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Veröffentlicht am 27.02.2017

Die Last des Lebens

Dinge, die vom Himmel fallen
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Mitten im finnischen Sommer fällt ein Eisbrocken aus den Wolken und stürzt todbringend auf Saaras Mutter. Vom verzweifelten Vater emotional alleingelassen, versucht die achtjährige ihren eigenen Weg zu ...

Mitten im finnischen Sommer fällt ein Eisbrocken aus den Wolken und stürzt todbringend auf Saaras Mutter. Vom verzweifelten Vater emotional alleingelassen, versucht die achtjährige ihren eigenen Weg zu finden. Aufnahme finden Vater und Tochter im Gutshaus der Tante Annu, bis diese durch einen Schock über einen erneuten Lotteriegewinn in einen wochenlangen Tiefschlaf fällt. Erst der Kontakt zu einem schottischen Fischer, der unglückliches Opfer mehrerer Blitzschläge wurde, hilft Annu aus ihrer Schockstarre. Zurück im eigenen Haus scheint der Weg für die Zukunft von Vater und Tochter gelegt zu sein.

Die in vier Teile gegliederte Geschichte wendet verschiedene Stilformen, wie Märchen oder Briefe an, um die Sinnhaftigkeit des Lebens zu reflektieren. Selja Ahava spielt mit den Formen, gibt ihnen ein neues Gewand. Einfluss findet ein unaufgeregter, nordischer Charme, der Land und Leuten eigen ist. Es gibt keine durchgehende Handlung, der man folgen kann. Sprunghafte Schilderungen geben erst nach und nach ihre Zusammenhänge preis oder bleiben schlicht unerklärlich. Häuser, wie das Sägemehlhaus, wirken lebendiger als die eigentlichen Figuren.

"Wenn ein Haus alt genug ist, hört es auf, so auszusehen, als wäre es von Menschen erbaut worden. Es wird auf die gleiche Art lebendig wie ein bemooster Stein oder ein alter, dicker Baum."

Man meint, der Leser wird bewusst auf Distanz gehalten, ihm wird nur die Rolle des Betrachters zugewiesen. Die anfängliche Kindersicht der achtjährigen Saara vermittelt eine traurige doch leicht verständliche Abfolge von Geschehnissen. In der Romanfigur Hercules Poirot findet sie Halt und sucht nach Antworten für den Tod ihrer Mutter. Sie flüchtet sich in Fantasien und Erinnerungen und kehrt doch immer wieder zum Thema Tod zurück.

Jeder Abschnitt steht für sich, stellt eine Person besonders heraus, nennt sie beim Namen. Die im ersten Abschnitt noch starke Annu verliert durch ein eigentlich schönes Erlebnis, einen Millionen-Lottogewinn, völlig die Fassung. Wie im Märchen verfällt sie in einen komatösen wochenlangen Schlaf. Erst die Gewissheit, dass auch andere Menschen durch plötzliche Ereignisse, wie einen Blitzschlag, mit dem Leben hadern, lässt sie ihr Leben neu ausrichten. Der klare ungeschönte Briefwechsel zweier völlig unbekannter Personen, die sich langsam annähern, regt zum Nachdenken an.

Der Abschnitt "Die Meerjungfrau schlägt mit der Flosse" ist für mich der am schwersten zu erklärende Teil. Aus der Sicht von Kristina, der neuen Lebensgefährtin des Witwers, wird ihre Schwangerschaft, die geprägt ist von ihren Gedanken an das zu erwartende behinderte Kind, intensiv, aber befremdlich künstlich geschildert.

Sehr symbolträchtig werden viele bereits erwähnte Elemente in der Schlussszene verwendet, die viel Raum für eigene Interpretationen lassen.

Obwohl mir die ruhige Art der Schilderung, der besondere nordische Einfluss und das Wecken von ganz eigenen Schlussfolgerungen gefallen hat, habe ich keine Nähe zum Thema gespürt.

Veröffentlicht am 12.01.2017

Emotionale Suche nach der richtigen Entscheidung

Solange ich in deinem Herzen bin
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Durch einen Verkehrsunfall stirbt der 36-jährige Journalist Will, als er gerade auf dem Weg zu seiner 6-jährigen Tochter Ella ist. Fassungslos betrachtet Will, der als Seele zurückbleibt, wie seine kleine ...

