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Veröffentlicht am 01.11.2019

Spannender historischer Roman

Im Schatten des Turms
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1787/1788: Der Roman erzählt die Geschichte zweier Personen: Alfred Wagener ist Medizinstudent, muss nebenbei arbeiten und hat Ideale. Helene von Weydrich ist eine junge Adelige, die durch ihren Vater ...

1787/1788: Der Roman erzählt die Geschichte zweier Personen: Alfred Wagener ist Medizinstudent, muss nebenbei arbeiten und hat Ideale. Helene von Weydrich ist eine junge Adelige, die durch ihren Vater viel Freiheit genießt und einen klugen Kopf hat. Beider Leben kreuzen sich, beider Leben werden aber auch auf den Kopf gestellt und nehmen einen unerwarteten Lauf. Ihre Geschichten werden eingebunden in das tatsächliche historische Geschehen und sind verknüpft mit dem Wiener Narrenturm, der ersten psychiatrischen Heilanstalt.

Der Roman hat mich sehr schnell gepackt, beide Protagonisten gefallen mir gut, sie sind sehr unterschiedlich und man kann wunderbar mit ihnen mitfühlen. Auch die anderen Charaktere sind interessant gestaltet. Die Geschichte ist spannend, auf beiden Seiten, oft mag man den Roman kaum aus der Hand legen. Besonders gefallen hat mir die historische Einbindung. Im Personenverzeichnis kann man überprüfen, welche Charaktere fiktiv und welche historische Persönlichkeiten sind, wobei sich bei letzteren der Autor auch Freiheiten nahm, die er im Nachwort aber auch benennt. Gut recherchiert ist der Roman natürlich trotzdem. Ein Glossar im Anhang erklärt womöglich unbekannte Begriffe.

Ein bisschen schade ist, dass der Narrenturm eine letztlich doch eher untergeordnete Rolle spielt. Ich hatte mehr Medizinhistorie erwartet, aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn der Roman hat mich auch ohne das glänzend unterhalten. Der Autor hat einen bildhaften Erzählstil, der das Kopfkino anspricht. Erzählt wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Protagonisten, so dass auch immer wieder kleine Cliffhanger möglich sind, die die Spannung noch erhöhen.

Für mich ist dies eines der Bücher, bei denen ich am Ende einerseits froh bin, es ausgelesen und erfahren zu haben, wie es ausgeht, andererseits traurig bin, dass ich mich von liebgewonnenen Charakteren trennen muss – ein Buch also, das ich sehr gerne gelesen habe. So kann ich es vor allem Genrefans uneingeschränkt empfehlen und vergebe gerne volle Punktzahl.

Veröffentlicht am 12.10.2019

Gelungener Abschlussband

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherkrieg
3

Kani muss sich ihrer Berufung stellen, Sam seine Diebeigenschaften wieder einsetzen, und die Rebellion gegen den weißen König nimmt Fahrt auf.

Der Abschlussband setzt direkt an den Geschehnissen des Vorgängerbandes ...

Kani muss sich ihrer Berufung stellen, Sam seine Diebeigenschaften wieder einsetzen, und die Rebellion gegen den weißen König nimmt Fahrt auf.

Der Abschlussband setzt direkt an den Geschehnissen des Vorgängerbandes an. Wesentliches, das bisher geschah, wird gut integriert erzählt, so dass man sich schnell wieder erinnert, auch wenn, wie bei mir, einige Zeit zwischen dem Lesen der einzelnen Bände vergangen ist, sich aber auch nicht langweilt, wenn das nicht der Fall ist.

Die Geschichte geht spannend weiter, man erfährt manches Neue, z. B. über den weißen König, trifft – manchmal unerwartet – Charaktere wieder und muss sich von anderen trennen, geht zurück nach Paramythia, und muss durch eine Reihe von Emotionen, bis man schließlich, mit einem lachenden und einem weinenden Auge das Buch zuklappt. Wieder hat man eine Geschichte zu Ende gelesen, endlich erfahren, wie es ausgeht, muss sich aber auch gleichzeitig von liebgewonnenen Charakteren trennen. Mir haben es besonders Umm und die Wolkenwale angetan, schön, dass diese hier wieder ihren Teil beitragen dürfen.

Dass Akram El-Bahay ein begnadeter Geschichtenerzähler ist, habe ich schon oft geschrieben (und kann es gar nicht oft genug sagen), und auch bei dieser Trilogie hat er es wieder gezeigt. Er erzählt phantasievoll, bildhaft und packend und man merkt, dass er selbst großen Spaß daran hat. Besonders sind immer die Geschichten in der Geschichte, hier komme ich mir oft vor, als säße ich in einem orientalischen Basar und lauschte einem der Geschichtenerzähler. Am Ende sind alle Fäden vereint, die Geschichte ist rund und der Leser zufrieden – perfekt!

