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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2019

Düster und behäbig

Verborgen im Gletscher
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Schwer- und wankelmütig, ganz wie “der Isländer” gerne etwas stereotyp gesehen wird, präsentiert sich dieser Krimi von Arnaldur Indriðason. Hauptfigur ist der kürzlich pensionierte Polizist Konráð, ein ...

Schwer- und wankelmütig, ganz wie “der Isländer” gerne etwas stereotyp gesehen wird, präsentiert sich dieser Krimi von Arnaldur Indriðason. Hauptfigur ist der kürzlich pensionierte Polizist Konráð, ein gutes Beispiel für den eben angesprochenen “Isländer”.

Er beschäftigt sich zwar gerne und viel mit seinen Enkeln, trauert aber immer noch intensiv um seine verstorbene Frau, hängt gedanklich generell viel in der Vergangenheit. Das sind auch durchaus interessante Passagen, die sich in möglichen Fortsetzungen auch mehr Raum verdient hätten. Konráðs Vater hatte eine sehr düstere Seite, die wohl auch auf ihn als Jungen abgefärbt hat. Doch Konráð schaffte rechtzeitig den Absprung.

Aus seinem ehemaligen Beruf dagegen gelang das noch nicht so gut, auch hier holt ihn die Vergangenheit ein. Eine Leiche wird gefunden und sie passt zu einem von Konráðs wenigen alten Fällen, die nie aufgeklärt werden konnten. Lässt sich nach so vielen Jahren nun noch etwas herausfinden?

Wer einen blutigen, actiongeladenen Krimi erwartet, ist hier Fehl am Platz. “Verborgen im Gletscher” hat seine eigenen Gesetze und lässt den Leser die Mühsal eines Cold Case spüren. Feinste, kleinste Hinweise verstecken sind in langen Befragungen, ein gefundener Zeuge oder Name ergibt den nächsten. Konráð wird wider Willen hineingezogen und kann am Ende dann doch nicht die Finger von diesem Fall lassen und ermittelt auf eigene Faust.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Stimmung
  • Figuren
Veröffentlicht am 12.09.2019

Über die wirklich wichtigen Dinge reden

Die einzige Zeugin
2

Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ...

Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ihre erzählerischen Stärken einbringen wollte, aber auch, dass ihr gesellschaftliche Themen am Herzen liegen und sie dazu auch ausführlich recherchiert.

Die Schwedin verknüpft einen fiktiven Mord mit Stockholmer Vergangenheit (vieles rund um den Stadtteil und die Anstalt Beckomberga gibt es wirklich und geschah vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich so) und den Lebensbedingungen von Rumänen, die nach Schweden betteln.

Da die Ex-Frau des Opfers, Eva, beschuldigt wird, den Mord begangen zu haben, macht sie sich daran, das Rätsel selbst zu lösen. Der Leser erfährt viel von ihrer inneren Zerrissenheit und den Problemen, die sie aktuell belasten, aber auch welche sie früher hatte. Ihr Verhalten nach der Scheidung und die schwierige Beziehung zu ihrem Sohn macht es für sie nicht leichter und sie selbst erst recht verdächtig.

Dass Eva auch noch zufällig am Tatort war, glaubt ihr dann natürlich niemand mehr. Aber sie ist entschlossen, die einzige mögliche Zeugin der Tat zu finden und nutzt das, um ihren erwachsenen Sohn Filip besser kennenzulernen. Der Krimi wandelt sich zu einem Roadtrip durch halb Europa, immer begleitet von Evas Gefühlschaos.

Parallel passieren in Beckomberga noch einige andere Dinge und die Angst vor einem Serienmörder geht um. Auch dieser Erzählstrang bleibt trotz einer gewissen Spannung erzählerisch, schafft es nicht zu einem thrillerartigen Element zu werden.

Am Ende ist dieses Buch ein Kriminalroman, bei der die Betonung auf der zweiten Worthälfte liegt. Statt Polizei und Befragungen stehen zwischenmenschliche Spannungen, Gesellschaftskritik und die leise Moral, mehr miteinander über wirklich Wichtiges zu reden, im Vordergrund. Nebenbei erfährt man einiges über Stockholms Bettlerszene und auch die Zustände in Rumänien.

Wer sich darauf einlassen kann und keinen “klassischen” Schweden-Krimi erwartet, kann mit diesem Buch seine Freude haben.

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Veröffentlicht am 21.08.2019

Kummer, Kitsch und Küsse

Im Freibad
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“Im Freibad” ist ein Roman darüber, was eine Gruppe engagierter Menschen mit Unterstützung der Öffentlichkeit alles leisten kann, trotz großer Konzerne, mächtiger Leute und dem Geld, das die Welt regiert. ...

“Im Freibad” ist ein Roman darüber, was eine Gruppe engagierter Menschen mit Unterstützung der Öffentlichkeit alles leisten kann, trotz großer Konzerne, mächtiger Leute und dem Geld, das die Welt regiert. Diese Utopie dreht sich hier um das titelgebende Freibad in einem Londoner Stadtteil.

Wie überall wird auch dort gespart und so kommt es zu Schließungen von Geschäften und öffentlichen Einrichtungen. Der ganze Stadtteil trauert und nimmt es hin. Der ganze Stadtteil? Nein! Eine Gruppe unbeugsamer Schwimmer überzeugt eine junge Journalistin, um ihre Freizeiteinrichtung zu kämpfen.

Die Idee ist okay, die Charaktere großteils auch, zwischendrin gab es für mein Empfinden ein paar zu viele Klischees, die unbedingt bedient werden mussten. Kate und Rosemary, die beiden Hauptfiguren, werden ausgiebig beleuchtet (werden mir zu sehr durch ihre Probleme, ihren Kummer definiert), wodurch für manch andere Personen wenig Raum bleibt.

