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Veröffentlicht am 17.09.2019

Kein Mann. Kein Haus. Kein Kind.

Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare Zeiten
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Berlin 1952: Dank Rikes Erbe konnte das Kaufhaus Thalheim erfolgreich wieder aufgebaut werden. Rike liebt ihre Arbeit und ist traurig, dass ihr Vater ihren Bruder Oskar vorzieht, der nach 7 Jahren aus ...

Berlin 1952: Dank Rikes Erbe konnte das Kaufhaus Thalheim erfolgreich wieder aufgebaut werden. Rike liebt ihre Arbeit und ist traurig, dass ihr Vater ihren Bruder Oskar vorzieht, der nach 7 Jahren aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist. Zwischen beiden tobt ein erbitterter Machtkampf, den Oskars Zwillingsschwerter Silvie nur zu gern stoppen möchte: „Vertrag dich mit Rike, anstatt immer nur gegen sie zu kämpfen. Dein Wagemut und ihre Vorsicht ergänzen sich doch eigentlich ganz vorzüglich.“ (S. 82)
Oskar ist zwar zurück, hat den Krieg aber mitgebracht. „Sie kommen, Silvie, all die Toten sind auf dem Weg.“ (S. 15) Er kann keine Nacht durchschlafen, rast lieber in schnellen Autos durch Berlin und kennt jeden Nachtklub.
Silvie ist die einzige, die sich nicht im Kaufhaus engagiert. Sie liebt ihr freies Leben, ihre Arbeit und den Erfolg beim Radiosender RIAS. Und sie hat eine gute Nase für Trends. „Silvie hat den Wandel im Blut, von der Familie bisweilen als <> abgetan, dabei hat sie doch lediglich begriffen, dass nichts so bleibt, wie es ist, und alles immer wieder anders werden muss.“ (S. 11) Außerdem kann sie sehr gut mit Menschen umgehen, wie sie in ihrer Sendung „Stimmen“ jeden Freitageabend beweist. Doch privat sieht es weniger gut aus. „Kein Mann. Kein Haus. Kein Kind.“ (S. 21) Ihr Lebensgefährte ist im Stasi-Gefängnis Weißensee verstorben. Da begegnet ihr der aufstrebende junge Schauspieler Wanja – könnte er ihre Zukunft sein?

Brigitte Riebe schließt mit „Wunderbare Zeiten“ fast nahtlos an den ersten Teil der Familiensaga „Jahre des Aufbaus“ an. Das Modekaufhaus läuft gut. Dank Rikes Mann und seiner Verbindung zu Italien kommen sie an ausgefallene Stoffe und Miriam, die in Jerusalem nicht glücklich ist, entwirft wieder ausgefallene Kleider für sie. (Interessant waren in diesem Zusammenhang die Passagen über die Grenzgänger – Menschen, die im Ostteil der Stadt, also der DDR, lebten und im Westen arbeiteten.)
Aber intern kriselt es. Oskar kennt sich nicht mit dem Geschäft aus, ist unzuverlässig, trifft allein externe Absprachen und lässt sich von ihrem ehemaligen Geschäftspartner Werner Brahm einwickeln, dem Rike und Silvie nicht trauen.

Während sich im ersten Band die Handlung um Rike und den Erhalt bzw. Wiederaufbau des Modekaufhauses drehte, steht diesmal Silvie etwas mehr im Vordergrund. Sie steht für die modernen Frauen der damaligen Zeit, ohne Mann und Kind, aber auf der Suche nach der großen Liebe, sehr intelligent und mit einer eigenen Karriere. Sie interessiert sich sehr das aktuelle Geschehen, Kunst und Kultur und so kann die Autorin geschickt Tages- und Welt-Politik (wie z.B. die Aufstände in der DDR und Ungarn), angesagte Schlager und Filme oder die Frankfurter Buchmesse in die Handlung einflechte. Ihr Lebensgefühl, ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihre Freude über den Aufschwung jetzt endlich nach dem Krieg sind in jeder Zeile spürbar. Ich habe mich Silvie nahe gefühlt und mich stets in sie einfühlen.

