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Veröffentlicht am 10.01.2020

"Vergiss die Vergangenheit. Vergib. Lebe." (Carolyn Miller)

Die zweifelhafte Miss DeLancey
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Clara DeLancey leidet immer noch darunter, dass Nicholas Graf von Hawkesbury nicht sie, sondern Lavinia geheiratet hat. Als sie sich eines Nachts bei einem Spaziergang auf den Klippen von Brighton in eine ...

Clara DeLancey leidet immer noch darunter, dass Nicholas Graf von Hawkesbury nicht sie, sondern Lavinia geheiratet hat. Als sie sich eines Nachts bei einem Spaziergang auf den Klippen von Brighton in eine gefährliche Situation bringt, wird sie von einem Unbekannten in letzter Sekunde gerettet. Nur kurze Zeit später macht Clara die Bekanntschaft der Pfarrersfrau Mathilda, und deren Schwester Tessa und freundet sich mit den beiden Frauen an. Als sie auch den Bruder der beiden Schwestern, Kapitän Benjamin Kemsley, kennenlernt, stockt Clara der Atem, denn er ist ihr Lebensretter. Clara hofft, dass er sich nicht an sie erinnert und möchte sich eigentlich so fern wie möglich von ihm halten. Auch ihre Eltern sind von Claras neuen Freunden nicht gerade begeistert, hoffen sie doch immer noch, dass diese einen angesehenen und vor allem wohlhabenden adligen Ehemann findet, der ihrer würdig ist. Doch Claras und Benjamins Wege kreuzen sich immer wieder, ob auf Spaziergängen oder auf Bällen der Londoner Gesellschaft, wo die junge Tessa in die Gesellschaft eingeführt werden soll. Schon bald müssen beide für sich feststellen, dass der jeweils andere mehr durch ihre Gedanken geistert, als ihnen lieb ist. Wird Clara doch noch das Glück finden?
Carolyn Miller hat mit „Die zweifelhafte Miss DeLancey“ erneut einen hinreißenden und spannenden Roman vorgelegt, der den Leser ins englische Regency-Zeitalter entführt. Der Erzählstil ist flüssig, gefühlvoll und voller Bilder, so dass der Leser sich bereits mit den ersten Zeilen in der Vergangenheit wähnt, um dort Clara unsichtbar zur Seite zu stehen und ihre Gedanken- und Gefühlswelt sowie ihre Sorgen und Nöte genau kennenzulernen. Sehr schön verbindet die Autorin die Handlung mit ihren vorangegangenen Romanen, indem sie altbekannte und liebgewonnene Protagonisten hier ebenfalls kleinere Rollen spielen lässt. Ebenso stellt sie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen heraus und die Erwartungen, die an eine junge Frau aus adligem Hause gestellt werden und diese zu einem sehr engen Korsett werden lassen, die ihr nicht viele eigene Möglichkeiten lassen. Gut platzierte überraschende Wendungen und spannende, schon fast kriminalistische Elemente, fesseln den Leser an die Seiten und lassen ihn nicht von Claras Seite weichen. Auch der christliche Aspekt wurde innerhalb der Geschichte wunderbar herausgearbeitet, denn bei Clara kann der Leser regelrecht miterleben, wie sie nach und nach durch kleine Gebete immer mehr Sicherheit und inneren Frieden gewinnt und sich dadurch auch ihre eigene Persönlichkeit immer mehr dem Leben öffnet. Das Thema Vergebung ist hier ebenso wichtig wie Vertrauen in Gott.
Die Charaktere sind liebevoll und vor allem lebendig gezeichnet. Mit ihren individuellen Eigenschaften wirken sie sehr authentisch und glaubwürdig, so dass dem Leser leicht fällt, sich mit ihnen wohlzufühlen und mit ihnen zu fiebern. Clara ist eine zutiefst verunsicherte Frau, die sehr an der Abweisung zu knabbern hat. Zudem leidet sie unter der Fuchtel ihrer lieblos agierenden Mutter, die ihr keine Möglichkeit gibt, sich selbst zu entfalten. Clara leidet unter Schuldgefühlen und dem gesellschaftlichen Makel, dem sie ausgesetzt ist, so dass sie sich immer wieder von allem zurückzieht. Sie ist eine talentierte Pianistin, die sich nur mit ihrer Musik richtig lebendig fühlt. Sehr schön zu beobachten ist ihre Entwicklung innerhalb der Geschichte, denn sie gewinnt an Selbstsicherheit, Vertrauen und vor allem auch die Herzen von einigen Menschen, was für sie vorher undenkbar war. Benjamin Kemsley ist ein nationaler Held, der bescheiden geblieben ist. Er liebt seine Familie und kümmert sich rührend um seine kleine Schwester. Er ist intelligent, vorausschauend und handelt überlegt. Aber auch Tessa, Mathilda, Featherington, Richard und viele andere Protagonisten tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte rundum spannend und kurzweilig zu lesen ist.
„Die zweifelhafte Miss DeLancey“ ist ein wunderbarer historischer Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite mit gut positionierten Spannungselementen und einer langsam wachsenden Liebesgeschichte überzeugen kann, während der Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle gejagt wird. Wunderschön erzählt und mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 05.01.2020

