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Veröffentlicht am 28.09.2019

Die Außenseiterin ohne Namen

Miroloi
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In einem kleinen Ort namens Schönes Dorf, gelegen auf einer recht einsamen Insel, ticken die Uhren noch anders. Dort haben die 13 Männer des Ältestenrates das Sagen und die Religion spielt eine zentrale ...

In einem kleinen Ort namens Schönes Dorf, gelegen auf einer recht einsamen Insel, ticken die Uhren noch anders. Dort haben die 13 Männer des Ältestenrates das Sagen und die Religion spielt eine zentrale Rolle im Alltag der Bewohner. Im Haus des Geistlichen Prahan lebt eine 15-Jährige, die als Findelkind noch im Babyalter von ihm aufgenommen wurde. Der sogenannte Bethaus-Vater verlangt seinem Pflegekind einiges an Arbeit ab, ist aber gut zu ihr und tut sein Möglichstes, um dem Teenager die Eltern zu ersetzen. Doch außerhalb des geborgenen Heims hat es die Jugendliche schwer. Wegen ihrer unbekannten Herkunft wird der Außenseiterin ein Name verweigert, sie wird beschimpft, gemobbt und in vielfacher Hinsicht ungerecht behandelt. Allerdings haben sich auch die übrigen Einwohner des Dorfes an strenge Regeln und einige Einschränkungen zu halten. Vor allem die Frauen haben es nicht leicht. Die 15-Jährige jedoch beginnt, das System zu hinterfragen, und probt im Geheimen den Aufstand…

„Miroloi“ ist der Debütroman von Karen Köhler.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 128 kurzen Kapiteln, die als Strophen deklariert werden und jeweils eine knappe Überschrift haben. Die Geschichte wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht der jungen Frau erzählt – und zwar in chronologischer Reihenfolge, aber mit mehreren kurzen Rückblenden. Der Aufbau ist gut durchdacht.

Sprachlich konnte mich der Roman überzeugen. Der Schreibstil erscheint zunächst recht primitiv, stellt sich nach einigen Seiten aber als einzigartig heraus. Eine einfache Syntax mit einigen Wortwiederholungen ist auffällig. In semantischer Hinsicht ist die Lektüre allerdings vor allem wegen ihrer kreativen Metaphern und Wortneuschöpfungen interessant. Gut gefallen haben mir auch die poetische Note und der Detailreichtum. Zudem gelingt es der Autorin, mit wenigen Sätzen eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Schon nach den ersten Kapiteln hat es der Roman geschafft, mich zu fesseln.

Mit der namenlosen Jugendlichen dreht sich die Geschichte um eine reizvolle Protagonistin, deren Gedanken- und Gefühlswelt sehr gut nachvollziehbar ist. Ihre Entwicklung wirkt glaubhaft. Auch einige andere Personen wie die alte Mariah sind interessant dargestellt. Zwar gleitet das Buch bisweilen bei manchen Figuren etwas zu sehr ins Schemenhafte ab, was vor allem bei den „Bösen“ auffällig ist. Das hat mich allerdings nicht besonders gestört, weil sich darin der Parabel-Charakter des Romans offenbart.

Angesiedelt ist die Geschichte in einem fiktiven Ort, in dem die Bevölkerung in einer fiktiv ausgestalteten Gesellschaftsform lebt, die rückständig ist und viele Errungenschaften der modernen Zivilisation ablehnt. Das Worldbuilding wirkt schlüssig, Logikbrüche sind für mich nicht zu erkennen. Das System erschließt sich Stück für Stück. Zwar gibt es Redundanzen. Der mehr als 450 Seiten umfassende Roman bleibt jedoch kurzweilig und kann einige Überraschungen bieten.

