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Veröffentlicht am 09.01.2020

Keine leichte Lektüre

All die Finsternis inmitten der Sterne
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Inhalt:

Als Wavy zu ihrer Tante kommt, hat sie nicht mehr als eine Plastiktüte bei sich. Sie trägt ein Männerunterhemd, spricht keinen einzigen Ton und isst nicht einen Happen. Gemeinsam mit ihrer Cousine ...

Inhalt:

Als Wavy zu ihrer Tante kommt, hat sie nicht mehr als eine Plastiktüte bei sich. Sie trägt ein Männerunterhemd, spricht keinen einzigen Ton und isst nicht einen Happen. Gemeinsam mit ihrer Cousine Amy teilt sie sich ein Zimmer. Amy gelingt es leidlich einen Zugang zu Wavy zu finden. In einer der Nächte beginnt das stille Mädchen zu sprechen. Sie berichtet von Sternenbildern.

Doch während Amys Bewunderung für die merkwürdige Cousine wächst, verzweifeln ihre Pflegeeltern immer mehr an dem Kind. Wavy wird dabei ertappt, wie sie aus dem Mülleimer isst, sie trennt die Nähte jedes neugekauften Kleides auf. Als sie Ärger dafür bekommt, widmet sie sich den Nähten der Vorhänge. Alles eskaliert, als Wavys kleines Geheimnis auffliegt. Nachts schleicht sie sich, seit neuestem auch in Begleitung von Amy, aus dem Hause. Sie dringt in fremde Wohnungen ein, klaut und versteckt dort Gegenstände.

Amys Eltern fühlen sich mit dem seltsamen Kind überfordert. Sie haben Angst, dass die eigenen Kinder dessen Verhalten adaptieren. Eine Trennung ist daher unausweichlich. Zurück zu den Eltern kann das Mädchen nicht. Denn beide befinden sich wegen Drogenhandels im Gefängnis. Auch eine Pflegefamilie ist keine Option. Das verhaltensauffällige Kind würde vermutlich von einer Familie zur nächsten weitergegeben werden. Für Wavys Großmutter ist klar, dass sie sich um die Enkelin kümmern wird. Wavy bleiben weitere Schicksalsschläge nicht erspart. Das „normale“ Leben, die Leichtigkeit des Alltags, kommt Wavy schnell wieder durch eine Krebserkrankung der Großmutter abhanden. Die Großmutter musste eine Entscheidung treffen, was mit ihrer Enkelin passieren sollte. Sie traf die einzige Entscheidung, die ihr halbwegs sinnvoll erschien: Wavy sollte zurück zu ihren Eltern, die jüngst aus dem Gefängnis entlassen worden sind. Damit ist Wavy zwar noch nicht am Tiefpunkt angelangt, aber auf dem besten Weg dahin.



Im Detail:

Mit Wavy stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Das Kind ist traumatisiert, unentwickelt, verantwortungslos, unsicher, verängstigt und ungeregelt. Sie ist eine Geisel ihrer Vergangenheit.
Schon von klein auf wurde Wavy von ihrer drogenabhängigen Mutter eingetrichtert, dass sie schmutzig ist. Die Mutter selbst litt unter einem sehr starken Sauberkeits-/Hygienewahn.

Wavys Vater Liam hingegen war ein Drogendealer mit einem eigenen Methlabor. Statt die Zeit mit seiner Frau Val zu verbringen, gab er den Don Juan des Trailerparks. Wavy erlebte ihren Vater stets als rücksichtslos, unkontrolliert und gewalttätig.
Ganz allmählich entfaltet sich dem Leser unter beiläufigen Anekdoten das Bild einer schrecklichen Kindheit.

Wavys Großmutter, ja sogar ihre Cousine Amy, zeigten ihr erstmalig menschliche Wärme in einer Welt, in der kein Charakter frei von Makeln schien.

Mit dem Rausschmiss der Tante und dem Verlust der Großmutter, musste Wavy sich also eingestehen, dass sie wieder da gelandet war, wo sie angefangen hatte. Dass das Leben eben keine Gnade zeigt und dass jeder für sein eigenes Überleben verantwortlich ist.