Durch einen Verkehrsunfall stirbt der 36-jährige Journalist Will, als er gerade auf dem Weg zu seiner 6-jährigen Tochter Ella ist. Fassungslos betrachtet Will, der als Seele zurückbleibt, wie seine kleine Tochter mit der schrecklichen Wahrheit konfrontiert wird. Um ihm den Abschied von Ella zu erleichtern, darf er für eine kurze Zeit von zwei Monaten noch auf der Erde bleiben. Doch Will kämpft um mehr, er möchte für immer an ihrer Seite bleiben.

Wie fühlt es sich an, wenn einen der Tod überraschend ereilt? S.D. Robertson gelingt es aus Sicht eines Verstorbenen, eine berührende Geschichte zu erzählen. Hauptprotagonist Will stirbt gleich in der ersten Zeile, sodass man als Leser nur die Bekanntschaft mit seiner Seele macht. Zwar glaube ich nicht an Geister oder Seelen, die zwischen uns Lebenden wandeln, aber Wills Seele wird so glaubhaft beschrieben, dass ich mich auf die Geschichte einlassen konnte.

"Gott, ich bin tot, dachte ich. Die schreckliche Wahrheit wurde mir langsam bewusst. Ich bin tatsächlich tot. Mein Leben ist vorbei. Ich werde Ella nie wieder in die Arme nehmen. Ich werde ihr nie wieder die Haare flechten, beim Zähneputzen helfen oder eine Geschichte vorlesen. All diese kleinen Dinge, die für mich immer ganz selbstverständlich waren, sind verloren. Für immer."

Es berührt einen, wie Will seine kleine Tochter beobachtet und verzweifelt versucht, sie noch einmal in die Arme zu nehmen, denn ihm wurden seine physischen Möglichkeiten genommen. Obwohl er durch seine Lotsin Lizzie eine Art Anleitung für Seelen erhält, muss er immer wieder feststellen, wie schwierig und unvollkommen sein Dasein ist. Für Will steht von Anfang an fest, dass er seine Tochter nicht allein auf der Welt lassen möchte. Doch je länger er an ihrer Seite weilt, desto mehr erkennt er, dass es auch Schattenseiten gibt, die nicht nur ihn belasten würden. Nach Ablauf von zwei Monaten muss er sich entscheiden, ob er für immer bleibt oder sich vom Licht davonführen lässt.

Die kleine Ella leidet natürlich am meisten unter dem Verlust. Als Vollwaise findet sie Halt bei ihren Großeltern und ihrer Tante. Aber niemand kann ihren Vater ersetzen. Mir tat dieses Mädchen so unendlich leid. Besonders als Mutter kann ich die enge Bindung zwischen Vater und Tochter gut nachvollziehen.

Der bedrückende, leise und ansprechende Anfang weicht mit der Zeit einer immer aufgebauschteren Handlung. Ein Schicksalsschlag scheint dem Autor nicht zu reichen, es kommt zu einem weiteren Todesfall in der Familie, der auch noch durch ein Geheimnis an Wichtigkeit gewinnt. Mir sind es ein wenig zu viele sehr harte Schicksalsschläge, die hier in so kurzer Zeit aufeinanderfolgen. Ella gerät mehr und mehr in den Hintergrund und Will läuft die Zeit davon.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist ein wichtiges Thema, das häufig verdrängt wird. Der Ansatz dieser Geschichte ist sehr gelungen und hilft sicherlich auch bei der Trauerbewältigung. Man muss sich aber darauf einlassen können, dass es ein Existieren nach dem Tod geben kann.

Das Ende konnte mich zwar überzeugen, doch die Anhäufung der kurz aufeinanderfolgenden Schicksalsschläge in der Familie war mir zu konstruiert und unglaubwürdig. Der Autor hätte für meinen Geschmack bei den leisen Momenten bleiben sollen.

