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Veröffentlicht am 22.03.2017

beeindruckend

Das geträumte Land
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Jende Jonga hat es endlich geschafft. Der Einwanderer aus Kamerun bekommt einen Job als Chaffeur bei der wohlhabenden Familie Edwards. Auch seine Frau Neni und den gemeinsamen kleinen Sohn hat Jende inzwischen ...

Jende Jonga hat es endlich geschafft. Der Einwanderer aus Kamerun bekommt einen Job als Chaffeur bei der wohlhabenden Familie Edwards. Auch seine Frau Neni und den gemeinsamen kleinen Sohn hat Jende inzwischen nach Amerika geholt. Es scheint alles gut zu werden, der amerikanische Traum zum greifen nah. Doch Jendes Papiere laufen ab, trotz eines Anwalts bekommt er keine Greencard und droht ausgewiesen zu werden.

Imbolo Mbue schafft in ihrem beeindruckenden Roman ein faszinierendes Gesellschaftsbild. Der Kontrast zwischen der amerikanischen und der Kameruner Kultur ist unheimlich bildhaft dargestellt. Man findet ihn in der Art der Protagonisten zu denken, in ihren Beziehungen zueinander, darin, wovon die Familien träumen und was sie zu erreichen suchen, und der Rolle von Mann und Frau. Die Charaktere sind durchwegs sympathisch, auch wenn sie ihre dunklen Seiten haben, kann man ihre Beweggründe doch nachvollziehen, sich mit ihnen freuen oder bangen. Gerade die taffe Nani, die so sehr von ihrem Studium und dem Apothekerberuf träumt, habe ich besonders ins Herz geschlossen. Sie kämpft unermüdlich für ihre Familie und lässt sich auf der anderen Seite völlig von ihrem Mann fremdbestimmen, sodass man sie nur noch in Schutz nehmen will. Die beiden machen auf ihrem Weg eine starke Entwicklung durch, ihr Wunsch in Amerika zu leben ist riesig, doch die Bürokratie der Einwanderunspolitik bring sie zur Verzweiflung und fordert ihre Opfer.
Die Autorin erzählt sehr lebhaft aus verschiedenen Sichten, sowohl der der Familie Edwards, als auch der Jongas. Tragik und Humor wechseln sich ab. So hat mich der Roman wirklich berührt und nachdenklich zurückgelassen. Ich kann jedem nur empfehlen, dieses Buch zu lesen.

Veröffentlicht am 02.01.2020

wer ist der Böse?

Vicious - Das Böse in uns
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Victor Vale und sein Kommilitone Eli sind hochbegabte und vielversprechende Studenten - so talentiert, dass Eli die Erlaubnis seines Professors bekommt, die EOs – die Extraordinären - zu erforschen. Eli ...

Victor Vale und sein Kommilitone Eli sind hochbegabte und vielversprechende Studenten - so talentiert, dass Eli die Erlaubnis seines Professors bekommt, die EOs – die Extraordinären - zu erforschen. Eli schafft es tatsächlich eine Formel für das „Superhelden-Talent“ zu finden und bezieht Victor in seine Forschungen mit ein. Doch das Ausergewöhnliche sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die beiden begehen einen fatalen Fehler und Victor sinnt auf Rache an seinem alten Freund.
Mich konnte die Erfolgsreihe „die vier Farben der Magie“ der Autorin V.E. Schwab bereits gefangen nehmen und so hatte ich hohe Erwartungen an Vicious. Wieder hatte ich viel Freude beim Lesen, die Autorin spielt mit düsterem, schwarzen Humor, außergewöhnlichen Charakteren und einer fantastischen Geschichte, in der der Leser nie so genau weiß wer nun wirklich gut oder böse ist. Hat ein Protagonist Unrecht, oder ist das Böse wirklich in jedem von uns? Was ich leider etwas vermisst habe, ist die Komplexität und Vielschichtigkeit einer neuen Welt, so wie die Autorin sie in ihren anderen Büchern bereits geschaffen hat. Diese Geschichte war schnell erzählt und hier hat es mir ein bisschen an Details gefehlt.
Trotzdem wieder ein tolles Buch. Ich freue mich auf Band 2.