Auch der Abschlussband der Trilogie konnte mich, wie bereits die beiden ersten Bände, überzeugen. Fantasyleser können hier bedenkenlos zugreifen, sollten die Trilogie aber von Anfang an lesen. Von mir gibt es wieder verdiente volle Punktzahl.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Fantasie
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 07.10.2019

Unterhaltsam und lehrreich

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
1

Rahel Hirsch hat als eine der ersten Frauen Medizin studiert und erhält 1903 eine Anstellung bei der Charité – für freie Kost und Logis, aber ohne Gehalt. Sie hat es zunächst nicht leicht, nicht jeder ...

Rahel Hirsch hat als eine der ersten Frauen Medizin studiert und erhält 1903 eine Anstellung bei der Charité – für freie Kost und Logis, aber ohne Gehalt. Sie hat es zunächst nicht leicht, nicht jeder ihrer Kollegen kann eine Ärztin akzeptieren.

Barbara Schubert fängt, ebenfalls 1903 in der Wäscherei der Charité an, durch eine Kollegin findet sie Zugang zur Frauenrechtsbewegung. Durch einen Zufall lernt sie Dr. Hirsch kennen und die beiden Frauen freunden sich an.

Ulrike Schweikert setzt ihren Roman über die Geschichte der Charité fort, einige Jahrzehnte sind vergangen und viel hat sich in der Medizin getan. Auch für die Zeit aktuelle medizinische Erkenntnisse werden in die Erzählung eingebunden, wie etwa die Suche nach dem Erreger der Syphilis. So tauchen auch wieder eine ganze Reihe historischer Persönlichkeiten aus dem medizinischen Spektrum auf, wie etwa Paul Ehrlich. Auch Rahel Hirsch selbst ist eine reale historische Person, was ihre Geschichte besonders interessant macht. So ist der Roman auch dieses Mal wieder eine gelungene Mischung aus Geschichte der Charité, Medizinhistorie, politischem und sozialem Hintergrund und persönlicher Geschichte historischer und fiktiver Charaktere. Eingebunden wird die Zeit vor, während und kurz nach dem ersten Weltkrieg, die Erzählung beginnt 1903 (Prolog 1893) bis 1919 (Epilog 1938).

Neben den Perspektiven der beiden Protagonistinnen gibt es weitere, wie die von Franz, Barbaras Cousin, der stellvertretend für die Soldaten an der Front steht, Asta Nielsen, die bekannte Schauspielerin oder Melli Beese, die sich als Pilotin und Flugzeugbauerin etablieren konnte – zwei Frauen, die „ihren Mann standen“. Asta Nielsen wirkt zwar auf mich ein bisschen wie ein Fremdkörper in der Erzählung, da sie wenig mit der eigentlichen Geschichte zu tun hat und auch keine Beziehung zu den anderen Charakteren besteht, dennoch passt sie in jene Zeit und ihre Szenen haben mir gefallen.

In einem Nachwort erzählt die Autorin über Fiktion und Wahrheit der Erzählung. Eine Karte und ein Auszug aus der verwendeten Literatur ergänzen das Ganze noch. Mir hat der Roman wieder große Lust gemacht, den historischen Charakteren noch ein bisschen mehr nachzuspüren.

Auch dieser Roman ist wieder interessant zu lesen und hat mit Rahel Hirsch eine bemerkenswerte reale Person als Protagonistin. Auch die Medizinhistorie und das soziale und politische Umfeld ist gut eingebunden – lehrreich und unterhaltsam, für mich ein gelungener historischer Roman, den ich sehr gerne weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Von innen betrachtete afrikanische Kultur und ihre Zerstörung durch den "weißen Mann"

Alles zerfällt
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Nigeria, Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert: Okonkwo gehört dem Stamm der Igbo an, sein Vater war ein Taugenichts, aber er hat es geschafft aus eigener Kraft zu etwas zu bringen und sich einen guten Status ...

Nigeria, Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert: Okonkwo gehört dem Stamm der Igbo an, sein Vater war ein Taugenichts, aber er hat es geschafft aus eigener Kraft zu etwas zu bringen und sich einen guten Status im Dorf zu sichern. Als christliche Missionare im Dorf eintreffen, ändert das das Leben des ganzen Stammes für immer.