Und dann schlug das Schicksal erneut zu. Eines Tages verunglückte ein „Kollege“ ihres Vaters auf der Straße mit dem Motorrad. Wavy war gezwungen Hilfe zu holen und das war der Zeitpunkt, als sich Kellen und Amy das erste Mal begegneten.

Kellen war gut 10 Jahre älter als Wavy. Optisch nicht gerade ansprechend, mit dickem Bauch, verdreckter Kleidung und einem Goldzahn im Mund. Doch mit einem großen Herz in der Brust wurde Kellen schon bald zu Wavys Vertrautem. Kellen sorgte sich im Gegensatz zu Wavys Eltern und ihrem Umfeld um das Mädchen, das gelernt hatte, selbstständig den Haushalt zu schmeißen, der Mutter in den „schlimmen Phasen“ aus dem Weg zu gehen und irgendwie zu überleben. Er brachte sie zur Schule, hörte sich das an, was die Lehrer über das seltsame Mädchen zu sagen hatten und half ihr, wenn zu Hause die Welt einzustürzen schien. Er rettete sie vor den gewalttätigen Eltern und schenkte ihr ein paar Momente für die es sich zu Leben lohnt.

Die Bindung zwischen Kellen und Wavy wuchs über die Zeit hinweg. Ich hätte mir gewünscht, dass es bei einer engen Freundschaft bleiben würde. Doch, wie auch das Leben selbst, ist auch der Roman sehr unberechenbar gewesen.

Bryn Greenwood schreibt mit "All der Finsternis inmitten der Sterne" eine Geschichte, die zutiefst berührt. Es ist ein Buch über Freundschaft, es ist eine Geschichte über eine Liebe, die nicht sein darf und sollte. Der Leser wird gezwungen sich mit unbequemen Fragen auseinanderzusetzen. Was wünscht man sich für dieses Mädchen? Wer ist in diesem Buch Opfer, wer ist Täter?

Es ist keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen Nerven. Das Buch ist Literatur, die wirklich weh tut und die man, wenn man schwache Nerven hat, nicht länger als fünf Minuten erträgt.



Fazit:

Bryn Greenwood erzählt vom Schicksal in schlimmer Gestalt. Die Protagonistin muss eine ganze Reihe von Schicksalsschlägen bewältigen. Eine Dosierung scheint zwingend, denn der Leser stößt bald an Grenzen der Belastbarkeit.

Irgendwann stellt man sich die Frage: Gibt es einen Hoffnungsschimmer? Nur an wenigen Stellen werfen kleine Highlights einen gnädigen Schleier über die alltägliche Trostlosigkeit, die Wavys Leben dominiert. Und genau darin liegt der innere Antrieb, den Roman nicht beiseite zu legen, weiter zu suchen nach dem Sonnenstrahl, der das Elend durchbricht.



Buchzitate:

Ich hattte die Hand schon am Türknauf und war halb draußen, da ließ mich das Durcheinander in der Küche innehalten. Lebte das kleine Mädchen in diesem Dreck?

Ich fuhr mit dem Gefühl davon, sie am Tor zur Hölle abgesetzt zu haben.

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Humorvolle Märchenadaption

Aschenkindel
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Inhalt:

Claerie Farnflee erhält eine Einladung zum Ball des Kronprinzen. Die verweichlichten Männer am Hofe stellt sie gerne an den Pranger und fordert von einem potentiellen Heiratskandidaten mehr Testosteron. ...


Inhalt:

Claerie Farnflee erhält eine Einladung zum Ball des Kronprinzen. Die verweichlichten Männer am Hofe stellt sie gerne an den Pranger und fordert von einem potentiellen Heiratskandidaten mehr Testosteron. Der Prinz, der als Achtjähriger bei einer Geburtstagsparty wegen der Farbe seines Tortengusses zu weinen angefangen hatte, kommt da nicht in Frage. Auch stört eine Krone doch nur beim Fliegen, Reiten und Laufen. Nein, Claerie möchte lieber daheim bleiben. Doch ihre dilettantische Fee hat ganz andere Pläne. Ein Kleid, wenn auch viel zu groß, ist bereits organisiert. Mit einer List vermittelt sie Claerie galante und geschliffene Umgangsformen.

