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Veröffentlicht am 29.12.2019

Kraken und Esti ermitteln in einer skurrilen Mordserie

Die Stille des Todes
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“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend ...

“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend gab. Die Handlung spielt in Vitoria im Baskenland.
In der Kathedrale von Vitoria werden die nackten Leichen eines Mannes und einer Frau gefunden, die sich nicht kannten. Sie sind genauso gestorben und arrangiert wie die Opfer einer Serie von vier Doppelmorden zwanzig Jahre zuvor. Wie kann das sein? Der Mörder sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis. Der Polizist Ignacio hat damals seinen Zwillingsbruder Tasio de Ortiz de Zorate, einen renommierten Archäologen, verhaften lassen, weil alle Indizien auf ihn als Täter verwiesen. Hat man einen Unschuldigen bestraft, oder gibt es jetzt einen Nachahmungstäter? Inspektor Ayala und seine Kollegin Esibaliz Ruiz de Gauna, genannt Esti ermitteln fieberhaft und können doch nicht verhindern, dass die Mordserie ausgerechnet während der Fiesta de la Virgen Blanca weitergeht.
Die Handlung ist kompliziert angelegt, zumal es auch Rückblenden in die 70er Jahre und das Jahr 1989 gibt. Eine Frau, die von ihrem brutalen Mann immer wieder verletzt wird, vertraut sich ihrem Arzt an und stirbt 18 Jahre später, ohne dass sie ihre Angelegenheiten abschließend regeln kann. Hier liegt der Schlüssel zu den Ereignissen, die der Leser aber nur zum Teil erraten kann. Wenn man sich erst einmal eingelesen hat, ist das ein sehr spannender Thriller, der ohne oberflächliche, reißerische Spannung auskommt und stattdessen auf das baskische Ambiente setzt. Die Verbrechen geschehen vor dem Hintergrund und in enger Verbindung mit baskischen Mythen und Legenden und religiösem Brauchtum. Das ist kenntnisreich und sehr authentisch umgesetzt. Mich hat der hervorragende Thriller gefesselt und stark beeindruckt.

Veröffentlicht am 03.11.2019

Wahrheiten verändern sich mit der Zeit

Der Verein der Linkshänder
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In “Der Verein der Linkshänder, Hakan Nessers neuem Roman, bereitet sich Van Veeteren mit seiner Frau Ulrike auf seinen 75. Geburtstag vor. Es ist das Jahr 2012. Er trifft seinen alten Kollegen Münster, ...

In “Der Verein der Linkshänder, Hakan Nessers neuem Roman, bereitet sich Van Veeteren mit seiner Frau Ulrike auf seinen 75. Geburtstag vor. Es ist das Jahr 2012. Er trifft seinen alten Kollegen Münster, mit dem er an einem Fall gearbeitet hat, bei dem sie vorschnell die Ermittlungen eingestellt und sich offensichtlich auf den falschen Täter geeinigt hatten. 1991 wurden in einer Pension in Oosterby in der Nähe von Maardam vier Männer beim Brand des Hauses getötet, die alle zu dem in den 60er Jahren von Schülern gegründeten Verein der Linkshänder gehörten. Das fünfte bekannte Mitglied ist seit dem Tag spurlos verschwunden und wurde deshalb für den Täter gehalten. Jetzt wurde seine in einem Wald vergrabene Leiche gefunden. Er scheint zur selben Zeit gestorben zu sein wie die anderen. Van Veeteren und seine Frau beteiligen sich an den neuen Ermittlungen, wobei Ulrike Fremdli viele gute Ansätze und Ideen beisteuert, obwohl sie nicht vom Fach ist. Dann passiert in Schweden ein weiterer Mord. Er scheint mit den Ereignissen in Holland zusammenzuhängen. Auf diese Weise ist es möglich, dass Van Veeteren dem Kommissar Barbarotti aus einer anderen Serie von Nesser begegnet und sie gemeinsam an den aktuellen und alten Fällen arbeiten.
Ich habe den neuen Roman von Hakan Nesser gern gelesen und fand ihn auch überwiegend spannend, trotz der komplizierten Zeitstruktur und der wechselnden Erzählperspektiven. Allerdings habe ich den Täter sehr frühzeitig erraten, was das Lesevergnügen nicht geschmälert hat. Der Roman besticht durch seine hervorragende sprachliche Qualität und überzeugt durch viel Wortwitz, vor allem in den Dialogen zwischen Van Veeteren und seiner Frau, und den erfreulichen Verzicht auf Gewaltdarstellungen. Ein sehr empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 07.09.2019

