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Veröffentlicht am 20.02.2020

Zündende Denk-an-Sätze (nicht nur) über Wien

Denk-an-Sätze
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Immer wenn ich in meiner Lieblingsstadt Wien bin, muss ich unbedingt mindestens einmal mit der Tram fahren. Am liebsten weit hinaus in die Vorstadt, denn dort trifft man sie ganz sicher. Leute wie die ...

Immer wenn ich in meiner Lieblingsstadt Wien bin, muss ich unbedingt mindestens einmal mit der Tram fahren. Am liebsten weit hinaus in die Vorstadt, denn dort trifft man sie ganz sicher. Leute wie die Frau Mariann und Leute wie den Havlitschek. Still, wie ein Mäuschen, lausche ich dann ihren Gesprächen, und auch, wenn ich den geliebten Wiener Dialekt nicht immer hundertprozentig verstehe, so ist es jedes Mal ein ganz großer Genuss.

Das selbe Gefühl überkommt mich, wenn ich wieder einmal eines der Bücher von Andreas V. Engel in die Hand nehme. Ich lese und habe sofort diese wunderbare Sprachmelodie, dieses einzigartige Raunzen im Ohr. Sehe Wien vor meinem inneren Auge und bekomme wieder mal eine unbändige Sehnsucht nach dieser Stadt.

Der Autor hat Wien und seinen Bewohnern ein ganz besonderes Denkmal gesetzt. Keines aus Stein und Bronze, aber eines aus wunderbaren Sätzen, die, egal ob in Reimform oder in Prosa, stets exakt den Nagel auf den Kopf treffen. Seine Gedichte und Texte sind witzig und, in einer angenehmen Art und Weise, auch spitz. Gerade so, dass es ein wenig weh tut, aber doch nicht zu sehr. Besser kann man die Wiener nicht kennenlernen, außer natürlich, man fährt direkt hin.

Der Autor zeigt uns aber nicht nur die Seele der Wiener, sondern er spricht auch Dinge an, die jeden von uns betreffen können, die manch einer lieber nicht hören möchte. Er hält uns einen Spiegel vor, der manchmal noch etwas beschlagen ist und weichzeichnet, manchmal aber in der gnadenlosen Härte eines Bahnhofsneonröhrenlichts zuschlägt. Wenn man dann, wie ich, manches reflektiert und mal über sich selbst nachdenkt, hat der Schriftsteller schon sein Ziel erreicht.

Ich wünsche uns Lesern, dass der Autor noch viele seiner zündenden Denk-an-Sätze mit uns teilt und, dass wir noch viel von ihm hören werden.

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Veröffentlicht am 10.01.2020

Spannend

Neuschnee
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Lucy Foley hat ein sehr interessantes Buch geschrieben. Klar, das Setting ist fast schon ein Garant für einen spannenden Roman. Ein weit von der Zivilisation abgelegenes Gelände, der heftige Schneefall, ...

Lucy Foley hat ein sehr interessantes Buch geschrieben. Klar, das Setting ist fast schon ein Garant für einen spannenden Roman. Ein weit von der Zivilisation abgelegenes Gelände, der heftige Schneefall, der die Zufahrtsstraßen absperrt, ein geheimnisvoller Wildhüter, aber nicht weniger rätselhaft: die anderen Mitarbeiter auf der Lodge. Dann die verwöhnten Stadtmenschen, die sich treffen, um Silvester einmal ganz ursprünglich zu feiern. Das ist eine explosive Mischung. Aber Lucy Foley schafft noch mehr. Sie springt hin und her in den Zeitebenen und zwischen den Protagonisten, lässt die Charaktere einzeln zu Wort kommen. Das erhöht die Spannung enorm und verwirrt uns Leser permanent. Mich hat das so sehr an das Buch gefesselt, dass ich es in einem Rutsch durchlesen musste. Besonders prickelnd war, dass Lucy Foley uns über die Identität des Toten bis zum Ende im Unklaren gelassen hat. Da fällt es sogar einem eingefleischten Thrillerleser, wie mir, schwer, irgendwelche Spekulationen zu tätigen. So blieb natürlich auch der Täter eine große Überraschung, ebenso wie das Motiv. Mich hat der Roman schwer beeindruckt und ich wünsche mir, dass die Autorin schon bald mal wieder von sich hören lässt.

