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Veröffentlicht am 09.09.2019

Sprache: Top / Story: Flop

Miroloi
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„Miroloi“, der erste Roman von Karen Köhler, hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 geschafft. Erstaunlich, denn wenn man sich die Besprechungen in den diversen Feuilletons anschaut, bietet ...

„Miroloi“, der erste Roman von Karen Köhler, hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 geschafft. Erstaunlich, denn wenn man sich die Besprechungen in den diversen Feuilletons anschaut, bietet er jede Menge Ansatzpunkte für Kritik, was mit Sicherheit nicht nur der Thematik geschuldet ist.

Die Ich-Erzählerin, später Alina benamt, ist eine junge Frau, als Säugling auf einer namenlosen Insel ausgesetzt. Sie wächst als Aussätzige in dieser archaischen Gesellschaft auf, die sich jeglichen zivilisatorischen Errungenschaften verweigert. Der Ältestenrat bestimmt über Recht und Ordnung. Die Regeln des Zusammenlebens speisen sich aus den verschiedensten Religionen, ein Querschnitt aus orthodoxem Christentum, Hinduismus, Judentum und Islam, wenngleich die Beschreibungen der Umgebung die Vermutung nahelegen, dass es sich um eine aus der Zeit gefallene griechische Insel handelt.

Insbesondere Frauen bekommen die Unterdrückung, die Rechtlosigkeit, besonders zu spüren. Aber auch Männer, deren Verhalten von der Norm abweicht, haben Repressalien zu befürchten.

Für Alina öffnet sich eine neue Welt, als ihr quasi Adoptivvater, die spirituelle Instanz des Dorfes, ihr Lesen und Schreiben beibringt, Bildung vermittelt, obwohl dies für Frauen strengstens verboten ist. Aber dessen Tod verändert noch einmal alles. Die Vorschriften werden verschärft, kippen ins Fundamentalistische.

Unmut keimt auf, und auch Alina stellt die Gesetze infrage, rebelliert, zuerst heimlich, dann offen. Muss mit dem Tod rechnen. Es bleibt nur die Flucht, der Aufbruch ins Ungewisse. Hinein ins Wasser, hoffend, das rettende Festland zu erreichen. Ihr eigenes Miroloi singend.

Köhler beschreibt die Realität des weiblichen Lebens in einer feindlichen, patriarchalischen Gesellschaft, die mit gnadenloser Härte an ihren archaischen Riten festhält. Sie erzählt anschaulich und detailreich, die Sprache ist einfach, aber verspielt poetisch. Viele Kunstworte beschreiben Empfindungen, Tätigkeiten und Beobachtungen der Ich-Erzählerin.

Aber es ist diese Naivität, die sich durch den gesamten Roman zieht, die der Komplexität des Themas leider unter dem Strich nicht gerecht wird. So ist „Miroloi“ leider nur ein plakativer, pseudofeministischer Roman. Simpel gestrickt, durchschau- und vorhersehbar. Und das Ende? Inkonsequent und dick aufgetragenes Niveau eines Heftchenromans.

Ob Karen Köhler damit die Finalrunde erreichen wird, darf bezweifelt werden. Es bleibt spannend.

Veröffentlicht am 21.08.2019

Aktuelle Bestandsaufnahme

Gespräche mit Freunden
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Zur Zielgruppe von Sally Rooneys Roman „Gespräche mit Freunden“ gehöre ich ja nun nicht unbedingt. Aber die Auszeichnung als „Book of the year“ in der Sunday Times, dem Guardian, dem Observer, dem Daily ...

Zur Zielgruppe von Sally Rooneys Roman „Gespräche mit Freunden“ gehöre ich ja nun nicht unbedingt. Aber die Auszeichnung als „Book of the year“ in der Sunday Times, dem Guardian, dem Observer, dem Daily Telegraph und dem Evening Standard sowie die Nennung auf diversen Shortlist haben mein Interesse geweckt.

Rooney analysiert Beziehungen – drei Frauen und ein Mann - und betreibt in ihrem Roman tiefgehende Charakterstudien. Dabei nutzt sie weniger Beschreibungen, sondern präsentiert ihre Personen und deren Verhalten anhand von Gesprochenem und Geschriebenem. Auf diese Weise entlarvt sie so nicht nur deren Persönlichkeit sondern durch permanente Selbstreflexionen auch deren Sicht auf die Welt.

