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Veröffentlicht am 07.10.2019

"Nichts war wie vorher. Absolut nichts."

Der Sprung
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Die Idee zu Simone Lapperts zweitem Roman „Der Sprung“ ist klasse. Da steht eine junge Frau namens Manu auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses in der fiktiven Kleinstadt Thalbach im Schwarzwälder Hinterland, ...

Die Idee zu Simone Lapperts zweitem Roman „Der Sprung“ ist klasse. Da steht eine junge Frau namens Manu auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses in der fiktiven Kleinstadt Thalbach im Schwarzwälder Hinterland, randaliert mit Dachziegeln und droht zu springen. Warum? 20 Stunden dauert das Spektakel, genug Zeit, um das Leben vieler Wartender auf den Kopf zu stellen, sei es, weil sie in enger Beziehung zu ihr stehen, oder weil das Ereignis ihnen Anlass gibt, die eigene Lebenssituation zu überdenken.

Simone Lappert beginnt den Roman mit dem titelgebenden Sprung selbst, der viermal thematisiert wird: am Anfang und nach jedem der drei Teile: „1 Tag davor“, „1. Tag“ und „2. Tag“. Die Sprache in diesen kurzen Abschnitten, in denen zunächst nichts über die Landung verraten wird, ist besonders gelungen: „Eigentlich springt sie nicht, sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen, mit offenen Augen lässt sie sich fallen, will alles sehen auf dem Weg nach unten, alles sehen und hören und fühlen und riechen, denn sie wird nur einmal so fallen, und sie will, dass es sich lohnt...“ .

Die drei Teile dazwischen sind in Kapitel untergliedert, die als Überschriften die Namen einer von zehn Personen tragen. Aus ihrer Sicht wird jeweils erzählt, wie die Frau auf dem Dach zum Wendepunkt in ihrer Biografie wird. Da ist Manus Freund Finn, der noch nicht einmal ihren Nachnamen kennt, der Polizist Felix, bei dem die bevorstehende Vaterschaft ein altes Trauma wiederaufleben lässt, ihre Schwester Astrid, die sich als Bürgermeisterkandidatin keinen Skandal erlauben kann, ein Obdachloser, der die Menschenansammlung geschickt für seine Zwecke nutzt, und einige andere mehr. Besonders bewegt hat mich das Schicksal von Theres, die zusammen mit ihrem Mann einen aus der Zeit gefallenen Gemischtwarenladen betreibt. Kurz vor der Insolvenz erleben die beiden einige letzte Blütestunden, denn ihr Geschäft liegt plötzlich inmitten des Geschehens. Die Beschreibung, wie Theres lustvoll und geschickt Überraschungseier auspackt, hat die Lektüre fast schon alleine gelohnt. Auch der Mailänder Stardesigner mit Schaffenskrise, der unerwartet in das Schicksal eines Thalbachers eingreift, ist eine originelle Figur. Zu klischeehaft war mir jedoch die gemobbte übergewichtige Winnie mit ihren Teenieprobleme aus dem Lehrbuch. Gestört hat mich das exzessive Rauchen so vieler Protagonisten – überflüssig und für meinen Geschmack zu breit ausgewalzt. Der liebevolle Umgang der sorgfältigen Beobachterin mit ihren zahlreichen Protagonisten hat mir dagegen Spaß gemacht, auch wenn sie ihr so sehr ans Herz gewachsen sind, dass sie für fast alle einen versöhnlichen Ausgang bereithält. Die Einzelschicksale stehen eindeutig im Fokus, während die Atmosphäre und die zwar immer wieder erwähnte, für mich aber nicht spürbare Hitze etwas zu kurz kommen.

„Der Sprung“ ist ein lesenswerter, sehr gut durchkomponierter Unterhaltungsroman und ein Porträt unterschiedlicher Bewohner einer beliebigen Kleinstadt, die alle irgendwie verbunden sind. Für das nächste Buch wünsche ich mir noch mehr sprachlich exzellente, akribisch beschriebene Passagen wie die über den eigentlichen Sprung, denn hier zeigt sich die große Begabung der jungen Schweizer Autorin besonders deutlich.

