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Veröffentlicht am 19.09.2019

Sehr unterhaltsam und zum Nachdenken anregend

Die Zeuginnen
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Ganz ehrlich: Meine einzige Erwartung an das Buch war, dass es mir mehr von Gilead berichtet, denn alles, was wir aus Buch 1, dem "Report der Magd" erfahren haben, war die zwar sehr beeindruckende, aber ...

Ganz ehrlich: Meine einzige Erwartung an das Buch war, dass es mir mehr von Gilead berichtet, denn alles, was wir aus Buch 1, dem "Report der Magd" erfahren haben, war die zwar sehr beeindruckende, aber doch eingeschränkte Sichtweise eben jener Magd. Was das angeht, hat das Buch meine Erwartungen deutlich erfüllt: Dank Frau Atwoods toller Wahl der drei sehr unterschiedlichen Erzählerinnen bietet es drei neue und "frische" Blickwinkel auf das Leben innerhalb und außerhalb des totalitären Regimes von Gilead. Hinzu kommt, zu meiner großen und überraschenden Freude, dass mich die Geschichte von Anfang bis Ende total gefesselt und in ihren Bann gezogen hat. Ich habe wirklich jeden freien Moment zum Weiterhören genutzt.

Wir folgen hier drei Erzählerinnen und ihren jeweiligen speziellen Pespektiven: Zunächst einer mächtigen Tante, die Einblicke in die Anfänge von Gilead gibt, in ihre persönliche "Verwandlung" von einem selbstständigen Individuum zu einem Systemzögling und in ihren Alltag tief inmitten dieses Netzes aus Macht, Betrug und Mißbrauch, das die Basis von Gilead bildet. Zweitens folgen wir einer anderen Frau innerhalb des Systems, einer, die die Zeit "vorher" nicht kennt und die Gileads Struktur als normal und "von Gott gewollt" akzeptiert. Die dritte Zeugin ist ein Teenager von außerhalb, ein Mädchen, das sich der Ungerechtigkeit Gileads bewusst ust und diese verachtet. Sie kommt recht frech, und rebellisch, fast "verzogen" herüber, was angesichts der "besonderen" Umstände, unter denen sie aufwuchs/erzogen wurde und die im Laufe der Geschichte klarer werden, für mich durchaus Sinn ergab.

Die Identität der drei Frauen wird im Laufe der Geschichte ebenfalls gelüftet (ich kam früh dahinter, aber das hat die Sache eher noch spannender gemacht), ebenso wie die Verhältnisse, in denen sie zueinander stehen. Ab einem gewissen Punkt nimmt die Geschichte dann nochmals kräftig Fahrt auf, der Epilogue verbindet beide Bücher auf nette Art.

Frau Atwood nimmt sich in ihrem Werk verschiedener Themen an, manchen sehr direkt, anderen eher subtil. Abgesehen von der ganzen Thematik um die allgemeine Unterdrückung und den Mißbrauch der Frauen in Gilead haben mir besonders die Aspekte gefallen, die durch die Geschichten und Handlungen der drei Zeuginnen aufgeworfen wurden. So wie: Wenn dein Land beginnt, sich in einen totalitären Staat zu verwandeln (und Warnzeichen dafür gibt es ja aktuell an verschiedenen Stellen), wie würdest du reagieren? Klar ist es einfach, "Protest!" zu schreien, aber was, wenn es dafür schon zu spät ist? Und, wenn du in so ein System hineingeboren und vom ersten Tag an gehirngewaschen wirst (siehe Nord Korea), würdest du die Ungerechtigkeit überhaupt als solche erkennen, wäre dir überhaupt bewusst, dass du unterdrückt wirst? Denn wenn dir das gar nicht klar ist, dann wirst du dagegen auch nicht vorgehen, und wie könnten dich Außenstehende dann für deine Passivität verurteilen? Und, wenn du siehst, wie solche Dinge in einem anderen Land passieren, was für Konsequenzen hätte das für dich? Oder ist, sagen wir mal, dein entspannter, fauler Sommerurlaub in der Türkei wichtiger als der Boycott eines der wichtigsten Wirtschaftszeige dieses Landes, um so zu protestieren? Charakter 1, 2 oder 3, wähle jetzt, was würdest du tun?