Veröffentlicht am 18.11.2016

Pures Chaos

Ihr seid natürlich eingeladen
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Ein Telefonat mit ihrem 19-jährigen Sohn, der zurzeit in den USA studiert, bringt Mutter Gundulas Alltag heftig durcheinander. Rolfi möchte heiraten und im elterlichen Garten feiern. Die Planung der Feierlichkeiten ...

Ein Telefonat mit ihrem 19-jährigen Sohn, der zurzeit in den USA studiert, bringt Mutter Gundulas Alltag heftig durcheinander. Rolfi möchte heiraten und im elterlichen Garten feiern. Die Planung der Feierlichkeiten überlässt er seiner Mutter, die weder ihre zukünftige Schwiegertochter Candy, noch deren Eltern kennt. Sprachschwierigkeiten bei der Abstimmung der amerikanischen Gästeliste, Nachbarschaftsstreitereien und Verwandtschaftsanimositäten sind nur einige Hürden, die Gundula meistern muss.

Dies ist der dritte Roman von Andrea Sawatzki aus der Buchreihe um die Familie Bundschuh. Auch wenn man die ersten Bände nicht kennt, findet man sich schnell im chaotischen Haushalt der Familie Bundschuh zurecht. Ich-Erzählerin Gundula schildert dem Leser, wie sie die Vorbereitungen auf den großen Tag ihres Sohnes in Angriff nimmt. Die Charaktere sind schräg und überzeichnet beschrieben und für jede Schublade findet sich eine klischeehafte Gestalt. Ehemann Gerald mimt den Burn-out-befallenen Hypochonder, der für jede ihm zugedachte Aufgabe, eine andere Ausrede findet. Allein auf sich gestellt, versucht Gundula dem Chaos Herr zu werden, doch egal was sie in Angriff nimmt, irgendetwas geht schief.

"Unsere Familie zuckte kurz zusammen, weil meine Schimpftirade die Lautstärke der übrigen Gespräche übertroffen hatte. Ich brauche das manchmal. Dieses energische Herausschleudern meines Ärgers. Das macht bei mir im Kopf immer so einen kleinen Kick, und danach fühle ich mich schlagartig besser."

Anfänglich konnte ich über diese ungewöhnliche Familie schmunzeln. Gundulas Bemühungen werden von allen Seiten torpediert und die arme Frau kann einem leidtun. Da aber praktisch auf jeder Buchseite ein Fettnapf auf die Hausfrau wartet, wird der Humor überstrapaziert. Ein wenig mehr Normalität hätte der überschaubaren Handlung gut getan.

Für Leser, die schräge Charaktere und humorige Dialoge lieben, sicherlich sehr unterhaltsam.

Veröffentlicht am 12.11.2016

Eierlikör-Gang auf Einbrecherjagd

Böse Leute
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Auf der Insel Sylt gibt es eine Einbruchsserie, die die Polizei vor ein Rätsel stellt. Opfer sind keine reichen Millionäre, sondern ältere alleinstehende Frauen. Ex-Hauptkommissar Karl Sönnigsen ist empört ...

Auf der Insel Sylt gibt es eine Einbruchsserie, die die Polizei vor ein Rätsel stellt. Opfer sind keine reichen Millionäre, sondern ältere alleinstehende Frauen. Ex-Hauptkommissar Karl Sönnigsen ist empört über die Unfähigkeit seines Nachfolgers. Da seine Ratschläge auf taube Ohren treffen, gründet er kurzerhand mit seinen Freunden Onno, Inge und Charlotte eine eigene Ermittlergruppe. Das Rentnergrüppchen hat auch schon eine erste Spur.

Autorin Dora Heldt ist auch die Erzählstimme des Hörbuches. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch. Leider war ich ein wenig von der Betonung und der Schnelligkeit des Lesetempos enttäuscht. Die erste CD wird sehr schnell gelesen und gerade bei der Einführung der Personen muss man schon genau hinhören. Die folgenden CDs werden in normalem Tempo, aber leider mit wenig Betonung vorgetragen. Gerade bei den wörtlichen Redebeiträgen fehlt beim Vortrag Emotion. Ein ausgebildeter Sprecher hätte sicherlich mehr Lebendigkeit aus den Personen herausgeholt. Denn Potenzial hat das Renter-Quartett. Ex-Hauptkommissar Karl regt sich wunderbar über die ortsansässige Polizei auf. Onno zeigt, dass man auch im Alter noch neue Dinge und vor allem die Liebe entdecken kann und Charlotte als Lockvogel ist ganz in ihrem Element.

