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Veröffentlicht am 31.03.2020

Und plötzlich dreht sich der Spieß um! Unerwartet, detailreich, aber etwas ausschweifend

Der Ruf der Rache
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Allgemein:

"Der Ruf der Rache" ist der Abschlussband der Dilogie um "Die Chroniken der Hoffnung". Anfang 2020 veröffentlichte der One-Verlag somit das Ende des Sequels der erfolgreichen Fantasy-Reihe ...

Allgemein:

"Der Ruf der Rache" ist der Abschlussband der Dilogie um "Die Chroniken der Hoffnung". Anfang 2020 veröffentlichte der One-Verlag somit das Ende des Sequels der erfolgreichen Fantasy-Reihe "Die Chroniken der Täuschung" von Mary E. Pearson. Inhaltlich begegnen wir erneut der jungen Elitesoldatin Kazi, die ihrem königlichen Auftrag nachgekommen ist und sogar noch mehr bekommen hat - Jase. Das Versteckspiel um ihre Gefühle ist vorbei, die Planung eines gemeinsamen Lebens auf dem Heimweg nach Höllenrachen im vollen Gange, doch an den Toren der Stadt empfängt sie etwas ganz Anderes als ein Empfangskomitee: Ein Hinterhalt durch einen völlig unerwarteten Feind.

Mein Bild:

Wisst ihr was? Ich habe wirklich über 1 Jahr darauf gewartet, dieses Buch in den Händen zu halten. Selten, wirklich sehr selten, fange ich nach dem Kauf sofort an zu lesen, aber hier, ja hier, musste es sein. Das Witzige ist, ich wusste gar nicht mehr, wie der 1. Band ausgegangen ist, außer, dass der Ursprungsplot aufgelöst wurde und plötzlich etwas aus den Fugen geraten ist. Ja, das kann sie, die Mary E. Pearson. Ich vergöttere und hasse sie zugleich für das, was sie mir mit ihren Büchern antut. Ok, so viel dazu.

Ich mag diese hübschen Hardcover. Die Ursprungsreihe und das Sequel ergänzen sich wirklich gut und auch das "Rotkäppchen"- Mädchen hat einen Wiedererkennungswert. Mich stört es inzwischen nicht mehr, dass es nicht dem englischen Original gleicht. Über 570 Seiten erwarteten von mir, verschlungen zu werden. Und das tat ich mit Gänsehaut, Nervenkitzel und ganz vielen emotionalen Bildern im Kopf.

Wie immer integrierte die Autorin auch einen Blick ins Schlüsselloch der Historie dieser altertümlichen Welt mit ihren inzwischen 13 Großreichen. Die Form erinnert an biblische Geschichten oder alte Tagebucheinträge von verschiedenen Ahnen der Charaktere, insbesondere Jase Familie. Zudem galten diese einzelnen Seiten oft als Vorboten für die nächsten Ereignisse im Plot. Ihr seht, die Schlüsselloch-Methode zieht sich noch anderweitig durch das Buch.

Der Prolog hingegen war kein Schlüsselloch, sondern eine Tür, die zu einen dunklen Ort führte. 2 Seiten, die ein schlimmes Ereignis, das später eintrifft schon erahnen lassen. An sich bin ich kein Fan solcher Prologe, weil so etwas bereits einen Teil der Handlung spoilert. Doch er ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen und die Sorge um die Protagonistin erwachte somit gleich zu Beginn.

Kazis Ich-Perspektive kann manchmal sehr schonungslos sein, da sie ein Charakter ist, der seinen Tod nicht fürchtet, sondern eher davor Gefühle zuzulassen. Miss Pearson spielte damit, denn nach dem Prolog gibt es einen Zeitversatz, getreu dem Motto "was vorher geschah" und ich lernte eine neue Seite der militärische perfekt ausgebildeten Elitekämpferin kennen. Frei, geliebt, hoffnungsvoll und vor allem bekommt sie die Möglichkeit zu einer Familie dazuzugehören. Ein Wunsch, der insgeheim lange in ihr brannte. Ich freute mich für sie und Jase.