Das alles hat mich schwer zum Nachdenken angeregt, und da das Buch ein flottes Tempo vorlegt und auch sonst leicht zugänglich ist, hoffe ich, dass es eine breitere Leserschaft erreicht, die sich mit solchen Fragen sonst vielleicht nicht beschäftigt.

Das Hörbuch selbst ist gut produziert, mir drei passenden und gut unterscheidbaren Stimmen - vor allem Leslie Maltons Lesung der Tante hat mir sehr gut gefallen.

Alles in allem ein höchst unterhaltsamer Roman mit gewissen Thrillerelementen und viel Stoff zum Nachdenken und/oder zur Selbstreflexion. Eine Kombination, die ich sehr liebe und die mir hier durchgängig gefallen hat.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Was für ein herausragendes Lese- bzw. Hörerlebnis.

Nichts. Was im Leben wichtig ist
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Ich hatte überhaupt keine Ahnung, worum es in diesem Buch geht, hatte es irgendwo sogar eher als eine Art Sachbuch abgespeichert. Also angemacht, reingehört und schnell stellte sich heraus, dass es um ...

Ich hatte überhaupt keine Ahnung, worum es in diesem Buch geht, hatte es irgendwo sogar eher als eine Art Sachbuch abgespeichert. Also angemacht, reingehört und schnell stellte sich heraus, dass es um Kinder bzw. Jugendliche geht. Meine Vorfreude wurde leicht getrübt und ich fragte mich: Wird das so ein Standard-YA-Roman, habe ich da jetzt gerade Lust drauf, wieso steht das überhaupt auf meiner Liste? Ach ja, weil Laurie Maire es liest (wie gewohnt ganz wunderbar!). Also bin ich dran geblieben - und habe dann auch sehr schnell gemerkt, dass das eines von den Büchern ist, die einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen werden.

Hat überhaupt irgendetwas im Leben Bedeutung? Und wenn ja, was? Und wenn nicht - was soll das alles überhaupt? Ein Junge in einer dänischen Kleinstadt wird plötzlich zum über das Leben sinnierender Philosoph. Statt in der Schule verbringt er seine Tage auf einem Pflaumenbaum und ärgert seine MitschülerInnen mit seinen neu gewonnenen Erkenntnissen über die allgemeine Bedeutungslosigkeit à la "Sobald du geboren wirst, fängst du an zu sterben." Die anderen Kinder regt das auf, und sie beginnen, Dinge zu sammeln, die für sie von Bedeutung sind. Das fängt ganz harmlos an. Ein Mädchen muss sich von ihren neuen Schuhen trennen, ein Junge von seiner Angel. Und dann...

... entwickelt sich die Geschichte in einem Tempo, die es mir schwer gemacht hat, mich davon zu lösen. Die Forderungen, die sich die Kinder gegenseitig stellen, um die Bedeutung zu erhöhen, werden immer extremer. Ich habe wie gebannt dieser Spirale der Grausamkeiten gelauscht, die sich immer schneller zu drehen begann. Ich war vollkommen fasziniert von der Geschichte selbst und den zahlreichen Gefühlen, die sie in mir ausglöst hat: dem Grusel, dem Ekel, der Wut, der Trauer, der Hoffnungslosigkeit und dem schieren Entsetzen. Und den vielen, vielen Ansätzen zum Vertiefen: Was ist wichtig? Und, vor allem - wie gehe ich damit um?

Das war so richtig schön "in your face" mit vielen Möglichkeiten zum diskutieren, interpretieren, nachdenken... Sowas hätte ich gerne in der Schule gelesen!

Veröffentlicht am 20.05.2019

Hörbuchempfehlung!

