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Marshall-Trueblood

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2019

Serienmörder auf Föhr-spannend und mystisch

Kalte See
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Auf Föhr wird eine junge Frau ermordet, eine andere schwer verletzt. Kommissar Theo Krumme reist mit seiner Kollegin Patricia Reichel von Husum auf die Nordseeinsel; sie kommen einem Serienmörder auf die ...

Auf Föhr wird eine junge Frau ermordet, eine andere schwer verletzt. Kommissar Theo Krumme reist mit seiner Kollegin Patricia Reichel von Husum auf die Nordseeinsel; sie kommen einem Serienmörder auf die Spur.

Kalte See ist bereits der fünfte Teil der Reihe um die Ermittler aus Husum, aber der erste den ich gelesen habe. Rund um das Privatleben der Charaktere hat mir natürlich die ein oder andere Information, bzw. Entwicklung gefehlt, aber das hat dem Lesespaß nicht geschadet. Ich bin sehr gut unterhalten worden und habe das Buch innerhalb weniger Stunden ausgelesen. Gute Charaktere, solide Polizeiarbeit, ein gutes Gespür für die Stimmung auf Föhr in der Hochsaison und ein Hauch von Mystik machen diesen Nordsee-Krimi aus. Meine beiden Lieblingscharaktere sind der Knecht Harke, der wohl eine wiederkehrende und hier auch eine entscheidende Rolle spielt und der Vierbeiner Watson, der die spannende Handlung immer wieder entspannt. Auch die Einblicke in das Seelenleben des Serientäters haben mir gut gefallen.

Theo Krumme und Patricia Reichel sind ein Ermittlerpaar, das ich weiter begleiten werde.

Veröffentlicht am 08.10.2019

Intelligenter Krimi für Fortgeschrittene

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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Evelyn Hardcastle wird am Abend auf einem Maskenball sterben. Und das an jedem Abend aufs Neue, bis Aiden Bishop den Mörder entlarvt. Jeden Tag erwacht er und erlebt den Tag neu, allerdings erlebt er ihn ...

Evelyn Hardcastle wird am Abend auf einem Maskenball sterben. Und das an jedem Abend aufs Neue, bis Aiden Bishop den Mörder entlarvt. Jeden Tag erwacht er und erlebt den Tag neu, allerdings erlebt er ihn immer aus einer anderen Perspektive, denn er erwacht stets in einem anderen Körper, in einem anderen Gast des Maskenballs. So finden sich täglich neue Freundschaften und neue Feinde ein, bis Aiden das Geheimnis löst, um dem Anwesen Blackheath zu entkommen.

Ohne überheblich zu sein, das ist kein Krimi für Anfänger. Hier musste ich ständig am Ball bleiben, ständig überlegen, in welchem Körper steckt Aiden gerade? Stuart Turton legt Spuren, um sie im nächsten Kapitel wieder zu verwischen, dazu springt die Handlung auch mal zu einem Tag zurück, um dann wieder zu einem Tag in der Zukunft zu springen. Klingt kompliziert? Das war es auch! Aber das hat mich begeistert; ein Krimi, der ganz neue Wege geht. Bitte nicht abschrecken lassen: 608 Seiten sind für einen Krimi schon recht viel, aber mir wurde es keinen Moment langweilig.

Ich hatte immer die gleichen Fragen: Wer ist der Pestdoktor, der die Regeln aufstellt? Wer ist der Lakai, der jeder Version von Aiden nach dem Leben trachtet? Warum muss Evelyn sterben? Welche Position nehmen Anna und Daniel ein? Warum ist Aiden in Blackheath gefangen und kommt nicht heraus? Bis man zur Lösung kommt, wird fröhlich gemordet und betrogen. Da belügen sich Freunde und werden zu Feinden und wieder zurück. Hier kann man keinem Satz trauen! Und schon gar keinem Gast! Besonders gut gelungen fand ich auch die inneren Kämpfe, die Aiden mit seinem jeweiligen Wirt austrägt.

Das ist feinste Krimikunst, die am Ende das Rätsel schlüssig und ohne offene Fragen auflöst.

Veröffentlicht am 07.10.2019

Große Erzählkunst

Brüder
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Mick und Gabriel werden beide 1970 geboren. Ihr Vater, ein Afrikaner, der in der DDR studiert hat, hat ihnen nur die Hautfarbe hinterlassen. Jackie Thomae entwirft ein Porträt zweier Männer, die zwar ähnliche ...

Mick und Gabriel werden beide 1970 geboren. Ihr Vater, ein Afrikaner, der in der DDR studiert hat, hat ihnen nur die Hautfarbe hinterlassen. Jackie Thomae entwirft ein Porträt zweier Männer, die zwar ähnliche Gene haben, sich aber ganz unterschiedlich entwickeln. Aber beide haben Fragen, an sich, an ihre Mitmenschen, an das Leben.

Der Roman hat mich begeistert. Im Grunde sind es zwei Romane in einem. Im ersten Teil bin ich Mick begegnet, im zweiten Teil Gabriel. Die beiden Teile sind völlig unterschiedlich geschrieben, verbunden sind sie nur durch ein kurzes Zwischenspiel, aber das hat mir gereicht. Vielleicht hat mich das Ganze auch so begeistert, weil ich ungefähr zur gleichen Zeit wie Mick und Gabriel aufgewachsen bin. Da wurden Erinnerungen wach.