Emotionales Prisma des Lebens

Unter den hundertjährigen Linden
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Die Friedhofswärterin Violett Toussaint ist in den 50ern und wacht nicht nur über die Toten, die seit 20 Jahren ihre Familie geworden sind. Sie nimmt auch Anteil an den Lebenden, die den Friedhof frequentieren, ...

Die Friedhofswärterin Violett Toussaint ist in den 50ern und wacht nicht nur über die Toten, die seit 20 Jahren ihre Familie geworden sind. Sie nimmt auch Anteil an den Lebenden, die den Friedhof frequentieren, um ihre verstorbenen Liebsten zu besuchen, und um in der Nähe ihrer schmerzlich vermissten Tochter zu sein, die dort seit ihrem 7. Lebensjahr begraben ist. Die zurückhaltende Violette bleibt immer für sich, bis plötzlich der Polizist Julien Seul in ihr Leben tritt und dieses mit einer Bitte aus dem Takt bringt. Er möchte den letzten Willen seiner verstorbenen Mutter erfüllen und sie neben einem ihm völlig unbekannten Mann bestatten lassen. Welche Bedeutung dieser Mann im Leben seiner Mutter gehabt hat, möchte Julian unbedingt herausfinden. Mit Violettes Hilfe geht er im Tagebuch seiner Mutter auf Spurensuche, was ihr beider Leben verändern wird…
Valérie Perrin hat mit „Unter den hundertjährigen Linden“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der dem Leser direkt ans Herz greift. Der Erzählstil ist flüssig, poetisch-melancholisch und vor allem tiefgründig, der Leser hat von Anfang an das Gefühl, bald schon in ein Geheimnis eingeweiht zu werden und taucht regelrecht in die Geschichte sowie in Violettes Leben ein. Geschickt lässt Perrin den Leser durch Rückblenden und alte Erinnerungen Violette und ihr Schicksal nach für nach kennenlernen, aber sie verbindet auch auf charmante Art durch verschiedene Episoden Violettes Dasein mit denen der Friedhofsbesucher. Schon bald hat man als Leser das Gefühl, die Gemeinschaft der Lebenden und Toten höchstpersönlich zu kennen, so familiär geht es auf dem Friedhof zu und schaffen eine Nähe, die man selten in Romanen findet. Die Autorin weiß hervorragend auf der gesamten Klaviatur des Gefühlsbarometers zu spielen und lässt den Leser eine wahre Achterbahn erleben, mal Trauer, mal Wut, mal Herzschmerz, mal Einsamkeit, mal Verzweiflung, aber auch Hoffnung, tiefe Liebe und Überraschung.
Die Charaktere sind lebendig gezeichnet und schleichen sich mit ihren individuellen Eigenschaften schnell ins Herz des Lesers. Er fühlt sich ihnen schnell verbunden, taucht in ihr Leben ein und erlebt mit ihnen Schicksalsschläge sowie unvergesslich magische Momente. Violette ist eine zurückhaltende Frau, die in ihrem Leben schon so einiges durchgemacht hat, die aber eine gewisse Strahlkraft, Ruhe und Sanftheit in sich trägt, die ihr die Herzen der Friedhofsbesucher öffnen. Julien Seul ist ein selbstbewusster Mann, der durch die Bitte seiner Mutter und deren Geheimnis verunsichert wird. Er hat den Kopf voller Fragen und fürchtet sich insgeheim vor den Antworten. Ebenso sind die weiteren Protagonisten für die Handlung von großer Bedeutung, verleihen sie der gesamten Geschichte doch eine gewisse Magie, die sich während der Lektüre auf den Leser überträgt und sich als Teil von ihnen fühlt.
„Unter den hundertjährigen Linden“ ist ein wunderbarer Roman über Schicksale, die Lebenden und die Toten, über Hoffnungen, Verlust, Träume und die Liebe, zauberhaft verwoben zu einer ganz besonderen Geschichte. Für alle, die die leisen und zarten Töne lieben, eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 31.12.2019

