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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.08.2019

Gewöhungsbedürftig, aber gut

Nussschale
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Ian McEwans „Nussschale“ war tatsächlich nicht so einfach zu knacken.
Die Geschichte fällt etwas aus dem Rahmen und wurde aus der Sicht eines Ungeborenen aus dem Bauch der Mutter heraus erzählt. Schon ...

Ian McEwans „Nussschale“ war tatsächlich nicht so einfach zu knacken.
Die Geschichte fällt etwas aus dem Rahmen und wurde aus der Sicht eines Ungeborenen aus dem Bauch der Mutter heraus erzählt. Schon dies hat mich etwas irritiert zuhören lassen.

Das Wissen des Ungeborenen (klug durch das Zuhören der Podcasts und Radiosendungen der Mutter) und die Auswirkungen der Handlungen der Mutter auf das Ungeborene fand ich manchmal schon etwas verstörend. Ein Ungeborenes, das die Weinsorte erkennt, die die Mutter trinkt und auch spürt, dass es nicht gewollt ist und live beim Sex der Mutter mit dem Liebhaber dabei ist und sich von dessen Penis bedrängt fühlt, fand ich dann doch teilweise etwas gewöhnungsbedürftig.

Worum gehts?
Eine schwangere Frau (Trudy) hat sich in den Bruder Claude ihres Mannes verliebt und führt auch eine Affäre bzw. Beziehung mit ihm. Der Ehemann wurde daraufhin aus seinem eigenen Haus geschmissen und darf nur noch von außen zu schauen. Die drei Charaktere wissen von dem Baby, aber keiner scheint sich wirklich dafür zu interessieren. Weder kämpft der Ehemann/Vater für sein noch ungeborenes Kind noch achtet die Mutter bei ihrem Alkoholkonsum auf das Ungeborene. So erlebt man mit dem Kind den Rausch und die Wahrnehmungsstörungen. Die Mutter und der Liebhaber planen den Mord an dem Vater/Ehemann, um an die Millionen, die sein Haus wert ist, zu kommen. Das Ungeborene kommentiert und reflektiert das Geschehene und geht dabei auch auf das Weltgeschehen und die Menschen ein. Trudy und Claude planen akribisch und sorgsam, versuchen alle Eventualitäten zu berücksichtigen, aber dann kommt etwas dazwischen, was sie zu einer übereilten Handlung zwingt. Am Ende wird das Ungeborene für den finalen Paukenschlag sorgen.

Die Symphatie zu den Charakteren hielt sich bei mir etwas in Grenzen, die Geschichte dagegen ist sehr gut aufgebaut und interessant gewesen. Der Humor war teilweise sehr schwarz und beißend, aber er war an den richtigen Stellen, so dass die Geschichte insgesamt gut war. Mich hat nur die Perspektive etwas gestört, aber dies war nun mal das Besondere an der Geschichte.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Buy local und unabhängig

Tagebuch eines Buchhändlers
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Nach dem Lesen des Buches muss eigentlich feststehen – buy local und in unabhängigen Buchhandlungen.

Der Buchhändler Shaun Bythell beschreibt in Tagebuchform seinen Alltag in seiner großen Secondhand-Buchhandlung ...


Nach dem Lesen des Buches muss eigentlich feststehen – buy local und in unabhängigen Buchhandlungen.

Der Buchhändler Shaun Bythell beschreibt in Tagebuchform seinen Alltag in seiner großen Secondhand-Buchhandlung „The Book Shop“ in Wigtown.

Nun muss man gleich zu Beginn dazu sagen, dass er jede Menge schwarzen Humor und eine spitze Zunge hat, seine Kommentare zu und über Kunden sind nicht stets und ständig freundlich und er sieht nichts mehr durch die rosarote Brille. Es ist keine der schönen Geschichten aus der Kategorie Traumweltbuchhandlung. Es ist der Alltag, ungeschönt, ungefiltert und recht sachlich von einem erfahrenen Buchhändler erzählt. Shaun Bythell erzählt von der spürbaren "Bedrohung" durch einen großen amerikanischen Onlineanbieter und der Angst irgendwann keine Kunden mehr zu haben, da alle nur noch online bestellen oder eBooks lesen. Seine Geldsorgen, seine sehr eigenwillige Mitarbeiterin Nicky, die ihm immer wieder den „Schlemmer-Freitag“ (großes Kino diese Gerichte aus der Mülltonne) aufdrängt, seine zum Teil recht exzentrischen Kunden und vor allem sein Blick auf sie machen das Buch aber so interessant und unterhaltsam.