Ja, Leute, es wird romantisch. Ich mochte diesen vermeintlich positiven Ausgang, schließlich war er hart verdient!
Zumindest 20-30 Seiten lang dürfte ich Teil einer smarten Verliebtheit sein, die mir Jase und Kazi abwechselnd näher brachten. Es war nicht zu schnulzig und half meinen Erinnerungen zum vorherigen Band zumindest teilweise auf die Sprünge. Alles konnte ich jedoch nicht mehr reproduzieren.
Doch jeder schöne Moment ist vorbei. Die Handlungsstränge trennten sich, nicht unerwartet, aber die Richtung traf mich. Ich verfolgte nun getrennt die beide Protagonisten und es flashte mich total, dass nur ich allein wusste, wie es um den jeweiligen anderen stand. Die Verzweiflung und Angst der Beiden war zum Greifen nah.

Dem Plot selbst würde ich zumindest bis zum Showdown nicht als absolut actionreich betrachten. Hier wurde sehr viel Wert auf Atmosphäre und Charakterausbau gelegt. Beispielsweise eine Flucht, die tagelang dauert und viele Entbehrungen mit sich bringt, wurde auch ausführlich beschrieben. Ich bekam einen Klos im Hals bei der Vorstellung, allerdings war es einen Ticken zu lang.

Genauso liebte ich den neuen Antagonisten. Wow! Was für ein Mensch! Er sieht sich selbst als Architekt und Drahtzieher, jedoch nennt Kazi ihn ein Monster. Doch irgendwann wiederholte sich das. Natürlich hatte es seinen Sinn, denn aufkommende alte Fragen und Nebenhandlungen wurden tatsächlich aufgelöst. Selbst Dinge mit denen ich persönlich abgeschlossen hatte, aber im Nachgang froh bin, dass Mary E. Pearson sie nicht vergaß.

Die Geschichte bietet wahnsinnig viel Tiefe und Bedeutung in Richtung Familie, Liebe, Loyalität, Freundschaft und Erinnerungen, die man bewahren sollte. Mich berührte der Zusammenhalt und das Vermögen nicht aufzugeben, sondern dem "Bösen" wortwörtlich in die Augen zu sehen. Einfach phänomenal.

Ich bin ehrlich, mit so mancher Offenbarung hinsichtlich dem ein oder anderen Nebencharakter habe ich nicht gerechnet und schäme mich teilweise, diese Person in eine andere Schublade gesteckt zu haben. Der alles entscheidende Höhepunkt ließ mich hoffen und bangen, das Ende hingegen war ein sanfter Abschied.

Fazit:

Ein Abschluss, der mich an die vorherige Reihe erinnerte: Besondere Gaben, ein charakterstarker Bösewicht, die Überlegung, wie diese Welt historisch gewachsen ist und vieles mehr. Willkommen zurück in der Welt von Mary E. Pearsons Chroniken. Jugend-Fantasy mit Anspruch, Spannung, aber auch ein paar Längen.

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Veröffentlicht am 22.02.2020

Provokant, brutal, aufklärend und nachhallend

Sturm
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Allgemein:

Christoph Scheuring ist ein bekannter deutscher Journalist und Autor, der bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert war. Anfang 2020 veröffentlichte er erneut einen Roman beim Magellanverlag ...

Allgemein:

Christoph Scheuring ist ein bekannter deutscher Journalist und Autor, der bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert war. Anfang 2020 veröffentlichte er erneut einen Roman beim Magellanverlag und beschäftigt sich damit vor allem mit der kontroversen Diskussion um Nachhaltigkeit, Naturschutz und wie der Mensch damit umgeht. Innerhalb der Geschichte lernen wir die 18-jährige Nora kennen, deren Verhältnis zu Tieren, aus gutem Grund, besser ist als zu Menschen. Nach einer radikalen Protestaktion wird sie zu Sozialstunden verdonnert, die sie über eine Organisation nach Kanada führt. Als Observerin soll sie die Fischerfamilie Meinart bei ihrer Arbeit beobachten. Doch dann kommt mitten auf See ein Sturm auf, der Nora und den jungen Fischer Johan um ihr Überleben kämpfen lässt.

