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Veröffentlicht am 10.11.2017

Hochaktuelles Buch über Ängste, Moral und die Werte unserer Gesellschaft

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
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Jeder hat sie vor Augen: Die Flüchtlingsströme auf der Balkanroute, die überfüllten Fischkutter in den Wogen des Mittelmeers, die verzweifelten Gesichter, die scheinbar alle versuchen, zu uns zu kommen ...

Jeder hat sie vor Augen: Die Flüchtlingsströme auf der Balkanroute, die überfüllten Fischkutter in den Wogen des Mittelmeers, die verzweifelten Gesichter, die scheinbar alle versuchen, zu uns zu kommen und hier ein ein neues, glückliches Leben in Sicherheit und Wohlstand aufbauen wollen. Aber können wir uns das leisten? All diese Massen? Muss da nicht Einhalt geboten, eine "Grenze" gesetzt werden? Klar, sie alle haben gute Gründe, warum sie sich auf den Weg gemacht haben - aber sind die auch gut genug, um ein Bleiberecht zu erhalten?
Diese Fragen beschäftigen Juli als sie in der Zeitung ein Stellenangebot des BAMF entdeckt, welches dringend "Asylentscheider" sucht. Kurzentschlossen bewirbt sie sich, glücklich, endlich einer "sinnvollen" Tätigkeit nachzukommen.
Schon bald bahnen sich aber ganz andere Fragen ihren Weg: Hat es dieser einzelne, der hier gerade in seiner Verzweiflung vor ihr zusammen bricht, der alte Greis, der sein Leben lang geschuftet hat, um jetzt vor dem nichts steht, oder die Mutter mit den schrecklichen, traumatisierenden Erfahrungen und dem unermüdlichen Willen, für ihre Kinder ein sicheres, geborgenes Zuhause zu finden - haben sie es nicht alle irgendwie verdient, hierbleiben zu dürfen? Und dann ist da noch ihre Freundin, die ihrem neuen Job sehr kritisch gegenüber steht, gar anzweifelt, dass ein Aussieben tatsächlich notwendig ist...

Ein sehr spannendes Buch, das einen tollen Einblick in die Arbeit der Behörde gibt, das Zweifel anspricht und den Menschen hinter den Akten ein Gesicht gibt, lesenswert!

Veröffentlicht am 24.07.2017

Du tust weh, aber man lernt dich zu lieben

Britt-Marie war hier
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Britt-Marie, Britt-Marie… Du warst schon bei „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid“ nicht mein Liebling, im Gegenteil, ich war froh, dass sich die Figuren im Buch mit dir rumschlagen mussten, und ...

Britt-Marie, Britt-Marie… Du warst schon bei „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid“ nicht mein Liebling, im Gegenteil, ich war froh, dass sich die Figuren im Buch mit dir rumschlagen mussten, und nicht ich. Und dann schreibt Frederik Backman ein ganzes Buch über dich. Was nun? Ich bin lange um dich herum geschlichen, wusste nicht so recht, ob ich mir das tatsächlich antun möchte, so in deinem Leben zu schnüffeln, denn so was tut man ja wohl nicht, nicht wahr?
Jetzt liegst du hier neben mir, meinen Worten schutzlos ausgesetzt, und ich sehe dich im Geiste die Nase rümpfen, über mich, meine Wohnung und dem fehlenden Biocarbonat mit Soda.
Und du machst mir das lesen nicht leicht, nein, wahrlich nicht.
Ein Charme-Bolzen wirst du auch bis zur letzten Seite nicht, kannst nicht aus deiner Haut, eingezwängt in deinem manischen Putzwahn, den gesellschaftlichen Konventionen und deiner gesellschaftlichen Unzulänglichkeit, wie Kent zu sagen pflegt. Kent, um dessen Leben und Wohlergehen sich dein ganzes Leben drehte, auch wenn dich das einsam und unglücklich werden ließ, am gemeinsamen Luftschloss hast du eisern festgehalten! Dabei bist du bewundernswert pragmatisch:
„All marriages have their bad sides, because all people have weaknesses. If you live with another human being you learn to handle these weaknesses in a variety of ways. For instance, you may take the view that weaknesses are a bit like heavy pieces of furniture and based on this you must clean around them. To maintain the illusion. Of course the dust is building up unseen, but you learn to repress this for as long as it goes unnoticed by guests.”
Doch irgendwann ist bei jedem einmal das Maß des Erträglichen voll, und endlich, endlich machst du den Befreiungsschlag und gehst deinen eigenen Weg, machst dein eigenes, sehr eigenes Ding!
Tatsächlich bin ich diesen Weg sehr gerne mit dir gegangen! Leider sind wir zu grundverschieden, als dass wir wirklich Freunde werden können, trotzdem danke ich dir dafür, dass ich dich ein Stück deines Weges begleiten durfte!

Veröffentlicht am 07.06.2017

Laut, verpennt, siffig, gut.

Pankfurt
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Frank darf endlich aus seinem verschlafenen Kaff in die große Stadt, sucht sich eine „solidarische“ WG – und hat damit direkt den Verfassungsschutz an den Hacken. Macht jetzt erst mal nichts, zwischen ...