Inhaltlich ist der Roman keine leichte Kost und verfügt über eine Menge Tiefgang. In der öffentlichen Wahrnehmung wird oft die feministische Komponente des Werkes betont. Der Kampf gegen patriarchische Strukturen und die Unterdrückung der Frau spielen tatsächlich eine große Rolle. Doch thematisch hat die Geschichte noch viel mehr zu bieten: die Folgen einer Diktatur von wenigen, verschiedenartige Gewalt an den Schwachen, Mobbing von Minderheiten, religiösen Wahn und Diskriminierung jeglicher Art. Es geht um den Kampf für Freiheit in unterschiedlichen Ausprägungen, um Freundschaften, Zusammenhalt und Liebe. Obwohl die Geschichte wohl vor etwa 30 Jahren spielt (ein genauer Zeitpunkt wird nicht genannt), ist die Thematik brandaktuell, sodass der Roman zum Nachdenken anregen kann. Dazu passt hervorragend, dass am Ende doch noch die eine oder andere Frage offen bleibt.

Das Cover der gebundenen Ausgabe gefällt mir sehr. Der Titel, der sich auf das Totenlied bezieht, das jedem Verstorbenen individuell gesungen wird, ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Miroloi“ von Karen Köhler ist ein außergewöhnlicher Roman, in dem mehr steckt, als sich auf den ersten Blick zeigt. Eine empfehlenswerte Lektüre vor allem für denjenigen, die sich auch gerne mit unbequemer Literatur auseinandersetzen.

Veröffentlicht am 30.07.2019

Eine gefährliche Freundschaft

So schöne Lügen
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Eigentlich wollte Louise (29) Autorin werden, stattdessen schlägt sie sich in New York mit miesen Jobs herum. Um ihr Leben zu finanzieren und die Miete für die Wohnung in Brooklyn zu bezahlen, arbeitet ...

Eigentlich wollte Louise (29) Autorin werden, stattdessen schlägt sie sich in New York mit miesen Jobs herum. Um ihr Leben zu finanzieren und die Miete für die Wohnung in Brooklyn zu bezahlen, arbeitet sie in einem Café, schreibt für eine Internet-Shoppingseite und gibt SAT-Vorbereitungskurse. So lernt sie die 23-jährige Lavinia Williams kennen. Die reiche Studentin wohnt auf der Upper East Side und ist sehr attraktiv. Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft. Lavinia teilt ihr glamouröses Leben mit Louise, die der schönen Welt zunehmend verfällt. Doch es geht nur solange gut, wie Louise nach den Regeln von Lavinia mitspielt...

„So schöne Lügen“ ist der Debütroman von Tara Isabella Burton.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zehn Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird im Präsens. Der Aufbau wirkt durchdacht und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist geprägt von vielen Dialogen. Er verzichtet auf ausschweifende Beschreibungen und Details. Dadurch erinnert er stellenweise an ein Drehbuch oder Drama. Dennoch liest sich der Roman flüssig. Umgangssprache macht den Stil lebhaft, aber nicht zu vulgär.

Mit Louise und Lavinia stehen zwei Protagonistinnen im Vordergrund, die ich zwar nicht sonderlich sympathisch, aber doch sehr reizvoll finde. Beide Charaktere sind nicht leicht zu durchschauen, was für die Handlung jedoch förderlich ist. Zum Teil wirken die beiden ungleichen Frauen sowie einige Nebenpersonen ein wenig überzeichnet, was dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch tut.

Beim Lesen kommt keine Langeweile auf. Das liegt nicht nur daran, dass der Roman nur etwas mehr als 300 Seiten hat, sondern auch daran, dass die Geschichte schnell einen Sog entwickeln kann. Die Handlung nimmt stetig an Spannung zu und bietet einige Überraschungen.

Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch gesellschaftskritische Elemente aufgreift. Die schöne Welt des falschen Scheins, der Umgang mit den sozialen Medien und ähnliche Themen sind sehr aktuell und regen zum Nachdenken an.

Das Cover der gebundenen Ausgabe finde ich optisch äußerst gelungen, obwohl es wenig über den Inhalt aussagt. Der deutsche Titel weicht stark vom Original („Social Creature“) ab, passt aber nach meiner Ansicht sogar noch besser.

Mein Fazit:
Mit „So schöne Lügen“ ist Tara Isabella Burton ein eher ungewöhnlicher Roman gelungen, der - aufgrund des Schreibstils, der Charaktere und der Story - das Potential hat zu polarisieren. Mir hat die kreative Geschichte unterhaltsame und fesselnde Lesestunden bereitet, sodass ich das Buch weiterempfehlen kann.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Warum es normal ist, nicht normal zu sein

Dachschaden kann man nicht versichern
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Bin ich noch normal oder habe ich schon ernsthafte Schwierigkeiten? Bin ich zu emotional, habe ich ein Suchtproblem, bin ich psychisch krank oder einfach nur etwas anders? Viele Menschen stellen sich diese ...

