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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.09.2019

Norwegische Literatur vom Feinsten

Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone
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Die norwegische Literatur bekommt momentan zum Glück mehr Veröffentlichungen in Deutsch, da Norwegen dieses Jahr Partnerland bei der Frankfurter Buchmesse ist. Kjersti Annesdatter Skomsvold gehört klar ...

Die norwegische Literatur bekommt momentan zum Glück mehr Veröffentlichungen in Deutsch, da Norwegen dieses Jahr Partnerland bei der Frankfurter Buchmesse ist. Kjersti Annesdatter Skomsvold gehört klar zu den Autorinnen, denen man mehr Aufmerksamkeit wünscht und mit „Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone“ hat sie einen beachtenswerten aktuellen Roman. Das Buch ist kurz, aber dicht. Es sind Reflektionen einer Frau, die Schriftstellerin ist und gerade ihr zweites Kind bekommen hat. Es ist aber nicht so, dass das Buch in erster Linie eine Baby-Idylle zeichnet. Sie sieht auch ganz realistisch die negativen Seiten der Umgebung. Genauso wichtig sind auch Erinnerungen an die Vergangenheit, z.B. an ihren früheren Freund, der Alkoholiker war und Suizid beging.
Ihr jetziges Leben mit Bo und den Kindern kann man als glücklich bezeichnen. Und auch das wird literarisch verarbeitet.

Jetzt hoffe ich nur noch, dass die Autorin auch zur Frankfurter Buchmesse kommt!

Veröffentlicht am 02.09.2019

Aktuelles Bild von Nordkorea

Der Spieler
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Den meisten westlichen Menschen wird Korea fremd sein. Mich hat das Schicksal des Landes immer auch deswegen interessiert und Literatur und Film aus dem Land sind mir willkommen. Doch meistens stammt das ...

Den meisten westlichen Menschen wird Korea fremd sein. Mich hat das Schicksal des Landes immer auch deswegen interessiert und Literatur und Film aus dem Land sind mir willkommen. Doch meistens stammt das aus Südkorea.

Der Spieler ist ein bemerkenswertes politisches Sachbuch von Martin Benninghoff über Nordkorea und seinen Machthaber Kim Jong-un.

Martin Benninghoff sagt gleich am Anfang, dass die westliche Berichterstattung über Nordkorea manchmal etwas hysterisch ist und Falschmeldungen öfter vorkommen.
Der Untertitel Wie Kin Jong-un die Welt in Atem hält ist dann auch das einzige Reißerische am Buch.

Der Autor gibt einen tiefen Blick in die Struktur und das Leben in Nordkorea. Es ist sehr informativ, gibt auch Denkanstöße und durchdenkt mehrere Möglichkeiten über die Zukunft Nordkoreas. Er zeigt z.B. auf, warum es für Korea viel schwieriger mit einer Wiedervereinigung und einen möglichen Verlauf dazu wird im Vergleich zu Deutschland 1990.

Gezeigt wird auch das Alltagsleben abseits von Pjöngjang. Nordkoreas Bevölkerung lebt mehrheitlich in Armut.
Auch Menschenrechtsverletzungen sind ein häufiges Mittel der Machthaber. Das geht in der Betrachtung des Atomprogramms in westlichen Nachrichten häufig unter.

Donald Trumps Verhalten zu Kim Jong-un ist fahrlässig und Kim Jong-un ist mehr als eine Witzfigur, er ist trotz seiner Außenwirkung ein cleverer Politstratege, der seine Chancen im riskanten Spiel nutzen will.
Hängen bleibt folgender Satz:
„Es ist die Bankrotterklärung eines Politikers, der meint, einen globalen Konflikt wie einen Immobiliendeal abwickeln zu können.“

Der Spieler ist bei aller Komplexität ein gut und lesbar gestaltetes Buch geworden, das ein aktuelles Bild des Landes und seiner Situation zeigt.

Veröffentlicht am 31.08.2019

Intelligente Artikel und kraftvolle Interviews

Wie alles anders bleibt
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Das Buch versammelt eine ganze Reihe von Artikeln und Interviews vonJana Hensel. Thema ist immer der Zustand Ostdeutschlands. Ein Thema, das Jana Hensel mit Leidenschaft bearbeitet, das sie nie langweilt, ...

