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Veröffentlicht am 17.11.2019

Der Fluch von Chastle House

Die vergessenen Stimmen von Chastle House
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Die 27-jährige Dione Dearing ist ein berühmter Popstar, doch ihr Leben ist ein Alptraum. Sie kann kaum einen Schritt allein unternehmen geschweige denn eigene Entscheidungen treffen, immer wieder wird ...

Die 27-jährige Dione Dearing ist ein berühmter Popstar, doch ihr Leben ist ein Alptraum. Sie kann kaum einen Schritt allein unternehmen geschweige denn eigene Entscheidungen treffen, immer wieder wird sie von den Anweisungen anderer, aber vor allem von ihrer Mutter, eingeschränkt und wie eine Geisel behandelt. Ein Brief von einem Unbekannten lässt Dione den Mut aufbringen, endlich aus ihrem fremdbestimmten Leben auszubrechen und nach England zu reisen, wo sie sich auf den Familienbesitz Chastle House begibt und sich fortan den Namen Diana gibt. Sie genießt die Ruhe und Abgeschiedenheit, aber vor allem die Möglichkeit, endlich mal den Anforderungen anderer zu entkommen. Während sie sich mit den Einheimischen langsam anfreundet und ihr Herz an Chastle House und den Farmer Aiden verliert, erfährt sie auch nach und nach von der Geschichte des alten Familiensitzes und dessen geheimnisvollen Fluch…
Felicity Whitmore hat mit „Die vergessenen Stimmen von Chastle House“ wieder einen sehr unterhaltsamen und spannenden Roman vorgelegt, dessen Geschichte sich über mehrere Zeitebenen erstreckt und den Leser mit einem flüssigen, bildhaften und atmosphärischen Erzählstil regelrecht in die Handlung katapultiert, wo er sich mit Dione in dem alten Familiensitz wiederfinde, dessen Mauern so einiges verbergen und vieles erzählen könnten. Mit wechselnden Perspektiven, die den Leser von der Gegenwart um Dione in die Vergangenheit zum einen zu Henry und Katherine und zum anderen zu Hatty führen, steigert die Autorin nicht nur die Spannung, sondern lässt den Leser auch immer wieder um das Verhältnis der verschiedenen Protagonisten untereinander rätseln. Gut dosiert und mit steigendem Spannungslevel setzen sich nach und nach die Puzzlesteine zusammen und enthüllen den alten Familienfluch, der endlich gebrochen werden will. Jeder einzelne Zeitstrang ist für sich faszinierend, und die Autorin hat diese wunderbar miteinander verbunden. Geschickt eingewebte Wendungen lassen den Leser immer wieder aufs Neue rätseln, welche Richtung die Geschichte wohl nimmt und wird am Ende doch von der Auflösung überrascht. Die Handlung lässt wirklich keine Wünsche offen in Bezug auf Spannung und Verlauf.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet, mit ihren individuellen Ecken und Kanten wirken sie realitätsnah und glaubwürdig. Der Leser kann seine Sympathien gerecht verteilen und mit den Protagonisten hoffen, bangen, leiden und fiebern. Dione ist eine talentierte Frau, die Zeit ihres Lebens unter der Knute ihrer Mutter stand, die sie ausgenutzt, bevormundet, belogen und betrogen hat. Sie wirkt für ihr Alter zu Beginn sehr naiv, doch ändert sich das im Handlungsverlauf. Katherine ist eine starke und mutige Frau, die für ihre Zeit recht unkonventionell auftrat, in Ehemann Henry aber die Liebe ihres Lebens fand. Hatty ist eine vom Schicksal gebeutelte Frau, die eine schwere Bürde auf sich nimmt, an der sie zerbricht. Diones Mutter Monica ist eine selbstsüchtige Person, die mit aller Macht ihren Willen durchsetzen will. Aber auch Claire, Henry, Aiden sowie Marc spielen nicht unerhebliche Rollen in dieser Geschichte und heizen die Spannung mit ihren Auftritten weiter an.
„Die vergessenen Stimmen von Chastle House“ ist ein sehr unterhaltsamer und atmosphärischer Roman um ein altes Familiengeheimnis, dessen Auflösung erst auf den letzten Seiten preisgegeben wird. Spannungsgeladen und über mehrere Zeitebenen ist es ein wunderbarer Schmöker, den man nicht aus der Hand legen kann. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.11.2019

Die Satteltaschenbibliothekarinnen von Kentucky

Wie ein Leuchten in tiefer Nacht
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1937 Kentucky. Die Engländerin Alice ist frisch verheiratet mit Ehemann Bennett van Cleve und folgt ihm in seine amerikanische Heimat, wo sie in der Kleinstadt Baileyville in Kentucky landen und ein Zimmer ...