Bin ich noch normal oder habe ich schon ernsthafte Schwierigkeiten? Bin ich zu emotional, habe ich ein Suchtproblem, bin ich psychisch krank oder einfach nur etwas anders? Viele Menschen stellen sich diese oder ähnliche Fragen, wenn es um die eigene Person geht. Aber woran erkenne ich, dass ich etwas an mir ändern sollte oder sogar eine Therapie machen müsste? Und wie lerne ich mit Dingen umzugehen, die mich an mir selbst stören? Antworten auf diese Fragen gibt Kristina Fisser, Psychologin und Psychotherapeutin mit eigener Praxis.

„Dachschaden kann man nicht versichern – Die wunderbare Welt unserer Psyche“ von Kristina Fisser ist ein Sachbuch zum Thema geistige Gesundheit.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln ähnlicher Länge, die unterschiedliche Themen behandeln und wiederum in mehrere Abschnitte untergliedert sind. Sie werden umrahmt von einem Vorwort und einem Nachwort der Autorin. Zu jedem Kapitel gibt es einen Exkurs, jeweils überschrieben mit „Blick hinter die Kulissen“. Dort wird erklärt, wann eine Psychotherapie angezeigt ist, was dabei geschieht und wie sie abläuft. Zwar war mir das dort Beschriebene weitestgehend bekannt, doch für die meisten Leser dürfte es interessante Einblicke liefern. Ich hätte es allerdings vorgezogen, wenn diese Infos in einem separaten Kapitel gebündelt worden wären, da mich die Einschübe immer etwas aus dem Lesefluss gebracht haben. Davon abgesehen, finde ich den Aufbau schlüssig und gut durchdacht.

Trotz des ernsten Themas ist der Schreibstil locker und humorvoll. Er ähnelt einem angenehmen Plauderton. In der Fachwelt geläufige Begriffe tauchen auf, werden aber gut erklärt und sind auch dank des Glossars für Laien nachvollziehbar. Selbst kompliziertere Sachverhalte werden gut formuliert, sodass das Buch sowohl für Leser ohne Vorwissen als auch für diejenigen mit psychologischen Kenntnissen lesbar ist. Unterstützt wird die Sprache mit Illustrationen, Grafiken und anderen visuellen Darstellungen, die beim Verständnis hilfreich sind. Lobenswert sind zudem das umfangreiche Literaturverzeichnis und das Register.

Inhaltlich geht es um die Themen Identität, Motivation/Selbstdisziplin, Emotionsregulation, Arbeitswelt, Körperkult, Entwicklungsaufgaben, Partnerschaft, Nachwuchs, Suchtmittel, Einsamkeit, Neid und Tod. Eine bunte Mischung, die dafür sorgt, dass sich ein breites Feld der Leserschaft mit einigen oder mehr Aspekten angesprochen fühlt und für seinen persönlichen Alltag Tipps aus der Lektüre ziehen kann.

Positiv anzumerken ist, dass die Autorin nicht nur ältere und jüngere Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung einbaut und erläutert, sondern jeweils konkrete Beispiele und persönliche Anekdoten nutzt. Gut gefallen hat mir auch, dass immer wieder Übungen vorgeschlagen werden, wie man gewisse Situationen besser bewältigen kann und wie sich erkennen lässt, wo Probleme bestehen. An einigen Stellen hätte ich mir jedoch gewünscht, dass die Ausführungen etwas mehr in die Tiefe gehen. Dann hätte ich etwas mehr von der Lektüre profitieren können. Echte Aha-Erlebnisse sind beim Lesen leider ausgeblieben. Nichtsdestotrotz: Um auf unterhaltsame Weise Denkimpulse zu erhalten und sich das eigene Denken, Fühlen und Verhalten bewusster zu machen, dazu taugt das Sachbuch allemal.

Das ansprechend gestaltete Cover, das die Autorin in den Vordergrund rückt, wirkt modern und passt gut. Auch der salopp formulierte Titel macht Lust aufs Lesen.