Veröffentlicht am 25.07.2019

Überraschend

Wolgakinder
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"Wolgakinder", der zweite Roman der 1977 an der Wolga geborenen russischen Autorin Gusel Jachina, war für mich vor allem eines: vollkommen anders als erwartet. Eigentlich wollte ich einen Roman über die ...

"Wolgakinder", der zweite Roman der 1977 an der Wolga geborenen russischen Autorin Gusel Jachina, war für mich vor allem eines: vollkommen anders als erwartet. Eigentlich wollte ich einen Roman über die Volksgruppe der Wolgadeutschen vor dem Zweiten Weltkrieg lesen, bekommen habe ich stattdessen eine märchenhaft anmutende Geschichte über einen Sonderling. Nachdem ich damit etwa 100 Seiten lang gehadert hatte, beschloss ich, mich ganz darauf einzulassen – und daraufhin wurde die Lektüre des knapp 600 Seiten umfassenden Buches dann doch noch ein Gewinn. Großartig sind die Beschreibungen der Wolga und die Bilder, die Gusel Jachina findet, allerdings stellte sich mit der Zeit aufgrund ihrer Fülle auch ein gewisser Überdruss ein. Nicht einfach zu lesen sind die vier Einschübe über Stalin, genannt „Er“. Die Autorin lässt „Ihn“ beispielsweise an Lenins Sterbebett auftauchen oder im November 1934 ein fiktives Billardspiel gegen Hitler austragen mit den Wolgadeutschen als Spielball. Dieses Hin und Her mit Treffern auf beiden Seiten ist eigentlich eine geniale Idee und inhaltlich sehr interessant, geht aber mit einem extremen Stilbruch einher.

Im Mittelpunkt des Romans steht der Dorflehrer Jakob Iwanowitsch Bach, der im wolgadeutschen Dorf Gnadental die Kinder unterrichtet. Eines Tages zitiert ihn der Besitzer eines Gehöfts am anderen Wolgaufer zu sich, wo er dessen hinter einem Wandschirm verborgene 17-jährige Tochter Klara unterrichten soll. Mit der Liebe zu ihr endet Jakobs beschauliches Dasein als Schulmeister. Im Dorf geächtet, müssen sie wie Einsiedler auf dem mittlerweile verwaisten Gehöft leben, bis ein räuberischer Überfall alles verändert.

Viele Ideen der Autorin haben mir gut gefallen, so zum Beispiel, wie der inzwischen verstummte Jakob seine zu Papier gebrachten Geschichten in Gnadental gegen Milch eintauscht, wie er jedem Jahr einen aussagekräftigen Namen gibt, wie er ein Mädchen alleine großzieht und ihr nicht nur die Sprache, sondern auch jeden Kontakt zur Welt vorenthält, und wie die Welt dann doch noch auf den abgeschiedenen Hof kommt, zuerst in Person eines Straßenjungen, dann der Staatsgewalt. Allerdings waren mir manche Entwicklungen auch zu skurril und mit Bildern überfrachtet. Richtig geärgert habe ich mich, als es über eine soeben vergewaltigte Frau hieß: „Die Augen waren geschlossen, die Gesichtszüge ruhig – sie schlief. Um ihre Lippen spielte ein Lächeln.“ Diese Sätze sind extrem geschmacklos angesichts des Leids aller Betroffenen.

Ein sprachlich überbordender, enorm bildreicher Roman mit einem sehr stimmigen Cover, den ich mehr als Märchen denn als Zeugnis über die Wolgadeutschen gelesen habe.

Veröffentlicht am 13.07.2019

Grauzonen

Kalter Sommer
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1992 erschütterten zwei schwere Attentate Italien, die bis heute Spuren hinterlassen haben: Am 23.05. wurde der ehemalige Mafia-Richter und Direktor im Justizministerium Giovanni Falcone mitsamt seinen ...