Der goldene Handschuh
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Heinz Strunk gehört zu den Autoren, von denen man sich das Werk am besten selbst vorlesen lassen muss - daher also eine unbedingte Hörbuchempfehlung für die Autorenlesung (es gibt wohl auch noch ein Hörspiel, ...

Heinz Strunk gehört zu den Autoren, von denen man sich das Werk am besten selbst vorlesen lassen muss - daher also eine unbedingte Hörbuchempfehlung für die Autorenlesung (es gibt wohl auch noch ein Hörspiel, aber das kann ich nicht beurteilen).

Strunk erzählt hier, grob umrissen, die Lebens- und Leidensgeschichte von Fritz "Fiete" Honka, einer sogenannten "gescheiterten Existenz", der in den späten siebziger Jahren als Frauenmörder zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Leidensgeschichte deshalb, weil Strunk (der für seine Recherche exklusive Akteneinsicht erhielt) Honka von innen nach außen krempelt, ihn von seiner schweren Jugend, seinen ständigen Abstürzen, seinen Süchten und seinem Wahn so echt und nahbar erzählen lässt, dass man fast mit ihm leidet. Und das trotz seiner Perversion, seinem Hang zur Gewalt und seiner offensichtlichen sonstigen Gestörtheit - der man ist alkoholkrank, gewissermaßen lebensmüde und einfach kaputt. Und er ist bei weitem nicht der Einzige, denn neben Honka tummeln sich im "Goldenen Handschuh", der titelgebenenden 24-Stunden-Reeperbahn-Klitsche, allerlei zerbrochene, verwahrloste, abgestürzte Menschen, die den letzten Rest (sofern vorhanden) von Glück, Stolz, Würde und Lebenswille mit Bier und Schnaps wegspülen.

Den Gegenpunkt setzen die Kapitel, die von einer fiktiven reichen Reederfamilie in drei Generationen berichten - feine Leute der Hamburger Oberschicht dem Anschein nach, aber innerlich genauso verrotet wie die Kneipendauergäste. Ein schöner Kontrast, der mehr und mehr verblasst.

Das klingt alles sehr traurig, unappetitlich und unangenehm, aber Strunk schafft es, sich allen diesen Charakteren mit Respekt zu nähern, und sie "echt" erscheinen zu lassen - hier ist niemand übermäßig karikiert oder eines Witzes wegen ins Lächerliche gezogen. Das Buch ist an vielen Stellen witzig, durchaus - aber nicht auf Kosten der kaputten Typen, sondern wegen ihnen und/oder aus der Situation heraus. Es sind die Lebensweisheiten, die nur so an einem verdreckten Tresen entstehen können, es sind die Sprüche und Spitznamen, die nur in so einer Kaschemme das Licht der Welt erblicken können. Kurzum: Es ist eine äußerst stimmige Milieustudie - fast schon zu stimmig, denn das leichte Unwohlsein und der leichte Ekel beim Hören verschwinden nie ganz.

Ich kann dieses Hörbuch nur empfehlen, aber nicht ohne Warnung: Einige Szenen sind wirklich hart, die Sprache grundsätzlich rau und derbe, die Gewalt und Perversionen teils sehr extrem. Mich persönlich hat das nicht allzu schlimm belastet oder geschockt (was auch immer das über mich aussagen mag...), aber ich kann verstehen, warum dieses Buch durchaus kontrovers behandelt wurde. Für mich überwog am Ende das Gefühl guter, wenn auch "harter" Unterhaltung. Mein Freund und ich haben es, nachdem er mich eingeholt hatte, gemeinsam zu Ende gehört - und schlagen uns jetzt immer mal wieder wechselseitig die Lebensweisheiten von Käpt'n Kuddel und Bruder Siggi um die Ohren.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Was für ein großartiges Lesevergnügen!

Die Manns - Geschichte einer Familie
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Das hat richtig Spaß gemacht. Und dabei habe ich mich am Anfang von Buch und Autor etwas in die Irre führen lassen... aber der Reihe nach.

Bevor ich mit dem Lesen anfing, wusste ich nur absolute "Basics" ...