Drei Frauen

Drei
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Orna Esran ist von ihrem Mann verlassen worden und lebt allein mit ihrem Sohn Eran. Über ein Dating-Portal lernt sie Gil kennen. Gil ist sympathisch, bedrängt sie nicht, lässt der Beziehung Zeit, sich ...

Orna Esran ist von ihrem Mann verlassen worden und lebt allein mit ihrem Sohn Eran. Über ein Dating-Portal lernt sie Gil kennen. Gil ist sympathisch, bedrängt sie nicht, lässt der Beziehung Zeit, sich zu entwickeln. Gil ist aber auch geheimnisvoll und gibt wenig von sich preis. Beruflich ist er immer wieder in Bukarest und Warschau, hat irgendetwas mit der Beschaffung von Pässen zu tun. Es entwickelt sich eine Art Beziehung zwischen Orna und Gil. Jedoch begreift sie irgendwann, dass er ihr nicht die Wahrheit sagt. Auch die lettische Pflegekraft Emilia lernt später Gil kennen. Sie ist durch eine Personalvermittlungsfirma nach Israel gekommen und hat Gils Vater Nachum zwei Jahre bis zu seinem Tod gepflegt. Danach wird es für sie schwierig, da sie nur eine schlecht bezahlte Teilzeitstelle in einem Heim bekommt. Gil ist ihr behilflich. Sie kommen sich näher. Auch eine dritte Frau macht Gils Bekanntschaft. Ist sie auch an einer Liebesbeziehung interessiert?
Dror Mishanis Buch “Drei“ ist ein raffiniert konstruierter Roman mit Krimielementen, dessen überraschende Auflösung der Leser nicht errät. Mir hat das spannende Buch sehr gut gefallen – mindestens so gut wie Mishanis Krimi “Vermisst“.

Veröffentlicht am 28.07.2019

Nichts verlieren können

Harz
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Mit "Harz", ihrem zweiten Roman, legt die preisgekrönte Autorin Ane Riel einen Roman vor, der düsterer ist als die grausamsten Märchen der Gebrüder Grimm. Im unbesiedelten Norden einer dänischen Insel ...

Mit "Harz", ihrem zweiten Roman, legt die preisgekrönte Autorin Ane Riel einen Roman vor, der düsterer ist als die grausamsten Märchen der Gebrüder Grimm. Im unbesiedelten Norden einer dänischen Insel lebt Jens Haader mit seiner Frau Maria und seiner Tochter Liv. Jens Haader, ursprünglich Tischler, geht keinem Beruf mehr nach, sondern hat sich auf nächtliche Raubzüge im nächsten Ort spezialisiert. Schon früh hat er seine Tochter Liv angelernt, die später allein unterwegs ist, weil Jens wegen seiner Ängste nicht mehr in der Lage ist, seinen Hof zu verlassen. Seine Frau liegt inzwischen nur noch im Bett und ist schließlich so dick, dass sie nicht mehr aufstehen kann. Ohnehin kann man sich nirgendwo im Haus und auf dem Grundstück noch normal bewegen, weil alles zugemüllt ist. Jens Haader ist nicht nur ein bisschen eigen, sondern komplett verrückt, und es wird immer schlimmer. Als seine Tochter 6 Jahre alt war, hat er den Behörden gemeldet, dass sie ertrunken ist, damit sie nicht zur Schule gehen muss. Seitdem lebt sie in einem alten Container inmitten von Gerümpel. Jens hat sein Haus und Grundstück mit tödlichen Fallen umgeben, um eventuelle Eindringlinge abzuhalten.
Riels Geschichte ist spannend und unheimlich und hat mehr Tiefgang als die Mehrzahl der skandinavischen Krimis und Thriller. Der Leser fragt sich mit wachsender Beklemmung, ob es für Mutter und Tochter ein Überleben oder sogar ein Entkommen aus der Falle gibt. Ein beeindruckender Roman über eine fehlgeleitete obsessive Liebe.

