Profilbild von AngiFr

AngiFr

Lesejury Star
offline

AngiFr ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit AngiFr über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.11.2019

Zwei junge Frauen im Hamburg des Jahres 1906

Das klare Sommerlicht des Nordens
0

Sehr ansprechend ist zunächst einmal das Buchcover, es zeigt zwei Damen, die am Strand eingehakt entlang spazieren, in eines tiefes Gespräch vertieft. Man kann den Buchdeckel nur als bezaubernd bezeichnen. ...

Sehr ansprechend ist zunächst einmal das Buchcover, es zeigt zwei Damen, die am Strand eingehakt entlang spazieren, in eines tiefes Gespräch vertieft. Man kann den Buchdeckel nur als bezaubernd bezeichnen. Er ist die Eintrittskarte in die Reise, die uns Leser erwartet.

Mit großem, wundervollem Sprachgefühl trifft die Autorin den hanseatischen Ton der damaligen Zeit und nimmt uns mit ins Hamburg des Jahres 1906. Die Intensität der Sprache entführt uns regelrecht in die damalige Zeit, lässt sie aufleben für uns Leser, zeigt uns das Leben in mittleren und ärmeren Hamburger Arbeiterfamilien sowie das der Familien in den Villen an der Außenalster.

Da ist zum einen Dora, sie wurde in das Arbeitermilieu hinein geboren, lebt in bescheidenen Verhältnissen. Sie träumt davon, Mode zu entwerfen, doch die Erfüllung dieses Traumes scheint in immer weitere Entfernung zu rücken. Selbst ihr bisheriges Leben im Hafenviertel scheint in Gefahr zu sein.


Zunächst parallel wird die Geschichte Sedonies erzählt, eine junge Frau, die aufgrund ihres Standes keinerlei finanziellen Problemen ausgesetzt ist. Doch hat sie mit den Anforderungen an die Rolle der Frau zu dieser Zeit zu kämpfen. Nach zwei Fehlgeburten verfällt sie in eine tiefe Depression. Weiß darum, dass sie den Erwartungen ihres Mannes und seiner Familie nach Nachwuchs und Erben nicht entsprechen kann und auch nicht bereit ist, diesen Schmerz ein drittes Mal zu durchleben.

Endlich mal wieder ein grandioses Buch in dem ich richtiggehend versunken bin, ja, in das ich mich verliebt habe und das ich nur zu gerne weiter empfehle. Alle Charaktere faszinieren mich, einige von ihnen erschrecken mich, andere habe ich sehr lieb gewonnen.

Veröffentlicht am 25.10.2019

Ur-Pferde

Die Letzten ihrer Art
0

Im Jahre 1883 schreibt der Zoologe Michail Alexandrowitsch Kowrow in St. Petersburg seine Erfahrungen und sein erworbenes Wissen um die Urpferde Takhi nieder. Ein solches Exemplar wurde in der Mongolei ...

Im Jahre 1883 schreibt der Zoologe Michail Alexandrowitsch Kowrow in St. Petersburg seine Erfahrungen und sein erworbenes Wissen um die Urpferde Takhi nieder. Ein solches Exemplar wurde in der Mongolei entdeckt und könnte dem Zoo helfen aus der finanziellen Misere zu kommen, in die Michail mit seiner Investition in eine Flusspferddame geraten ist. Wichtig ist ihm jedoch, der Nachwelt sein Wissen preiszugeben, quasi sein Vermächtnis für die Forschung.

Die Berliner Tierärztin Karin reist mit ihrem Sohn Mathias und einer kleinen Herde von Wildpferden in die Mongolei, um diese dort auszuwildern. Karin hat nur die Pferde und deren Wohlergehen in ihrem Kopf, mehr hat da keinen Platz, aufopferungsvoll kämpft sie um das Überleben der gefährdeten Ur-Pferde. Dass ihr Sohn Mathias mit all dem unzufrieden ist und seine Mutter braucht, bekommt sie zunächst nicht mit.