Das hat richtig Spaß gemacht. Und dabei habe ich mich am Anfang von Buch und Autor etwas in die Irre führen lassen... aber der Reihe nach.

Bevor ich mit dem Lesen anfing, wusste ich nur absolute "Basics" über die Familie Mann. Natürlich war mir der Name Thomas Mann als bedeutender Literat ein Begriff, gelesen habe ich allerdings (noch) nichts von ihm (Buddenbrocks steht ja schon seit Ewigkeiten auf der Liste, bisher habe ich nur eine Verfilmung geschafft, Asche auf mein Haupt). Und ja, er hatte viele Kinder und eines davon, Golo, hat mal ne Biografie über Wallenstein geschrieben (die bei meinen Eltern im Bücherregal stand und ich den Namen Golo als Kind sehr ungewöhnlich fand). Sehr rudimentäres Wissen also. Neugierig auf das Buch hat mich der Klappentext gemacht - wer liest nicht gerne über "schräge" Familien, vor allem, wenn sie prominent sind und ihr Dasein selbst so fleißig dokumentiert haben? Also, her damit. Vorher einmal kurz in den Anhang geschaut, wer wer ist - ah ja, Thomas und seine Frau Katia und die sechs Kinder. Kurz Namen (plus Spitznamen!) "gelernt" (und im Laufe des Lesens noch zwei, drei mal nachgeschlagen, dann saß das).

Ja, und dann ging es los. Zwei Dinge fielen mir am Anfang als, nun ja, ungewöhnlich auf, und ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte: Zum einen der recht neutrale Ton des Autors, zum anderen die Kinder, die (vor allem die älteren) nur - pardon my French - feiern, vögeln, sich zudröhnen und die Eltern anschnorren - amüsant zu Beginn, aber geht das jetzt 400+ Seiten so und will ich das?!?

Beide Bedenken haben sich sehr, sehr schnell zerstreut.

Lahmes Schreibstil hat sich, nach kurzer Eingewöhnung, als unheimlich willkommene Wohltat erwiesen. Die Briefe der Manns/ihre Sprache sind/ist so blumig, gewaltig und wortgewandt, dass der neutrale Erzähler ein notwendiges und sehr gut "auffangendes" Gegengewicht dazu bildet. Auch sprechen die zitierten Schriftstücke alle wunderbar für sich, sie selbst sind ihr eigener Kommentar, sodass es kaum weitere Anmerkungen dazu bedarf - und wenn Lahme doch mal kommentierend eingreift, dann sitzt das aber auch zu 100%. Eben weil diese Technik nicht übermäßig strapaziert wird. Und, weil Lahme als sowohl kompetenter und leidenschaftlicher, gleichzeitig aber auch fair-neutraler Kommentator und Erzähler absolut überzeugt: Man merkt ihm seine Faszination mit dieser Familie an, er "lebt" die Manns - und ist gleichzeitig keiner, der sie auf ein Podest hebt, sondern übt auch Kritik und überführt sie ihrer Lügen. Sehr schön differenziert. Sein Text, der die "Rahmenhandlung" des Buches liefert, also die zeitlichen, räumlichen und inhaltichen Zusammenhänge zwischen den Korrespondenzen herstellt, ist einfach nur richtig gut und toll lesbar. Die Briefe werden übrigens immer nur auszugsweise im Fließtext zitiert, auch das ist gut gewählt, liest sich sehr flüssig.

Das zweite Bedenken, die "Einseitigkeit" der Kinder, hat sich auch schnell zerstreut, denn das war noch lange nicht alles. Aber, zunächst mal, wow, was für eine Familie.

Denkt mal an die Kardashians, die Osbornes oder andere Formate, in denen eine mehr oder weniger prominente Familie ihr Leben vor der Öffentlichkeit ausbreitet, voll mit Liebe, Sex, Hass, Verrat und was noch sonst. Findet ihr doof? Ist noch eh alles nur nach Drehbuch? So sind Familien nicht, prominente schon gar nicht, und vom Sofa ruft die Omma: "Früher hätte es sowas sowieso nicht gegeben?" Äh, doch. Und noch besser. Und in echt. Vorhang auf für die Manns.