Es war der schwarze Humor und die recht nüchterne Erzählweise, was mir an diesem Buch am besten gefallen hat. Zudem erhält man einen guten Blick hinter die Kulissen der Bücherwelt. Manche Tage in der Buchhandlung sind etwas langweilig, andere Tage sind super unterhaltsam und wiederum andere Tage sorgen für eine nachdenkliche Stimmung – also wie im echten Leben .

Veröffentlicht am 06.08.2019

Lesenswerte Geschichte

Die Farben des Feuers
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Es gibt Bücher und Geschichten, die fordern mehr Aufmerksamkeit als andere. Sie sind anfangs sperrig zu lesen, weil der Autor einen Schreibstil hat, der recht hölzern und altmodisch wirkt, jedoch gut zu ...

Es gibt Bücher und Geschichten, die fordern mehr Aufmerksamkeit als andere. Sie sind anfangs sperrig zu lesen, weil der Autor einen Schreibstil hat, der recht hölzern und altmodisch wirkt, jedoch gut zu seiner Geschichte und in die Zeit passt. Es gibt in dieser Geschichte einen Erzähler, der nicht so richtig einzuordnen ist. Er agiert nicht in der Geschichte mit, sondern ist eher ein Beobachter. Es werden zwei große Handlungen ineinander verwoben und das so geschickt, dass man aufpassen muss, dass man nicht den Faden verliert.

Ich habe einige Seiten gebraucht, um mich in die Geschichte einzulesen und den Schreibstil zu verinnerlichen. Auch die Hauptfigur Madeleine machte es mir am Anfang nicht leicht, sie richtig einzuschätzen. Doch im Laufe der Geschichte bekommt sie ihre Chance, sich zu entwickeln und zu zeigen, dass sie sich vieles von ihren Gegnern abgeschaut hat.
Sie muss kämpfen und geschickt agieren und sehr strategisch vorgehen. Dies alles traut man ihr nicht wirklich zu und doch passieren Dinge, die nur sie hervorgerufen haben kann.
Sie nutzt Situationen und Menschen aus, spielt mit ihnen und setzt sie für sich ein. Sie macht aus ihrer Wut und Verzweiflung einen geschickten Rachefeldzug, der den Leser am Ende überraschen wird.

Es gibt einige Wendungen, seien sie von ihr gewollt oder durch die Wirtschaftskrise hervorgerufen, die der Geschichte immer wieder Spannungsmomente liefern. Am Ende hat man den Eindruck, dass man gerade einem Krimi gelesen hat.

Für mich ein lesenswertes Buch, auch wenn es etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit verlangt. Es liefert dafür einige einzigartige und interessante Charaktere (vorallem Paul und Madeleine), einen guten Einblick in die Zeit der Weltwirtschaftskrise und einen klaren Blick auf die Gier und Sucht nach Macht der Menschen und hier im Besondern der männlichen Widersacher von Madeleine.

Veröffentlicht am 27.07.2019

Berlin in den 40iger Jahren aus der Sicht eines jüdischen Nachtclubbesitzers

Café Berlin
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"Café Berlin" hat mir sehr gut gefallen.
Harold Nebenzal hat einen wunderbaren und leicht zu lesenden Schreibstil, der dem Leser das Gleiten durch die Seiten sehr vereinfacht. Das Abtauchen in diese ...

"Café Berlin" hat mir sehr gut gefallen.
Harold Nebenzal hat einen wunderbaren und leicht zu lesenden Schreibstil, der dem Leser das Gleiten durch die Seiten sehr vereinfacht. Das Abtauchen in diese Geschichte gelang mir ohne Probleme und mit Daniel Saporta hatte ich auch einen klugen, gerissenen und charmanten Mann an der Seite, der das Leben in der Vorkriegszeit zu leben wusste. Schöne exotische Frauen, Live-Musik und sein guter Geschäftssinn haben ihn und seinen Club "Kaukasus" zu einer kleinen Berlinberühmtheit gemacht.