An einem Tag geht Claerie, die von ihrer Stiefmutter die Rolle der Haussklavin zugedacht bekommen hat, in den Wald, um Morchel für das Abendbrot zu sammeln. An diesem Tag ist sie froh, den Diskussionen über Ballkleider und Diäten zu entkommen und trifft auf einer Lichtung auf ein Pferd.. Kurze Zeit später befindet sich das Mädchen in dem Würgegriff eines gar nicht so unansehnliches Mannes. Doch wer ist der Mann, der ihr im Wald nachstellte und sie dann überwältigen konnte?

Der Mann stellt sich als Kammerdiener des Prinzen vor. Claerie schafft es nicht, Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch zu verleugnen. Vielleicht wäre ein Besuch auf dem Ball doch gar keine so schlechte Idee?



Im Detail:

Nach dem Tod des Vaters und der leiblichen Mutter muss sich die selbstbewusste Claerie mit ihrer Stiefmutter und deren zwei Töchtern Etzi und Kanickla herumschlagen, die ihre Mitbewohnerin seither als kostengünstige Haushaltshilfe missbrauchen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hat Claerie auch noch wenige Tage vor ihrem dreizehnten Geburtstag eine Fee aufgedrückt bekommen, die mit ihren schlechten Noten fast durch die Feenprüfung gefallen wäre. Alles was sie so treibt gehört zu der Kategorie „gut gemeint, aber nicht gut gemacht“.

Als der Kronprinz, der Claerie mit einem Vorfall auf einem Kindergeburtstag in unliebsamer Erinnerung geblieben ist, zum Ball ruft, ist das ganze Land in Aufruhr. Jedes heiratsfähige Mädchen besorgt sich ein hübsches Kleid. Das Liebes-, Eifersuchts- und Heiratskarussell nimmt Fahrt auf. Claeries Fee unternimmt alles, um ihr Mündel für dieses Event zu begeistern, doch hat sie damit eher mäßigen Erfolg.

Als die Stiefmutter Claerie auffordert in den düsteren Wald zu gehen, um dort Morchel für eine Suppe zu sammeln, ist diese gerne gewillt, das Haus zu verlassen, in dem sich derzeit alles um Diäten für die ältere Schwester und die Ballkleidsuche zu drehen scheint. Im Wald jedoch soll es vor Vampiren nur so wimmeln. Umso überraschter ist Claerie, als sie auf ein Pferd mitten auf der Lichtung trifft. Weit und breit ist der Besitzer nicht zu erblicken. Wer ist nur so dämlich, so schießt es Claerie in den Kopf, sein Tier an diesem Ort alleine zu lassen. Doch gerade, als das Mädchen das Pferd beruhigen möchte, bekommt sie mit einem Schlag auf den Kopf.

Der junge Mann, in dessen Würgegriff sie erwacht, stellt sich auf Nachfrage als der Kammerdiener des Prinzen vor. Die Antwort kam erst nach reiflicher Überlegung. Claerie ist niemand, der sich so schnell hinters Licht führen lässt. Sie ist skeptisch und klug und zugleich auch nicht auf den Mund gefallen. Ihre Neugierde für den vermeintlichen Kammerdiener ist geweckt.

Claerie flüchtet sich aus ihrem beschwerlichen Alltag oft in einen fröhlichen Zynismus. Die Autorin entfaltet ihren Ideenreichtum in ihren Figuren: So lebt in dem Haushalt der Protagonistin beispielsweise auch ein Frettchen namens Natascha und der dicke Kater der Stiefmutter namens Gworrokko. Während letzterer immer nur ans Essen denkt, führt das Frettchen auch gerne mal einen Spontanangriff auf die Fee durch.


Fazit:

Aschenkindel – Das wahre Märchen versucht das klassische Märchen Aschenputtel mit einer ordentlichen Portion Humor und Kreativität neu zu erzählen. Und das gelingt.
Viele interessante neue Ideen, aber auch einige überraschende Wendungen sorgen für einen durchweg fesselnden Roman. Oft stößt man auf ein schönes Bonmot, schlagfertige Oneliner sind fast auf jeder Seite zu finden.

