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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2019

Lesegewohnheiten aufbrechen

Mutter brennt
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Schon das expressionistische Cover verrät, dass Mutter brennt kein allzu gemütliches Buch sein wird.
Die österreichische Schriftstellerin Sophie Reyer entwirft hier eine ungewöhnliche Familiengeschichte, ...

Schon das expressionistische Cover verrät, dass Mutter brennt kein allzu gemütliches Buch sein wird.
Die österreichische Schriftstellerin Sophie Reyer entwirft hier eine ungewöhnliche Familiengeschichte, bei der lange unklar ist, was real, was eingebildet ist.
Louise ist eine Frau mit 2 Kindern, Ina und Clemens. Aber gibt es diese wirklich? Ihr Exmann bestreitet, das sie Kinder haben.
So ist man als Leser schon früh irritiert und aus gerade diese Unsicherheit ergibt sich eine Spannung. Die Geschichte bezieht auch Sophie Mutter Eva mit ein, die vor ein paar Jahren gestorben ist und dich noch so allgegenwärtig scheint. Vor ihrem Tod war sie schon nicht mehr zurechnungsfähig.
Auch Sophies magersüchtige Tochter Ina gerät irgendwann in einen katatonischen Zustand.

Manche Passagen vermögen zu faszinieren, andere sind aber fast abstoßend geschildert. Ein wohlfühlen beim Lesen sollte man nicht erwarten, aber dieses Unbehagen ist gewollt, um Lesegewohnheiten aufzubrechen.
Es ist ein Roman auf den man sich einlassen muss.

Das Buch ist für den österreichischen Buchpreis nominiert. Man darf gespannt sein, wie es von der Jury aufgenommen wird.

Veröffentlicht am 18.09.2019

Der Himmel in Kobaltgrün

Was machen Tagträumer nachts?
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Dieses Buch ist ein Versuch, der Neugier auf die Spur zu kommen. Die Autorin Susanne Niemeyer unterscheidet dabei zwischen Neugier und Voyeurismus. Das halte ich für wichtig, denn das eine zeugt von Anteilnahme, ...

Dieses Buch ist ein Versuch, der Neugier auf die Spur zu kommen. Die Autorin Susanne Niemeyer unterscheidet dabei zwischen Neugier und Voyeurismus. Das halte ich für wichtig, denn das eine zeugt von Anteilnahme, das andere ist purer Eigennutz und schädlich.

Die gesunde Neugier kann auch verloren gehen, zum Beispiel im Alltag.
Susanne Niemeyer ist daher dem Lebensgefühl auf der Spur, in der Neugier positiv besetzt ist und viele kurze Abschnitte sind mit richtungsweisenden Schlagwörtern besetzt. Ihr eigenes Leben nutzt sie als Pfad für die Suche und gelangt dann auch in die Lebensabschnitte der Vergangenheit, der Kindheit und der Familie.

Wieder ein sehr schönes Buch vom Herder-Verlag!

Veröffentlicht am 17.09.2019

Unterhaltung mit Anspruch

Und doch fallen wir glücklich
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Der italienische Lehrer Enrico Galiano erzählt in seinem Debütroman von einem sensiblen Teenager mit Problemen. Die sechszehnjährige Giola lebt mit ihrer kranken Großmutter und versoffenen Mutter alleine ...