Trotzdem hatte sein Leben in Damaskus, Syrien keinen leichten Start und er musste schnell lernen auf sich zu achten, sich zu behaupten und seinem Instinkt zu folgen. Viele Male spielte er mit dem Feuer und begab sich in Gefahren, die schon für andere tödlich waren.

Die Geschichte von Daniel wird von ihm selbst als Tagebuch aufgeschrieben. Daniel sitzt zu diesem Zeitpunkt auf einem Dachboden und muss sich vor den Nazis versteckt halten. Um sich abzulenken und nicht vor Angst, Kälte und Hunger irre zu werden, schreibt er seine Geschichte auf. Es gibt demnach immer wieder ein paar Sprünge von der Vorkriegszeit zu der aktuellen Zeit (1943-1945). Harold Nebenzal verliert sich manchmal etwas zu sehr in den Details, aber nie so lange, dass man das Interesse an dieser Geschichte verlieren könnte.

Langeweile kam tatsächlich nie auf (wurde auf dem Cover versprochen). Im Gegenteil, am Ende der Geschichte war man fast schon etwas traurig, adieu sagen zu müssen.


Veröffentlicht am 14.07.2019

Auf der Spur...

Hannah und ihre Brüder
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Das Buch habe ich vom Aufbau Verlag per Mail als Rezensionsexemplar angeboten bekommen. Gott sei Dank ließen sich die Bilddateien nicht direkt öffnen, so dass ich zuerst den Covertext gelesen habe.
Warum ...

Das Buch habe ich vom Aufbau Verlag per Mail als Rezensionsexemplar angeboten bekommen. Gott sei Dank ließen sich die Bilddateien nicht direkt öffnen, so dass ich zuerst den Covertext gelesen habe.
Warum Gott sei Dank?
Nun, das Coverbild ist leider ein Standardbild, welches man seit einigen Monaten auf zig Büchern wiederfindet. Gefühlt jedes dritte Buch, welches den ersten oder zweiten Weltkrieg verbunden mit einer Frauen- bzw. Familiengeschichte zum Thema hat, wird mit dieser Art von Bild beworben. Schade, denn dadurch geht das Individuelle einer Geschichte verloren. In einem Buchladen wäre ich an diesem Buch wohl vorbeigegangen. Aus meiner Sicht hat das Cover auch nur wenig mit dem Inhalt zu tun. Auch der Titel ist irreführend und passt nicht so richtig.

So, nun genug gemeckert, denn die Geschichte ist gut und wunderbar geschrieben.
Die Charaktere wurden schön ausgearbeitet und man konnte sich bestimmte Szenen auch gut bildlich vorstellen.
Es treffen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite ist es Ben, ein hochbetagter Mann, der einen jüdischen Bürger bedroht und ihn auffordert endlich die Wahrheit zu sagen. Auf der anderen Seite ist eine junge Anwältin Catherine Lockhart, die in Arbeit erstickt und unglücklich mit der Situation ist. Sie fühlt sich wie in einem Hamsterrad und kann beim besten Willen keinen weiteren und vorallem unrentablen Fall benötigen. Und doch treffen sie sich und reden miteinander. Es braucht eine Weile bis beide im Einklang sind.

Die Geschichte von Ben, Hannah und Otto spielt in der Zeit des zweiten Weltkrieges in Polen und zeigt, wie die Menschen in Polen noch lange an den Frieden geglaubt haben und den Hass der Deutschen und die Verfolgung der Juden in Deutschland nicht glauben wollten und dabei verdrängten, dass es auch sie treffen könnte. Interessant war die Entwicklung von Otto und wie er sich nach dem Krieg verhalten hat.

Der Autor ist Jurist und somit werden auch viele juristische Aspekte eingeschoben, was ich besonders interessant fand. Denn häufig wird die Verfolgung der NS-Verbrechen nicht in dieser Art von Familiengeschichten mit eingebaut.

Die Geschichte ist absolut vorhersehbar, aber sie ist interessant aufgebaut und lässt sich sehr gut lesen. Ich hätte gern auf die kitschigen Momente zwischen Catherine und Liam verzichten können, aber für Liebesgeschichtenfans gibt es also auch einen Grund dieses Buch in die Hand zu nehmen.