Silvies kleine Wohnung wird zum Unterschlupf all derer, die sich gerade heimat- oder haltlos fühlen. „Weil du das Herz der Familie bist, Silvie. Du fühlst, wo andere denken oder urteilen, das liebe ich so an Dir.“ (S. 425) Neben ihrem Bruder Oskar wohnen auch ihrer Nichte Florentine oder deren Freundinnen aus dem Ostteil der Stadt kurzzeitig bei ihr. Dabei wird deutlich, wie sehr die Bürger der DDR zum Teil unter ihrem Staat leiden. Lebensmittel sind noch immer knapp und es gibt sie nur auf Marken und wer sich dem System nicht anpasst bekommt Ärger. Davon sind sogar schon Jugendliche betroffen, wenn sie z.B. aus religiösen Gründen nicht in die FDJ eintreten wollen. Für solche Menschen engagiert sich Silvies Onkel Carl sehr. Er lebt und arbeitet als Anwalt in der DDR und will auch dort bleiben: „Ich glaube, dass ich als Anwalt gerade dort gebraucht werde, wo die Ungerechtigkeit am größten ist.“ (S. 272)

Die Familie Thalheim ist insgesamt sehr groß und weitverzweigt. Die Autorin hat versucht, jedem Teil der Familie gerecht zu werden und ihn in der Handlung zu berücksichtigen. Das war mir an einigen Stellen zu viel, auch hat hier der Zufall etwas zu oft mitgemischt.
Von diesen kleinen Kritikpunkten abgesehen hat mich „Wunderbare Zeiten“ wieder sehr gut unterhalten und ich bin gespannt, wie es im 3. Teil weitergeht – steht dann Florentine im Mittelpunkt?

Veröffentlicht am 16.09.2019

Ein echtes Dreamteam

Guglhupfgeschwader
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10 Jahre Eberhofer, 10 Jahre Niederkaltenkirchen – das muss natürlich gebührend gefeiert werden. Nicht nur, dass das Kreisverkehr in Richtung Frontenhausen nach dem Franzl benannt wird, auch eine große ...

10 Jahre Eberhofer, 10 Jahre Niederkaltenkirchen – das muss natürlich gebührend gefeiert werden. Nicht nur, dass das Kreisverkehr in Richtung Frontenhausen nach dem Franzl benannt wird, auch eine große Party muss zum Dienstjubiläum her. Natürlich ist der Birkenberger Rudi sauer, dass er nicht auch geehrt wird, schließlich haben sie die Fälle immer zusammen gelöst.
Mitten in dem ganzen Trubel bitte Lotto-Otto den Franz um Hilfe. Er hat Spielschulden und wird bedroht, hat Angst um sein Leben und das seiner Mutter. Doch bevor Franz reagieren kann, geht der Lotto-Laden in Flammen auf und es gibt eine Leiche. Natürlich holt Franz den Rudi wieder ins Boot – schließlich sind sie ein eingespieltes Dreamteam.

Seit „Winterkartoffelknödel“ bin ich ein echter Eberhofer-Fan und freue mich, wenn ich die sich stetig vergrößernde Familie wieder in Niederkaltenkirchen „besuchen“ kann. Sie sind mir einfach ans Herz gewachsen. Die Oma kocht und backt halt am allerbesten (ich habe ihre Rezepte schon mehrfach ausprobiert) und rückt ihren drei Männern (Papa, Franz und „Schleimsau“ Leopold) den Kopf zurecht, wenn es sein muss. Susi und Franz haben sich endlich zusammengerauft und sind mit dem Paul eine richtige Familie – so wie es sein muss und die Oma es sich wünscht.

Auch abseits der Familie Eberhofer gibt es diesmal viel Zwischenmenschliches, was endlich geklärt werden muss – findet zumindest Rudi, der sich vom Franz nicht verstanden fühlt und dabei von seiner neuen Bekannten unterstützt wird. Die Beziehungsgespräche mit ihm sind wirklich sehr amüsant – zumindest für den Leser.
Aber es wird auch gesellschaftskritisch – natürlich lustig verpackt. Franz muss sich mit Helikoptermüttern und Väter aus dem Randbezirk rumschlagen, die sich über Buengo als (schwarzen!) Kinderfußballtrainer aufregen.

Die Ermittlungen rund um Lotto-Otto sind sehr verzwickt und ziehen weite Kreise bis über die tschechische Grenze. Richter Moratschek fällt vom Glauben ab, Franz bedient sich nicht immer ganz legaler Mittel, um ans Ziel zu gelangen und den entscheidenden Tipp bekommt er ausgerechnet vom Leopold – mehr verrate ich hier aber wirklich nicht .