1992 erschütterten zwei schwere Attentate Italien, die bis heute Spuren hinterlassen haben: Am 23.05. wurde der ehemalige Mafia-Richter und Direktor im Justizministerium Giovanni Falcone mitsamt seinen Begleitern bei Palermo mit Hilfe einer halben Tonne Sprengstoff unter der Autobahn zerrissen, am 19.07. starben auf ähnlich spektakuläre Weise mitten in Palermo sein Richter-Kollege Paolo Borsellino und dessen Leibwächter. Beide Anschläge gingen auf das Konto der sizilianischen Cosa Nostra, die damit vom Verbrechersyndikat zur Terrororganisation wurde. Langfristig führten diese Terroraktionen jedoch zu einem Niedergang der sizilianischen Mafia.

Genau zum Zeitpunkt dieser spektakulären Attentate spielt der Krimi - oder der Roman, wie der Verlag ihn bezeichnet - des ehemaligen Antimafia-Staatsanwalts und gebürtigen Barinesers Gianrico Carofiglio. In der eher kleinen Mafiagruppierung „La Società Nostra“ in der apulischen Hauptstadt ist im April 1992 ein interner Krieg zwischen dem Anführer Nicola Grimaldi alias „der Blonde“ oder „Dreizylinder“ und seinem Stellvertreter Vito Lopez ausgebrochen. Kurz darauf wird Grimaldis Sohn auf dem Schulweg entführt, es geht eine Lösegeldforderung ein und kurz darauf wird das Kind tot aufgefunden. Niemand zweifelt an der Täterschaft von Lopez und seinen Anhängern.

Maresciallo Fenoglio, 41-jähriger Turiner und seit zehn Jahren der Liebe wegen in Bari, übernimmt die Ermittlungen der Operation "Kalter Sommer". Geschockt und traurig, weil seine Frau Serena ihn vor zwei Monaten vorläufig verlassen hat, taucht er in ein Milieu ein, das er mittlerweile allzu gut kennt. Als sich Lopez der Polizei stellt, weil er als Hauptverdächtiger Grimaldi mehr fürchtet als die Carabinieri und als „wandelnder Toter“ die Kooperation mit der Justiz als „einzige Hoffnung“ sieht, führt Fenoglio die tagelangen Vernehmungen mit dem mehrfachen Mörder. Während der jedoch eine Vielzahl von Verbrechen gesteht, detailliert die Gründung der Gruppe und ihre Struktur darlegt und über die Beziehungen zur Lokalverwaltung und zu einzelnen Politikern berichtet, bestreitet er vehement jegliche Verwicklung in die Entführung. Trotz aller offensichtlicher Indizien kommen auch Fenoglio immer mehr Zweifel und es zeigt sich immer deutlicher, dass Schwarz und Weiß keineswegs immer scharf zu trennen sind und es für die Ermittler jede Menge Grauzonen gibt.

Gianrico Carofiglios Bari-Reihe um den Strafverteidiger Guido Guerrieri gehören zu meinen absoluten Lieblingskrimis, vor allem wegen des sympathischen Protagonisten und der ausführlichen Gerichtsszenen. Ob "Kalter Sommer" aus dem Jahr 2016, auf Deutsch 2018, im Untertitel „Ein Fall für Maresciallo Fenoglio“, ebenfalls als Reihe geplant ist, kann ich dem Band leider nicht entnehmen. Mit Sicherheit hat der Protagonist viel Potential für eine Fortsetzung und ich würde gerne mehr über sein Privatleben, seine Arbeit und seine Kollegen erfahren. Auch wenn mir die wörtlichen Vernehmungsprotokolle Vito Lopez‘ im Mittelteil etwas zu lang waren, hat mir auch dieser Krimi gut gefallen. Die gelungene Einbettung der beiden eingangs beschriebenen, realen Mafiamorde in die Geschichte, der Einblick in Mafiastrukturen, die Carofiglio-typischen Erläuterungen zum italienischen Recht und die überraschende Auflösung lohnen die Lektüre allemal.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Baskische Kindheitserinnerungen mit zwei Erzählebenen

Langsame Jahre
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2018 gehörte der gut 750 Seiten starke Roman "Patria" von Fernando Aramburu zu meinen Lieblingsbüchern. Nun ist sein im Original bereits 2012 veröffentlichtes, nur 200 Seiten umfassendes Buch "Langsame ...