Mein Bild:

Meine Erfahrungen mit dem Magellanverlag sind bisher so, dass jedes Jugendbuch Themen anspricht, die einen heranwachsenden Menschen beschäftigen können: Trauer, Familie, Freundschaft, Liebe, Diversität, Krankheit und noch vieles mehr. Oft in einer Art und Weise, die mich packt. So war es auch hier, wenn auch die Protagonistin schon ein Kaliber für sich ist, dazu aber gleich mehr.
300 Seiten Hardcover lagen vor mir. Haptisch ist das Buch sehr angenehm aufgemacht. Es hat ein bisschen was von geprägten, weichen Karton und fällt aufgrund des groß aufgedruckten Titels doch sehr auf. Von Christoph Scheuring hatte ich bisher noch nichts gelesen, bekam bei diesem Buch jedoch ganz schnell das Gefühl, dass er gewisse Ereignisse im Buch entweder selbst erlebt haben könnte oder wahnsinnig detailliert recherchiert hat.
Hier kommen wir zu dem Punkt, bei dem ich klar sagen muss, dass das Buch eine Triggerwarnung braucht! Häusliche Gewalt, Alkoholismus, sexuelle Übergriffe und Tierquälerei spielen in dieser Geschichte eine Rolle und das sehr bildlich. Ich bin für Ehrlichkeit und mag es auch nicht, wenn Sachverhalte beschönigt werden, aber mir drehte sich teilweise der Magen um, mich überkam der Wunsch Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen oder meine Lebensweise komplett umzustellen. Das war sowohl gut als auch schlecht - ein ziemlicher Zwiespalt für mich.
Der Schreibstil des Autors war etwas gewöhnungsbedürftig bzw. die sprachliche Ich-Perspektive der Protagonistin Nora. Ich hatte beim Satzbau eingangs immer das Gefühl, dass ein Satz an sich schon beendet war, aber dann noch ein paar Worte ergänzt wurden. Wie soll ich es beschreiben? Es war so, als wäre Nora noch etwas eingefallen, bevor sie den Satz gedanklich zuende gebracht hat. Sie selbst ist kein einfacher Charakter. Geprägt von ihren schlechten Erfahrungen mit Männern, hasst Nora diese wie die Pest. Genauso erfuhr sie innerhalb ihrer zerrütteten Familie nie die Liebe, die sie gebraucht hätte. Ich war schockiert über diese Situation, die meines Erachtens leider einem Bild entspricht, das vorkommt. Umso mehr bin ich beeindruckt, dass sie nicht daran zerbricht und sogar einen großen Aktivismus an den Tag legt, den ich ihr nicht zugetraut hätte. Sie ist clever, setzt Ideen aber leider oft mit falschen Mitteln im Alleingang um. Ihre Facetten reichen wirklich von mutig bis absolut verständlich über unangebracht zu gewalttätig. Ich habe bis jetzt das Gefühl, dass ich sie nie wirklich einschätzen könnte, weil sie zu viel erlebt hat und demnach viel verarbeiten muss. Das ist auch nicht schlimm, denn sie blieb trotzdem authentisch.
Und dann trifft sie auf den 23-jährigen Johan. Wow, was für ein Typ. Harte Schale, weicher Kern, ziemlich unaufgeregt. Egal in welcher Situation, er behält immer den Überblick und die Kontrolle, steht für das ein, wofür er mit Leidenschaft brennt. Das ist natürlich der Punkt, den Nora ziemlich anziehend findet, wenn auch widerstrebend. Ja, Ich mochte Johan. Seine Sicht, wie der Mensch mit der Natur leben sollte, leuchtet ein. Scheuring spricht damit auch an, dass der Mensch den Kreislauf der Natur akzeptieren muss, auch den Tod. Die Art und Weise ist natürlich ein Aspekt, die der Autor an verschiedenen Beispielen aufführt und infrage stellt. Es beginnt bei falsch ausgelegter behördlicher Aufsicht und endet bei zerstörerischen Methoden dem Menschen massenhaft Ware zu liefern. Mir ist dadurch bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich weiß und dass genügend Punkte in der ganzen Umwelt- und Klima-Thematik untergehen. Die Aufklärung, das Anregen darüber nachzudenken haben mir gut gefallen. Ich finde, das Buch kann man fabelhaft im Schuluntericht unterbringen - das ist spannend, nervenaufreibend und gesprächsanregend.
Ebenso wie der der Überlebenskampf im Sturm. Ich habe absolut mitgefiebert, obwohl ich den Seemannsjargon nicht immer verstand. Ans sich ist es ein schlechter Witz, dass eine Naturgewalt zwei Menschen so zu schaffen macht, die sie doch beschützen wollen. Andererseits, wie sagt man so schön: Die Natur holt sich immer alles zurück. Kurz vor Schluss dachte ich ehrlich gesagt dann doch, dass die Beiden es nicht schaffen werden und das Buch somit ein Ende bekommt, das ich so nicht vorhergesehen habe. Chapeau dafür!
Ich denke, die Schwerpunkte Naturschutz und Überlebenskampf allein hätten gereicht, um das Buch auszufüllen. Dazu hätte ich Noras zerrüttetes Leben nicht gebraucht oder die Anspielung auf ihre frisch entdeckte Bisexualität, die zu Beginn und am Schluss thematisiert wurde. Wozu, verdammte Axt? Ebenso frage ich mich bis jetzt, wie man so schnell als Observerin nach Kanada einreisen kann, obwohl man gerade vom Gericht verurteilt wurde. Dieser Umstand kam mir unrealistisch vor. Ich habe nicht recherchiert, ob das wirklich so einfach ist. Jedoch glaube ich nicht, dass Christoph Scheuring sich dabei einen Spaß erlaubt hat, oder etwas doch?