Mir hat Aschenkindel – Das wahre Märchen einige kurzweilige Lesestunden bereitet. Ich kann dieses Buch von ganzem Herzen weiterempfehlen.



Buchzitate:

Mittlerweile weiß ich, dass meine Fee hundsmiserable Zeugnisse auf der Feen-Akademie bekommen hat und ihr das Auswahl-Gremium rein gar nichts zutraute. Fast wäre sie leer ausgegangen, so ganz ohne Mündel. Doch dann haben sie mich ausgegraben.

„Ja, Mondgesicht“, sagte er. „Du bist blas, lumpig und struppig und hast dich an mein Pferd gedrückt! Ich dachte, du willst es beißen, da musste ich schnell handeln.“

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Ein kleines Meisterwerk

Die Geheimnisse der Welt
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Inhalt:

Mit dem Tod von Michaels Großvater hat sich in seiner Familie einiges verändert. Er sieht seine Großmutter ständig weinen. Letztendlich kommt es zu einer Familienzusammenführung unter dem Dach ...

Inhalt:

Mit dem Tod von Michaels Großvater hat sich in seiner Familie einiges verändert. Er sieht seine Großmutter ständig weinen. Letztendlich kommt es zu einer Familienzusammenführung unter dem Dach seiner Eltern und Granny zieht ein. Mutter-Tochter-Beziehungen gelten zuweilen als problematisch, hier profitieren jedoch beide von der familiären Wiedervereinigung.

Michaels Heim bleibt jedoch eine Konfliktzone. Streit gibt es häufig. Michaels Vater ist weder einem sinnlosem Streit noch dem Alkohol abgeneigt. Die vier sind eine "schrecklich" normale Familie.

Doch dann kommt es zu dem Tag, der offensichtlich eine Zäsur in seinem Leben markiert. Einem Tag, an dem seine Mutter nach einem Spaziergang durch den Park weinend heimkommt. Alle weinen. Nur Michael nicht, der gar nicht versteht, was überhaupt passiert ist.

Nach und nach bekommt Michael Wortfetzen aus Gesprächen mit. Er erfährt, dass Ma einem Exhibitionisten begegnet sein soll. Die Antwort auf die Frage, was ein Exhibitionist ist, muss sich Michael hart erkämpfen. Ein Exhibitionist sei ein Mann, der anderen seinen Schniepel zeigt, wird er beschieden. Michael zweifelt die Geschichte jedoch zunehmend an.



Im Detail:

Nach dem Vorfall, den seine Mutter im Park erlitten hat, spürt Michael, dass sich alles verändert hat. Jeder in der Familie scheint ein Geheimnis zu haben. Sicherlich ist es nicht schön, einem Exhibitionisten zu begegnen. Aber rechtfertigt es das distanzierte Verhalten der Mutter, die ständige Traurigkeit und unterschwellige Aggression, die diese umgibt?

Michael versucht weitere Gespräche von Pa, Granny und Ma aufzuschnappen. Er lauscht an Türen und stellt Fragen. Doch keiner will ihm etwas verraten. Stattdessen beschwören Granny, Pa und Ma ihren Sohn, dass er niemandem etwas von dem Vorfall und von all dem, was fortan in der Familie gesagt und getan wird, verraten solle. Als Granny und Pa andeuten, dass Ma zur Polizei gehen solle, wird diese wütend. Auf keinen Fall wird sie das tun. Die Nachbarn würden schlecht über sie reden. Michael versteht die Welt nicht mehr. Jemand, der so böse ist wie der Exhibitionist, muss doch bestraft werden. Findet jedenfalls Michael.



Eigene Meinung:

Lisa O' Donnell erzählt aus der Sicht des 11-jährigen Michael die Geschichte einer Familie, die auf einer kleinen schottischen Insel lebt. Auf dieser scheint viel piefig, unerträglich und provinziell. Jeder steht im Licht der Öffentlichkeit – eine Privatsphäre bleibt meist verwehrt.