2018 gehörte der gut 750 Seiten starke Roman "Patria" von Fernando Aramburu zu meinen Lieblingsbüchern. Nun ist sein im Original bereits 2012 veröffentlichtes, nur 200 Seiten umfassendes Buch "Langsame Jahre" auf Deutsch erschienen. Obwohl beide Titel sich mit dem Baskenland und der ETA befassen, sind sie doch inhaltlich und erzähltechnisch ganz verschieden. In "Patria" geht es um zwei Familien, Opfer und Täter. In den kurzen, nicht chronologisch geordneten Kapiteln steht je einer der neun Protagonisten im Mittelpunkt und einzelne Sätze werden aus der Ich-Perspektive erzählt. "Langsame Jahre" dagegen ist die Erinnerung eines Mannes an seine Kindheit in den Jahren 1968 bis 1971, als er Pflegekind im Haushalt seiner Tante in San Sebastián war. Er erzählt seine Geschichte dem Schriftsteller Fernando Aramburu und mahnt diesen immer wieder zur literarischen Verfremdung und zum Persönlichkeitsschutz. Beide, Erzähler und Romanautor, haben ihre Kindheit vor 40 Jahren im Stadtviertel Ibaeta verbracht. Der erzähltechnische Clou besteht darin, dass Aramburu 39 Einschübe mit Anmerkungen für einen zu schreibenden Roman in die im Original wiedergegebene Ich-Erzählung einfügt. In diesen nummerierten „Notaten“ ergänzt Aramburu eigene Erinnerungen, berichtigt Fehler des Erzählers, spielt mit möglichen Erzählvarianten und entwirft probeweise Dialoge. Durch diesen Blick in die Schreibstube gaukelt er dem Leser Authentizität vor.

Der namenlose Ich-Erzähler, von seinem Cousin Txiki genannt, kommt Anfang 1968 als Achtjähriger aus einem Dorf in Navarra nach San Sebastián. Seine Mutter kann die drei Söhne nach dem Weggang des Vaters nicht ernähren, und so kommt er als jüngster in den Haushalt seiner Tante, die beiden älteren ins Armenhaus nach Pamplona. Onkel, Tante, Cousine und Cousin nehmen ihn einigermaßen liebevoll auf, er verlebt hier insgesamt neun Jahre „ohne all jene Grausamkeiten und Kümmernisse, die sich für die Romanliteratur gewöhnlich als so nutzbringend erweisen“. Der intelligente Junge teilt sein Zimmer mit seinem zehn Jahre älteren Cousin Julen und wird, ohne es richtig zu verstehen, als einziger in der Familie Zeuge von dessen Radikalisierung unter dem Einfluss des örtlichen Priesters. Julen träumt davon, ein Held der baskischen Befreiung zu werden, und muss dafür teuer bezahlen. Die Cousine Mari Nieves führt zum Entsetzen ihrer Mutter ein lasterhaftes Leben und wird schwanger, sodass schnellstmöglich ein Ehemann gefunden werden muss - koste es, was wolle.

Anders als in "Patria" gibt es in diesem Roman nicht nur Verlierer. Zwar ist die Geschichte nicht ganz so intensiv und einiges bleibt der Interpretation des Lesers überlassen, doch hat mir die Perspektive des Kindes auf den Alltag „einfacher Leute mit wenig Bildung“ im franquistischen Baskenland und die Rekrutierung durch die ETA gefallen. Zusammen mit der originellen Erzählweise, der wertigen Aufmachung und dem sehr gut ausgewählten Cover ist auch dieser ältere Roman des in Deutschland lebenden Basken Fernando Aramburu auf jeden Fall empfehlenswert.