1937 Kentucky. Die Engländerin Alice ist frisch verheiratet mit Ehemann Bennett van Cleve und folgt ihm in seine amerikanische Heimat, wo sie in der Kleinstadt Baileyville in Kentucky landen und ein Zimmer im Haus ihres Schwiegervaters beziehen, der ein einflussreicher Bergminenbesitzer ist und dies auch alle einschließlich Alice spüren lässt. Um die Leere ihrer Tage zu füllen und sich nützlich zu machen, meldet sich Alice freiwillig bei den Bibliothekarinnen der Packhorse Library, nach einem von Eleonore Roosevelt initiierten Projekt, um entlegen wohnende Bürger und Nachbarn per Pferd mit Büchern zu versorgen. Schon bald lernt Alice nicht nur die Gemeinschaft und sich anbahnenden Freundschaften mit den anderen Frauen schätzen, sondern auch die neugewonnene Freiheit, ihren sonst so trostlosen Alltag mit Leben zu füllen und ihre neue Heimat besser kennenzulernen…
Jojo Moyes hat mit „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ einen wunderbaren Roman mit historischem Hintergrund vorgelegt, der sich völlig von den sonst von ihr gewohnten Geschichten unterscheidet. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und atmosphärisch dicht, die Handlung ist tiefgründig und lässt den Pioniergeist wieder aufleben. Kaum mit der Lektüre begonnen, taucht der Leser in die raue Berglandschaft Kentuckys ab und darf sich mit mutigen Frauen auf einige Abenteuer einlassen, die ihre Aufgabe als Buchausträgerinnen sie in die entlegensten Gegenden führt und zur damaligen Zeit nicht ungefährlich war. Aus verschiedenen Blickwinkeln erfährt der Leser vom Leben der einzelnen Frauen. Die Autorin hat gut recherchiert und verwebt nicht nur den historischen Hintergrund sehr schön mit ihrer Geschichte, sondern lässt den Leser durch farbenfrohe Beschreibungen der Örtlichkeiten auch wunderbare Bilder vor dem inneren Auge entstehen. Teilweise hat es etwas vom Wilden Westen, wo allerdings die Frauen die Hauptrollen spielen. Das harte Leben auf dem Land und die damaligen Vorstellungen von Hierarchie innerhalb der Familie, die oftmals gewaltsam ausgetragen wurde, werden hier ebenso thematisiert wie Rassismus und schlechte Arbeitsbedingungen. Auch die Skepsis vor etwas Neuem und dessen Anfeindung ist hier gut herausgearbeitet worden. Aber allen voran erzählt die Autorin eine Geschichte von Frauen, die sich behaupten und eine Stärke besitzen, sich gegen alle Widrigkeiten in den Weg zu stellen. Der Spannungsbogen liegt während der gesamten Handlung auf einem überdurchschnittlichen Niveau.
Den Charakteren wurde regelrecht Leben eingehaucht, sie besitzen realistische Ecken und Kanten, wirken glaubhaft und authentisch. Der Leser fühlt sich vor allem den Protagonistinnen nahe und kann ihre Gefühle und Gedanken gut nachvollziehen. Alice hat sich mit einer überhasteten Heirat in eine Lage gebracht, der sie eigentlich davonlaufen wollte. Zu Beginn noch naiv und unbedarft, entwickelt sie sich zu einer selbstsicheren und mutigen Frau, die sich zur Wehr zu setzen weiß. Marge O’Hare ist unverheiratet, lebt aber in wilder Ehe, was damals einem Skandal gleich kam. Sie ist eine unkonventionelle und starke Frau, die eher wie ein Mann wirkt. Beth hat eine Menge Humor und ist nicht auf den Mund gefallen. Alice‘ Schwiegervater Geoffrey ist ein unerträglicher Tyrann und Kontrollfreak, der seine Position dazu nutzt, jedem seinen Willen aufzudrängen. Sein Sohn Bennett ist seine Marionette und benimmt sich Alice gegenüber schäbig und gleichgültig. Aber auch Isabelle, Sophia und Kathleen spielen eine große Rolle in dieser Geschichte und lassen sie rundum gelungen wirken.
„Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ ist ein wunderbarer und gefühlvoller Roman vor historischer Kulisse, in dem neben starken Frauen und der Liebe vor allem die Freundschaft eine große Rolle spielt. Ein absoluter Pageturner mit herrlichem Kopfkino, der eine tiefgründige Geschichte an den Leser bringt! Verdiente Leseempfehlung, einfach wunderbar!!!