Während der Vater nach den Geschehnissen immer netter und umgänglicher wird, kapselt sich die Mutter immer weiter von der Familie ab. Nur Granny verhält sich wie immer. Ihr Essen schmeckt grässlich und sie schimpft mit Michael, wenn sie ihn beim heimlichen Belauschen der Gespräche erwischt oder wenn er schlimme Worte in den Mund nimmt.

Geschickt lässt die Autorin die Gedanken der Erwachsenen in ihre Geschichte einfließen. Der Leser schaut in die Psyche der Personen, deren Leben unter Druck steht.

Die Familienmitglieder werden zu Experten im Improvisieren und Sich-Durchwursteln. Aber dadurch, dass sie der Mutter bestmöglich zu helfen versuchen, vernachlässigen sie zugleich den heranwachsenden Jungen. Sie verlangen von Michael, dass er ein Geheimnis hüten soll, das er selbst aber noch gar nicht richtig begreifen kann, weil ihm ein wichtiges Detail in der Geschichte zu fehlen scheint.

Michael selbst versucht sich der Situation anzupassen. Natürlich möchte er die beste Freundin der Mutter beschützen, als diese beschließt, durch den Park nach Haus zu gehen. Schließlich soll sie ja nicht auch diesem bösen Exhibitionisten begegnen. Die Familie droht für immer im Abgrund des Geheimnisses zu versinken.



Fazit:

Lisa O' Donnell schreibt mit „Die Geheimnisse der Welt“ eine Reportage aus dem Inneren einer Katastrophe. Ein kleines Meisterwerk. Die Bewohner der kleinen schottischen Insel, auf der diese Geschichte spielt, haben sich der zwanghaften Einhaltung einer repressiven Moral verschrieben.

Der 11-jährige Protagonist des Buches, Michael, kann sich kaum noch eine Kindheit erlauben.
Er trägt schwer an diesem Geheimnis, das direkt in den Abgrund der Geschichte führt, und alle Figuren überfordert.

Für mich ist dieses Buch – wie gesagt - ein kleines Meisterwerk. Lisa O' Donnell gelingt es, einen unglaublichen Facettenreichtum in ihrer Geschichte zu zeigen, was so beklemmend wie beeindruckend nachwirkt.

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Ernstes Thema gut umgesetzt

Carlsen Clips: Ich will das nicht!
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Inhalt:

Die Trennung der Eltern markiert eine Zäsur in Zoes Leben. Das unfreundliche Ereignis resultiert für sie in einem Umzug in eine norddeutsche Kleinstadt mit ihrer Mutter.

Jedem Drama wohnt ein ...

Inhalt:

Die Trennung der Eltern markiert eine Zäsur in Zoes Leben. Das unfreundliche Ereignis resultiert für sie in einem Umzug in eine norddeutsche Kleinstadt mit ihrer Mutter.

Jedem Drama wohnt ein Anfang inne. Schlechte Noten, eine innerliche Unzufriedenheit und Mitschüler, die über Zoes Aussehen lästern, gehören zu den Startschwierigkeiten des Mädchens in ihrer neuen Heimat. Umso überraschter reagiert Zoe, als ihre Sportlehrerin Frau König sie auf dem Gang anspricht. Ein ehemaliger Schüler namens Timo, der mittlerweile Betriebswirtschaft studiert, möchte eine Zirkus-AG gründen. Mit ihren guten sportlichen Leistungen und als ehemalige Kunstturnerin wäre Zoe eine perfekte Verstärkung.

Zoe ist von Frau Königs Vorschlag schnell zu überzeugen. Vielleicht wäre der Beitritt in die Zirkus-AG etwas, dass ihr Leben verändern würde. Etwas, was helfen könnte, sich in dieses neue Leben zu integrieren.

Es war eine gute Entscheidung: Die Mädchen in der AG sind so ganz anders als ihre anderen Mitschülerinnen. Sie schenken Zoe Anerkennung und Timo kann gar nicht damit aufhören, sie mit Lob und Anerkennung zu überschütten.