Eva lebt im Jahre 2064 mit ihrer Tochter Isa, die sich im Teenageralter befindet, in Heiane, Akershus, Norwegen, zusammen versuchen sie auf ihrem Hof, einem alten Zoologischen Garten mit den wenigen ihnen verbliebenen Tieren zu überleben. Das Klima hat sich erschreckend verändert, ein Krieg hat viele Jahre gewütet, nichts ist mehr, wie es einmal war. Ihre eigenen Erzeugnisse versucht Eva im nahen Küstenort anzubieten und gegen anderen Waren einzutauschen. Ein karges Leben, abgeschieden von anderen Menschen, denn trauen kann man niemandem mehr. Fast die ganze restliche Menschheit hat sich auf die Wanderschaft begeben, um einen lebenswerten Platz zu finden.

Eindringlich erzählt die Autorin uns Lesern, wie wir Menschen und die Tiere Tiere im Einklang leben sollten, zum Schutze der Natur. Im dystopischen Teil ihres Romans wird erschreckend deutlich, wie es aussehen könnte, futuristisch zwar aber leider überhaupt nicht abwegig. Der Weg dorthin ist für unser Leben heutzutage erschreckend nahe. Die Erzählweise Maja Lundes fesselt und kann mich jeder Zeit mitnehmen. Die Charaktere sind wunderbar, tief und glaubwürdig und ergänzen sich in ihrer Vielfalt hervorragend. Der dritte Teil dieser Serie, der mit "Die Geschichte der Bienen" begann und sich mit "Die Geschichte des Wassers" fortsetzte, lies mich schockverliebt zurück, ich liebe Pferde Bücher und diese zu Herzen gehende Geschichte um das Ur-Pferd beeindruckt mich zutiefst. Der Roman ist in drei zeitliche Ebenen gegliedert und spielt 1883, 1991 und 2064, allein diese Tatsache bringt unterhaltende Abwechslung in die Geschichte, doch natürlich spielen die Kenntnisse aus den Zeiten ineinander und verweben sich geschickt.

Von Herzen gerne vergebe ich diesem Buch fünf von fünf möglichen Sternen und empfehle es so klar weiter. Die Leser werden mit diesem Buch gleich mit mehreren Genren verwöhnt, historischer Roman, Dystopie und zeitgenössischer Roman werden hier gekonnt vereint. Zudem ist Maja Lunde eine ausgezeichnete Geschichtenerzählerin, die ihre Stories exzellent in Szene setzen kann, in diesem Buch ist alles perfekt und einzigartig stimmig, sie spielt mit den Gefühlen ihrer Leser und animiert uns zum Nachdenken.

Veröffentlicht am 16.10.2019

Naturliebe

Die Eulenflüsterin
0

Mit Tanja Brandt zusammen leben ihre Tiere Hunde (Hauptrolle: Schäferhund Ingo), Eulen und Greifvögel, in einer Falknerei in Nordrhein-Westfalen. Eindringlich erzählt Tanja Brandt welche Botschaft ihre ...

Mit Tanja Brandt zusammen leben ihre Tiere Hunde (Hauptrolle: Schäferhund Ingo), Eulen und Greifvögel, in einer Falknerei in Nordrhein-Westfalen. Eindringlich erzählt Tanja Brandt welche Botschaft ihre gefiederten Pfleglinge und Weggefährten ihr senden – nämlich die bedingungslose und aufrichtige Liebe. Von Menschen durchaus oft enttäuscht geben ihr die Tiere Geborgenheit und zeigen, wir Menschen können von den Tieren so viel lernen.

Die Autorin Tanja Brandt beschreibt in ihrem neuesten Buch „Die Eulenflüsterin“ ihr Leben mit ihren Tieren. Sie beschreibt den Landstrich in dem sie leben mit liebevollen Worten, ihre Sprache ist formschön und fließend. Die Beschreibung ist so ausdrucksstark, dass ich alles vor meinem inneren Auge ablaufen sehe. Tanja Brandt spickt ihren Text mit ihren brillanten Informationen und ihrem Wissen um die Natur und deren Geschichte. Sie kann mich sofort fesseln und mitnehmen, wie auf einer ereignisreichen und abenteuerlichen Reise.