Fazit:
Aufklärend, facettenreich und definitiv etwas für Leser, die mehr als eine Seite zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz beleuchten wollen. Zudem ein atemberaubendes Seenot-Abenteuer, das uns lehrt, dass der Mensch nur ein winziger Teil auf diesem Planeten ist. Teilweise verstörend ist allerdings die Hintergrundgeschichte der Protagonistin, daher setze ich definitiv eine Triggerwarnung!

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Veröffentlicht am 08.12.2019

Zwischen Piratenabenteuer und Kriegsvorbereitungen, zwischen unvollkommener Liebe und vollkommener Macht - willkommen zurück Alina Starkov

Eisige Wellen
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Allgemein:

Leigh Bardugo ist mit ihrer Fantasy-Reihe um die russisch angehauchte, magische Elite-Einheit Grisha ein internationaler Erfolg gelungen, der mit weiteren Büchern in den letzten Jahren fortgesetzt ...

Allgemein:

Leigh Bardugo ist mit ihrer Fantasy-Reihe um die russisch angehauchte, magische Elite-Einheit Grisha ein internationaler Erfolg gelungen, der mit weiteren Büchern in den letzten Jahren fortgesetzt wurde. Der Knaur-Verlag übernahm 2019 die Neuauflage der Trilogie, wobei "Eisige Wellen" als 2. Band Alinas Reise nicht vereinfacht: Nach dem Kampf auf der Schattenflur flüchten Alina und Mal gemeinsam ins Exil, jedoch bleiben sie nicht lange unentdeckt. Ihr Weg zurück nach Ravka ist gespickt mit Gerüchten um Tod, Verderben und der Auferstehung einer Sonnenkriegerin, die Ravka retten soll. Alinas Bestimmung nimmt ihren Lauf, doch kann sie den Krieg für sich entscheiden oder wird ihre Gier nach mehr Macht sie verschlingen?

Mein Bild:

Ich will nicht sagen, dass ich die Bücher durchsuchte, aber sie lassen sich definitiv gut hintereinander weg lesen. Endlich habe ich auch die ausgefallene Covergestaltung mit Hirsch, Seeschlange und Feuervogel auf den einzelnen Bänden verstanden. Ja, es hat eine Bedeutung und manchmal fällt der Groschen eben doch etwas spät. Hin und weg bin ich von diesem wirklich schönen, wie auch stabilen Taschenbuchformat auf jeden Fall. Kleiner Tipp: Vergleicht einmal die Karten Ravkas in Band 1 und 2, ihr werdet sehen, dass es sich im 2. Band um eine umfangreichere Karte handelt.