Der Eberhofer-Jubiläumsfall hat mich wieder bestens unterhalten. Es wird viel gemenschelt, gelacht, gefeiert, gegessen, getrunken, gestritten und natürlich auch ordentlich ermittelt. Dabei wird es sehr gefährlich, denn es wird scharf geschossen ...

Veröffentlicht am 13.09.2019

Das seltsame Fräulein

Ein neues Blau
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Berlin 1919: Lili ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und ihr Vater die Hilfe seines Freundes Takeshi bei ihrer Erziehung annimmt. Takeshi ist Halb-Japaner / Halb-Chinese und wurde von Jesuiten ...

Berlin 1919: Lili ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und ihr Vater die Hilfe seines Freundes Takeshi bei ihrer Erziehung annimmt. Takeshi ist Halb-Japaner / Halb-Chinese und wurde von Jesuiten aufgezogen. Sowohl Takeshi als auch Alexander, der Name, den Jesuiten ihm gegeben haben, bedeutet Beschützer. Als solcher sieht er sich fortan für Lili, sie wird zu seiner Bestimmung. Er bringt ihr die Teezeremonie, Kalligraphie und Zen bei, bildet ihren Geist und weckt die Sehnsucht nach der Schönheit bzw. Perfektion der Dinge.
Lilis Vater ist nicht praktizierender Jude und besinnt sich nach dem Tod seiner Frau, einer Christin, auf seinen Glauben, will ihn auch Lili nahebringen. Doch der Rabbi macht ihm klar, dass Lili keine Jüdin ist – weil ihre Mutter keine war.
Lili ist jetzt also Halbwaise, halb Christin, halb Jüdin, halb Europäerin und halb Japanerin, durch Takeshis Erziehung. Sie fühlt sie nie als Ganzes. Immer nur halb. Über den Tee (ihr Vater betreibt einen Teehandel) beginnt sie sich auch für Porzellan zu interessieren und lässt sich als Porzellanmalerin und Töpferin ausbilden.

Fast 70 Jahre später ist Takeshi verstorben und Lilis Sohn findet, dass sie eine Gesellschafterin braucht. An zwei Nachmittagen in der Woche besucht Anja sie. „Anja. Na ja. Ein Name wie ein Achselzucken.“ (S. 22) Anja steht kurz vor ihrem Abitur und die Ehe ihrer Eltern vor dem Aus. Sie ist ein Punk, entspricht nicht der Norm und hat selber große Probleme, die sie (noch) sehr gut verbirgt.
Das Innere von Lilis Haus erinnert Anja an ein Museum für Moderne Kunst. Und die Porzellanskulpturen, die Lili herstellt, gefallen ihr sofort. „Töpfern Sie, damit etwas von Ihnen bleibt?“ „Nein, ich töpfere, damit es mich überhaupt gibt.“ (S. 237)
Auch der japanische Garten mit dem Teehaus beeindruckt sie. Anja begreift schon beim Kennenlernen: „ ... sie braucht gar keine Gesellschafterin. Stattdessen benötigt sie eine Zeugin. Für all die Dinge, die sie erlebt hat. Und die sie sonst niemandem erzählen kann oder will.“ (S. 31)

Tom Saller hat mich wieder überrascht. Wie schon in „Wenn Martha tanzt“ ist sein Schreibstil wieder sehr poetisch, sehr ruhig und trotzdem fesselnd. Er erzählt eine Geschichte von Suchenden – nach ihren Wurzeln, nach ihrer Zukunft, nach ihrem Selbst, nach ihrer Ganzheit, denn sie alle fühlen sich verloren. Geeint werden sie durch den Tee und Porzellan. Durch Takeshi lernen sie die japanische Höflichkeit – Lili scheint im Alter eine Meisterin darin zu sein. Sie sagt sagt Dinge nicht direkt, lässt Sachen weg, oder umschreibt sie bzw. antwortet mit einem Gleichnis. Das ist für Anja und den Leser zu Beginn zwar ungewöhnlich, macht aber auch den besonderen Reiz des Buches aus.
Nach und nach erzählt Lili ihre Geschichte, eng verbunden mit der Geschichte Berlins in der 20er Jahre, bis sie vor den Nazis fliehen musste. Auch hier hält sich Tom Saller an seinen Stil, mit nur kleiner Andeutungen der Grausamkeiten der Nazizeit verrät er alles.
Zudem geht er auf die Entwicklung der Staatlichen Porzellan-Manufaktur und einer ganz besonderen Schale von König Friedrich ein, mit einer Blüte in „in Lila gehendes ersterbendes Blau“. Diese Schale wird auch Lilis Schicksal.