Vom Suchen und Finden

Geteilt durch zwei
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2017. Nadja Kleman ist Anfang Vierzig und mit ihrem Leben eigentlich rundum zufrieden, denn sie führt eine glückliche Ehe und hat mit Lena eine 21-jährige Tochter, mit der sie ein Herz und eine Seele ist. ...

2017. Nadja Kleman ist Anfang Vierzig und mit ihrem Leben eigentlich rundum zufrieden, denn sie führt eine glückliche Ehe und hat mit Lena eine 21-jährige Tochter, mit der sie ein Herz und eine Seele ist. Nadja weiß schon lange, dass sie selbst adoptiert wurde, jedoch hat es ihr bisher nie etwas ausgemacht, denn sie hatte ein liebevolles Zuhause. Unterschwellig aber vermisst Nadja irgendetwas in ihrem Leben, von dem sie sich selbst nicht erklären kann, was es ist, und ihre Adoptiveltern sind nicht gerade auskunftsfreudig, was ihre leiblichen Eltern betrifft. Als Nadja eines Tages im Radio ihre eigene Stimme hört, ist sie völlig perplex und will der Sache auf den Grund gehen. Dabei findet sie mit Zwillingsschwester Pia ihr Gegenstück, von dem sie bis heute nichts wusste. Bald machen sich die beiden Schwestern daran, ihre Vergangenheit zu erforschen und wie es dazu kam, dass sie getrennt aufwuchsen. Werden Nadja und Pia als Zwillinge doch noch zusammenwachsen, wie es eigentlich sein sollte?
Barbara Kunrath hat mit „Geteilt durch zwei“ einen sehr emotionalen und tiefgründigen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und vor allem authentisch, so dass es dem Leser leicht fällt, sich sofort auf die Geschichte einzulassen, die ihn so bald nicht mehr loslässt, selbst wenn das Buch bereits beendet ist. Durch wechselnde Perspektiven aus der Vergangenheit der 1970er Jahre, die sich mit der Gegenwart abwechseln, darf der Leser sich nicht nur unsichtbar an Nadjas Seite niederlassen, sondern erfährt auch verschiedene Sichtweisen aus der damaligen Zeit, die nach und nach die ganze Tragik der Familiengeschichte offen legen und eine Erklärung für die Trennung der Zwillinge liefert. Die Autorin bedient sich einer eher pragmatischen Sprache, was gut zu dem sehr emotionalen Thema passt. Sie drückt nicht auf die Tränendrüse, sondern schildert eine dramatische und traurige Familiengeschichte, die nicht nur viele Fragen aufwirft, sondern auch beantwortet und den Leser mitten ins Herz trifft. Die Suche der beiden Schwestern nach ihren Wurzeln bietet jede Menge Spannung und lässt den Leser rätseln, welche Umstände zu deren Trennung geführt haben mögen. Auch die langsame Annäherung der beiden Schwestern, die sich sowohl ähnlich als auch fremd sind, ist spannend zu beobachten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich konzipiert und verlangen dem Leser einiges ab, denn sie sind nicht gerade Sympathieträger. Trotzdem heftet der Leser sich an ihre Fersen und kann sich ihnen nicht entziehen. Nadja ist eine Frau, die anscheinend alles hat, doch insgeheim immer auf der Suche ist. Sie wirkt unsicher und wägt ständig ihre Entscheidungen ab, als benötige sie einen doppelten Boden, um ja nicht zu fallen. Pia wirkt eher spröde und abweisend, was dem Überraschungseffekt über die gefundene Schwester geschuldet sein mag. Aber auch Tante Sybille, Corinna und die weiteren Akteure tragen einen erheblichen Teil zur spannenden Handlung und der dramatischen Entwicklung der Geschichte bei.
Mit „Geteilt durch zwei“ ist der Autorin eine tiefgründige und spannende Familiengeschichte gelungen, die dem Leser noch eine Weile im Kopf herumspuken wird. Sehr gekonnt erzählt und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 31.12.2019

Die tiefgreifenden Entscheidungen der Charlotte Windley

Die englische Gärtnerin - Blaue Astern (Die Gärtnerin von Kew Gardens 1)
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1920 England. Kurz nach dem ersten Weltkrieg lebt die junge Botanikerin Charlotte Windley mit ihren Geschwistern und einer kranken Mutter nach dem Tod des Vaters über dessen ehemaliger Arztpraxis, die ...