Das hat natürlich seinen Grund. Denn ich dürfte meinen Blick schweifen lassen, über Ravka und die "Wahre See" hinaussehen, spürte die klimatischen Veränderungen und nahm andere Kulturen wahr. Leigh Bardugo entwickelte das Grisha Verse mit dem 2. Band "Eisige Wellen" um Ellen weiter. Sie geht auf die Völker und Kulturen außerhalb des russisch angehauchten Ravkas ein, auf religiösen Fanatismus, generell auf die unterschiedlichen Schichten einer Bevölkerung und vergaß dabei nicht, in Bewegung zu bleiben.

Die Autorin blieb ihrem Stil treu, sei es im Aufbau der Geschichte, in dem sie beispielsweise mit einem Prolog "Davor" in märchenhafter Erzählperspektive Alinas Leben der letzten Zeit aufgreift, um dann im ersten Kapitel in Alinas Ich - Perspektive im hier und jetzt zu wandeln oder den realistisch, teils düsteren Beschreibungen, die mir klare Bilder in den Kopf zeichneten. Ich mag das. Fantasy ohne gigantische Ausschweifungen zu schreiben und trotzdem ein wahnsinniges Worldbuilding zu bringen ist hohe Kunst.

Leider habe ich weiterhin ein Problem mit der Protagonistin Alina Starkov. Ich komme einfach nicht an sie ran. Mit ihrer Wankelmütigkeit mutiert sie zur tickenden Zeitbombe, besonders durch den Einfluss der Grishamagie, die ihre Gier nach mehr Macht aufflammen lässt. Zudem ist die Liebe zu ihrem Kindheitsfreund Mal im Endeffekt eine Last und das ist Alina schmerzhaft bewusst. Einerseits verstehe ich, dass sie alles versucht, um daran festzuhalten, aber ganz ehrlich, wenn die Bestimmung etwas anderes sagt und das einem nicht gut tut, dann muss man einen Schlussstrich ziehen. Glaubt mir, dieser Teil der Story nervt mich unentwegt. Was ich Leigh Bardugo aber anrechne ist, dass sie diese Eigenschaft für den Plot förderlich ausnutzt, selbst wenn es nur zur Nebenhandlung taugt. So frühstückt die Autorin gleich die ein oder andere offene Frage ab.

Mein persönliches Charakterhighlight ist Stormhond! Ich weiß nicht wieso, aber die gewitzten und unberechenbaren Männer des Grisha Verse haben es mir angetan. Ein Pirat mit 20 Millionen Gesichtern, immer für eine Überraschung gut, listig, risikobereit, sarkastisch - ja, er hat mich ein bisschen an Jack Sparrow, nur in wirklich cool, erinnert. Über 100 Seiten pures Piratenfeeling, in dem mir schleichend bewusst wurde, dass ein Twist folgen wird, der Stormhond in neuem Licht erstrahlen lässt. Absolut großartig.

Allerdings nahm nach dem Seeabenteuer die Geschwindigkeit der Handlung ab, mir wurde quasi der Wind aus den Segeln genommen. Politische Machenschaften, Intrigen, ein familiärer Konkurrenzkampf um den Thron Ravkas und Alina als ungewollt gekürte Sonnenkriegerin mittendrin. Alinas Aufgaben sind gewaltig und die Erwartungen hoch. Ich verfolgte mit Spannung, ob sie dem gewachsen ist oder nicht, und war bis zum Show Down nicht sicher. Der wartete allerdings erst nach endlosen Kriegsvorbereitungen. Damit ich dabei nicht einschlief, baute Leigh Bardugo weiterhin die Mythologie um die sagenumwobenen Grisha, ihren Kräftemehrern und die Leben der neuen und alten Nebendarsteller aus. Zeitweise schockierte oder gruselte mich das sogar, vor allem, weil der Dunkle vielleicht nicht mehr so nahbar auftauchte wie im 1. Band, aber nie vergessen blieb.

Die letzten 50 Seiten hatten es dann so dermaßen in sich, dass ich mich fragte, ob ich damit hätte rechnen sollen oder nicht. Vom Gefühl her, nahm der Show Down Anlauf, um mich dann in Action zittern zu lassen.

Fazit:

Facettenreiche Nebencharaktere, ein weites, teilweise düsteres Worldbuilding mit einer wechselmütigen Handlung und Protagonistin, sowie ziemlich coolen Plottwists. Grisha ist weiterhin eine Reise wert.