Aus jedem Satz der Autorin kann ich ihre Liebe zur Natur und im speziellen zu ihren Tieren erfühlen. Ich könnte mich stundenlang in ihrem Text verlieren und einfach nur die Lektüre des Buches genießen. In der Mitte des Buches sind zudem phantastische Fotos abgebildet, die in ihrer Einzigartigkeit unübertrefflich sind. Wundervolle noch nie da gewesene Tierfotos sind es, die für sich selbst sprechen.

Von ganzem Herzen vergebe ich diesem Sachbuch fünf von fünf möglichen Sternen und empfehle es so klar weiter. Leser, die an der Natur, an die Botschaft der Liebe, am Zusammenleben miteinander interessiert sind, werden es lieben so wie ich es tue. In nur einem Tag habe ich es ausgelesen, doch die Geschichte, die dahinter steht, werde ich immer in mir tragen und sie nicht vergessen. Auch die bezaubernden Fotos sind unauslöschlich in meinem Kopf gespeichert.

Ein riesengroßes Dankeschön an die Autorin, der ich bereits seit einiger Zeit auf ihrem Instagram-Konto folge, für ihre Offenheit und die schönen Einblicke in ihr privates Inneres sowie ihre professionellen Bilder, die vor Schönheit und Authentizität nur so strotzen.

Veröffentlicht am 08.10.2019

Fredrik Beiers dritter Fall

Der Verräter
0

Polizeihauptkommissar Fredrik Beier befindet sich auf einem Empfang des norwegischen Ministerpräsidenten, die Einladung ist als Dankeschön für seine Arbeit aus dem letzten Fall gedacht und natürlich auch ...

Polizeihauptkommissar Fredrik Beier befindet sich auf einem Empfang des norwegischen Ministerpräsidenten, die Einladung ist als Dankeschön für seine Arbeit aus dem letzten Fall gedacht und natürlich auch gleichzeitig ein strategisches Wahlkampfmanöver des Politikers. Benedikte Stoltz, Reporterin bei TV2, spricht Fredrik an und bittet um ein Interview. Sie macht seltsame Andeutungen über seinen Vater, der allerdings bereits seit Jahren tot ist. Er wimmelt sie ab. Doch kurze Zeit später wird er zu einem Mordfall - skurriler weise in einer Autowaschanlage – gerufen, das Opfer steht in Verbindung zu Benedikte. Nun ist Fredrik alarmiert und möchte dringend mit ihr sprechen. Um was geht es eigentlich, wie hängen die Vorfälle der letzten Zeit zusammen? Hat die Journalistin in ein Wespennest gestochen?

Ich gebe zu, ich brauchte etwas, um in die Geschichte hineinzukommen, doch ich war die ganze Zeit über fasziniert und gefesselt, so dass ich einfach weiter lesen musste, das Verständnis setzte später ein, am Ende bleibe ich erst einmal sprachlos und atemlos zurück. Eine gigantische Komposition hat der Autor Ingar Johnsrud hier erschaffen. Schnell wechselnde Szenen, die blutrünstig und brutal daherkommen. Figuren aus allen Bereichen der Gesellschaft: Manager, investigativer Journalisten, Outlaws, hohe Politiker, Militärs und mittendrin Fredrik Beier, der mehr in den Fall verstrickt zu sein scheint, als er wahrhaben möchte. Mit harter, schnörkelloser, direkter Sprache erzählt der Autor die Geschichte in einzigartiger Präzision, immer im Mittelpunkt: der Verrat.