Ihr müsst euch das so vorstellen: Vater ist eigentlich heimlich schwul, Mutter (die das weiß, aber egal) schottet Papa von ziemlich allem ab, weil Genies halt Ruhe brauchen, womit Papa, Genie hin oder her, zum ziemlich weltfremden Eremiten wird, der zwar große Texte schreibt, sich aber im Alltag - so sagt man doch - nicht mal alleine die Schuhe zubinden kann. Die Kinder wachsen zunächst in behütetem Wohlstand auf, wohlwissend, dass der Papa (auch genannt der "Zauberer") DAS Genie ist (bloß nicht stören!). Sie machen das, wie oben beschrieben, und noch mehr. Es gibt jede Menge "gay storylines", bis hin zu der jungen Frau, die eigentlich in Erika Mann verliebt ist, die zwar lesbisch ist, aber an dieser Dame kein Interesse hat, daraufhin verlobt sich die Dame mit Klaus Mann, der zwar schwul ist, aber so ne Alibiverlobte ist ja vielleicht nicht verkehrt. Besser als in der daily soap, oder? Und noch dazu echt! Dazu kommen jede Menge psychische Probleme, vor allem bei den Kindern, zweitweise sind mehrere Kinder gleichzeitig in Behandlung. Und alle wollen irgendwie irgendwas in ihrem Leben erreichen, etwas eigenes, sich selbst profilieren - und da ist das Scheitern eigentlich schon vorprogrammiert, denn der Zauberer schwebt über allem und jedem und ist sein Genie ist sowieso nicht erreichbar.

Außer vielleicht für die jüngste, Elisabeth, denn sie ist des Zauberers Lieblingskind. Woher ich das weiß? Nun, sowohl Thomas als auch Katia Mann haben ganz eindeutige Lieblingskinder - und ebenso Kinder, die sie am wenigsten mögen. Und sie lassen das auch alle Beteiligten wissen, inklusive Lästereien der Eltern (v.a. Katia) mit anderen Kindern über ihre ungeliebten Geschwister. Gruselig? In der Tat.

Huch, jetzt bin ich aber schön abgeschweift. Also nein, im Buch dgeht es nicht nur um das lasterhafte Leben der Kinder. Die sind nämlich nicht nur "Sex, Drugs & Rock 'n Roll Literature"-mäßig unterwegs, sondern auch als Abenteurer. Und das meine ich total ernst. Mit Beginn der NS-Zeit und den daraus politischen Bewusstseinsentwicklungen wandelt sich das Buch vom Familienbericht mit Exzessen zum spannenden Abenteuerroman. Es ist einfach unglaublich, was die Kinder alles während der NS-Zeit unternommen haben, um auf ihre Art gegen die Nazis zu kämpfen. Vor allem Erika Mann, die viel als Kriegsreporterin unterwegs war, oder auch die Söhne mit ihren Erlebnissen bei der Armee. Und erst Monika und das tragische Schiffsunglück - das sind Plots, die für sich allein schon genug Grundlage für einen spannenden Roman, wenigstens aber eine atemberaubende Kurzgeschichte liefern würde. Bei den Manns gibt es zig solcher "Anekdoten" zu berichten. Geschichtsunterricht gibt es nebenbei.

Ach, ich könnte noch so viel erzählen. Aber lest doch am besten einfach selbst. Das Buch ist spannend, unterhaltsam und richtig gut geschrieben - eine absolute Empfehlung.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Ich bin total begeistert.

Heftig deftig
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Heutzutage denke ich ja oft: "Wozu brauche ich überhaupt noch Kochbücher, bei dem Überangebot an Rezepten und Tipps online, die so schnell zur Verfügung stehen?" Und dann stolpere ich durch Zufall über ...