Frank darf endlich aus seinem verschlafenen Kaff in die große Stadt, sucht sich eine „solidarische“ WG – und hat damit direkt den Verfassungsschutz an den Hacken. Macht jetzt erst mal nichts, zwischen Party, Punkkonzerten und WG-Lotterleben fällt das kaum auf, führt aber zu einer wahnwitzigen Beschattungstour, auf der einen Seite das Landei, das seine neuen Freiheiten in vollen Zügen genießt, auf der anderen Seite Hauptkommissar Berger, der sich sicher ist, einem Drahtzieher der RAF auf den Fersen zu sein.

Beim Lesen sitzt man auf einmal wieder in seiner alten WG-Küche, unterhält sich nächtelang über philosophische Nichtigkeiten, und erinnert sich daran, wie es war, das Leben Leben sein zu lassen. Für mich die perfekte Sommerlektüre ;D

Dass Leute, die aus Butzbach kommen, ständig auf ihrer Herkunft rumreiten müssen, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass sie gewissen Stolz empfinden, diese ach so schlimme Kleinstadt überlebt zu haben. Nervt bei Bekannten aus Butzbach, nervt nach der fünften Wiederholung auch im Buch. Sei ihm aber verziehen, scheint dort einfach Pflicht zu sein.

Einen Stern Abzug gibt es trotzdem, da der Schreibstil doch allzu oft an „Mein schönstes Ferienerlebnis“ aus Klasse 7 erinnert, etwas ungelenk und wenig auf den Punkt, oder wie er selbst in der Danksagung schreibt: „Texte eines Mitfünfzigers […] der über alte Zeiten schwadroniert“ – Fühlt sich in seinem Kopf bestimmt gut an, auf dem Papier bringt er‘s leider oft nicht ganz so rüber. Sollte z. B. Sven Regner dieses Buch irgendwann mal in die Finger bekommen und sich berufen fühlen dem ganzen seinen Stempel aufzudrücken, hätte es 5+ Sterne verdient!

Veröffentlicht am 08.08.2019

Gute "Glämping"-Küche

Die Familien-Campingküche
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Ich muss vorweg nehmen, dass ich die Rezepte am heimischen Herd, nicht im Urlaub getestet habe. Denn für mein Verständnis von "Camping" ist das Buch leider nur bedingt geeignet. Wir sind mit Zelt und einem ...

Ich muss vorweg nehmen, dass ich die Rezepte am heimischen Herd, nicht im Urlaub getestet habe. Denn für mein Verständnis von "Camping" ist das Buch leider nur bedingt geeignet. Wir sind mit Zelt und einem Gaskocher, manchmal auch mit einem kleinen Grill unterwegs. Hier wird aber davon ausgegangen, dass man in jedem Fall über einen Kühlschrank verfügt, Speisen auch mal über mehrere Stunden kühlen kann und eine einigermaßen funktionale Küche am Start hat - für das Mobile Home, das Wohnmobil oder die Ferienwohnung also durchaus praktikabel, beim einfachen Zelturlaub fallen viele Rezepte leider weg. Die Rezepte sind mit wenigen Zutaten und meist wenigen Handgriffen zubereitet und können durchaus neuen Pfiff in die Urlaubsküche bringen, denn man macht ja doch oft die drei, vier eingespielten Standardgerichte. Und ja, wenn's zu Hause mal schnell gehen soll, kann man in dem Buch sicher auch fündig werden und ohne großen Aufwand den "Linsensalat mit gebratenem Halloumi", den "Kräuterreis mit Garnelen" oder den "Apfelkuchen aus der Pfanne" zubereiten.
Sollten wir mal wieder Urlaub in einer Ferienwohnung oder ähnlichem machen, kommt das Buch bestimmt mit.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Suche einer Tochter nach der Vergangenheit ihrer Mutter

Zeit der Schwalben
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Adeles Mutter ist vor genau einem Jahr von einem Laster überfahren worden. Eins schlimmer Jahrestag für die ganze Familie, dass ihre Schwester und deren Trauerberater beschlossen haben, diesen Tag mit ...

Adeles Mutter ist vor genau einem Jahr von einem Laster überfahren worden. Eins schlimmer Jahrestag für die ganze Familie, dass ihre Schwester und deren Trauerberater beschlossen haben, diesen Tag mit einem gemeinsamen „Trauer-sit in“ zu begehen macht es nicht besser. Als die Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt ist, klingelt es an der Tür. Eine Unbekannte mittleren Alters fragt nach der Verstorbenen – und behauptet, sie sei ihre Tochter. Doch wie kann das sein? Was ist vor vierzig Jahren passiert und hat Adele ihre sehr reservierten Mutter so wenig gekannt? Ihr geordnetes Leben gerät von jetzt auf gleich ins Wanken, sie beginnt zu hinterfragen und begibt sich gemeinsam mit der Fremden auf Spurensuche.
Nikola Scott beschreibt in ihrem Erstlingsroman die Geschichte einer Tochter und ihrer Mutter aus zwei unterschiedlichen Perspektiven – einmal aus Sicht der Tochter, die vierzig Jahre nach ihrer Geburt versucht, die Geschichte ihrer Mutter zu rekonstruieren und zu verstehen und einmal aus Sicht der siebzehnjährigen Mutter, die Tagebuch führt und ihr von Schicksalsschlägen gebeuteltes Leben festhält.
Ich habe das Buch gerne und rasch gelesen, es hat einen angenehmen Schreibstil, kann aber leider nicht mit den in letzter Zeit gelesenen Büchern mithalten und wird wohl auch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Nett“ beschreibt es wohl ganz gut…