Schonungslos demaskiert sie gesellschaftliche Konventionen und hält so auch dem Leser den Spiegel vor. Oft ironisch, aber immer charmant, liefert Rooney mit ihrem Roman eine aktuelle Bestandsaufnahme zu der Gefühlswelt der jungen Weiblichkeit.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Schwedenhappen mit verhaltener Spannung

Opfer
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„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen ...

„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen seines journalistischen Berufsalltags in Gestalt von Alexandra Bengtsson in diesen Thriller einfließen lassen, die die Ermittlungen der Polizei in einer Mordserie aufmerksam beobachtet und begleitet – aus persönlichem Interesse, wie sich herausstellen wird.

Aber auf Anfang: ein Mann wird grausam gefoltert und an eine Scheunenwand genagelt. Er ist zwar noch nicht tot, als die Reichsmordkommission am Tatort eintrifft, kann aber keine Aussage machen, da ihm der Täter die Zunge herausgeschnitten hat. Kurze Zeit danach stirbt er. Hauptkommissar Carl Edson und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Es stellt sich heraus, dass Holst, das Opfer, ein bekannter Krimineller war, der einiges auf dem Kerbholz hatte. Als ein Richter, ein Anwalt und ein Justizbeamter Päckchen mit verstörendem Inhalt erhalten, stellt sich die Frage, ob die Empfänger willkürlich ausgewählt wurden oder ob es Verbindungen gibt. Die Zeit drängt, denn Holst wird nicht das einzige Opfer bleiben…

Svernström hat mit seinem Debüt den Schwedenthriller nicht neu erfunden, macht seine Sache aber auch nicht schlechter als viele seiner Autorenkollegen, und zwar nicht nur in Skandinavien. Reine Unterhaltung, geschickt konstruiert, der Autor lässt sich Zeit, bevor er die Karten auf den Tisch legt. Mit verhaltener Spannung, manchmal etwas blutig und deshalb vielleicht nicht für jeden Leser geeignet. Es sind die üblichen Zutaten: grausame Morde, der Kommissar als einsamer Wolf, die Journalistin traumatisiert, der Mörder psychopathisch. Irrungen und Wirrungen, Wahrheit und Lügen. Plot-Twists, die für Überraschung sorgen. Zwei Perspektiven im Wechsel, Ermittlungen, die durch Rückblenden in die Vergangenheit vorangetrieben werden.

Ein Thriller für zwischendurch. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Erwartungen leider nur teilweise erfüllt

Der Gesang der Flusskrebse
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Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der ...

Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der Vater ein Säufer und Schläger, die Mutter ohne ein Wort des Abschieds verschwunden, ebenso die vier Geschwister. Niemand da, der sich für die sechsjährige Kya verantwortlich fühlt. Denn der Vater gibt nur Stippvisiten, wenn er von mehrtägigen Sauftouren zurückkommt, um seinen Rausch auszuschlafen. Für die Menschen im nahen Fischerdorf ist sie „das Marschmädchen“, von dem man sich besser fernhält. Ungepflegt, dreckig, faul und dumm. Aber auch Kya meidet die Menschen, sie muss allein zurechtkommen, um zu überleben. Dort, wo die Flusskrebse singen, „…weit draußen, wo die Tiere noch wild sind und sich benehmen wie Tiere“.

Das verspricht Südstaaten Noir (Woodrells „Winters Knochen“ ist mir in den Sinn gekommen), aber leider löst Owens dieses Versprechen nicht ein.

Der Roman startet mit einem Prolog im Jahr 1969. Eine männliche Leiche wird im Sumpf gefunden. Wer ist für den Tod verantwortlich? Danach immer wieder Zeitsprünge zwischen gestern und heute, 1952 beginnend, in denen wir Kyas Entwicklung verfolgen können. Gut ausbalanciert, passt. Das Marschland bestimmt ihr Sein, es nährt sie und sichert ihr Überleben. Sie sammelt Muscheln, die sie Jumpin‘ verkauft, einem Ladenbesitzer im Dorf, und wegen seiner Hautfarbe ein ebensolcher Außenseiter wie sie. Sie sieht aber auch die Schönheit der Natur in allen Formen, sammelt Federn und Muscheln und hütet sie wie Schätze. Wobei sie von dem Wissen profitiert, das ihr ihr großer Bruder vermittelte, bevor er sie verließ. So vergehen, die Tage, die Jahre. Gleichförmig. Aber alles verändert sich, als ein Junge in ihre Sumpfwelt eindringt. Kya verändert sich, ihr Denken, ihr Fühlen. Sie möchte keine Außenseiterin mehr sein, möchte dazugehören.