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Sehr authentisch

Sweet Sorrow
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Charlie Lewis ist ein typischer Teenager. Unsicher, unausgegoren, einfach nur durchschnittlich. Seine Eltern haben sich getrennt und er lebt bei seinem depressiven Vater, der zu viel trinkt und Charlie ...

Charlie Lewis ist ein typischer Teenager. Unsicher, unausgegoren, einfach nur durchschnittlich. Seine Eltern haben sich getrennt und er lebt bei seinem depressiven Vater, der zu viel trinkt und Charlie zu viel sich selbst überlässt. Erst als er Fran kennenlernt, scheint sein Leben wieder einen Sinn zu bekommen.

David Nicholls Roman beschreibt in einer wundervollen klaren Sprache das einzigartige Gefühl der ersten Liebe. Bei jedem Satz wurde ich wieder in meine eigene Jugend zurückkatapultiert und konnte immer nur nicked zustimmen. Denn genauso war es. Wer von uns, egal ob Mann oder Frau, hat sie nicht selbst erlebt, diese Unsicherheit, dieses mangelnde Selbstwertgefühl, das dich beim Erwachsenwerden ständig begleiet. Immer gibt es jemanden, der scheinbar schöner, größer, mutiger, besser ist. Der dich klein macht und deine Unzufriedenheit damit nur noch größer. Charlie jedenfalls fühlt sich genauso. Er kämpft mit den ganz normalen Widrigkeiten seines Lebens. Der Scheidung der Eltern, dem kranken Vater, den sogenannten Freunden, den schlechten Noten, der ungewissen Zukunft. Aber dann kommt Fran, die ihn so akzeptiert, wie er ist. Die ihn ermutigt, fördert, das Beste aus ihm herauskitzelt. Und Charlie wächst über sich hinaus.

Der Autor zieht den Leser mit seiner witzigen und modernen Sprache in den Bann und auch, wenn es einige Längen gab, die Geschichte vorhersehbar war, hat sie mich sehr gut unterhalten und begeistert.

Ein wunderbar warmherziger Roman, der das Phänomen der ersten Liebe treffend beschreibt.

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Veröffentlicht am 22.12.2019

Ein Kochbuch mit einem ganz besonderen Zauber, wie ihn nur eine Stadt, wie Amsterdam vermitteln kann.

Weihnachten in Amsterdam
1

Yvette van Bovens Kochbuch "Weihnachten in Amsterdam" vermittelt uns nicht nur einen sehr guten Eindruck von der Küche der Niederländer, sondern auch einen tiefen Einblick in ihre Seele. Von der Gelassenheit ...

Yvette van Bovens Kochbuch "Weihnachten in Amsterdam" vermittelt uns nicht nur einen sehr guten Eindruck von der Küche der Niederländer, sondern auch einen tiefen Einblick in ihre Seele. Von der Gelassenheit der Amsterdamer könnten wir uns alle das ein oder andere Scheibchen abschneiden. In einem Land, in dem fast die Hälfte der Bewohner keiner Religion angehören, wird Weihnachten anders gefeiert. Es ist ein Fest für Familie und Freunde, ein Fest bei dem man ungezwungen zusammen feiert und viel Zeit füreinander hat. Zeit, um zusammen zu kochen und zu essen.

Die Rezeptesammlung weicht von den üblichen, uns bekannten Weihnachtsgerichten, wie Ente und Gans, ab und bietet trotzdem für jeden Geschmack etwas passendes. Gerade das finde ich sehr interessant, denn ich liebe es über meinen Tellerrand zu schauen und neues zu entdecken. Die klassischen Rezepte kenne ich ja schon. Besonders gefällt mir, dass man fast alle Rezepte sehr gut vorbereiten kann, so dass am Festtag nur noch wenig zu tun ist. Ich habe schon mal den Tag X geprobt und am ersten Adventssonntag ein ganzes Menü aus dem Buch nachgekocht. Es ist mir sehr gut gelungen und hat allen geschmeckt. Und was ich als wichtig empfinde: Es hat mich nicht zum Schwitzen gebracht, so dass ich es ebenfalls genießen konnte. Ich muss allerdings erwähnen, dass ich gerne und schon lange koche. Da entsteht natürlich eine gewisse Routine, die es für einige Rezepte braucht. Ich habe auch keine Hemmungen, Zutaten auszutauschen, wenn ich sie nicht bekomme oder im Zweifelsfall sogar ganz wegzulassen. Das ist bei diesem Kochbuch sehr gut möglich.