1920 England. Kurz nach dem ersten Weltkrieg lebt die junge Botanikerin Charlotte Windley mit ihren Geschwistern und einer kranken Mutter nach dem Tod des Vaters über dessen ehemaliger Arztpraxis, die ihr Bruder sobald als möglich wieder zum Laufen bringen soll, denn die finanziellen Mittel der Familie sind begrenzt. Charlotte ergattert sich die erhoffte Stelle im berühmten Kew Gardens, obwohl das den meisten Frauen in einer reinen Männerdomäne meist verwehrt bleibt. Aber Charlotte will in die Forschung und hofft darauf, auch an Expeditionen teilnehmen zu können. Tatsächlich soll sie aufgrund ihres Sachverstandes bald mit auf Expedition gehen, allerdings macht ihr das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Ihr Bruder landet im Rollstuhl und ist somit nicht mehr in der Lage, die Praxis zu führen, was auch eine finanzielle Katastrophe für die Familie bedeutet. Nun ist es an Charlotte, die Familie zu retten und für deren Unterhalt zu sorgen, was sie dazu veranlasst, eine Vernunftehe mit dem Deutschen Victor Bromberg einzugehen. Aber wird Charlotte sich mit dem Leben an der Seite eines reichen Ehemannes zufrieden geben?
Martina Sahler hat mit „Die englische Gärtnerin - Blaue Astern“ den ersten Band ihrer historischen Gärtnerinnen-Trilogie vorgelegt und damit sogleich einen wunderbaren Start hingelegt. Der Erzählstil ist flüssig, gefühlvoll und vor allem bildhaft, der Leser darf nicht nur in die Vergangenheit reisen, um Charlottes Schicksal hautnah mitzuerleben, sondern bewegt sich auch durch den farbenprächtigen Kew Gardens, einem der ältesten botanischen Gärten der Welt, der berühmt ist für seine Artenvielfalt und unzähligen Themengewächshäuser. Die Autorin hat den historischen Hintergrund sehr gut recherchiert und mit ihrer Geschichte verwoben. Nachdem der Krieg vorbei war, in dem Frauen die Stellung gehalten und auch Männerarbeiten verrichtet haben, wurden sie von den Männern bald wieder in eine untergeordnete Position gedrängt, was allerdings einige nicht mit sich machen ließen. Charlottes Zwiespalt, zum einen die Familie zu unterstützen, zum anderen ihre Karriere zu verfolgen, wird in der Geschichte wunderbar wiedergespiegelt. Mit ungeahnten Wendungen und einigen Überraschungsmomenten versteht es die Autorin sehr gut, den Leser bei Laune zu halten und ihre Geschichte zu einem wahren Pageturner zu erheben.
Die Charaktere wurden liebevoll mit Leben versehen und wirken mit ihren individuellen Eigenschaften sehr authentisch und real. Der Leser kann sich gut in sie hineinfühlen und mit ihnen fiebern, hoffen und bangen. Charlotte ist eine sehr zielstrebige und selbstbewusste junge Frau, die ihren Lebensweg genau durchgeplant hat und nicht davon ablassen will. Doch das Schicksal kommt ihr in die Quere und zwingt sie zum Umdenken und Neuarrangieren, wobei man ihren Mut und ihre Stärke immer wieder bewundern muss, denn sie gibt nie auf und nimmt die Dinge selbst in die Hand. Charlottes Ehemann Victor trägt seine Frau auf Händen und liest ihr praktisch jeden Wunsch von den Lippen ab, was ihn manchmal schwach erscheinen lässt. Schwester Debbie schlägt mit ihren Anwandlungen völlig aus der Art, denn sie will sich keinen Konventionen beugen, während Charlottes Bruder ein arroganter Snob ist, der schnell in seine Schranken gewiesen wird. Aber auch die weiteren Protagonisten wie Aurora oder Charlottes Mutter haben einigen Einfluss auf die Handlung.
„Die englische Gärtnerin - Blaue Astern“ ist ein schöner und unterhaltsamer Auftakt, der den Leser neugierig auf die weiteren Romane der Trilogie macht. Wunderbar erzählt, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.12.2019

