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Veröffentlicht am 11.08.2019

Fortsetzung der Familiensaga rund um eine jüdische Familie

Zeit aus Glas
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Dies ist nach „Jahre aus Seide“ der zweite Band der Trilogie rund um die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld, die zum Teil auf fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Während ...

Dies ist nach „Jahre aus Seide“ der zweite Band der Trilogie rund um die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld, die zum Teil auf fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Während im ersten Band auf die Jahre 1926 bis zur Reichspogromnacht im November 1938 eingegangen wird, geht es jetzt um einige wenige Monate ab der Pogromnacht bis zum Juni 1939. Auch wer den ersten Band nicht kennt, findet sich gut zurecht, da wichtige vergangene Ereignisse erneut angesprochen werden. Den Meyers haben „die Braunen“ in der Pogromnacht arg zugesetzt, später wird auch noch der Vater wegen Schmuggels inhaftiert und muss seine Deportation nach Dachau befürchten. Eine Auswanderung erweist sich als fast unmöglich. Nur Ruth hat die Möglichkeit, als Hausmädchen eine Stellung in England anzutreten. Doch soll sie ohne ihre Familie in die Fremde? Und wird sie von dort ihre Angehörigen nachholen können?
Der Roman ist erneut sehr lehrreich, bringt er uns doch das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, den Nationalsozialismus, nahe. Die Geschichte lässt einen sehr betroffen zurück, eben weil es in ihr um eine real existierende Familie geht. Sprachlich lässt sich ihr gut folgen, was daran liegt, dass aus der Perspektive der 17jährigen Tochter Ruth erzählt wird. Die Autorin hat gut recherchiert und fasst den Anlass des Romans und den Gang ihrer Recherchen in einem gelungenen Nachwort zusammen. Etwas gestoßen habe ich mich an einigen Längen betreffend die sich stets wiederholenden Überlegungen der Romanfiguren zum Wagnis einer Auswanderung, wenngleich ich nicht verkenne, dass gerade dadurch sehr deutlich wird, in welchem Zwiespalt sich die Juden in Deutschland befanden – einerseits wollten sie ihre Heimat gar nicht verlassen, andererseits gab es für sie dort angesichts des stetigen Beschneidens ihrer Bürgerrechte und Freiheiten kein Fortkommen mehr.
Auf jeden Fall ein lesenswertes Buch und ein wichtiger Beitrag, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Ganz sicher werde ich die dritte Fortsetzung lesen.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Wunsch nach Familie

Die Dinge, die wir aus Liebe tun
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Die Ehe von Angie und Conlan scheitert an ihrer ungewollten Kinderlosigkeit und den zahlreichen Versuchen, doch noch zum Wunschkind zu kommen. Angie kehrt zu Mutter und Schwestern zurück, um das Familienrestaurant ...

Die Ehe von Angie und Conlan scheitert an ihrer ungewollten Kinderlosigkeit und den zahlreichen Versuchen, doch noch zum Wunschkind zu kommen. Angie kehrt zu Mutter und Schwestern zurück, um das Familienrestaurant wieder flott zu kriegen. Dort trifft sie auf die17jährige Lauren, die als „Fehltritt“ nie Mutterliebe erfahren hat. Zwischen beiden entwickelt sich eine tiefe Bindung. Als Lauren, schwanger von ihrem langjährigen Freund und eigentlich um ein Stipendium an einem angesehenen College kämpfend, das gleiche Schicksal zu drohen scheint wie ihrer eigenen Mutter, wird ihre Beziehung auf eine Belastungsprobe gestellt – bei Angie erweckt die Schwangerschaft Neid und Hoffnung auf ein zu adoptierendes Baby, Lauren will Angie als Ersatzmutter nicht missen.
Es ist ein sehr gefühlvoll geschriebener Roman, der sich fundiert mit den Folgen einer ungewollten Kinderlosigkeit in der Ehe auseinandersetzt und damit, wie sie sich kompensieren lässt. Angies Traurigkeit ist gut nachvollziehbar. Umso drastischer wirkt es, wenn andere Frauen in ihrer Umgebung ruckzuck schwanger werden, insbesondere ihre junge Freundin Lauren, zu deren Lebenssituation ein Baby überhaupt nicht passt. Die Entwicklung ist natürlich voraussehbar. Einige Romanfiguren machen einen blassen oder überzeichneten Eindruck, wie etwa der werdende Vater von Laurens Baby, der nach Art eines unreifen Milchbubis dargestellt wird oder Angies Mutter und Schwestern, die vor übertriebener Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit strotzen. Alles in allem unterhält und liest sich der Roman aber sehr gut.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Eine kubanisch-amerikanische Familiengeschichte

Nächstes Jahr in Havanna
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Diesen Roman zu lesen, macht schon fast die Lektüre eines Sachbuchs zur Geschichte Kubas entbehrlich. So informativ und lebendig könnte ein Geschichtsbuch gar nicht sein über ein Land, das mir bislang ...