Die Rezepte sind verständlich verfasst, übersichtlich dargestellt und wunderschön bebildert. Es war auch kein Problem, die Mengen auf weniger Personen herunterzurechnen. Manche Zutaten sind teilweise sehr typisch für Holland und bei uns in ländlichen Regionen sicher nicht überall zu bekommen. Für mich, die ich in München lebe, war es kein Problem und für alle anderen gibt es ja auch noch das Internet. Und man kann, zumindest war das bei den getesteten Gerichten so, ruhig mal eine Zutat ändern.

Die stimmungsvollen Fotos von Amsterdam, die privaten Schnappschüsse der Autorin von Hund und Küche machen das Buch für mich zu einem meiner momentanen Lieblingskochbücher, vor allem auch, da meine Tochter das große Glück hat, in dieser Stadt zu leben. So bin ich ihr beim Blättern immer ein wenig nahe.

Ausgesprochen schön ist das Layout und die Schrift. Die in ein leichtes Sepia getauchten Fotos habe ich ja schon erwähnt. Die hochwertige Bindung und die zur Weihnachtszeit passenden Lesebändchen in Gold und Rot machen das Buch aus dem Dumont-Verlag zu einem Schmuckstück, das ich bestimmt oft in die Hand nehmen werde. Es ist sicher kein Buch für alle Tage, aber ganz gewiss eines, für all die Tage, an denen man sich mal etwas gönnen möchte. Denn eines haben alle Rezepte gemeinsam, sie sind nichts für Kostverächter und Kaloriensparer.

Praktisch sind die zahlreichen Tipps für ein entspanntes Fest und die beiden Register am Ende des Buches machen das positive Gesamtbild für mich komplett.

Ich bin von Yvette van Bovens Weihnachtsbuch begeistert und werde meine Tochter und natürlich auch den Rest der Familie an Weihnachten mit einem Menü aus diesem Buch überraschen und bin schon ganz gespannt, wie es ihnen schmecken wird.

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Veröffentlicht am 13.12.2019

Lesenswert

Die Holunderschwestern
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Der Inhalt:
München 1918. Die junge Fanny – Franziska – sitzt im Zug nach München und will der Provinz entfliehen. Ihre sensible Zwillingsschwester Friederike musste sie zurücklassen. Als die reiche Witwe ...

Der Inhalt:
München 1918. Die junge Fanny – Franziska – sitzt im Zug nach München und will der Provinz entfliehen. Ihre sensible Zwillingsschwester Friederike musste sie zurücklassen. Als die reiche Witwe Dora mit ihren beiden Kindern zusteigt, ahnt Fanny noch nicht, dass ein tragisches Schicksal seinen Anfang nimmt. München 2015. Katharina erhält einen Brief aus London: In einem Archiv wurden Tagebücher ihrer Urgroßmutter Franziska gefunden. Katharina wird neugierig. Wie kommt es, dass die Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter, einer einfachen Köchin, in London verwahrt werden?

Meine Meinung:
Teresa Simon ist eine echte Meisterin der Recherche. Liebevoll wird hier jedes Detail akribisch herausgearbeitet. Aber ohne erhobenen Zeigefinger und ohne langatmige Ausführungen, sondern perfekt verpackt in einer spannenden und sehr berührenden Geschichte. Das Buch hat mich vom ersten Satz an gefesselt und nicht mehr losgelassen. Ich bin regelrecht versunken in dieser wundervollen Geschichte einer Familie, bei der es um Liebe und Hoffnung, aber auch um Verrat und Verlust geht. Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und wirken dadurch herrlich lebendig. Man glaubt sie persönlich zu kennen und man leidet und freut sich in jeder Sekunde mit ihnen. Die beiden Zeitebenen sind sehr geschickt miteinander verknüpft, das macht die Spannung und den Wunsch, einfach immer weiter zu lesen, fast unerträglich. Ich musste mich richtig bremsen, sonst hätte ich das Buch wohl in einer Nacht verschlungen. Die sehr interessanten und teilweise grausamen, geschichtlichen Hintergründe machen den Roman erschreckend realistisch und fügen sich nahtlos in die Handlung ein. Für mich als Wahlmünchnerin ist dieser Aspekt sehr wichtig, denn ich habe viel Neues über meine Stadt erfahren, aber auch viel Bekanntes wiederentdeckt. Das wunderschöne Cover und die typisch bayrischen Rezepte im Anhang sind noch das letzte Puzzlestück, um für mich den Roman perfekt zu machen. Ich gebe fünf verdiente Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

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