Veröffentlicht am 07.06.2019

Kein Ostsee-Bullerbü

Sommer in Super 8
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Das Cover zu Anne Müllers Debütroman "Sommer in Super 8" passt wunderbar zu dieser Geschichte über eine Kindheit in Schleswig-Holstein während der 1970er-Jahren. Eine Strandszene, stahlblauer Himmel, blaues ...

Das Cover zu Anne Müllers Debütroman "Sommer in Super 8" passt wunderbar zu dieser Geschichte über eine Kindheit in Schleswig-Holstein während der 1970er-Jahren. Eine Strandszene, stahlblauer Himmel, blaues Meer, offensichtlich aus einem Super-8-Film der Familie König. Heile Welt? Eine Bullerbü-Kindheit im abgeschiedenen kleinen Dorf Schallerup unweit der dänischen Grenze? So hatte ich es auf den ersten Seiten empfunden und lag weit daneben.

Clara, die uns ihre Geschichte erzählt, ist 1963 geboren, ein Sandwichkind, das sich mit zwei älteren Geschwistern und jüngeren Zwillingsbrüdern oft wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen fühlt. Der Vater, aus dem Ruhrgebiet stammend, ist praktischer Arzt mit eigener Dorfpraxis, ein Partylöwe, Anekdotenerzähler, charmanter, geistreicher Gastgeber, der als Student bezeichnenderweise den Spitznamen „Pirsch“ trug. Clara hängt besonders an ihm, vielleicht, weil die Mutter mehr mit den kaum zehn Monate jüngeren Zwillingen beschäftigt war. Sie ist seine „Königstochter“ und darf ihn schon als kleines Mädchen bei Hausbesuchen begleiten. Instinktiv spürt sie schon als Sechsjährige seine hinter einer Maske verborgene tiefe Traurigkeit. Auch die Mutter ist nicht glücklich in ihrer Ehe. Der Traum von einer Schauspielausbildung scheiterte an ihrem Vater, das Sportstudium hat sie früh zugunsten der Familie aufgegeben und nun führt sie das zeittypische Leben einer gutsituierten Arztgattin mit Villa, Auto, Ansehen, schönen Kleidern und regelmäßigen Friseurbesuchen. Sie ist eine „Meisterin im Drüber-hinweg-Gehen“, hält immer die Fassade aufrecht und schweigt, auch wenn sie wütend ist. Sie bleibt auch als Romanfigur im Schatten ihres Mannes und scheint machtlos angesichts der Familientragödie.

Claras Bericht über eine Kindheit und Jugend in den 1970er-Jahren dürfte in allererster Linie die begeistern, die diese Zeit erlebt haben. Die Mondlandung, der Unfalltod Alexandras, die dramatischen Ereignisse während der Olympiade in München, erste Diskobesuche, Schlager und Tritop – als nahezu Gleichaltrige wurden viele Erinnerungen bei mir wach. Sehr gut gefallen hat mir, wie Clara ihre Beobachtungen innerhalb der Familie beschreibt, wie sie für manches erst mit zunehmendem Alter Worte findet, die Geschwister instinktiv spüren, worüber nach außen Schweigepflicht gilt, und die Fassade trotz kollektiver Bemühungen schließlich nicht mehr aufrecht zu halten ist. Diese Teile des Buches sind ausgezeichnet gelungen, besser als Claras ausführliche pubertäre Auslassungen, die mich weniger interessiert haben. Die Sprache des Romans ist eher einfach, manchmal habe ich Übergänge zwischen Absätzen vermisst und der Text wirkte etwas aneinandergereiht, aber schließlich erzählt eine zu Beginn Sechs-, am Ende Fünfzehnjährige.

"Sommer in Super 8" ist trotz leichter Lesbarkeit kein leichter Roman. Die Lektüre lohnt sich, vor allem – aber nicht nur - für die Generation 50 plus.