Sehr gerne vergebe ich hier fünf von fünf möglichen Sternen für einen exzellenten Thriller um Macht und Verschleierung, und ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus. Komplex angelegt ist die Story mit einprägenden Charakteren versehen, brillant in Szene gesetzt, knallharte Unterhaltung vom Feinsten. „Der Verräter“ ist der letzte Fall in der Fredrik Beier-Reihe, zuvor sind „Der Hirte (1)“ und „Der Bote (2)“ erschienen. Für alle, die die Reihe bisher nicht kennen, es ist nicht zwingend erforderlich, für die Lektüre des dritten Bandes, die ersten beiden Teile gelesen zu haben. Ganz sicher entsteht aber der Wunsch die ganze Reihe zu kennen!

Veröffentlicht am 06.10.2019

Die Bananen-Lieferung

Der Fund
0

Die 53jährige Rita Dalek hat schon so manche schweren Schicksalsschläge ertragen müssen in ihrem Leben: den frühen Tod ihrer Eltern, der Unfalltod ihres Sohnes Theo im Teenageralter, die nachfolgende Alkoholsucht ...

Die 53jährige Rita Dalek hat schon so manche schweren Schicksalsschläge ertragen müssen in ihrem Leben: den frühen Tod ihrer Eltern, der Unfalltod ihres Sohnes Theo im Teenageralter, die nachfolgende Alkoholsucht ihres Ehemannes Manfred. Das Leben meint es nicht gut mit ihr. Als sie eines Tages im Lager des Supermarktes, in dem sie als Kassiererin arbeitet, eine unglaubliche Entdeckung macht: Sie findet in einer Kiste unter den Bananen über 12 Kilogramm Kokain! Ein Fund, der ihr Leben verändern kann, sie könnte noch einmal ganz neu durchstarten. Soll sie den Fund melden? Sie entscheidet sich, das Kokain an sich zu nehmen und nicht zur Polizei zu gehen. Eine Entscheidung, die ihr Leben verändern wird, aber nicht so wie Rita es sich erhofft, denn am Ende wird Rita Dalek sterben. Hat die Albaner-Mafia Rita getötet oder hat sie sich mit den falschen aber einflussreichen Menschen in ihrer Heimatstadt eingelassen, was wurde ihr letztendlich zum Verhängnis?

Bernhard Aichner hat diesen atemraubenden Thriller in einer unbeschreiblichen Erzähltechnik verfasst. In zwei Ebenen werden zum einen die letzten Wochen im Leben der Rita Dalek erzählt und auf der anderen Seite lesen wir, wie der ermittelnde Kommissar die Zeugen befragt und versucht, sich ein Bild über den Mord an Rita zu machen. Die Geschichte ist total abgefahren und trotz der Tatsache, dass Rita sterben wird höchst spannend. Die Sprache ist fließend und niveauvoll, die Gedankengänge Ritas und des Polizisten authentisch und nachvollziehbar gleichzeitig aber voller Geheimnisse, die sich uns Lesern erst nach und nach erschließen. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass ich einen solchen Thriller vorher noch nie gelesen habe, ich bin zutiefst beeindruckt und verneige mich vor diesem wahrhaft meisterlichen Werk. Die Figuren sind wunderbar erdacht und angelegt, alle spielen in unfassbarer Perfektion miteinander. Jedes Puzzlesteinchen passt in das nächste und fügt sich nach und nach zu einem großen Bild zusammen, alles stimmt und alles ist erklärbar. Der Spannungsbogen ist allzeit fest gezurrt und lässt mich nahezu atemlos lesen, ein Thriller, der mich exzellent unterhalten kann.

Auf jeden Fall bekommt dieser Thriller seine verdienten fünf von fünf möglichen Sternen von mir und ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus! Dieses Buch hat schon jetzt einen Kult-Status für mich. Es ist in seiner Einzigartigkeit und Brillanz nicht zu überbieten. Bitte lest alle dieses Buch! Den Einband des Buches finde ich übrigens so unübertrefflich gelungen, dass ich es hier noch schnell erwähnen möchte.