Veröffentlicht am 17.11.2019

Licht- und Schattenseiten von Lee Millers Leben

Die Zeit des Lichts
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1929. Das erfolgreiche Fotomodell Elizabeth Lee Miller ist gerade einmal 22 Jahre alt, als sie beschließt, von New York nach Paris zu gehen, um dort eine Karriere als Fotografin zu beginnen, denn das war ...

1929. Das erfolgreiche Fotomodell Elizabeth Lee Miller ist gerade einmal 22 Jahre alt, als sie beschließt, von New York nach Paris zu gehen, um dort eine Karriere als Fotografin zu beginnen, denn das war schon immer ihr Traum. In Paris fühlt sich Lee erst einmal einsam, bis sie auf einer Party dem älteren bekannten Portraitfotografen Man Ray begegnet, der sie als Assistentin einstellt und ihr das Rüstzeug für ihren Traumberuf bietet. Doch bald schon entspinnt sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung, die allerdings immer wieder von Rays Eifersuchtsattacken überschattet wird. Es dauert einige Zeit, bis Lee die Reißleine zieht und sich von Ray trennt, um unabhängig und ehrgeizig ihren eigenen Weg zu verfolgen. Im Zweiten Weltkrieg arbeitet sie als Militärkorrespondentin für die US-Army, dokumentierte die Befreiung der KZs Dachau und Buchenwald und lieferte Bildmaterial von der Invasion der Alliierten sowie der Befreiung von Paris…
Whitney Scharer hat mit „Die Zeit des Lichts“ einen sehr unterhaltsamen und packenden Roman vorgelegt, in dem sie Fiktion mit Tatsachen brillant vermischt und dem Leser nicht nur die Lebensgeschichte der Künstlerin, sondern auch die Person Elizabeth Lee Miller sehr nahe bringt, während sie gleichzeitig den damaligen Zeitgeist in ihrer Handlung wieder lebendig werden lässt. Der Schreibstil ist flüssig, bildgewaltig und fesselnd, der Leser gleitet an die Seite der jungen Frau, um unsichtbar ihren Fußabdrücken zu folgen und neben ihrem beruflichen Engagement auch ihr privates Leben kennenzulernen, wobei sowohl der Kampf mit ihren inneren Dämonen als auch der als Frau beeindruckt. Scharer zeichnet das Bild einer Frau, die als Kind missbraucht und im weiteren Leben von Männern immer wieder nur für deren eigene Ziele benutzt wird, jedoch durch ihre Durchsetzungskraft und Hartnäckigkeit sowie mit eigenem Talent etwas erreicht hat in einer Welt, die von Männern regiert und in der Frauen eine eigene Karriere verweigert wird. Die Autorin hat nicht nur bildhaft die Pariser Zeiten eingefangen, sondern transportiert auch deren Atmosphäre an den Leser weiter. So lernt er das brotlose Dasein eines Künstlers ebenso kennen wie die ausufernden Partys. Wechselnde Erzählperspektiven lassen den Leser eine Rückschau sowie ein Resümee der Künstlerin erleben, zeigt aber auch ihre innere Gefühlswelt auf.
Glaubwürdig und sehr authentisch hat Scharer ihre Charaktere gestaltet, sie sprühen vor Leben und machen es dem Leser leicht, sich der Hauptprotagonistin verbunden zu fühlen. Elizabeth Lee Miller ist schon in jungen Jahren durch ihre Modelltätigkeit eine bekannte Persönlichkeit. Doch das ist ihr zu oberflächlich, sie träumt vielmehr davon, etwas Eigenes zu erschaffen. Sie besitzt nicht nur Mut, sondern vor allem Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist, der sie immer wieder antreibt. Aber auch einen gewissen Hang zum Egoismus kann man ihr nicht absprechen. Das Trauma des Missbrauchs in der Kindheit sowie die immer wiederkehrende dominierende Rolle der Männer in ihrem Leben haben sie geprägt und sie zu einer entschiedenen Frau gemacht, die aber anhand der Dinge, die sie im Krieg erlebt und dokumentiert hat, der optimistischen Lebensfreude beraubt wurde.
„Die Zeit des Lichts“ lässt den Leser nicht nur in eine vergangene Epoche abtauchen, sondern vor allem eine interessante Persönlichkeit näher kennenlernen, die ihrer Zeit weit voraus war. Hier wurden Fiktion und Wirklichkeit so fließend vermischt, dass der Leser während der Lektüre das Gefühl hat, Elizabeth Lee Miller gegenüberzusitzen und ihren Erlebnissen zu lauschen. Absolute Leseempfehlung für ein wunderbares Buch!

