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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2019

Ein schmerzhaft dunkles Buch

Du gehörst mir
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Ein Buch, das verstört. Das den Leser fordert. Das geradezu unerträglich ist. Das gewaltsam gewaltig ist. Aber auch bescheiden. Einfach und schwierig. Und poetisch dazu. Intensiv allemal. Ein Buch, das ...


Ein Buch, das verstört. Das den Leser fordert. Das geradezu unerträglich ist. Das gewaltsam gewaltig ist. Aber auch bescheiden. Einfach und schwierig. Und poetisch dazu. Intensiv allemal. Ein Buch, das schwer zu ertragen ist.

Das Buch beginnt etwas trügerisch so, als hätte es ursprünglich ein Thriller werden wollen: Tille, der Junge, erlebt hilflos mit, wie das Bein seines Vaters vom Mähdrescher „aufgefressen“ wird. Und er erlebt, dass er keine Rolle spielt, keiner sieht ihn an. Nicht nach dem Unfall, nicht später. Er ist ein Geringgeschätzter, lebt im Unvorhandensein. Er ist ein Niemand, der heranwächst, Familienvater wird. Tagaus tagein verrichtet er die Arbeit auf dem Bauernhof. Er ist pflichtbewusst, hat klare Regeln. Frau und Sohn bleiben Statisten in seinem Leben. Nur seine Tochter löst in ihm Gefühle aus, verwirrende Gefühle. Ein Mord an einem jungen Mädchen geschieht. Doch der Vergewaltiger und Mörder wird 13 Jahre lang nicht gefunden. Obwohl doch ein Flüchtlingsheim in der Nähe ist.

Ja, der Leser versteht schnell, dass Tille der Mörder war. Und dass das fremde Mädchen stellvertretend für seine Tochter Opfer seines Begehrens geworden war. Insofern weicht das Buch in seiner Erzählweise völlig ab von allen Regeln des Spannungsaufbaus. Es sammelt Einblicke in das Innenleben von Tille, Puzzleteile eines klaustrophobisch engen Lebens. Der Leser ist gefordert, denn es wird nicht chronologisch erzählt, sondern die Zeiten fallen durcheinander, werden dem Leser wie Scherben vor die Füße geworfen. Wegweiser durch das Buch ist noch am ehesten die Natur, der Wandel der Natur durch die Jahreszeiten, und dann auch die Vögel, immer wieder die Vögel. Einerseits erzählt der Autor hart und nüchtern, was der harte und nüchterne Tille denkt, beobachtet, sich selbst auferlegt. Andererseits sind Sätze im Buch zu finden, die von einer wunderbar poetischen Sprache sind, wie: „Nachts lag der Mond hinter den Pappeln halb tot auf dem Rücken.“ Oder „Der Herbst verblätterte grau das Jahr.“
Ein großartig geschriebenes, verwirrendes, dunkles, schmerzhaftes Buch, das aufmerksame Leser fordert und vom Wortmagier Peter Middendorp so tief in unser Buchgedächtnis eingepflanzt wird, dass wir die Erinnerung an so manche Szene nicht mehr loswerden.

Veröffentlicht am 26.08.2019

Lesen im Schleudergang zwischen Lachen und Weinen

Es wird Zeit
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Auf dieses Buch war ich nicht gefasst! Kannte ich doch Ildikó von Kürthy als humorvolle Kolumnistin und Verfasserin heiterer Frauenromane. Und jetzt dieses Buch, das mich umwarf, das mich mitten ins Zentrum ...