Mein Fazit:
„Dachschaden kann man nicht versichern – Die wunderbare Welt unserer Psyche“ von Kristina Fisser ist ein gleichsam unterhaltsamer wie interessanter Ratgeber auf dem Gebiet der Psychologie, der eine Fülle von Lebensbereichen abdeckt. Besonders empfehlenswert für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit der Thematik beschäftigt haben und einen leichten Einstieg finden möchten.

Veröffentlicht am 27.06.2019

Wenn ein Roboter das Liebesglück bedroht

Maschinen wie ich
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London im Jahr 1982: Der Falkland-Krieg ist für Großbritannien verloren, doch dank der Forschung von Alan Turing gibt es inzwischen Internet, Handys und selbstfahrende Autos. Auch bei der Entwicklung von ...

London im Jahr 1982: Der Falkland-Krieg ist für Großbritannien verloren, doch dank der Forschung von Alan Turing gibt es inzwischen Internet, Handys und selbstfahrende Autos. Auch bei der Entwicklung von Robotern ist man in der alternativen Vergangenheit schon weit fortgeschritten: Künstliche Menschen, die täuschend echt anmuten, sind käuflich zu erwerben. Charlie Friend, ein 32-jähriger Lebenskünstler, wagt die teure Investition und kauft Adam, einen der ersten Androiden, die auf den Markt kommen. Bald aber merkt Charlie, dass Adam für ihn ein Rivale dargestellt, denn er kommt ihm bei der 22-jährigen Studentin Miranda in die Quere, in die er verliebt ist…

„Maschinen wie ich“ von Ian McEwan ist ein vielschichtiger Roman über das Thema Künstliche Intelligenz.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zehn recht langen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Charlie – in chronologischer Reihenfolge, aber mit einigen Rückblenden. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist recht nüchtern, schnörkellos und wenig emotional, aber anschaulich und sprachlich sehr gelungen. Der Einstieg in die Lektüre erfordert Aufmerksamkeit vom Leser, um sich in der alternativen Vergangenheit zurechtzufinden. Dennoch lässt sich die Geschichte ohne Probleme nachverfolgen.

Einen wirklichen Sympathieträger gibt es für mich in diesem Roman nicht. Mit den beiden Protagonisten, Charlie und Miranda, kann ich mich nicht identifizieren. Allerdings wirken sie durchaus authentisch. Adam wird ebenfalls recht ambivalent dargestellt, da er zwar über viele positive Eigenschaften und Fähigkeiten verfügt, aber auch eine unheimliche, dunkle Seite zu haben scheint.

Die mehr als 400 Seiten bleiben kurzweilig, denn der Autor hat eine Fülle an Aspekten in den Roman gepackt. Bisweilen wirkt die Handlung ein wenig konstruiert und übertrieben, was mich aber nicht gestört hat.

Die große Stärke des Romans ist einerseits, dass er ein brisantes und aktuelles Thema in den Mittelpunkt rückt. Die literarische Bearbeitung des Themas Künstliche Intelligenz (KI) gibt die Möglichkeit, sich mit den Chancen und Risiken moderner Technologien auseinanderzusetzen und Szenarien aufzuzeigen, wie unsere Zukunft in Teilen aussehen könnte. Dabei werden wichtige Fragen aufgeworfen wie: Worin werden sich ein Mensch und eine hochentwickelte Maschine künftig unterscheiden? Kann eine KI ein Bewusstsein oder sogar Gefühle haben? Wie muss eine Maschine beschaffen sein, um dem Menschen nicht zu schaden? Wie lassen sich diese Roboter kontrollieren? Andererseits ist es ein weiteres Plus des Romans, moralische und ethische Konflikte und Grenzfälle zu behandeln. Dies verleiht der Geschichte zusätzlich an Tiefe. Beide Aspekte sorgen dafür, dass der Roman immer wieder zum Nachdenken anregt und interessante Impulse liefert. Trotzdem wird die Geschichte nicht zu düster und schwerfällig, denn auch humorvolle Passagen fehlen nicht.