Die Zeit vergeht und umso länger Zoe mit den Mädels ihren Auftritt für eine finale Aufführung an der Schule probt, umso mehr fällt ihr auf, dass Timos Blick gelegentlich etwas Unprofessionelles an sich hat. Auch neigt er oft dazu, Empathie mit nahezu zärtlichem Körperkontakt zu bekunden.



Im Detail:

Susanne Fülscher schreibt mit „Ich will das nicht!“ eine Geschichte über ein Mädchen, das neu an der Schule ist. Der Neuanfang, den Zoe hinlegt, ist nicht unbeschwert. Der Beitritt in die neue AG sorgt für Anerkennung und Lob. Etwas, wonach sich jeder Mensch in der Tiefe seines Herzens sehnt. Bald wird sie aber gezwungen ihre rosarote Brille zurecht zurücken.

Timo verliert nämlich rasch die professionelle Distanz. Zoe merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Doch wann ist die Grenze erreicht? Wann hört Nettigkeit auf und wann fängt Belästigung an?



Fazit:

In „Ich will das nicht!“ widmet sich Susanne Fülscher Geschlechterdiskursen. Sie erzählt die Geschichte eines Mädchens, dem es schwerfällt, am neuen Wohnort Kontakte zu knüpfen. Die neue Zirkus-AG bietet einen willkommenen Ausweg aus der Misere. Von einem Tag auf den anderen bekommt Zoe Lob und Anerkennung geschenkt. Sie findet Freunde. Nur einen Haken hat das Ganze. Der neue Lehrer scheint hinter der Maske aus Freundlichkeit und Nettigkeit etwas zu verbergen.

Susanne Fülscher gibt mit literarischer Kunstfertigkeit einen Einblick in die komplexen Geschehnisse rund um Frauen in Konfliktsituationen und sexualisierte Gewalt. Sie zeigt wie aus Verletzungen eine Stärke erwachsen kann, die Veränderungen bringt. Sie verknüpft in dem Buch individuelles Empowerment von Frauen mit dem gemeinsamen Kampf gegen Sexismus.

Mit „Ich will das nicht!“ hält man ein Buch in der Hand, für das man sich uneingeschränkt stark machen kann. Das Buch gibt ein Vorbild für den unbedingten Willen zur Selbstbestimmung.
Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 30.12.2019

Eine sehr bewegende Geschichte

Wer ist Edward Moon? - Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises 2020
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Inhalt:

Zum ersten Mal seit zehn Jahren bittet Edward seinen kleinen Bruder Joe in einen Brief darum, ihm einen Besuch abzustatten. In einer Todeszelle in Texas wartet Edward auf seine Hinrichtung. Nun ...

Inhalt:

Zum ersten Mal seit zehn Jahren bittet Edward seinen kleinen Bruder Joe in einen Brief darum, ihm einen Besuch abzustatten. In einer Todeszelle in Texas wartet Edward auf seine Hinrichtung. Nun steht der Termin fest. Noch zwei Monate sind es, die ihm Zeit bleiben, um Abschied zu nehmen. Zwei Monate in denen es noch eine Hoffnung auf Besserung zu geben scheint. Wird es gelingen, in letzter Sekunde im Instanzenzug eine Aufschiebung oder sogar Begnadigung zu erwirken?

Der Vorwurf gegen Ed wiegt schwer. Er soll vor Jahren einen Polizisten erschossen haben. Doch während Ed seine Unschuld beteuert, glauben ihm nicht mal seine engsten Verwandten. Die Tante ist überzeugt, dass Ed den Mord begangen hat. Joe merkt, dass ihm immer häufiger Zweifel überkommen. Dennoch zögert er keinen Moment, als ihn der Brief des Bruders erreicht. Er packt seine Sachen und fährt nach Wakeling, um seinem Bruder einen letzten Wunsch zu erfüllen.



Im Detail:

Bei „Wer ist Edward Moon?“ handelt es sich um ein Jugendbuch, das ein düsteres Bild der US- amerikanischen Gegenwart zeichnet. Es geht um einen Jungen, der wegen einer Tat, von der er behauptet, sie nicht begangen zu haben, im Todestrakt einsitzt. Zwei Monate sind es, bis das Urteil vollstreckt werden soll.