Der einfache Schreibstil (oder die Übersetzung?) ist relativ Metaphern-lastig, wovon einige neu sind oder in gewissen Szenen durchaus überraschen können, aber durch die Häufigkeit verlierst sich dieser Effekt bald.

Generell ist wenig Überraschung möglich, der Verlauf erwartbar sogar mit der einen oder anderen Wendung. Gute Momente, wo ein bisschen gegen das Klischee gekämpft wird (Teenager krempelt sein Leben um und kommt von der “schiefen Bahn” noch weg) werden leider oft mit kitschigen Dialogen oder offensichtlichen Entwicklungen (warum braucht es noch die Lovestory?) plattgewalzt.

Alles in allem ein netter Sommerroman, der gerne etwas Tiefe hätte, aber meiner Meinung nach im seichten Nichtschwimmerbereich stehen bleibt.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Es schließt sich nur ein halber Kreis

Die Frau aus Oslo
3

Der Großteil der Handlung dieses Skandinavien-Krimis, die vor allem in Oslo und Stockholm angesiedelt ist, spielt um 1942 und 1967. Wir begleiten mehrere Hauptpersonen in diesen Jahren, die nicht unterschiedlicher ...

Der Großteil der Handlung dieses Skandinavien-Krimis, die vor allem in Oslo und Stockholm angesiedelt ist, spielt um 1942 und 1967. Wir begleiten mehrere Hauptpersonen in diesen Jahren, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Ester, engagierte Widerstandskämpferin und Jüdin, flieht nach Schweden und verliert ihre Familie an die Nazis. Sie hilft weiterhin Flüchtenden und spioniert gegen Deutschland.

Zur selben Zeit geschieht ein Mord, Esters beste Freundin stirbt. 1942 haben nicht viele Personen Interesse daran, die Tat aufzuklären und so schleppt sie diesen Schatten immer noch mit sich herum, als sie 25 Jahre später wieder in einem freien und sicheren Oslo lebt. Auch unter ihren ehemaligen Mitstreitern gibt es noch welche, die die alten Zeiten nicht ruhen lassen können.

Die spannende und gut aufgebaute Idee des Romans (er zieht sich gewissermaßen bis 2015!) verläuft leider, je länger das Buch dauert, immer mehr in Ungenauigkeiten, offenen Fragen und zu vielen Andeutungen. Dieser “nebulöse” Stil passt noch zu Beginn des Krimis, aber über die Dauer der vielen Belauerungen, Geheimnisse und Lügen hätte man sich doch mehr Greifbares gewünscht. Ja, zwei große “Haupträtsel” werden erklärt, das eine besser, das andere schlechter.

Dennoch hat man das Gefühl, dass den mit Fingerspitzengefühl aufgebauten Charakteren plötzlich nicht mehr die Ehre zu Teil wird, die man erwartet hätte. Es bleibt auf der einen Seite viel Interpretationsspielraum (wobei nicht ersichtlich ist, warum eigentlich) und andererseits fehlen in den aufgeklärten Teilen der Geschichte wichtige Erläuterungen.

Unter diesen Aspekten, ist der Kreis, der sich am Ende schließen soll, bestenfalls ein halber.

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  • Erzählstil
Veröffentlicht am 13.05.2019

In Südafrika ist kriminell viel los

Mord am Mandela Square
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Dieser Südafrika-Krimi ist der fünfte einer Reihe rund um den Wissenschaftler Frank Sattler. Er lässt sich aber sehr gut ohne Vorkenntnisse lesen, daher denke ich, dass das bei den anderen vieren aus so ...

Dieser Südafrika-Krimi ist der fünfte einer Reihe rund um den Wissenschaftler Frank Sattler. Er lässt sich aber sehr gut ohne Vorkenntnisse lesen, daher denke ich, dass das bei den anderen vieren aus so klappt.

Aus Frank wurde ich bis zur Hälfte des Buches nicht ganz schlau, er hilft seinem Freund, aber dann gibt es ein paar explizite Szenen die mich an seiner geistigen Verfassung etwas zweifeln ließen. Am Ende hat er dann das Herz am rechten Fleck und setzt auch seinen Verstand gewinnbringend ein. Kein klassischer Ermittler, aber er hält sich wacker. Vor allem im Zusammenspiel mit den anderen Hauptfiguren wirkt er nach und nach überzeugender und glaubwürdiger.

Auf spannende Art und Weise schafft der Autor es hier, mehrere zuerst stark unterschiedliche Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen. Allzu viel lässt sich da leider nicht analysieren, um nicht zu spoilern, aber die Entwicklung im Krimi sowohl der Geschichte als auch der Charaktere ist großteils stimmig, die Fäden fügen sich gut zusammen. Dass nach und nach Personen hinzukommen, lässt die Story mit der Zeit fast überladen wirken, aber man kann noch gut folgen.

Für mich eher nervig und überflüssig: die wiederkehrenden Anspielungen à la “er ahnte nicht, wie sehr er irrte”. Manchmal ist auch Sattler etwas gutgläubig, wo man als Leser anhand gewisser Sätze sofort ahnt, dass jetzt dies und das passiert sein muss, nur Frank passt nicht auf.

Kleine Schwäche: Manche Abschnitte sind doch stark detailliert ausgearbeitet, wohl auch um das Land Südafrika mehr zur Geltung zu bringen und die Geschichte zwischendurch nicht zu “örtlich austauschbar” zu machen. Leider ist auf dem Buchumschlag ein Name falsch geschrieben, das sollte nicht passieren. Dafür positiv: nur sehr wenige Fehler, bei einem kleinen Verlag ohne großes Team ist das nicht selbstverständlich.