Chinua Achebe, selbst Nigerianer, veröffentlichte diesen Roman bereits 1958. In einem sehr interessanten Vorwort erfährt man einiges über den Autor und den (zunächst geplanten) Roman, der letztlich in die Afrika-Trilogie mündete, „Alles zerfällt“ ist der erste Band dieserTrilogie und erzählt das Leben eines afrikanischen Stammes „von innen“, Anmerkungen im Anhang vertiefen manches.

Der Roman lässt sich sehr gut lesen, wird aber manchen erschüttern. Nicht immer wird deutlich, warum der Stamm dieses oder jenes tut, und für unser eigenes Verständnis wirkt vieles fremd und „barbarisch“. Hier hilft aber der Blick von innen, den der Autor einnimmt, der eben nicht wertet, und so sollte man es auch als Leser halten, und den Kontext der Zeit und des Ortes berücksichtigen. Dabei hilft, dass viele verschiedene Lebenslagen erzählt werden. Der Eingriff des „weißen Mannes“ in die Kultur ist heftig, wenn auch zunächst schleichend, aber nach und nach wird sie komplett zerstört, die Würdenträger des Dorfes gedemütigt, die Jugend verliert die bisherigen Werte – die Veränderung, die der Stamm durchmacht, ist gravierend. Nicht nur Okonkwo zerbricht daran.

Der Roman ist gut geeignet, das urtümliche Afrika aus Sicht der Afrikaner kennen zu lernen. Es zeigt auch die Zerstörung einer Kultur durch eine andere auf, die sich für höher entwickelt hält und es daher nicht für nötig hält, sich erst einmal mit ihr auseinanderzusetzen – ein Roman, den man gelesen haben sollte.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Die Reihe gefällt mir immer besser

Inspektor Takeda und der lächelnde Mörder
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Eine Frau stürzt vor die Bahn, ein Jugendlicher gesteht, sie geschubst zu haben – ein klarer Fall? Nein, denn der Jugendliche, Simon Kallweit, widerruft sein Geständnis und es gibt keine eindeutigen Beweise. ...

Eine Frau stürzt vor die Bahn, ein Jugendlicher gesteht, sie geschubst zu haben – ein klarer Fall? Nein, denn der Jugendliche, Simon Kallweit, widerruft sein Geständnis und es gibt keine eindeutigen Beweise. Doch dann gibt es einen weiteren Mord und Simon ist wieder verdächtig.

Bereits seit dem ersten Band faszinieren mich die Inspektor-Takeda-Romane. Das liegt zum einen daran, dass hier ein japanischer Inspektor für die deutsche Polizei ermittelt und nicht nur seine ganz eigene Art hat, sondern auch darüber nachdenkt, was an Deutschland besonders ist, wo die Unterschiede zwischen den beiden Ländern sind, und immer wieder feststellt, dass er sich in Hamburg sehr wohl fühlt. Das liegt zum anderen aber auch daran, dass der Autor mit ganz besonderen Fällen punktet, die interessant und spannend sind und immer wieder überraschen (und erschrecken). Auch mit diesem dritten Band ist ihm das wieder exzellent gelungen.

Takedas Kollegin ist Claudia Harms, die beiden passen eigentlich so gar nicht zusammen, aber sie haben sich immer mehr aneinander gewöhnt und achten und mögen sich mittlerweile. Claudia ist ein ganz anderer Typ als Takeda, robust und aufbrausend, im Privatleben einsam, aber ebenfalls eine gute Ermittlerin mit dem Herz am rechten Fleck. Meine eigene Beziehung zu Claudia ist übrigens ähnlich wie die Takedas, am Anfang hatte ich so meine Probleme mit ihr. Schön, dass es dem Autor gelungen ist, diese zu entfernen.

Dieser dritte Band gefällt mir bisher am besten. Die Thematik ist hart, der Verdächtige problematisch. Dass Mangas und ihre, zum Teil abstrusen, Auswirkungen Einzug halten, ist passend, auch, weil Takeda sich damit natürlich gut auskennt. Mitraten kann man, allerdings nur eingeschränkt. Auf die Auflösung wäre ich niemals gekommen, sie ist erschreckend, aber nicht unlogisch. Es gibt ein paar sehr überraschende Wendungen, dadurch ist der Roman auf seine Art sehr spannend.

Der dritte Band der Reihe ist der bisher beste, er bietet einen interessanten und erschreckenden Fall, lässt sich kaum aus der Hand legen und zeigt einmal mehr – mal augenzwinkernd, mal gesellschaftskritisch – ein paar „Wahrheiten“ über die Deutschen und die Japaner. Ich vergebe dieses Mal gerne die volle Punktzahl und empfehle die Reihe weiter.