Veröffentlicht am 19.05.2019

Eine ungewöhnliche Familie

Der Zopf meiner Großmutter
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Im Mittelpunkt von Alina Bronskys neuem Roman “Der Zopf der Großmutter“ steht eine ungewöhnliche Familie, bestehend aus Großmutter Margarita Iwanowna, Großvater Tschingis Tschingisowitsch und Enkel Maxim. ...

Im Mittelpunkt von Alina Bronskys neuem Roman “Der Zopf der Großmutter“ steht eine ungewöhnliche Familie, bestehend aus Großmutter Margarita Iwanowna, Großvater Tschingis Tschingisowitsch und Enkel Maxim. Sie durften wegen ihrer angeblich jüdischen Herkunft nach Deutschland einreisen und leben in einem Flüchtlingsheim, obwohl nur der kleine Junge Halbjude ist. Die Großmutter ist eine sehr dominante Frau mit rabiaten Umgangsformen, die in der Familie das Sagen hat und auch außerhalb keinen Konflikt scheut. Sie lässt kein gutes Haar an ihrer neuen Heimat und weigert sich, die deutsche Sprache zu lernen. Dem Enkel, den sie Max oder Mäxchen nennt, gern aber auch Idiot oder Krüppel, dichtet sie alle möglichen Krankheiten an, obwohl er nach Aussage eines deutschen Arztes kerngesund ist. Die Großmutter hat eine panische Angst vor Bakterien und ernährt ihn ausschließlich mit selbstgekochtem Brei. Sie rechnet mit seinem baldigen Ableben. Der Junge ist jedoch nicht nur völlig gesund, sondern auch sehr intelligent. Er hat schnell Deutsch gelernt und kommt in der Schule gut zurecht. Nur Max bemerkt, dass sich der Großvater in die Nachbarin Nina verliebt, die mit Tochter Vera ebenfalls im Heim lebt, dann aber in eine eigene Wohnung zieht, wo der Großvater, die “asiatische Fresse“, viel Zeit verbringt. Nina wird schwanger und bekommt einen kleinen Tschingis, den die Großmutter eigentlich am liebsten selbst aufziehen würde. Trotz ihrer Grobheit und überaus derben Sprache hat sie ein großes Herz und hält die kleine Gruppe zusammen. Diese sechs Personen bilden eine Art Patchwork-Familie.
Die ungewöhnliche, teilweise aberwitzige Geschichte wird aus der Perspektive des Jungen erzählt, der nur allmählich Antworten auf die Frage nach seiner Herkunft bekommt. Seine Mutter Maya ist das große Tabuthema der Großeltern mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Seinem Vater, dem rothaarigen Juden, wird über Jahre der Kontakt zu seinem Sohn verwehrt. Der Roman ist sprachlich brillant, witzig und zugleich auch tieftraurig, mit der für Bronsky typischen sehr gelungenen Charakterisierung der Protagonisten, vor allem der Figur der Großmutter. Die Autorin zeigt die gravierenden kulturellen Unterschiede auf, die es neben sprachlichen Problemen Übersiedlern oft schwer machen, in einem anderen Land Fuß zu fassen. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen und bleibe auch weiterhin ein Fan der Autorin.