Veröffentlicht am 16.11.2019

Auf tönernen Füssen

Der zerbrechliche Traum
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Nachdem Luise ihre Liebe verraten hat, kehrt Hamza zurück in seine Heimat Kamerun, um dort all das anzuwenden, was er gelernt hat. Allerdings wird es ihm nach seiner Rückkehr dort nicht leicht gemacht, ...

Nachdem Luise ihre Liebe verraten hat, kehrt Hamza zurück in seine Heimat Kamerun, um dort all das anzuwenden, was er gelernt hat. Allerdings wird es ihm nach seiner Rückkehr dort nicht leicht gemacht, zu sehr ist er durch seine lange Abwesenheit und sein Auftreten einigen ein Dorn im Auge. Als sich auf der Plantage ein Unglück ereignet und es zu Auseinandersetzungen kommt, gerät er mitten zwischen die Fronten. Währenddessen kann es Luise gar nicht schnell genug gehen, nach der Geburt der mit Hans gemeinsamen Tochter Viktoria ihre Arbeit im Hamburger Kontor wieder aufzunehmen. Dort muss sie allerdings feststellen, dass Richard in Bezug auf die Geschäfte anscheinend ein wesentlich geschickteres Händchen hat als sie, was ihr Vater wohlwollend zur Kenntnis nimmt und Luise um ihre eigene Position im Kontor fürchten lässt. In Wien grämt sich Therese nach Karls Tod und benötigt dringend einen Tapetenwechsel, der sie zurück zu ihrer Familie nach Hamburg führt. Aber auch Martha verursacht einige Unruhe…
Ellin Carsta hat mit „Der zerbrechliche Traum“ den vierten Teil ihrer historischen Familiensaga um die Hansens vorgelegt und spinnt deren Leben ab dem Jahr 1894 spannend weiter. Der Schreibstil ist flüssig-leicht, bildhaft und fesselnd, so dass der Leser sich schnell wieder unter die Familienmitglieder mischen kann, die bereits anhand der Vorgängerbände zu liebgewonnenen Freunden zählen, um deren Schicksale mitzuverfolgen. Carsta lässt den Leser gedanklich wieder auf Reisen gehen, denn die Austragungsorte ihrer Geschichte pendeln zwischen Wien, Hamburg und Kamerun und umfasst einen Zeitrahmen von wenigen Monaten. Spannend legt die Autorin hier den Fokus auf die Ereignisse in Kamerun, wo sich die Gegner kämpferisch gegenüber stehen. Aber auch die Entwicklung ihrer Charaktere schreitet weiter voran und lässt einige Schlussfolgerungen zu, wie es wohl weitergehen wird. Dabei steht Luisa eindeutig im Mittelpunkt. Der Spannungslevel ist gleichbleibend im oberen Mittelfeld angesetzt und zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Handlung.
Die Charaktere sind durchweg sehr lebendig gestaltet und unterstehen einer ständigen, glaubhaften Entwicklung, so dass der Leser sich in ihrer Mitte unter liebgewonnenen Freunden fühlt und mit ihnen hofft, bangt und leidet. Luisa hat sich zu einer verantwortungsvollen, liebenden Ehefrau und Mutter gemausert, die aber auch ihre Aufgabe im Kontor liebt. Als starke Persönlichkeit übernimmt sie vielfältige Aufgaben und versucht, alles unter einen Hut zu bringen. Therese macht eine schwierige Phase durch, die ihre Kräfte aufzehren, aber sie muss für ihren Sohn stark bleiben. Aber auch Robert und Hamza sind unverzichtbar in dieser Serie, auf Karl muss leider in Zukunft verzichtet werden.
„Der zerbrechliche Traum“ ist ein spannender und unterhaltsamer vierter Teil rund um die Hansen-Familie. Wer die Vorgängerbände noch nicht kennt, sollte unbedingt diese unbedingt in der vorgegebenen Reihenfolge lesen, denn erst, wenn man alle Zusammenhänge kennt, wird diese Geschichte zur Sucht und zum Genuss. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.11.2019

Liebesbriefe an einen Engel

Die Liebesbriefe von Montmartre
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5 Jahre ist die schicksalhafte erste Begegnung zwischen Hélène und dem Schriftsteller Julien Azouley her, als sie im Mai auf dem Pariser Cimetière de Montmatre an Heinrich Heines Grab aufeinandertreffen ...