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Veröffentlicht am 20.11.2019

düster, magisch und ein kleiner Schnipsel russische Märchenerinnerung

Goldene Flammen
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Allgemein:
Leigh Bardugo ist mit ihrer Fantasy-Reihe um die russisch angehauchte, magische Elite-Einheit Grisha ein internationaler Erfolg gelungen, der mit weiteren Büchern in den letzten Jahren fortgesetzt ...

Allgemein:
Leigh Bardugo ist mit ihrer Fantasy-Reihe um die russisch angehauchte, magische Elite-Einheit Grisha ein internationaler Erfolg gelungen, der mit weiteren Büchern in den letzten Jahren fortgesetzt wurde. Der Knaur-Verlag übernahm 2019 die Neuauflage der Trilogie, wobei die Geschichte mit "Goldene Flammen" ihren Anfang nahm: Alina Starkov ist Kartografin in der ersten Armee des Zaren und damit immer mitten im Geschehen. Als sie mit ihrem besten Freund Mal in ein monströses Gefecht verwickelt wird, rettet sie ihn unvorhergesehen das Leben. Doch das geschieht nicht mit einer üblichen Waffe, sondern mit einer einer Macht, die nur ein magische Elitekämpferin der zweiten Armee haben kann - eine Grisha. Wie wird sich ihr Leben nun verändern?
Mein Bild:
Ich gebe offen zu, der 1. Hype um diese Reihe ging sang- und klanglos an mir vorbei. Erst als "Das Lied der Krähen" herauskam hatte ich "Grisha" auf dem Schirm. Und dann kam dieser Hingucker von Schuber bei Knaur heraus. Vergoldete Schrift, glatte Aquarellprägungen, die dem originalen, englischsprachigen Covern sehr ähneln und zack man hatte mich. Das jeweilige Taschenbuch glänzt im Inneren des Buchdeckels auch mit einer Karte des Landes Ravkas, in der die Geschichte spielt. Wunderschön, eigen und sehr düster würde ich diese beschreiben - so ähnlich wie die Story des 1. Bandes "Goldene Flammen".
Leigh Bardugo steht anscheinend darauf, ihre Leser zu Beginn ein wenig zu verwirren. Denn sobald man die 1. Seite aufschlägt, bekommt man eine Auflistung der "Grisha-Orden" und der Zuordnung ihrer Begabung bzw. Talent bzw. magischen Fähigkeiten. An die Begriffe musste ich mich teilweise gewöhnen und konnte zu Beginn nur vage etwas damit anfangen. Die dazugehörigen Details musste ich mir Stück für Stück erlesen, genau wie jegliches anderes (historische) Wissen über die Grisha wie beispielsweise ordenseigene Farben. Das gefiel mir, es wurde nie langweilig, auch wenn ich bezweifle, dass ich mir alles richtig gemerkt habe.
Der Einstieg sondert sich komplett vom Rest der Geschichte ab. Es ist die Vorgeschichte von Alina Starkov - ein Blick in ihre Kindheit, die mich erzählerisch total an ein Märchen erinnert hat. Umso heftiger fiel ich danach in ein russisch/mongolisch angehauchtes Land, das sich im Dauerkrieg befand. Der Erzähler wechselte in die Ich-Perspektive von Alina Starkov, die im hier und jetzt in der ersten Armee des Zaren von Ravka ihren Dienst ableistete. Einerseits fand ich gut, dass in diesem Sinne eine Gleichberechtigung herrschte, andererseits fällt auf, dass es in den Führungspositionen nur Männer gab. Unschön.
Zu Alina hatte ich durch die Bank weg ein schwankendes Verhältnis. Sie ist keine Schönheit und auch keine Heldin, macht ihre Arbeit und würde alles für ihren besten Freund Mal geben. Allerdings ist "alles" wirklich so gemeint, weil sie heimlich in ihn verliebt ist und jegliche Sticheleien an sich vorbei gehen lässt. Sie stellt ihr Licht unter den Scheffel, obwohl ein Funke Selbstbewusstsein ersichtlich ist. Da konnte ich manchmal nicht anders als mit den Augen rollen.
Als sie ihrem alten Leben entrissen wird, braucht sie meines Erachtens ewig, um sich damit abzufinden. Natürlich verstehe ist, dass sie gerade an ihren Freund festhalten will und der Reichtum sie anekelt, weil andere dafür hungern, aber ich habe erwartet, dass sie um einiges schneller ihre Chancen erkennt statt sich nur selbst zu quälen. Ihr Werdegang bei den Grisha habe ich trotzdem mehr als fasziniert verfolgt. Schon allein, weil mich der ein oder andere Charakter mit seinen Facetten sehr in den Bann gezogen hat.
Allem voran der Anführer der Grisha, dessen englischsprachiger Name "The Darkling" wohl am meisten im Umlauf ist. "Der Dunkle" ist ein undurchschaubarer Charakter, den ich völlig falsch eingeschätzt habe und der mir unter den vielen kleinen Twist und Wendungen am meisten Streiche gespielt hat. Ist er im Spiel, weiß man nie genau wohin die Reise geht. Habe ich Angst oder Respekt vor ihm? Finde ich ihn verführerisch oder abstoßend? Ich sage euch, so einen Charakter habe ich selten kennenlernt und trotz der vielen Seiten halte ich ihn für authentisch. Er weiß einfach, was er tut, nur ich manchmal nicht.
Der Plot ist logischerweise sehr stark von Alinas neuem Leben und damit einer harten Schule geprägt. Ich liebe so etwas, wenn die Protagonisten Lektionen erteilt bekommen, Verluste und Gewinne einheimsen, mit anderen agieren oder sich gegenseitig in die Quere kommen. Es war mir ein Fest ohne zu viel Tam Tam. Leigh Bardugo ist keine blumige Sarah J. Maas, aber sie hat ein Gefühl dafür, wie viel der Leser braucht um sich selbst kleine Details vorstellen zu können. Natürlich gibt es noch den Höhepunkt auf den alles Weitere aufbaut und meine bis dato angelegten Gedanken um ein "Oh, soweit habe ich nicht gedacht" bereicherte.
Fazit:
Es war Leigh Bardugos Debüt und hat die Neuauflage mehr als verdient. Der Auftakt in die Welt des Zarenreiches Ravka und der Grisha reißt mit und war so noch nie gesehen. Einzig die Informationsflut und das ein oder andere Charakterdetail könnte einem im Lesefluss stören.