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Veröffentlicht am 02.01.2020

toller Schmöker für gemütliche Lesestunden

Hinter den Spiegeln - Das Wiener Vermächtnis
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Als Komptess Louise von Waldenberg nach einem schweren Reituntfall wieder zu sich kommt, kann sie sich zunächst an nichts erinnern. Nicht einmal ihren eigenen Namen kennt sie noch. Nur langsam findet sie ...

Als Komptess Louise von Waldenberg nach einem schweren Reituntfall wieder zu sich kommt, kann sie sich zunächst an nichts erinnern. Nicht einmal ihren eigenen Namen kennt sie noch. Nur langsam findet sie sich wieder zurecht, doch ihr Blick auf die höfischen Strukturen hat sich verändert. Mit Hilfe ihres Freundes, dem Zuckerbäcker Stephan deckt sie so einige Intrigen bei Hofe auf.
Ulrike Schweikert entführt den Leser mit ihrem Roman in ein Wien Ende des 19. Jahrhunderts. Sie erzählt sehr atmosphärisch und detailreich. Immer wieder werden historische Begebenheiten zur Geschichte Wiens eingestreut, die einerseits sehr interessant sind, andererseits aber auch die eigentliche Handlung etwas aufgehalten haben.
Sehr spannend waren für mich die gesellschaftlichen Umgangsformen. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen Bediensteten und Adel. Die Vorschriften für die junge Louise sind zu steif gefährden ihre Freundschaft zu Stephan, doch die Verbindung zwischen den beiden hat Louise für mich sympathischer gemacht.
Stück für Stück blickt der Leser hinter die Kulissen (oder Spiegel) der schillernden Adelswelt und deckt Intrigen und Lügen auf. Es liegt fast ein bisschen Krimistimmung in der Luft.
Ein perfekter Schmöker für gemütliche Winterstunden.

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Veröffentlicht am 27.02.2019

schwächer als Band 1

Rat der Neun - Gegen das Schicksal
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Cyra und Akos konnten auf einen unwirtlichen Planeten entkommen und bereiten sich nun auf den Krieg vor, besser – sie versuchen den Krieg irgendwie noch zu verhindern. Beiden wurde von den Orakeln ein ...

Cyra und Akos konnten auf einen unwirtlichen Planeten entkommen und bereiten sich nun auf den Krieg vor, besser – sie versuchen den Krieg irgendwie noch zu verhindern. Beiden wurde von den Orakeln ein furchtbares Schicksal prophezeit, dass ihrer jungen Beziehung im Wege steht und nur wenig Raum zur Hoffnung gibt.
Gegen das Schicksal ist der zweite Band und gleichzeitig das Finale der Rat der Neun Dilogie von Veronica Roth. Die Autorin der Reihe „die Bestimmung“ schafft auch hier wieder eine packende und mitreißende Story, wenn sie für mich persönlich allerdings etwas hinter der „Bestimmung“ zurückbleibt.
Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt. Cyra und Akos beleuchten ihre Sicht auf die Beziehung zwischen ihnen und gleichzeitig wird durch Cisis und Kapitel auch die Sicht der gegeneinander kämpfenden Völker erklärt, sodass der Leser einen guten Rundumblick erhält. Dann wäre da auch noch Eijeh – seine Perspektive mag etwas schwieriger erscheinen, da er als frisches Orakel noch Schwierigkeiten hat die Persönlichkeiten auseinander zu halten.
Vielleicht lag es an den vielen Perspektiven, vielleicht war der vorhergehende Band auch einfach zu lange her, aber ich habe selten so schlecht wieder in eine Geschichte hineingefunden. Etwa ein drittel des Buches habe ich gebraucht, um mich zu orientieren und richtig in der Story anzukommen. Zu abrupt war der Start in die Handlung und es gab zu wenig Rückblenden, die mir auf die Sprünge geholfen haben. Leider habe ich dann auch den Rest der Geschichte als eher holprig empfunden, obwohl mir Band eins wirklich Spaß gemacht hat. Positiv überrascht hat mich die Vielschichtigkeit der Charaktere. Alle entwickeln sich im Laufe der Story weiter und haben ihre großen Momente. Auch das Ende konnte mich letztendlich wieder mit dem schweren Start versöhnen, denn es hält einige Überraschungen parat.