Das vom Verlag gewohnt reduzierte Cover passt inhaltlich ganz gut, was die drei Hauptpersonen angeht, stellt aber leider keinen Bezug zur Künstlichen Intelligenz her. Erfreulicherweise hat man sich beim deutschen Titel jedoch eng an der Originalausgabe („Machines like me“) orientiert.

Mein Fazit:
Mit „Maschinen wie ich“ ist Ian McEwan ein komplexer und lesenswerter Roman gelungen, der nachdenklich macht und noch eine Weile nachhallen wird.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Ein dramatisches Schicksal in schweren Zeiten

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben
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Das Elsass und Umgebung in den 1870er-Jahren: Die Liebe zwischen Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz Gerban, Anfang 20, sollte in eine glückliche Ehe münden. Eine ungeheuerliche Enthüllung ...

Das Elsass und Umgebung in den 1870er-Jahren: Die Liebe zwischen Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz Gerban, Anfang 20, sollte in eine glückliche Ehe münden. Eine ungeheuerliche Enthüllung von Franz' Vater treibt Irene jedoch fort. Schwanger mit Sohn Fränzel, verlässt sie Altenstadt. Einsam bringt sie das Kind zur Welt. Sie nimmt einen Job als Textilarbeiterin in einer Fabrik an, doch die Bedingungen dort sind grausam. Nachdem sie den Arbeiterführer Josef Hartmann kennengelernt hat, beginnen sie eine Beziehung miteinander. Aber Franz geht ihr nicht aus dem Kopf. Finden die beiden noch einmal zusammen?

„Das Weingut – Aufbruch in ein neues Leben“ ist der zweite Teil der Trilogie um die Weinhändler-Familie Gerban von Marie Lacrosse. Der Roman lässt sich jedoch auch unabhängig vom ersten Band lesen.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen. Es gibt insgesamt 29 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Die Handlung umfasst die Jahre 1871 bis 1873, die Schauplätze wechseln. Einheitliche Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung jedoch einfach. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven: vorwiegend aus der von Irene und der von Franz. Der Aufbau des Romans wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist – wie schon im ersten Band – einfühlsam, anschaulich und lebhaft. Sprachlich ist der Roman an die damalige Zeit angepasst. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Wieder stehen Irene und Franz im Fokus, zwei sympathische Protagonisten. Beide Charaktere und ihre Entwicklungen sind authentisch. Sie werden gut herausgearbeitet. Zudem gibt es eine Vielzahl an Nebenfiguren. Einige von ihnen wirken ein wenig eindimensional, was allerdings zu verschmerzen ist.

Die Handlung ist – dank einiger dramatischer Ereignisse und Wendungen – abwechslungsreich. Trotz der mehr als 650 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig.

Gut gefallen hat mir, dass die Autorin dieses Mal wieder eine reizvolle historische Episode in den Vordergrund rückt. Im zweiten Band werden die Arbeitsbedingungen in den Zeiten des modernen Kapitalismus aufgegriffen. Interessant sind darüber hinaus die Ausflüge in die Anfänge der Psychiatrie. Erfreulicherweise erfährt der Leser nun auch einiges über den Weinanbau. Auf gelungene Weise verwebt sie tatsächliche Begebenheiten und Personen mit fiktionalen Elementen. So kann der Roman sowohl unterhalten als auch einiges an Wissen bieten. Die fundierte Recherche der Autorin ist nicht nur im Quellenverzeichnis, sondern auch im interessanten Nachwort dokumentiert, in dem sie erläutert, was auf Wahrheit und was auf Fiktion basiert.

Weitere Pluspunkte sind die Übersicht über die im Roman auftauchenden Personen, die auch damals real existierende Persönlichkeiten ausweist, und das Glossar mit weniger bekannten Begriffen, die im 19. Jahrhundert gebräuchlich waren. Dieses Zusatzmaterial ist eine hilfreiche Ergänzung.

Das ansprechend gestaltete Cover passt gut zum ersten Teil der Reihe und trifft meinen Geschmack. Auch der Titel fügt sich gut in die Saga ein.

Mein Fazit:
Mit „Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben" knüpft Marie Lacrosse auf gelungene Weise an den ersten Teil der Familiensaga an. Fans historischer Literatur kommen auch dieses Mal wieder auf ihre Kosten. Auf den Abschluss der Reihe bin ich schon gespannt.