Veröffentlicht am 09.10.2019

Außergewöhnlich mit ruhigem Ende

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherkrieg
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Allgemein:

Bücher wie "Herzenmacher", "Wortwächter" oder die Reihe um die "Flammenwüste" entstanden durch die Feder des bekannten Fantasyautors Akram El-Bahay. Mit "Der Bibliothek der flüsternden Schatten" ...

Allgemein:

Bücher wie "Herzenmacher", "Wortwächter" oder die Reihe um die "Flammenwüste" entstanden durch die Feder des bekannten Fantasyautors Akram El-Bahay. Mit "Der Bibliothek der flüsternden Schatten" erschuf er eine fulminante Trilogie, die 2019 mit "Bücherkrieg" beim Bastei Lübbe - Verlag ihr Ende fand. Nachdem die eingesperrten Fabelwesen aus der Bücherstadt Paramythia geflohen sind, sehen sich der ehemalige Dieb Sam und die nicht mehr namenlose Dienerin Kani einer neuen Bestimmung entgegen. Ein Kampf gegen den König Mythias und der dunklen Wüstenhexe Layl steht bevor. Werden sie ihn bestehen und den Fabelwesen ein neues, echtes Leben schenken?

Mein Bild:

1 Jahr ist es jetzt her, dass ich den 2. Band "Bücherkönig" lesen dürfte und ich freute mich riesig darauf, endlich das Finale in den Händen zu halten. Wer hofft, die Bücher einzeln lesen zu können, den muss ich enttäuschen. Die jeweiligen 350 bis 400 Seiten könnten ohneeinander nicht existieren. Die Storyline, das Setting, die Figuren leben von einer Intensität, die man erst erfasst, wenn man alle Bücher gelesen hat und selbst darüber hinaus gäbe es Dank Akram El-Bahays Art Geschichten zu erzählen noch genügend Stoff, um Paramythia wachsen zu lassen.