Die Autorin schreibt großartig, ich weiß nicht, wie ich das anders formulieren soll. Mick mit seinem Hang, stets einen Schritt von illegalen Machenschaften entfernt zu sein und mit seiner Bindungsunfähigkeit; Gabriel, der in London zum Stararchitekten aufsteigt und Frau und Sohn zumindest finanziell absichert. Alle Charaktere werden in diesem Roman lebendig und Jackie Thomae macht nicht den Fehler, und das hätte durchaus passieren können, die Hautfarbe der Protagonisten oder den Mauerfall zu sehr in die Handlung miteinzubeziehen. Mit großer erzählerischen Kraft hat sie mich durch zwei Leben geführt, die die gleiche Ausgangssituation hatten, sich aber unterschiedlich entwickelt haben.

Ein unglaublich bunter Roman, der völlig zu Recht auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis gelandet ist.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Eine junge Autorin, die ich mir merken werde

Kintsugi
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Max und Reik feiern ihre zwanzigjährige Beziehung. Dazu geladen haben sie nur ihren ältesten Freund Tonio und dessen Tochter Pega, die auch zwanzig Jahre alt ist. Im Wochenendhaus offenbaren sich Wünsche, ...

Max und Reik feiern ihre zwanzigjährige Beziehung. Dazu geladen haben sie nur ihren ältesten Freund Tonio und dessen Tochter Pega, die auch zwanzig Jahre alt ist. Im Wochenendhaus offenbaren sich Wünsche, Neuanfänge und Wahrheiten.

Miku Sophie Kühmel ist eine junge Autorin, die mit Kintsugi ihr Debut abgeliefert hat. Ein großartiges Kammerspiel. Zugegeben, ich musste Kintsugi erstmal googeln, um zu erfahren, was das überhaupt heißt. Kintsugi ist eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik. Anstatt den Fehler zu kaschieren, wird durch die Goldverbindung der Makel in der Keramik hervorgehoben. Genug mit der Klugscheißerei! Ich finde den Titel für den Roman grandios gewählt: Die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit. In vier Abschnitten erfährt der Leser die unterschiedliche Sicht der vier Protagonisten; über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Dazwischen gibt es immer ein Gespräch der Vier, geschrieben wie ein Theaterstück. Mir hat das sehr gut gefallen; vor allem wie die Gefühle und Ansichten beschrieben werden, gerade wenn man bedenkt, dass die Autorin mit 28 Jahren über die Gefühle von Männern Mitte 40 schreibt. Eine Sprache, die mich abgeholt hat!

Im Klappentext heißt es: "Von der Gewissheit, dass im Unvollkommenen die Schönheit liegt. Und davon, dass es weitergeht. Wie immer geht es weiter."

Manchmal muss etwas kaputtgehen, damit man es reparieren kann, weil man da erst gemerkt hat, dass man es auf jeden Fall braucht und manchmal braucht man auch etwas Repariertes, um sich der Vergangenheit zu erinnern, um weiterzugehen. Ein grandioses Debut und eine Autorin, die ich mir auf jeden Fall merken werde.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Ein Kinderbuch, auch für Erwachsene

Die unendliche Geschichte
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Bastian Balthasar Bux stiehlt ein Buch aus einem Antiquariat. Als er, anstatt zur Schule zu gehen, darin liest, gerät er mitten in das Buch. Er begibt sich auf eine spannende und abenteuerliche Reise durch ...

Bastian Balthasar Bux stiehlt ein Buch aus einem Antiquariat. Als er, anstatt zur Schule zu gehen, darin liest, gerät er mitten in das Buch. Er begibt sich auf eine spannende und abenteuerliche Reise durch Phantasien.

Es ist immer ein Abenteuer, als Erwachsener ein Buch wiederzulesen, das man als Kind gelesen hat. Ein Buch, das einem schlaflose Nächte bereitet hat. Ein Buch, von dessen Verfilmung man enttäuscht war. Ein Buch, das die Leselust erst geweckt hat. Ich habe mich auf dieses Abenteuer gewagt und ich habe die Zeit sehr genossen. Natürlich sieht man als Erwachsener manche Dinge anders. Da fällt einem die ein oder andere Länge auf, die man als Kind überlesen hat. Aber das ändert nichts daran, dass Michael Ende einen ewigen Klassiker geschrieben hat. Er schreibt über Wünsche, über Mut und über das Über sich Hinauswachsen, über Phantasie, über die Liebe zu Büchern, über das Erwachsen werden, über Liebe und Freundschaft. Eben über alles, was wichtig ist.

"Es gibt Menschen, die können nie nach Phantasien kommen, und es gibt Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantasien und kehren wieder zurück. So wie du, Bastian. Und sie machen beide Welten gesund."

Jeder sollte ein bisschen Kind bleiben und die Welt Phantasiens immer wieder neu entdecken. Genau das ist mir gelungen.