Diesen Roman zu lesen, macht schon fast die Lektüre eines Sachbuchs zur Geschichte Kubas entbehrlich. So informativ und lebendig könnte ein Geschichtsbuch gar nicht sein über ein Land, das mir bislang nur fragmentarisch bekannt ist (Schlagworte: Fidel Kastro, Zigarillos, Oldtimer, Urlaubsort für Karibikreisende). Der geschichtliche Werdegang Kubas seit Ende der 1950er Jahr mit kleinen Rückblicken auch auf die Zeit davor bis in die Gegenwart ist eingebettet in eine Familiengeschichte. Die kubanische Familie Perez, reiche Zuckerplantagenbesitzer, geht nach der Revolution Fidel Kastros ins Exil nach Florida. Ihre Tochter Elisa hatte zuvor eine innige Liebesbeziehung zu einem Revolutionär. Nach Elisas Tod einige Jahrzehnte später begibt sich deren Enkelin Marisol nach Kuba, um dort die Asche ihrer Großmutter zu verstreuen. Sie verliebt sich in einen jungen Kubaner, einem Gegner des herrschenden Regimes, und kommt einem Familiengeheimnis auf die Spur. Diese Familiengeschichte hat mir nicht so gut gefallen. Sie wirkt etwas konstruiert und vorhersehbar. Es ist zu weit hergeholt, wenn sich zwei Frauen aus dem Stand heraus unsterblich in Männer verlieben, die für sie sofort zur Liebe ihres Lebens werden, obwohl sie angesichts der Umstände gar keine Chance haben. Noch dazu geschieht alles binnen kürzester Zeit. Nun gut, Ähnliches ist ja oft in Liebesromanen zu finden und unterhält ja auch recht gut.
Ein insgesamt gut unterhaltendes und informatives Buch.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit

Deutsches Haus
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Die als Drehbuchautorin bekannt gewordene Autorin stellt in ihrem ersten Roman den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt im Jahre 1963/64 in den Mittelpunkt. Die Protagonistin Eva, geboren 1939, ist als ...

Die als Drehbuchautorin bekannt gewordene Autorin stellt in ihrem ersten Roman den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt im Jahre 1963/64 in den Mittelpunkt. Die Protagonistin Eva, geboren 1939, ist als Dolmetscherin für die polnischen Zeugen, zumeist KZ-Überlebende, tätig. Sie wird erstmalig mit der furchtbaren deutschen Vergangenheit konfrontiert und – worunter sie zunehmend leidet – mit dem damals noch weit verbreiteten Verdrängen, Vergessen und angeblichem Nicht-gewusst-haben. Sie selbst fühlt sich schuldig. Aber für sie kommt es noch ärger, erkennt sie doch im Laufe des Prozesses, dass ihre eigene, doch so bürgerliche Familie in die Gräueltaten involviert war. Fast schon als zu viel erschient es mir, dass noch andere Romanfiguren große Schuld – in anderen Bereichen – auf sich geladen haben.
Das Buch mahnt gelungen an, dass wir unsere Geschichte während des Nationalsozialismus niemals vergessen dürfen. Es ist gut recherchiert und liest sich recht flüssig. Über kleine juristische Unkorrektheiten möge hinweggesehen werden (z.B. wird nicht der Eröffnungsbeschluss zu Beginn eines Strafprozesses verlesen, sondern die Anklageschrift, und werden Dolmetscher nicht von der Staatsanwaltschaft geladen, sondern von dem Gericht). Daneben erhalten wir einen schönen Einblick in den Zeitgeist der 1960er Jahre, insbesondere was die Rolle der Frau anbelangt.

Veröffentlicht am 06.06.2019

Vater-Sohn-Beziehungen

Die rothaarige Frau
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Dieser Roman vermischt realen Alltag und Märchenhaftes.
Die Geschichte spielt zwischen etwa 1980 und 2015. Der 16jährige Cem, dessen Vater die Familie verlassen hat, verdingt sich, um sein Studium bezahlen ...

Dieser Roman vermischt realen Alltag und Märchenhaftes.
Die Geschichte spielt zwischen etwa 1980 und 2015. Der 16jährige Cem, dessen Vater die Familie verlassen hat, verdingt sich, um sein Studium bezahlen zu können, bei dem Brunnenbaumeister Mahmut. Dieser wird für Cem zu einem strengen, aber gerechten Ersatzvater. In dem Dorf, in dem sie einen Auftrag ausführen, verliebt sich Cem in eine doppelt so alte rothaarige Schauspielerin, aus deren einziger gemeinsamer Nacht ein Sohn hervorgeht, wie Cem aber erst 30 Jahre später erfährt. Während der Arbeit am Brunnen kommt es zu einem mysteriösen Unglück. Cem geht vom Tode des Meisters aus und flüchtet Hals über Kopf mit zurückbleibenden starken Schuldgefühlen. Während der Folgejahre bringt er es zum erfolgreichen Bauingenieur und Immobilienspekulanten. Erst 30 Jahre nach seiner Tätigkeit als Brunnenbaulehrling erfährt er, dass aus seiner einzigen Nacht mit der Schauspielerin ein Sohn hervorgegangen ist. Es kommt zu einer folgenreichen Begegnung der beiden.
Die Geschichte ist reich an Symbolik. Wie ein roter Faden ziehen sich durch sie die Ödipus-Sage und ihre Umkehrung, die persische Sage von Rostam und Sohrab mit Vater- bzw. Sohnes-Mord. Sie lassen natürlich Deutungen zu auf die Beziehung Cems zu seinem eigenen Vater und zu seinem Sohn. Ein bisschen Interesse an Mythologie sollte man daher beim Lesen mitbringen. Es empfiehlt sich vielleicht auch, sich mit dem politischen System der Türkei im fraglichen Zeitraum vertraut zu machen. Mir persönlich erscheint Vieles etwas umständlich erzählt und es hätte gut auf einige Wiederholungen verzichtet werden können. Ein völlig überraschender Schachzug, der mir gut gefallen hat, befindet sich ziemlich am Ende und betrifft die Erzählperspektive.