5 Jahre ist die schicksalhafte erste Begegnung zwischen Hélène und dem Schriftsteller Julien Azouley her, als sie im Mai auf dem Pariser Cimetière de Montmatre an Heinrich Heines Grab aufeinandertreffen und von da an gemeinsam durchs Leben gehen. Doch nun ist Hélène gestorben und hinterlässt nicht nur einen gebrochenen Julien und den vierjährigen Arthur, sondern auch den Wunsch, von Julien für jedes ihrer Lebensjahre einen Brief von ihm zu bekommen, 33 an der Zahl. Julien ist seit Hélènes Tod nicht mehr in der Lage, auch nur irgendeine Zeile aufs Papier zu bekommen, mit seinem Manuskript ist er schon im Verzug, wie soll er da einen Brief zustande kriegen? Doch als ihm seine Freunde und auch sein Verleger deutlich den Kopf waschen, fließen die Gedanken nur so aufs Papier, und Julien teilt seinen Alltag mit seiner toten Ehefrau, die er dann in einem Geheimfach am Grab versteckt. Als er wieder einmal einen dort ablegen möchte, sind seine Briefe verschwunden, dafür erwartet ihn selbst eine Nachricht…
Nicolas Barreau hat mit „Die Liebesbriefe von Montmatre“ wieder einmal unter Beweis gestellt, welch ein herausragender Geschichtenerzähler er ist. Mit einfühlsamen Worten und einem flüssigen, bildhaften Schreibstil nimmt er den Leser mit den ersten Sätzen gefangen und führt ihn sanft und behutsam durch die Handlung, wobei er dem Leser die gesamte Klaviatur des Gefühlsbarometers abringt. Jeder, der schon einmal den Verlust eines geliebten Menschen zu betrauern hatte, wird sich sofort mit Julien identifizieren können. Die herzergreifende Trauer, die Sorge um den kleinen Sohn, die ständige Hoffnungslosigkeit sind so gut beschrieben, dass nicht nur Julien wie ein Hund leidet, sondern auch der Leser. Erst nach und nach lässt Barreau meisterlich kleine Lichtblicke in das Leben seines Protagonisten dringen, die ganz langsam das Leben von Julien und Arthur verändern, die Schmerzen der Trauer lindern und wieder Hoffnung in deren Herzen bringt. Bittersüß lässt er Vater und Sohn durch die Stadt der Liebe wandeln, an deren Fersen sich der Leser heftet, um das französische Laissez-faire mitzuerleben und in sich aufzusaugen. Die Friedhofsbesuche sowie die Zitate aus Heines Werken lassen die Lektüre sowohl romantisch wie traurig wirken und rühren am Leserherz wie die an Hélène gerichteten Briefe. Barreau vermittelt mit seinen Geschichten auch immer eine Botschaft, diesmal geht es ihm um Hoffnung und den Blick nach vorn.
Die Charaktere sind wunderbar mit Leben gefüllt, sie wirken der Realität regelrecht entsprungen. Julien ist ein umsichtiger und fürsorglicher Ehemann und Vater. Sein Verlust nimmt ihm jede Lebensfreude, doch er bemüht sich, für seinen Sohn stark zu sein. Arthur ist zwar erst 4 Jahre alt, aber er ist nicht nur der Klebstoff zwischen Julien und dem Leben, sondern auch ein Kind, dass Geborgenheit und vor allem Sicherheit braucht. Aber er ist auch weise, denn er wünscht sich Glück für seinen Vater, damit dieser wieder lacht. Alexandre ist Juliens bester Freund, der kein Blatt vor den Mund nimmt und seinem Kumpel auch mal die Meinung geigt. Hélènes Freundin Catherine ist gleichzeitig auch die Nachbarin, die ebenso unter dem Verlust leidet und Julien oftmals mit Arthur unter die Arme greift. Aber auch Juliens Mutter, sein Verleger oder der demente Onkel Paul tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte rundum gelungen ist.
Niemand kann auch nur annähernd eine Liebesgeschichte gleichzeitig so traurig und mit so viel Romantik erzählen wie Barreau. Er ist ein Wortspieler ohnegleichen, der immer wieder verzaubert und das Gefühl von Liebe in die Herzen der Leser pflanzt. „Die Liebesbriefe von Montmatre“ ist einfach unglaublich – Chapeau!