Der italienische Lehrer Enrico Galiano erzählt in seinem Debütroman von einem sensiblen Teenager mit Problemen. Die sechszehnjährige Giola lebt mit ihrer kranken Großmutter und versoffenen Mutter alleine und ziemlich ärmlich. Der gewalttätige Vater ist nur manchmal da. In der Schule wird sie gemobbt, unter anderem auch, weil sie sich nicht anpasst. Folglich ist sie sehr alleine. Sie hat sogar eine imaginäre Freundin erfunden, mit der sie sich unterhält. Dieser Aspekt wird später in der Handlung noch die Frage aufwerfen, was ist Realität, was stellt sie sich vielleicht nur vor.
Als sie den 18jährigen Lo kennen lernt und sich verliebt, scheint es eine Wende in ihrem Leben zu geben. Doch Lo ist auch rätselvoll und verrät nicht viel von sich selbst.
Als er eines Tages verschwindet, will Giola das nicht ohne weiteres hinnehmen und forscht in der Vergangenheit.
Der Roman geht den Weg zwischen Anspruch und Unterhaltung, was natürlich okay ist. In der ersten Hälfte ist der Roman meiner Meinung nach brillant, da er den Zustand eines isolierten Mädchens so eindringlich und originell darstellt. es wird auch klar, wie sensibel, fantasievoll und künstlerisch begabt Giola ist, zum Teil wird das durch die Gespräche mit Philosophie-Prof. Bove deutlich, die sich auf einem hohen Niveau bewegen. Was ist wichtig im Leben, was nicht.
In der zweiten Hälfte ist das Buch zwar tempovoller, aber nicht mehr ganz so zwingend.
Die Handlung um Lo wirkt doch zu konstruiert.
Es bleibt aber eine interessante Geschichte um die Weiterentwicklung der Protagonistin und es hat Spaß gemacht, das Buch zu lesen.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Roman voller Themen mit Substanz

Schutzzone
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Der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman Schutzzone von Notra Bossong ist ein interessantes und vielschichtiges Buch mit heiklen Themen. Es ist in meinen Augen ein gesellschaftspolitisches Buch. ...

Der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman Schutzzone von Notra Bossong ist ein interessantes und vielschichtiges Buch mit heiklen Themen. Es ist in meinen Augen ein gesellschaftspolitisches Buch.
Hauptfiguren sind die für die UNO arbeitende Mira, ihr verheirateter Freund Milan und der afrikanische Rebellenführer Aimé.
Die Figuren werden einigermaßen zurückhaltend charakterisiert, daher findet man vielleicht nicht sofort Zugang zu ihnen, aber das wird mit der Zeit.

Erzählt wird in rasch wechselnden Zeitabschnitten (1994, 2017, 2011, 2012) an verschiedenen Orten (Genf, Bonn, Bujumbura, New York). das kann leicht verwirrend sein und man muss sorgfältig lesen, damit sich mehr erschließt. Ich habe streckenweise ganze Abschnitte zweimal gelesen.
Der Roman verträgt kein schnelles, flüchtiges Lesen.

Nora Bossong ist auch Lyrikerin und auch in ihrer Prosa gibt es einige hervorragende Formulierungen, die literarische Qualität besitzen und für Leser, die Feinheiten mögen, einiges bieten.

Veröffentlicht am 14.09.2019

Crazy

Vater unser
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Angela Lehners Debütroman Vater unser ist sprachlich wie inhaltlich lebhaft und im positiven Sinne überdreht.
Die Ausgangssituation ist außergewöhnlich. Eine Frau, die in die Psychiatrie eines Wiener Spitals ...

Angela Lehners Debütroman Vater unser ist sprachlich wie inhaltlich lebhaft und im positiven Sinne überdreht.
Die Ausgangssituation ist außergewöhnlich. Eine Frau, die in die Psychiatrie eines Wiener Spitals eingeliefert wird, wo auch schon ihr Bruder Bernhard Patient ist. Gemeinsam ist ihnen eine schwere Kindheit im konservativen Kärnten.
Die Dialoge bestimmen den Ton. Dabei sind die Gespräche zwischen Eva und dem Psychiater Korb voller spöttischen Witz und Ironie, aber auch mit einer Tiefe versehen. Das ist schon ein sprachliches Feuerwerk.
Man rätselt, was mit Eva los ist und was eigentlich passiert ist, deswegen wird das Buch nie langweilig.
Daher ist die Autorin mit diesem Buch zu recht für den Deutschen Buchpreis und dem Debütpreis des österreichischen Buchpreises nominiert ist.