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Veröffentlicht am 27.10.2019

aus dem Leben der "kleinen Leute"

Menschen neben dem Leben
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In den 30er Jahren gab es in Berlin viele Arbeitslose, Kleinkriminelle und Prostituierte, die versuchten zu Überleben. Die Weltwirtschaftskrise und die Schrecken des 1. Weltkrieges sind allgegenwärtig ...

In den 30er Jahren gab es in Berlin viele Arbeitslose, Kleinkriminelle und Prostituierte, die versuchten zu Überleben. Die Weltwirtschaftskrise und die Schrecken des 1. Weltkrieges sind allgegenwärtig und trifft besonders die Arbeiterklasse. Der Obdachlose Fundholz zieht mit Tönnchen, einem extrem übergewichtigen und immer hungrigen geistig Zurückgebliebenen durch die Straßen und erhofft an mancher Haustür etwas zu bekommen. Wenigstens haben die Beiden eine sichere Unterkunft für die Nacht. Sie treffen auf den blinden Sonnenberg, der voller Hass auf die Sehenden psychisch wie physisch auf seine Frau Elsi einschlägt. Als diese den smarten Grissmann kennenlernt überlegt sie, Sonnenberg zu verlassen. Die ältere Frau Fliebusch hingegen hatte vor dem Krieg bessere Zeiten gekannt, damals, als ihr schöner Wilhelm noch bei ihr war. Man sagte ihr, dass er im Krieg gestorben ist, doch sie will es nicht wahrhaben und sucht immer noch nach ihm. Für den Abend treffen sich alle in der Wirtschaft zum fröhlichen Waidmann, mit Alkohol, Musik und Tanz wollen sie das Elend vergessen.
Der Roman spielt in einer lange zurückliegenden Zeit und dennoch sind die Probleme der Menschen auch heute noch greifbar. Die Sorgen und Nöte und wie sie wurden was sie sind kann man bestens nachempfinden. Kein Krimineller, keine Prostituierte, kein geistig Zurückgebliebener werden verurteilt, sie alle haben auch ihre positiven Seiten. Es werden nur 2 Tage im Leben dieser "kleinen Leute" beschrieben und man wünscht sich am Ende der Handlung, mehr von ihnen zu erfahren. Schade, dass es nicht mehr davon gibt.

Veröffentlicht am 27.10.2019

psychologisch herausragend

Drei
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Drei Frauen treffen nacheinander auf den Rechtsanwalt Gil, jede ist anders und wir erfahren wie ihr Leben verlief, was sie erlebten und was sie sich erhoffen. Orna ist über die Scheidung mit Ronan nicht ...

Drei Frauen treffen nacheinander auf den Rechtsanwalt Gil, jede ist anders und wir erfahren wie ihr Leben verlief, was sie erlebten und was sie sich erhoffen. Orna ist über die Scheidung mit Ronan nicht hinweg gekommen und ihr Sohn Eran sogar in psychiatrischer Behandlung. Sie führt ein geregeltes Leben als Lehrerin, doch innerlich fehlt ihr was. Sie meldet sich auf einem Onlineportal an, um vielleicht doch noch eine Bestätigung als Frau zu erhalten. Gil fällt ihr auf, ein erfrischend normales Profil zeigt sich ihr. Auch er ist geschieden und nach anfänglichem Schreiben entschließen sie sich, sich zu treffen. Doch irgendwas stört Orna an Gil, irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Sie kann es nicht greifen, der Kontakt wird unterbrochen um wieder aufzuleben und Gil lädt sie zu einer Reise ein. Emilia, die zweite Frau des Buches, kam über eine Personalvermittlung aus Riga nach Tel Aviv um den Vater von Gil bis zu seinem Tod zu pflegen. Sie wollte in Israel bleiben und bekam in einem Pflegeheim eine alte Dame zugeteilt. Das Leben dort ist nicht nach ihren Vorstellungen, das Geld fehlt überall und so wendet sie sich an den Rechtsanwalt Gil um ihre rechtlichen Möglichkeiten auszuloten. Die dritte Frau Ella trifft Gil in einem Cafe, in dem er vor seinem Arbeitsbeginn Kaffee trinkt. Sie schreibt an ihrer Masterarbeit und da sie bereits drei kleine Kinder hat, nutzt sie das Cafe dafür.
Der Roman hat immer wieder interessante Wendungen und bietet Überraschungen, wenn man meint, schon zu wissen, wie es weitergeht. Die psychologische Ausarbeitung der Protagonisten ist herausragend und die Frauen lassen einen auch nach Beendigung der Geschichte nicht mehr los. Die Handlung spielt in Israel, diese Frauen könnten jedoch überall auf der Welt leben.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Warschauer Ghetto

Wann wird diese Hölle enden?
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Miriam Wattenberg hat als Jüdin den Holocaust überlebt, im März 1944 erreichte sie mit ihrer jüngeren Schwester und ihren Eltern die USA. Unter dem Namen Mary Berg veröffentlichte sie ihre Tagebuchaufzeichnungen ...

