt es spannend, wie die beiden es schaffen trotz aller Erlebnisse fast 70 Jahre verheiratet zu bleiben.

Ich kann dieses Buch nur empfehlen, es war sehr spannend zu lesen und auch Marias Geschichte, die immer wieder in Einschüben erzählt wird, passt perfekt in das gesamte Konzept.
Von daher von mir eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.07.2019

Das Schicksal der Meyers

Zeit aus Glas
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Zeit aus Glas schließt direkt an seinen Vorgänger Jahre aus Seide an. Die Progromnacht haben die Meyers glücklicherweise nicht in ihrem Haus verbracht, sie sind bei Freunden untergekommen. Doch das Haus ...

Zeit aus Glas schließt direkt an seinen Vorgänger Jahre aus Seide an. Die Progromnacht haben die Meyers glücklicherweise nicht in ihrem Haus verbracht, sie sind bei Freunden untergekommen. Doch das Haus wurde zerstört und fast alles was darin war und das Leben der Familie Meyer ausgemacht hat.
Allen ist klar, dass sie nun auf irgendeine Art und Weise das Land verlassen müssen. Am liebsten alle zusammen, niemand soll zurück gelassen werden. Doch das ist nicht so einfach, denn einerseits müssen mittlerweile hohe Beträge aufgebracht werden um das Land verlassen zu können. Und was noch schwieriger ist, es muss ein Land gefunden werden, das einen dann auch aufnimmt. Die Meyers haben viel Unterstützung aus der jüdischen Gemeinde und auch die Aretz stehen weiterhin fest zu ihnen. Dennoch ist das Leben sehr beschwerlich geworden und Ruths Mutter ist psychisch nicht sonderlich stabil. So nimmt Ruth es auf sich, sich zu kümmern und zu organisieren. Als sie die Möglichkeit bekommt sich nach England zu bewerben um dort als Haushaltshilfe zu arbeiten, nutzt sie die Chance, immer in der Hoffnung, dass ihr Vater noch vorher eine Möglichkeit für sie alle findet.
Und doch muss sie das Wagnis auf sich nehmen und versuchen in England ihre Familie nach zu holen.

Das Buch ist wahrhaftig kein Wohlfühlbuch, was damals passiert ist eignet sich auch nicht dazu. Und trotzdem schafft es Ulrike Renk einen mitzunehmen und die Angst und die Zweifel von Ruth und ihrer Familie fühlbar werden zu lassen. Die Schwierigkeiten einen Ort zu finden, an dem man wieder sicher leben kann, die Ausreise und vor allem die Einreiseformalitäten zu klären und die Angst, dass am Ende die Zeit nicht reichen könnte. Sie vermittelt aber auch die Hoffnung der alten Leute, die das Land nicht verlassen wollen, weil sie der Meinung sind, dass niemand noch etwas von ihnen will. In diesem Moment möchte man ihnen zurufen: Geht, flieht alle so weit weg wie ihr könnt! Mit dem Wissen von heute ist es teilweise schwer nachzuvollziehen, warum damals teilweise doch noch verharrt wurde in der Hoffnung, das alles nicht so schlimm kommen würde. Aber wer konnte schon ahnen, wie weit die Nazis am Ende gehen würden.

Mich hat dieses Buch unglaublich mitgenommen, nur das Wissen, das Ruth Meyer, später Elcott, ein langes und später wohl auch glückliches Leben in den USA hatte, macht es einfacher diese Lebensgeschichte zu verfolgen. Und doch ist es wichtig genau solche Dinge festzuhalten und immer wieder zu erzählen. Das Buch zeigt auch, dass es trotz staatlichen Terrors auch unglaubliche Solidarität gab und Hilfe, die teilweise auch die Helfer in Gefahr gebracht hat. Nicht alle haben unterstützt was angeordnet wurde und manch einer hat auch im ganz kleinen Rahmen geholfen. So etwas macht dann doch immer wieder Hoffnung.
Für mich ist das Buch definitiv eines meiner Jahreshighlights und ich bin schon auf den nächsten Band gespannt.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Rasante Action

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder 2: In den Abgrund (Bände 4-6)
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Weiter geht es mit den Abenteuern von Frost und Payne. Nach dem Hauseinsturz werden die beiden von Inspektor Flannagan vom Scotland Yard festgenommen. Aber bereits bei der Heimfahrt nach London stellt ...

Weiter geht es mit den Abenteuern von Frost und Payne. Nach dem Hauseinsturz werden die beiden von Inspektor Flannagan vom Scotland Yard festgenommen. Aber bereits bei der Heimfahrt nach London stellt sich heraus, dass noch andere hinter ihnen her sind. Wieder in London landen die beiden erst einmal im Knast und nur der Duke of Edinburgh kann ihnen da wieder raushelfen. Und als sie dann geehrt werden, geraten die beiden auch noch in eine groß angelegte Geiselnahme.
Parallel dazu versucht David, die Nr. 23, dem Keller seines Peinigers und damit weiteren Experimenten zu entkommen.
Auch dieser zweite Sammelband konnte mich wieder begeistern. Es passiert ungemein viel und manches Mal brauchen Frost und Payne schon verdammt viel Glück um aus den brenzligen Situationen wieder heraus zu kommen. Dabei finden sie durchaus einflussreiche Unterstützer, machen sich aber auch Gegner.
Diesmal gibt es auch noch weitere Handlungsstränge, die weiter verfolgt werden. Bei den Dragons rumort es und Michael Chung muss feststellen, dass sein Vater einer Verschwörung auf der Spur war. Lydia muss am Ende dann ihren Dienst für Madame Yueh erfüllen, was ihr noch gewaltige Alpträume verschafft.
Und auch der Strang um die mechanischen Kinder wird weitergeführt. David hat bereits zwei Experimente überlebt und gibt den Willen zu entkommen nicht auf. Und Frost und Payne geraten an ein Tagebuch des Mörders, das ihnen Aufschlüsse über die Beweggründe liefert. Auch Lydias Verbindung wird immer klarer.
Die Bände waren, wie schon die Vorgänger, sehr actionreich, die Protagonisten und so auch die Leser kommen kaum zum durchschnaufen. Manche Dinge klären sich endgültig, aber vieles bleibt offen und macht Lust darauf möglichst schnell weiter zu lesen.
Der Schreibstil ist unglaublich packend und das Kopfkino läuft von Anfang an. Ich könnte mir die Bücher auch gut als Streaming-Serie vorstellen.

Von mir daher auch eine absolute Leseempfehlung für diesen zweiten Sammelband der Reihe!