Auf dieses Buch war ich nicht gefasst! Kannte ich doch Ildikó von Kürthy als humorvolle Kolumnistin und Verfasserin heiterer Frauenromane. Und jetzt dieses Buch, das mich umwarf, das mich mitten ins Zentrum traf, das mich schier zerquetschte zwischen Lachen und Weinen, das mich in einen Schleudergang versetzte zwischen Aufbegehren und Einsicht, zwischen Heiterkeit und tiefer Traurigkeit.
Judith, knapp 50, kehrt in ihre Heimat zurück, um ihre Mutter zu begraben. Doch sie kehrt auch zurück zu altbekannten Hoffnungen, Träumen und Albträumen - und zu einem 20 Jahre alten Geheimnis. Eine wiedergefundene Freundin lebt mit einer todbringenden Krankheit und Judiths bisheriges Leben einschließlich ihrer langjährigen Routine-Ehe gerät zunehmend aus den Fugen.
Leben, Tod, Lieben, Heimat, Verzeihen, Altern, Hoffen – keines dieser Themen bleibt ausgespart. „Es wird Zeit handelt davon, dass Hoffnung nie falsch sein und man sich nie zu früh freuen kann. Es geht um die Schuld und die Wahrheit, um das Bindegewebe und die Liebe. Oder um das, was mal das Bindegewebe war. Und die Liebe. Dieses Buch ist ein Versprechen und eine Reise. Eine Reise bis ans Ende der Welt und vielleicht bis darüber hinaus,“ sagt Ildikó von Kürthy selbst über ihr Buch, und auch, dass ihr das Buch am Herzen liegt wie noch keines davor. Zurecht! Die Autorin schafft es auf unvergleichliche Art, geschliffen scharfe Pointen zum Bauchwehlachen zu setzen unmittelbar neben messerscharfe, sezierende, den Atem nehmende Innen- und Außenansichten eines Lebens in seiner Vergänglichkeit. Ja, ja, genau – so möchte man alle paar Seiten ausrufen, fühlt sich ertappt oder verstanden oder beides und bewundert zutiefst, wie die Autorin es schafft, sich genial zweischneidig durch das Innengeflecht des Lebens hindurchzuschreiben, tief traurig und hellauf lachend. Großartig!

Veröffentlicht am 24.08.2019

Die Poesie der Melancholie

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
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Das Buch zu lesen war für mich wie einen der französischen Filme anzuschauen, in denen nicht viel und doch alles geschieht. Romantisch, poetisch, melancholisch…
L’Ètoile Manquante ist eine Welt für sich ...


Das Buch zu lesen war für mich wie einen der französischen Filme anzuschauen, in denen nicht viel und doch alles geschieht. Romantisch, poetisch, melancholisch…
L’Ètoile Manquante ist eine Welt für sich – ein kleiner Blumenladen im Herzen von Saint-Germain. Sein 74-jähriger Besitzer Dominique Brulé liebt seine Blumen über alles, er hat das feine Gespür dafür, welche Blumen welchem Menschen gut tun und mitunter verschenkt er sie. So auch an die beiden älteren Damen Mercedes und Tilde, die regelmäßig in den Laden kommen. Sie sind zwei in der Einsamkeit gestrandete Spanierinnen, streitbar miteinander verbunden. Dominique Brulé selbst ist die Einsamkeit in Person, verloren in einer verlorenen Liebe, und doch aufmerksam für die Menschen um ihn herum. In dieses statische Gefüge einsamer Menschen bricht etwas Neues ein, als die junge Violeta sich als Aushilfe bei Monsieur Dominique bewirbt…
Ein leises, nein, ein stilles Buch ist das. Die Menschen sind leise, die Geschehnisse sind leise, die Welt der Blumen ist leise. Es gibt, wie es scheint, nur ein passives Sich-Ergeben dessen, was geschieht, kein Aufbegehren, kein Widerstand, nichts, was laut werden könnte. Der spanische Autor Maxim Huerta schreibt französischer als so manch ein französischer Autor. Es gelingen ihm eindringliche Beschreibungen der Trauer, die über die Jahre hinweg übergeht in einen Zustand des Wartens – warten worauf? Und er beschreibt die grenzenlose Einsamkeit des Menschen, der Mensch-ärgere-dich-nicht gegen sich selbst spielt. Aber Huerta schreibt gleichzeitig auch so tänzelnd-leichtfüßig, mit so viel Charme, so unbeschwert Beschwerliches erzählend, so französisch eben, wie es besser nicht geht. Zugleich ist er ein belesener Autor, der das Erzählte mit Büchern anderer Autoren „bebildert“. Und über allem singt Jacques Brel „Ne me quitte pas“.
Ein wunderschönes, ein zartes, ein liebevolles, ein poetisches, ein kluges Buch, traurig und doch das Leben feiernd.

Veröffentlicht am 22.08.2019

Das Herz verstehen lernen

Herzrhythmus – Der Takt des Lebens. Herzrhythmusstörungen verstehen und behandeln
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Mit einer gewissen Sorge begann ich dieses Buch zu lesen. War es wirklich gut für mich, mich mit dem Thema Herzrhythmus intensiver zu beschäftigen? Hatte mir mein unrhythmisches Herz doch schon einige ...