Heutzutage denke ich ja oft: "Wozu brauche ich überhaupt noch Kochbücher, bei dem Überangebot an Rezepten und Tipps online, die so schnell zur Verfügung stehen?" Und dann stolpere ich durch Zufall über so ein Werk und weiß wieder genau, warum es manchmal eben doch ein Buch sein muss: Weil es manchmal nicht nur um "das schnelle Rezept mal eben", sondern um das Kennenlernen eines neuen, großen Themas geht.

Das Thema hier ist Umami, der fünfte Geschmackssinn, das sogenannte "Fleischige", das Würzige, das Deftige, also das, was in den meisten unserer Küchen in Westeuropa vornehmlich durch den Einsatz von Geschmacksverstärkern wie künstlichem Glutamat hervorgekitzelt wird. Darauf kann ich gut verzichten (also, auf das künstliche Glutamat), und Copien zeigt, wie das geht, wie man Umami nicht nur auf natürliche, sondern dazu auch noch auf ganz vegane Weise erzeugt.

Nun muss ich sagen, dass wir erst zwei Rezepte aus der recht umfangreichen Sammlung ausprobiert haben, aber schon die waren so unfassbar gut, mmmmh. Kochsud plus Marinade für Sojasteaks zum Grillen waren so lecker, würzig und deftig - ich habe endlich "meine" vegane Grillalternative für alle Gelegenheiten gefunden. Unfassbar lecker, fanden auch meine eher omnivoren Mitgriller - "Wie, da ist kein Fleisch dran, aber das schmeckt doch so?" Ja, willkommen in der Welt der Würzzauber ;)

Als Zweites haben wir das vegane Kimchi angesetzt. Das ist ja schon fast mehr Kunst als Kochen. Die Einkäufe, die Vorbereitungen, das Ansetzen und spätere Beobachten, wie es blubbert und "arbeitet" - hey, ich koche nicht nur, ich fermentiere jetzt. Ergebnis: Ein scharfer-saurer Kohl, der grandios schmeckt und so ziemlich jede Mahlzeit nochmal toppen kann. Viele weitere Rezepte werden sehr bald ausprobiert, meine to-do-Liste ist gut gefüllt :)

Hinzu kommt die generelle Aufmachung, Gliederung und Gestaltung des Buches. Copien erklärt erstmal ein bisschen was Grundsätzliches, sehr strukturiert, sympathisch und hilfreich. Verschiedene Zubereitungsarten werden erläutert, ein "Grundstock" aufgebaut, es gibt eine Liste, welche Zutaten untereinander ausgetauscht werden können - gerade Letzteres finde ich super praktisch, wenn man was nicht mag oder nicht da hat. Die Rezepte sind grob in Gruppen unterteilt, wobei hier weder Menüfolge noch Hauptzutat, sondern einzig und allein die Zubereitung (gebraten, gegrillt, geräuchert usw) ausschlaggebend ist.

Zwei Extras noch, die mir sehr zusagen und die ich so auch noch nicht oft in Kochbüchern gesehen habe: Bei Gewichtsangaben bezieht sich Copien ausdrücklich auf die direkt zu verarbeitende Menge, also ohne "Abfall" - 400 g Kartoffeln sind die 400 g, die dann auch im Topf landen, denn jeder schält anders. Klingt ja bestechend logisch. Und: er kocht nach Mis en Place, also erst alles komplett vorbereiten, bevor es ans eigentliche Zubereiten geht (nix mit "Während das Öl in der Pfanne erhitzt, schnell drei Kilo Zwiebeln schälen" oder ähnlicher Stumpfsinn der, zumindest bei mir, sowieso nie klappt).

Ein Wort noch für alle Bilderfans: Es gibt nicht zu jeden Rezept ein Bild des fertigen Gerichts. Mir persönlich ist das nicht so wichtig, ich finde eine gute Anleitung wichtiger, und die ist hier gegeben. Aber viele mögen oder brauchen Bilder zur Orientierung, deshalb wollte ich es nicht unerwähnt lassen.

Fazit: Ein sehr lohnenswertes Buch, das genau die Art von Rezepten vereint, nach denen ich schon länger gesucht habe. So, und jetzt habe ich Hunger.