Sehr kurzweilig sind die Ermittlungen dieser ungewöhnlichen Truppe. Ganz wichtig: Eierlikör hilft beim Denken und Indiziensammeln. Von einem Krimi ist die Handlung aber weit entfernt. Selbst ein Tod oder vielleicht doch Mord einer alleinstehenden Insulanerin lässt nicht wirklich Spannung aufkommen. Hier steht die Unterhaltung klar im Vordergrund.

Für eine Begleitung während der Autofahrt oder einen gemütlichen Nachmittag genau das richtige Hörbuch.

Veröffentlicht am 04.11.2016

Slapstick meets Krimi

Veilchens Blut
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Statt Reha und Ruhe muss Valerie Mauser ihre bisher unbekannte Tochter aus den Fängen skrupelloser Gangster retten. Für Luna, die eine abenteuerliche Story erzählt, setzt sie nicht nur ihre kriminalpolizeiliche ...

Statt Reha und Ruhe muss Valerie Mauser ihre bisher unbekannte Tochter aus den Fängen skrupelloser Gangster retten. Für Luna, die eine abenteuerliche Story erzählt, setzt sie nicht nur ihre kriminalpolizeiliche Karriere, sondern auch ihr Leben aufs Spiel. Selbstlos stehen ihr Kollege Schmatz, Exermittlungspartner Stolwerk und Freund Sandro zur Seite. Doch ihr Kampf gegen Gesetz und Kriminelle scheint ausweglos.

Joe Fischler setzt mit "Veilchens Blut" die Reihe um die Ermittlerin Valerie "Veilchen" Mauser erfolgreich fort. Der schnelle temporeiche und humorvolle Schreibstil passt zu der quirligen ungewöhnlichen Erscheinung der Ermittlerin. Im Anhang befindet sich ein Steckbrief, der die unkonventionelle Ermittlerin skizziert.

Abweichend von den bisherigen Bänden verzichtet der Autor auf leise Töne oder Gedankengänge der Hauptprotagonistin. Es geht schnell, rasant, bunt und laut zu. Manchmal auf Kosten der Handlung. Trotz Mord, Tierschutz und Bandenkriminalität will sich keine richtige Spannung aufbauen. Slapstickeinlagen von Valeries Mitarbeiter Schmatz lassen selbst eine rasante und halsbrecherische Fahrt zum Schmunzler werden.
"Seine Fahrweise war sogar richtig geschickt, schlitzohrig boshaft, landläufig hundsgemein - aber auf nette Art, jedenfalls aus ihrer Perspektive." ... "Bald wird noch ein Hubschrauber über uns schweben, fürchtete Valerie und fühlte sich an Live-Verfolgungsjagden aus den USA erinnert."

Viele Szenen sind gut gedacht und dann doch immer eine Spur drüber. Teilweise hat man das Gefühl mitten in einer amerikanischen Krimi-Komödie zu sein.

Nebenfiguren wie Stolwerk und Schmatz stehlen Veilchen die Show. Der gutmütige Stolwerk opfert Zeit und Firma, um Veilchen zur Seite zu stehen. Er überspielt seine Sorgen durch Kochkünste und Charme. (Stolwerks Kaiserschmarrn vorgestellt vom Autor selbst, zum Nachkochen).
Chaot und Genie Schmatz sorgt für Überraschungsmomente wo er geht und steht. Sein Wunsch im Außendienst eingesetzt zu werden wird plötzlich zum größten Albtraum.

Leider war dies für mich der schwächste Veilchen-Band. Die vorherigen Bände waren eine Mischung aus leise und laut. Hier war nur Tempo, Radau und Gewalt angesagt. Dabei gäbe es doch gerade zwischen Mutter und Tochter viel zu klären. Die Menschen kamen hier einfach zu kurz. Für weitere Entwicklungen bleibt viel Raum und hoffentlich wieder ein Band, der Valerie die Möglichkeit gibt, ihr Talent als Ermittlerin zu entfalten.