Mit einer gewissen Sorge begann ich dieses Buch zu lesen. War es wirklich gut für mich, mich mit dem Thema Herzrhythmus intensiver zu beschäftigen? Hatte mir mein unrhythmisches Herz doch schon einige körperliche Probleme und mehr noch psychische Probleme bereitet. Würde nicht alles noch viel schlimmer werden, wenn ich mich lesend mit dem Thema intensiver befasse? Würde mich das Buch noch mehr aus dem Rhythmus bringen? Nach Lektüre weiß ich, dass meine Angst unbegründet war. Im Gegenteil: Wieder einmal mehr stelle ich fest, dass sachlich-umfassende Informationen Unsicherheiten und Sorge vertreiben und man stattdessen ermutigt ist, das Bestmögliche für die eigene Herzgesundheit zu tun.
Die beiden Autoren, in leitender Funktion tätig am Peter Osypka Herzzentrum in München und Koryphäen in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen, legen hier ein umfassendes Buch zum Thema vor. Im systematischen Teil werden sehr ausführlich und auch für den Laien verstehbar die verschiedenen Herzrhythmusstörungen, deren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten dargestellt. Viele Zeichnungen und Fotos tragen zusätzlich zum Verständnis bei. Im praktischen Teil, dem für den Laien sicher wichtigsten, erfahren wir, was wir selbst für unsere Herzgesundheit tun können, wobei insbesondere sehr ausführlich auf die Ernährung eingegangen wird. Abschließend gibt es noch eine Sammlung von häufig gestellten Patientenfragen, die die Fachleute aus ihrer Tagespraxis und Erfahrung heraus gesammelt und beantwortet haben. Ein Glossar und ein Register beschließen das Buch.
Fazit: Ein sehr sorgfältig, sogar aufwändig gestaltetes Buch mit umfassenden Informationen, sachlich-verständlich geschrieben und bestens dafür geeignet, Unsicherheiten zu nehmen und den informierten Patienten zum idealen Partner des Kardiologen zu machen.

Veröffentlicht am 20.08.2019

Rosa-Laune-Buch

Die besten Tantenretter der Welt
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Witzig und lebendig wird eine fröhlich-kunterbunte Geschichte erzählt. Ein Kinderbuch, das einfach rundum Spaß macht und auf keinen Fall ernst genommen werden möchte. Ein Buch mit Rosa-Laune-Garantie…
Jonas ...


Witzig und lebendig wird eine fröhlich-kunterbunte Geschichte erzählt. Ein Kinderbuch, das einfach rundum Spaß macht und auf keinen Fall ernst genommen werden möchte. Ein Buch mit Rosa-Laune-Garantie…
Jonas und Fabian leben bei ihrer Tante Erdmute, die Gute. Und sie haben es mit ihrer Tante nicht leicht, denn sie benimmt sich so, als wäre sie eine erwachsene Pippi Langstrumpf. Sie ist unberechenbar und hat stets außergewöhnliche Ideen. Als der Vermieter ihre Wohnung verkaufen will und Tante Erdmute deshalb dringend Geld benötigt, überfällt sie aus der Not heraus in einem wunderbar auffälligen roten Kleid eine Bank. Jonas und Fabian wird ganz anders, als sie sich zusammen mit ihnen und dem Geldsäckchen auf eine rasante Flucht in ein abgelegenes Waldhotel begibt. Dass dort recht wunderliche Leute wohnen und dass auch noch ein wertvolles Briefmarkenalbum geklaut wird, führt zu sehr spannenden Verwicklungen und Jonas und Fabian haben alle Hände voll zu tun, um aus ihrer Tante die Unschuld vom Lande zu zaubern.
Ein so fröhliches, unbeschwertes Kinderbuch habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Es ist frei von allzu ernstem pädagogischem Anspruch und erzählt mit Spaß und Spannung und sehr ideenreich eine flotte Geschichte. Dass man vom Singen rosa Laune bekommen kann oder dass man jemanden mit den Augen in den Arm nehmen kann – solch schöne im Text versteckte Sprachbilder verraten, dass die Autorin (auch) Lyrikerin ist. Ein meiner Meinung nach rundum gelungenes, spritzig erzähltes, mit liebenswerten Protagonisten versehenes Kinderbuch ab 10 zum Selberlesen, zum Vorlesen durchaus auch für jüngere Kinder.