Nichtsdestotrotz bin ich dem Autor wahnsinnig dankbar, dass er mir den Einstieg wieder so leicht gemacht hat. Im Verlauf werden kleine, aber hilfreiche Rückblenden eingebaut. Sei es um Gefühle, Gedanken oder Déjà-vus näher zu erörtern oder gar einen Witz zu reißen. Der Aha-Effekt war bei mir immer spürbar und so wichtig, um diesem komplexen Werk zumindest meistens folgen zu können. Wenn man bedenkt, dass es ein Jugendbuch ist, holla, die Waldfee, es hat Anspruch. Beispielsweise sind die Historie der fabelhaften Könige Nusar und des "weißen Königs" langwierig und voller Geschehnisse, die Stück für Stück ans Tageslicht kommen, so dass der ein oder andere Zusammenhang sich erst später vollkommen erschließt. Noch komplizierter empfand ich die Verbindung, die Rolle und die Möglichkeiten der Sahiras, also der Wüstenhexen, in der Welt. Für mich war es eine eigene Mythologie und nur schwer vergleichbar mit anderen Geschichten dieser Art. Akrams Ideen scheinen schier unendlich.

Doch sein zauberhaft, eleganter Schreibstil, der Märchen aus 1001 Nacht in nichts nachsteht und zudem noch eine ordentlich Portion Humor mitbringen kann, war einer der Punkte, die mich darüber hinwegtrösteten, dass ich vielleicht nicht alles 100%ig verstand. Zudem sind mir sämtliche Figuren und ihre authentische Entwicklung ans Herz gewachsen. Gott, sie sind auf so viele verschiedene Arten nahbar und ehrlich, selbst die Bösen unter ihnen. Der Bibliothekar Jacobus, die schrullige Alte Umm, der Fürst der Diebe Vicente... Sie trieben mir oft ein Lächeln ins Gesicht. Gespannt verfolgte ich ihre Handlungen und die unserer Protagonisten Kani und Sam, die sich seit dem 1. Band so verändert haben, weil sie sich bewusst entschieden haben einen bestimmten Weg zu gehen.

Und genau das ist für mich die Botschaft der Geschichte: Man hat eine Wahl! Man kann selbst bestimmen, wer man ist! Niemand ist von grund auf böse oder ein Held. Man sollte sich nicht von Vorurteilen blenden lassen und die Augen öffnen. Ansonsten bleibt man sich selbst und anderen fremd. Besonders auffallend zeigt das die Ausgrenzung der Fabeltiere innerhalb der Geschichte. Für den Menschen existierten diese bisher nur in Märchen und auf einmal sind sie lebendig, stiften Unruhe, beeinflussen das Leben einer großen Stadt und sind stärker als jeder bisherige Bewohner. Angst und Unwissen sind gefährlich, das macht beeinflussbar. Das ist ein Statement, aktueller denn je, oder nicht?

Der Plot selbst beinhaltete darüber hinaus verschiedene Handlungsstränge, die alle zu einem Ziel führten: Der unausweichlichen Konfrontation, die alle entscheidet. Die Wege dorthin gefielen mir um einiges besser als das Ende selbst. Sie waren so unterschiedlich wie die führenden Charaktere: Kämpferisch, erhaben, witzig, abenteuerlustig, traurig, dramatisch und ganz oft für eine Überraschung gut. So wie sich Wege trennten, liefen sie wieder zusammen, doch ganz ehrlich, der titelgebende Bücherkrieg blieb für mich aus. Es blieb bei einzelnen Duellen, die zwar spannend und auflösend waren, jedoch abseits einer tobenden Schlacht. Allerdings muss ich zugeben, so ruhig die Auflösung erschien, so richtig fühlte sie sich für die Figuren an. Wie man sich denken kann, ich bin dahingehend nach wie vor im Zwiespalt.

Fazit:

Der imposante, finale Band einer orientalisch-märchenhaften Reihe, die mit eigener Mythologie punkten kann. Für High Fantasy - Leser, die klassische Welten verlassen, weil sie mit Spaß und Anspruch Neues erleben wollen.

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