Miriam Wattenberg hat als Jüdin den Holocaust überlebt, im März 1944 erreichte sie mit ihrer jüngeren Schwester und ihren Eltern die USA. Unter dem Namen Mary Berg veröffentlichte sie ihre Tagebuchaufzeichnungen ab Kriegsbeginn, während ihres Aufenthaltes im Warschauer Ghetto und ihre anschließende Inhaftierung als amerikanische Jüdin. Sie war 15 Jahre alt, als sie mit ihren Notizen begann und sie schreibt einerseits Erschütterndes über ihre Erlebnisse im Ghetto, über ihren Alltag, ihre Sorgen und Nöte, den Hunger und die ständigen Gefahren, denen sie von gewaltbereiten Nazis ausgesetzt wurde, aber auch andererseits das Leben eines Mädchens, eines Teenagers, mit dem Hunger nach Leben und Liebe, ihre Treffen mit Gleichaltrigen. Sie gehörte durch ihre amerikanische Mutter und ihrem Vater, der als Kunsthändler zu den besser gestellten Juden in Lodz gehörte, zu einer privilegierten Minderheit der kasernierten Juden, sie sah jedoch was um sie herum geschah.
Es ist ein erschütternd geschriebener Bericht aus der Sicht einer heranwachsenden jungen Frau, das Tagebuch ähnelt dem Anne Franks. Mary Berg hat ab 1944 in den USA versucht auf das Schicksal der Juden und die Massenvernichtung in den Konzentrationslagern hinzuweisen, doch keiner wollte es hören oder gar glauben. Das erst jetzt auf deutsch erschienene Buch wird durch zahlreiche Hintergrundinformationen und Fotos aufgewertet.

Veröffentlicht am 14.10.2019

asiatisches Leid

Die Lotosblüte
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m Korea des 19. Jahrhunderts wächst Shim Chong auf. Als junges Mädchen hat sie bereits viel Leid erlebt, Hunger und Armut waren an der Tagesordnung und der Vater blind. Ihre Stiefmutter sah als Ausweg ...

m Korea des 19. Jahrhunderts wächst Shim Chong auf. Als junges Mädchen hat sie bereits viel Leid erlebt, Hunger und Armut waren an der Tagesordnung und der Vater blind. Ihre Stiefmutter sah als Ausweg nur den Verkauf der 15-jährigen Shim Chongs. So wacht sie eines Morgens auf einem Schiff auf das sie nach China bringen wird. Dort wird sie die Zweitfrau, die Konkubine eines sehr alten Mannes. Aus Shim Chong wird Lenhwa, zu deutsch Lotosblüte. Als ihr Mann stirbt glaubt sie endlich frei zu sein, doch ihr Martyrium ist noch längst nicht zu Ende.
Sehr gefühlvoll wird uns die asiatische Geschichte um ein junges, hoffnungsvolles Mädchen näher gebracht, genau so wie die Kultur und alte Mythen. Schriftstellerisch sehr gut geschrieben, interessant zu lesen.

Veröffentlicht am 03.09.2019

empathische Wärme

Der Sprung
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Manu hat Biologie studiert, sie weiß alles über Pflanzen und was sie benötigen. Sie regt sich über unseren Umgang mit ihnen auf und pflanzt illegal manches um. Sie führt ein unstetes und ein wenig verrücktes ...

Manu hat Biologie studiert, sie weiß alles über Pflanzen und was sie benötigen. Sie regt sich über unseren Umgang mit ihnen auf und pflanzt illegal manches um. Sie führt ein unstetes und ein wenig verrücktes Leben und nun steht sie auf dem Dach eines Hauses. Eine Menschenmasse unter ihr, viele Polizisten und Feuerwehrleute warten darauf, ob sie springen wird. Im Prolog erfahren wir bereits, dass sie springt. Doch warum? Einen Tag vorher war die Welt noch eine andere, nicht nur für sie, auch für die Menschen um sie herum. Felix, der Polizist, hat gerade eine psychologische Zusatzausbildung erhalten um Selbstmörder von ihrem Tun abzuhalten, doch er selbst hat Probleme. Er wird bald Vater und ist mit der Situation völlig überfordert. Theres und Walter führen ein kleines Lebensmittelgeschäft das überschuldet ist. Erst durch den Medienrummel läuft der Laden wieder, doch wie lange? Egon Moosbach war einst ein erfolgreicher Hutmacher, doch wer kauft heute noch Hüte. Er musste sein Geschäft aufgeben und ist nun in einer Schlachterei beschäftigt.
Diese und noch einige Menschen mehr werden in Episoden beschrieben, ihre Sorgen, ihre Nöte und ihre Hoffnungen, die sich im Laufe dieses besonderen Tages auch für sie verändern werden. Sehr genau werden sehr unterschiedliche Persönlichkeiten beschrieben, von der Bürgermeisterkandidatin bis zum Obdachlosen, alle mit einer empathischen Wärme und ohne Bewertung ihres Handels.