Noch nie hat mich ein Buch so geerdet und gleichzeitig berührt wie dieses!

Veröffentlicht am 10.09.2019

Die Frauen von Eden

Eden
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„Wahrscheinlich würde dieser Sommer für sie der letzte in dieser exklusiven Nachbarschaft sein.“ (S. 20)
„Eden“ nennt Bunny Meister das mondäne Sommerhaus, das er 1915 für seine Familie in Long Harbor ...

„Wahrscheinlich würde dieser Sommer für sie der letzte in dieser exklusiven Nachbarschaft sein.“ (S. 20)
„Eden“ nennt Bunny Meister das mondäne Sommerhaus, das er 1915 für seine Familie in Long Harbor direkt hinter den Dünen erbauen lässt. Als Sohn jüdischer Einwanderer hat er sich alles hart erarbeitet. Er kann das Haus über den Börsencrash retten und nach einem Tornado wieder aufbauen. Doch 85 Jahre später sieht es so aus, als müsste seine Tochter Becca dem Verkauf des Hauses zustimmen, da ihr verstorbener Mann ihr nur Schulden hinterlassen hat. Zusammen mit ihrer Tochter Rachel, ihrer Enkelin Sarah und der langjährigen Haushalthilfe Lilly verbringt sie einen letzten Sommer auf Long Harbor und bereitet eine große Party wie zu alten Zeiten vor, auf der sie endlich ihr größtes Geheimnis lüften will.

„Eden“ erzählt die Geschichte der Familie Meister über mehrere Generationen. Es sind vor allem die Frauen, welche die Autorin Jeanne M. Blasberg zu Wort kommen lässt. Schließlich verbringen sie den ganzen Sommer in Long Harbor und nicht nur die Wochenenden (wie ihre Männer). Sie halten die Familie zusammen – immer unterstützt von dienstbaren Geistern – und präsentieren, was ihre Männer hart erarbeiten. Dass ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte dabei oft auf der Strecke bleiben, wird natürlich nicht nach außen getragen.

Geschickt wechselt der Blickwinkel zwischen den aktuellen Ereignissen und Rückblenden und enthüllt langsam die Geheimnisse der Frauen von Eden.
Sadie, Bunnys Frau, will die perfekte Ehefrau sein, doch ihre vierte, späte Schwangerschaft und die Geburt ihrer Tochter Becca werfen sie aus der Bahn – Wochenbettdepression würde man heute sagen. Becca wird von einem Kindermädchen aufgezogen, ist es gewöhnt, ihrer Mutter keinen Ärger zu machen und sich immer zu fügen. Sie ist sich nicht sicher, ob Dan wirklich sie liebt oder nur das Haus und das Ansehen ihrer Familie, aber sie heiratet ihn, weil ihre Eltern es wünschen. Nach dem Tod von Sadie und Bunny schwingt sie sich zum Familienoberhaupt auf und übernimmt die Herrschaft über Eden. Beccas Tochter Rachel flüchtet sich in den Alkohol, gibt ihrer Mutter und ihrer Tochter Sarah die Schuld an ihrer frühen Scheidung und ihrem verkorksten Leben. Sarah wiederum überrascht ihre Mutter und Großmutter mit der Ankündigung, dass sie von ihrem Professor schwanger ist und das Kind bekommen wird, obwohl er es nicht möchte. Sie hat keine Ahnung, was auf sie zukommt, aber den Mut, es als Alleinerziehende zu wagen.

Sehr fesselnd und bildlich beschreibt Jeanne M. Blasberg das extravagante Haus und seine verschiedenen Bewohner, die Exklusivität von Long Harbor, die trägen Tage am Strand und die rauschenden Partys, aber auch die Eifersüchteleien und Machtspiele innerhalb der Familie, die großen Lieben und Schicksalsschläge. Und obwohl man als Leser relativ früh weiß, welches Geheimnis Becca nicht mehr verbergen möchte, ist es bis zuletzt sehr spannend.
„Von diesem Tag an war nichts mehr wie früher. Nichts konnte mehr so sein wie früher. Es war, als wäre eine kühle Meeresbrise durch die Glastür ins Haus geweht und hätte hundert Jahre Spinnweben hinweggefegt.“ (S. 392)


„Eden“ bildet die mondäne Kulisse für eine ganz besondere Familiengeschichte voller Geheimnissen und Lügen, Eifersüchteleien und Machtspiele, aber auch Liebe und Zusammenhalt.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Eine gekonnte Mischung aus Krimi und Familiensaga

Das Savoy - Aufbruch einer Familie
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„Das Savoy war ein Kosmos für sich, der jeden Tag seinen eigenen Sonnenauf- und Untergang erlebte. Hier arbeiteten, bedienten, genossen und vergnügten sich Menschen, die nicht nur aus der ganzen Welt kamen, ...