Veröffentlicht am 17.08.2018

faszinierende Blickwinkel auf eine Person

Kennen Sie diesen Mann?
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David hat sein Gedächtnis verloren und versucht nun herauszufinden, wer er wirklich ist. Wie er tickt und wie er bisher gelebt hat. Seine Freunde Jon und Silje schreiben ihm. Die drei waren als Jugendliche ...

David hat sein Gedächtnis verloren und versucht nun herauszufinden, wer er wirklich ist. Wie er tickt und wie er bisher gelebt hat. Seine Freunde Jon und Silje schreiben ihm. Die drei waren als Jugendliche oft zusammen unterwegs. Auch sein Stiefvater Pfarrer Arvid meldet sich und schildert David, wie er ihn damals erlebt hat.
Kenne ich David nach den Briefen seiner Freunde und Verwandten nun? Ich habe nicht das Gefühl. Sie hingegen kenne ich nun relativ gut, glaube ich. Der Klappentext hat mich ein wenig in die Irre geführt. Bis zuletzt habe ich darauf gewartet, dass David nun auch einmal zu Wort kommt, doch man lernt ihn nur aus den Augen der anderen kennen und muss sich seinen David selbst erschaffen. Die drei Protagonisten schildern in Briefen, wie sie den Jungen damals kennengelernt haben. Alle geben neue Einblicke, jeder hat David in der Beziehung zu sich selbst sehr subjektiv erlebt und so unterscheiden sich die Bilder von ihm natürlich auch. Man kann also nie mit Bestimmtheit sagen, wie David nun war. Doch diese Erfahrung ist auch mal sehr interessant und ich war durchweg gefesselt und oft auch sehr berührt.
Der Autor gibt jedem seiner Erzähler eine individuelle Note. Die Briefe lassen sich alle relativ leicht lesen und haben einen recht harmonischen Schreibstil. Doch man erfährt auch immer aus den jetzigen Leben der Schreiber und hier unterscheiden sich die Stile dann sehr deutlich, was das Lesen mal mehr und mal weniger angenehm macht.
Jon ist mit Leib und Seele Musiker, aber irgendwie in dem kleinen Nest seiner Heimat hängengeblieben und er leidet unter den Ansichten von Mutter und Bruder. Ständig geraten sie aneinander. Sowieso scheint Jon zu den meisten Leuten keine gute Beziehung zu hegen. Er ist zu pessimistisch, zu negativ in seinen Ansichten. In seinem Text fehlen gerne mal Pronomen oder Füllwörter, als würden sie das Leben noch deprimierender machen.
Arvid habe ich als einen sehr sympathischen, wenn auch missverstandenen Menschen kennengelernt. Er ist Pfarrer, jetzt schwer krank und sehr alt, doch er hat gerne die Vaterrolle für David übernommen. Er wollte den Jungen unterstützen wo es nur ging, doch David hat diese Liebe nie so recht erwidert. Arvids Passagen waren für mich am schönsten zu lesen. Sie sind sehr bildhaft und wirken rund und warm, auch wenn er sich ärgert.
Auf Silje war ich durch die Beschreibungen der Vorgänger am meisten gespannt. Sie war damals eine sehr schillernde und einnehmende Persönlichkeit. Ein aufgewecktes Mädchen. Doch auch sie wird von Jon und Arvid sehr unterschiedlich wahrgenommen. Offenbar macht hier der Blick eines Erwachsenen sehr viel aus. Im Heute ist Silje erschöpft und ihre Ehe droht zu zerbrechen. Plötzlich konnte ich ihre Worte genauso wenig nachvollziehen wie ihr Mann. Und obwohl mich ihre Geschichte so interessiert hat, haben mir ihre Passagen in der Gegenwart am wenigsten gefallen. Sie waren unheimlich schwer zu verfolgen. Keine wörtliche Rede mehr, lange und wirre Sätze und viele Wiederholungen, als hätte Silje selbst Persönlichkeitsstörungen entwickelt.
Insgesamt kein leichter, aber dafür durchaus lesenswerter und tiefgründiger Roman, doch es braucht etwas Geduld, um sich darauf einzulassen.