Und genau hier setzt der Bruch in Owens‘ Roman ein. Kyas Coming-of-age Story wird durch den Mordfall mit Krimi-Elementen aufgepeppt, was eher schadet als nützt. Hat die Autorin bis hierher mit außergewöhnlich detaillierten Beschreibungen von Innen- und Außenwelt brilliert (sie ist von Haus aus Zoologin mit zahlreichen Veröffentlichungen zur bedrohten Tierwelt Afrikas), kippt die Story jetzt ins Vorhersehbare, Verkitschte und macht den guten Eindruck, den ich bisher hatte, zunichte. Wird zum Aschenputtel-Märchen und lässt mich zudem mit einigen Ungereimtheiten zurück.

Nichtsdestotrotz, in den Vereinigten Staaten hat das Buch die Bestsellerlisten gestürmt. Nicht zuletzt deshalb, weil es zum Buch des Monats in Reese Witherspoons Buch Club gewählt wurde. Und eine Verfilmung wird es auch geben, die Rechte hat sich ebenfalls Reese Witherspoon für ihre Produktionsfirma Hello Sunshine gesichert.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Für die Fans von "rohem" Fisch

Ceviche. Das Kochbuch
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Juan Danilo, gebürtiger Peruaner und ehemaliger Chefkoch in einem peruanischen Restaurant in Berlin, macht uns in „Ceviche. Das Kochbuch: Peruanisch magisch“ mit einem legendären Gericht seiner Heimat ...

Juan Danilo, gebürtiger Peruaner und ehemaliger Chefkoch in einem peruanischen Restaurant in Berlin, macht uns in „Ceviche. Das Kochbuch: Peruanisch magisch“ mit einem legendären Gericht seiner Heimat Peru bekannt, dem Ceviche. Allerdings sollte man schon ein Faible für Fisch bzw. andere Meerestiere haben, denn sonst wird das mit der Freude an diesem Kochbuch nichts.

Ceviche ist leicht, eiweißreich und gesund, das ideale Gericht an heißen Tagen. Im Prinzip ein Fischtartar, kalt gegart mit dem Saft von Limetten oder anderen Zitrusfrüchten und Salz. Säure ist hier die magische Zutat, die den Garprozess in Gang setzt. Natürlich kann und sollte man das Gericht mit zusätzlichen Zutaten aufpeppen, besonders geeignet hat sich bei mir dafür Chili erwiesen, der dem Ceviche einen zusätzlichen Kick verleiht und durchaus als Ersatz für die traditionell verwendeten Aji-Schoten verwendet werden kann.

Ein einfaches Prinzip, das mich allerdings gerade deshalb zu einer grundsätzlichen Frage bringt: Wofür braucht man ein Kochbuch, das sich ausschließlich mit diesem Gericht beschäftigt? Jeder halbwegs ambitionierte Hobbykoch kann und wird doch eh mit zusätzlichen Gewürzen, knackigen Gemüsen etc. experimentieren. Oder?

Das Kochbuch an sich besticht durch seine hochwertige Ausstattung und die farbenprächtigen mit den Rezepten korrespondierenden Fotos. Wir erfahren Einzelheiten zur peruanischen Küche und über die Tradition der Ceviche. Der Rezeptteil nimmt zu einen Bezug auf die unterschiedlichen Zubereitungsarten sowie die verschiedenen Fische und Meerestieren, die dabei Verwendung finden. Ergänzt wird dies durch vegetarische Alternativen, einen Dessert-Teil und Beschreibungen von Extras, die Einzug in die Rezepte gehalten haben.

Ein Kochbuch, das auf 168 Seiten leider nur einen Aspekt der peruanischen Küche umfassend behandelt, aber Fans von „rohem“ Fisch mit Sicherheit inspiriert.