Prädikat "besonders wertvoll"

Tanz mit mir, Aurelia
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1647 London. Der junge John Annesley ist Wasserträger und wurde nach dem Tod seines Vaters von seinem Onkel und seiner Tante aufgenommen, wo die strenge Lehre der Puritaner sein Leben prägte, deren Grundsätze ...

1647 London. Der junge John Annesley ist Wasserträger und wurde nach dem Tod seines Vaters von seinem Onkel und seiner Tante aufgenommen, wo die strenge Lehre der Puritaner sein Leben prägte, deren Grundsätze Enthaltsamkeit und ein einfaches Leben sind und auch das Weihnachtsfest verbietet. Eines Tages trifft er während seiner Arbeit auf Aurelia, die Tochter eines gutsituierten Graveurs. Aurelia ist aufgeschlossen, fröhlich und möchte dem Leben alles abgewinnen, was es zu bieten hat. Dazu gehören natürlich auch Musik, Besuche im Theater, aber vor allem Weihnachten. John und Aurelia leben völlig verschiedene Leben, doch fühlen sie sich voneinander angezogen. Werden sie eine Chance haben?
Titus Müller hat mit „Tanz mit mir Aurelia“ eine wunderbare und gefühlvolle Kurzgeschichte vorgelegt, die man nicht schöner erzählen kann. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, emotional und mit leisen poetischen Tönen, wie sie der Autor ganz außerordentlich gut beherrscht. Der Leser reist in die Zeit zurück und hat von Beginn an die Möglichkeit, sowohl John als auch Aurelia zu folgen und ihre jeweiligen Lebens- und Glaubenseinstellungen kennenzulernen. Dabei gibt Müller dem Leser einen sehr guten Einblick in die Lehre des Puritanismus, der das Leben der Menschen sehr beschränkt auf harte Arbeit, Enthaltsamkeit und jeglichen Verzicht auf Vergnügungen, die das Leben bunt und fröhlicher gestalten. Der Puritanismus erlaubt keinerlei Ablenkungen vom Glauben und für Außenstehende eine große Herausforderung. Die sowohl bei John als auch bei Aurelia aufkommenden Fragen über das Leben des jeweils anderen geben auch dem Leser einiges zum Nachdenken. Die Dialoge sind so tiefsinnig gewebt, dass man beide Seiten der Argumentation gut nachvollziehen kann. Auf gekonnte Weise verknüpft der Autor den historischen Hintergrund mit seiner Geschichte und lässt sie dadurch sehr authentisch werden.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und wirken mit ihren unterschiedlichen Ecken und Kanten sehr lebendig und realistisch, der Leser darf sowohl John als auch Aurelia bis tief ins Herz schauen. John ist ein fleißiger Mann, der in einfachen Verhältnissen aufwuchs, aber liebevoll, wenn auch streng, erzogen wurde. Er scheut keine harte Arbeit, ist hilfsbereit und tiefgläubig. Aurelia stammt aus einer wohlhabenden Familie, die sich aufgrund des Puritanismus momentan eher bedeckt hält. Sie ist aufgeschlossen, lebensbejahend und liebt Musik und Theater. Das eingeschränkte Leben will sie nicht akzeptieren, sie hat ihren eigenen Kopf. Allerdings ist sie auch neugierig und weiß die richtigen Fragen zu stellen, um andere zum Nachdenken zu bringen. Aber auch sie selbst ist offen und verständnisvoll genug für andere Lebensweisen.
„Tanz mit mir Aurelia“ ist ein kleines, aber sehr feines Buch, dass tiefsinnige Fragen aufwirft und den Leser während einer wunderbar erzählten Geschichte dauerhaft zum Nachdenken anregt. Gerade in der heutigen Zeit sollte es nicht nur um Schwarz oder Weiß gehen, sondern vor allem um die vielen Schattierungen von Grau dazwischen. Wunderbar geschrieben und mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ versehen!