„Das Savoy war ein Kosmos für sich, der jeden Tag seinen eigenen Sonnenauf- und Untergang erlebte. Hier arbeiteten, bedienten, genossen und vergnügten sich Menschen, die nicht nur aus der ganzen Welt kamen, sondern auch für die ganze Welt standen.“ (S. 12)
London 1932: Sir Laurence Wilder ist der Inhaber des wohl berühmtesten Hotels der Stadt und obwohl er schon über 70 ist, hat er es fest im Griff. Seine Angestellten achten und ehren ihn, denn er ist ein guter Arbeitgeber. Darum ist seine Enkelin Violet Masson auch erstaunt, als Laurence nach einem Zusammenbruch behauptet, seine Sekretärin Dorothy würde ihn vergiften wollen. Der Hoteldetektiv Oppenheim nimmt sich des Falls an, kann aber kein Gift oder Hinweise auf einen Anschlag entdecken. Kurz darauf erleidet Laurence einen Schlaganfall und betraut zur Überraschung aller nicht etwa seinen Sohn Henry (der sich sowieso nicht für das Hotel interessiert) sondern Violet mit der Leitung des Hotels. Violet ist zwar im Savoy aufgewachsen, arbeitet aber als Schriftstellerin für den Radiosender BBC. Ihre plötzliche Berühmtheit und die Fülle an Aufgaben überfordern sie: „Sie wollte nicht von jedermann wie die Fürstin vom Savoy begrüßt werden, wollte jung und unbedeutend sein. ... Violet taugte nicht zum Vogel im goldenen Käfig.“ (S. 270) Außerdem fürchtet sie inzwischen, dass es wirklich jemand auf ihren Großvater abgesehen hat, aber wer und warum?

„Das Savoy - Aufbruch einer Familie“ ist der Auftakt einer Trilogie rund um das berühmte Hotel und seine Besitzer. Maxim Wahl schreibt sehr spannend und involviert geschickt reales Zeitgeschehen wie das Erstarken des Nationalsozialismus und berühmte Persönlichkeiten in die Handlung und lässt dabei Menschen aller Herren Länder und mit den verschiedensten Interessen auftreten. Die Welt befindet sich im Umbruch und alles schaut nach Deutschland – auch die Hotelgäste. Vor allem Liftboy Otto, der aus Bayern stammt, bekommt das zu spüren.
Violet ist zwischen der Sorge um ihren Großvater bzw. das Hotel und ihren eigenen Lebens- bzw. Karriereplänen hin- und hergerissen. Sie liebt die Arbeit beim Radio und möchte einen Roman schreiben. Aber sie respektiert Laurence Wunsch. Zudem steht sie zwischen 2 Männern: Max war der Mann ihrer Zukunft... John dagegen war Violets Liebe, was sollte sie dagegen nur machen?“ (S. 56) Max ist ihr Chef bei BBC und macht ihr eindeutige Avancen, John ist der Hausmeister des Savoy und kennt ihre geheimsten Sehnsüchte und Wünsche, versteht sie wie kein anderer. Wie soll sie sich entscheiden?
Im Zuge von Violets Ermittlungen geraten mehrere Angestellte und Gäste des Hotels in ihr Visier, getreu dem Tipp eines Freundes: „Meistens ist der Schurke derjenige, von dem man es am wenigsten erwartet.“ (S. 212)

Mein Fazit: „Das Savoy“ ist eine gekonnte Mischung aus Krimi und Familiensaga. Sehr spannend, unterhaltsam, mit viel mondänem Flair zeigt es, wie die guten Geister unauffällig den Alltag des Hotels bewältigen und dabei einige Intrigen aufdecken. Ich bin schon sehr gespannt, wie es im nächsten Band weitergeht.
Für Fans von „Downton Abbey“ oder „Die Schwestern von Mitford Manor“.