Man hat nie das Gefühl, sich inmitten einer leichten, unbeschwerten Lektüre für Kinder zu befinden. Detaillierte Schilderungen einer Hinrichtung und das Leid bzw. die Ängste, die sowohl Edward als auch seine Familie durchstehen müssen, lassen mich zu der Einschätzung gelangen, dass dieses Buch eher für die Zielgruppe „erwachsene Leser/innen“ geeignet ist.

Sarah Crossan erzählt die Geschichte ihres Buches aus der Perspektive des kleinen Bruders von Edward Moon. Joe ist in einer Familie ohne Vater aufgewachsen. Die Mutter schaut den lieben langen Tag lang Dauerwerbesendungen im Fernsehen. Sie geht nicht mehr zur Arbeit und nimmt Tabletten. Für Joe war sein großer Bruder eine enge Bezugsperson. Fast so etwas wie ein Vaterersatz. Nur kam Edward nie wirklich gut mit der Mutter zu Recht. Irgendwann musste die Situation eskalieren. Edward verlässt das elterliche Haus. Später tut es ihm die Mutter gleich, Joe bleibt zurück mit seiner Schwester und seiner Tante, die die Kinder unter einem strengen Regime aufzieht.

Als bekannt wird, dass Edward einen Mord an einem Polizisten begangen haben soll, wird dieses Geschehen in der Familie totgeschwiegen. Joe hört Jahre nichts von seinem großen Bruder. Als dann ein Brief von ihm eintrifft, muss Joe erst einmal seine Gedanken ordnen.
Was ist damals wirklich passiert? War Edward so unschuldig, wie er behauptet? Gibt es für den Bruder überhaupt noch eine Rettung? Drei Instanzen können ihn vor der Todesstrafe bewahren, doch ohne Geld und ohne den Anspruch auf einen Pflichtverteidiger kann Edward den Rechtsmittelweg nicht beschreiten. Joe und seine Schwester haben selbst kaum Geld, um über die Runden zu kommen. Dennoch zögert Joe keine Sekunde und macht sich auf die Reise, um Edward seinen Wunsch zu erfüllen und ihn im Todestrakt zu besuchen.

Sarah Crossan schreibt ihren Roman in einem gewöhnungsbedürftigem Schreibstil. Schon beim Aufklappen des Buches fällt auf, dass die Geschichte optisch wie ein Gedicht aufgebaut ist. Die Sätze reimen sich jedoch nicht und lesen sich wie eine klassische Geschichte weg.

Als Joe in Wakeling eintrifft, lernt er einen gottverlassenen Landstrich kennen. Die Hoffnung, dass Edward seiner Hinrichtung entgehen kann, ist nicht allzu groß. Hinzu kommt die Angst vor der Entfremdung durch die Zeit der Trennung, die das erste Wiedersehen der Brüder überschattet.



Fazit:

Sarah Crossan schickt den Leser in „Wer ist Edward Moon?“ auf eine atemlose Tour de Force durch verpfuschte Leben. Das Buch zieht den Leser mitten ins düstere Geschehen. Wie soll, wie kann man Abschied nehmen, wenn eine Behauptung im Raum steht, die man zwar verneinen, aber nicht widerlegen kann?

Die Geschichte ist deshalb weniger eine unterhaltsame Freizeitlektüre für kindliche Leser als vielmehr ein absolut empfehlenswertes Angebot für Erwachsene, die sich auf jeden Fall mit einem Päckchen Taschentücher rüsten sollten.

Was laut Buchrücken als harmlose Kindergeschichte daherkommt, ist eine knallharte Anklage des US-Justizwesens. Gelungene Gesellschaftskritik und eine tiefgründige Reflexion der Figuren bilden einen fesselnden Gesamtkomplex, der „Wer ist Edward Moon?“ zu einer absoluten Leseempfehlung macht.



Buchzitate:

Du kannst alle möglichen Fakten über jemanden kennen – Größe, Gewicht, wie er sein Frühstücksei mag -, aber du wirst nie Gewissheit darüber haben, was ihn in seinem Herzen umtreibt.

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