Das Buch versammelt eine ganze Reihe von Artikeln und Interviews vonJana Hensel. Thema ist immer der Zustand Ostdeutschlands. Ein Thema, das Jana Hensel mit Leidenschaft bearbeitet, das sie nie langweilt, wie sie das Leben nicht langweilt. Daher entsteht vielleicht die Intensität, die viele der lesenswerten Artikel prägt. Ihre positive Einstellung ist schätzenswert.
Herausragend sind die kraftvollen Interviews, die man als Leser geradezu verschlingt. Gut gefallen hat mir das Interview mit dem Schriftsteller Alexander Osang. Höhepunkte sind das Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Interview, das mit Merkel und Jana Hensel zusammen geführt wird und das daher ein richtiges Gespräch wird.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Voller Witz, Trauer und Einfallsreichtum

HERKUNFT
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Von allen Büchern, die dieses Jahr auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stehen, ist Herkunft von Sasa Stanisic schon im Vorfeld ein Gewinner, denn das Buch bekam viel Aufmerksamkeit und seine Bedeutung ...

Von allen Büchern, die dieses Jahr auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stehen, ist Herkunft von Sasa Stanisic schon im Vorfeld ein Gewinner, denn das Buch bekam viel Aufmerksamkeit und seine Bedeutung ist Konsens. Der Autor schreibt autobiographisch darüber, wie er als 14jähriger während des Bosnienkrieges als Flüchtling mit seinen Eltern aus Bosnien nach Deutschland gekommen ist. In Heidelberg wuchs er dann auf. Trotz des autobiografischen Gehalts ist das Buch natürlich doch auch literarisch bearbeitet und der Witz und Einfallsreichtum machen es zu einem Lesegenuß. Zudem kann man seine Lebenserfahrungen auch stellvertretend für andere Menschen in dieser Situation lesen. Obwohl er sich in Deutschland wohlfühlt, hat er seine Herkunft nicht vergessen. Eine wichtige Bezugsperson für ihn ist seine Großmutter Kristina, die in vielen Kapiteln auftritt.
Es ist ein grandioses Buch! Für mich ist klar, dass Sasa Stanisic inzwischen als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller gelten kann.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Jahre des Krieges

Und ich war da
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Martin Beyer hat mit „Und ich war da“ ein ambitioniertes und bewegendes Buch geschrieben. Mit Themen, über die es sich lohnt, nachzudenken.
 
Die Hauptfigur August Unterseher ist ein Junge, später junger ...

Martin Beyer hat mit „Und ich war da“ ein ambitioniertes und bewegendes Buch geschrieben. Mit Themen, über die es sich lohnt, nachzudenken.
 
Die Hauptfigur August Unterseher ist ein Junge, später junger Mann in den schlimmen Jahren 1936 bis 1943 in Deutschland. Sein tyrannischer Vater hat einen Bauernhof und behandelt seine beiden Söhne streng. Nicht selten geht es gewalttätig zu. Die Kindheit ist sowohl von der Gewalt des Vaters als auch das der Umgebung und der Gesellschaft geprägt. August Schicksal scheint vorbestimmt. Und nur zweimal glaubt August, auch andere Möglichkeiten zu haben. Zuerst durch seinen intellektuellen Freund Paul, der immerhin Widerstand leistet. August schafft das nicht. Und später durch die Widerständlerin Isabella, in die er sich verliebt, der er aber am Ende doch nicht helfen kann.
 
Später werden die Söhne in den Krieg ziehen und nur August wird versehrt zurückkehren. Aus einer Perspektive aus dem Jahr 1988 versucht der alte August sich durch Traumtherapie an die Kriegsjahre zu erinnern und es folgen grausame Kriegsszenen, in der August immer wieder an die extreme stößt. Er tötet viel und es gibt auch Erschießungsszenen, wo er blind gehorcht. Auch nach dem Krieg wird der traumatisierte August beim Töten helfen.
 
Die Frage ist nun, warum August zum Mitläufer wurde und man kann sich die Frage stellen, wie man selbst reagiert hätte.
Die Fragestellung löst sich durch den Roman meiner Meinung nach nicht auf. Die Beschreibungen der einzelnen Szenen zeigen, dass August Möglichkeiten zu begrenzt waren. Dass er sich innerlich nicht befreien konnte, kann ich verstehen. Aber ein Roman muss die Lösung nicht unbedingt in sich tragen, um zu überzeugen.
 
Man kann sich der Intensität des Romans nur schwer entziehen.
Ich halte den Roman daher für lesenswert.