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Veröffentlicht am 22.02.2020

Die Wiege des Skisports

Lottes Träume
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Lotte hat vor kurzem ihren Vater verloren. Der Lehrer und begeisterte Alpinist hat seiner Tochter bereits von Kindesbeinen an das Skifahren beigebracht. 1904 steckt der Skisport noch in den Kinderschuhen ...

Lotte hat vor kurzem ihren Vater verloren. Der Lehrer und begeisterte Alpinist hat seiner Tochter bereits von Kindesbeinen an das Skifahren beigebracht. 1904 steckt der Skisport noch in den Kinderschuhen und ist für Frauen und Mädchen nicht zugänglich. Lotte ist nach dem Tod hres Vaters Vollwaise und hat in Mürzzuschlag in der Steiermark keine Zukunft. Die Wirtin des Gasthofs im Ort gibt ihr die Adresse eines Bekleidungsgeschäftes in Wien. Die Inhaberin, Mizzi Kauba, ist die Erste, die Skier und die dazugehörige Bekleidung verkauft. Lotte macht sich auf den Weg in die Hauptstadt und findet tatsächlich eine Anstellung bei Mizzi Kauba. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Klara teilt sie sich ein Dachbodenzimmer. Lottes Kenntnisse sind für ihre Chefin von Vorteil. Sie hat für die damalige Zeit sehr unkonventionelle Pläne und eckt in der besseren Gesellschaft sehr schnell an. Ihr Mann steht nicht wirklich hinter ihr und als Chefin ist sie oft ungerecht und tyrannisch. Lotte hat zusätzlich eine Kollegin, die neidisch und ihr nicht gut gesinnt ist. Als sie den jungen und engagierten Kinderarzt Jakob Sonnstein kennen lernt, verlieben sich die Beiden. Doch Lotte kommt nicht aus der gewünschten Gesellschaftsschicht und hat auch nicht die "richtige" Religion. Zusätzlich verschweigt ihr Jakob etwas...

Als Österreicherin und Skifahrerin hat mich das Thema rund um den Skisport sofort neugierig gemacht. Dazu kommt, dass ich nicht weit entfernt von Lilienfeld wohne, wo der Alpine Skilauf seinen Anfang nahm, denn Lilienfeld ist "die Wiege des Skisports". 1890 hat Mathias Zdarsky die Stahlsohlenbindung und die dazupassene Fahrtechnik entwickelt....ein Meilenstein zu dieser Zeit!

Die Geschichte liest sich sehr flüssig. Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Beate Maly hat für ihren Roman reale Figuren der damaligen Zeit miteinbezogen, die Geschichte selbst ist aber fiktiv.
Kurz nach dem Jahrhundertwechsel und zur Zeit der k.u.k. Monarchie hat die Wiener Gesellschaft noch zu viele Standesdünkel und ist noch nicht wirklich bereit für Frauen, die Sport betreiben, selbst ein Geschäft führen oder Hosen tragen. Mizzi Kauba war eine Vorreiterin in Sachen Emanzipation und Sport. Der Bergsport war damals ausschließlich den Männern vorbehalten.
Für uns ist es heute unvorstellbar, dass man vor hundert Jahren als Frau nicht einmal in den Bergen wandern durfte bzw. mit knöchellangen Kleidern und oftmals einem Korsett gar nicht die Möglichkeit hatte dies zu tun. Auch der Skisport hat sich seit dieser Zeit so extrem gewandelt, dass man sich heute gar nicht vorstellen kann mit nur einem Stock auf Holzbrettern ohne richtiger Bindung und ohne Lift Ski zu fahren.

Beate Maly zeigt den großen Unterschied und die Kluft zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft der k.u.k. Monarchie sehr gut auf. Wir bewegen uns durch alle Gesellschaftsschichten Wiens.
Auch die Anfänge des Skisports wurden perfekt recherchiert. Die Autorin greift aber nicht nur die Themen Skisport, dem Aufkommen der ersten größeren Kaufhäuser in den Städten, den Frauenrechten oder die riesige Kluft zwischen Arm und Reich auf, sondern widmet sich ebenfalls der gleichgeschlechtlichen Liebe, sowie der Kunst und Kultur.
Durch den jüdischen Arzt Jakob Sonnstein, der mit Herzblut seinen Beruf ausübt und sich für die Kranken und Schwachen einsetzt, erhält man einen kleinen Einblick in die damaligen Zustände in den Krankenhäusern und der damaligen Volkskrankheit, der Tuberkulose. Für manche Leserinnen waren die vielen Themen für den ersten Band einer neuen Reihe zu viel, aber ich finde sie als gute Grundlage für die kommenden Bände.

Die Charaktere sind wunderbar lebendig. Lotte ist eine starke und mutige junge Frau. Man muss sie einfach mögen. Allerdings fehlten mir die Ecken und Kanten. Trotzdem ist sie eine liebenswerte Hauptprotagonistin, deren Lebensweg man mit Spannung verfolgt.

Der Roman beinhaltet neben sozialkritischen Themen auch viel Lokalkolorit und lässt sich sehr flüssig lesen. Einige Handlungen sind ein bisschen vorhersehbar und manches löst sich ein bisschen einfach auf - trotzdem hat es mich nicht wirklich gestört, denn ich wurde gut unterhalten.

Der Titel ist meiner Meinung nicht ganz passend gewählt, aber das Cover finde ich bezaubernd. Der Schriftzug des Sportartikelgeschäftes mit den Namen von Mitzi Langer-Kauba befindet sich noch heute in der Kaiserstraße in Wien. Bei meinem nächsten Wien-Besuch weiß ich schon wohin ich gehen werde...

Fazit:
Ein leichter, aber sehr unterhaltsamer historischer Roman über den Beginn des Skisports und der (nicht vorhandenen) Rechte der Frauen. Weiters gibt die Autorin einen tollen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen der k.u.k. Monarchie und der Stadt Wien zur Zeit der Jahrhundertwende. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung, auch wenn für mich dieser Roman als Einzelband genauso passend wäre. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 19.02.2020

Spannende Fortsetzung im Dunstkreis von Jack the Ripper

Hurenmord - Die Rose von Whitechapel
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Seit dem Ende des ersten Bandes rund um die "Flowers of Scotland" Reihe sind fünf Jahre vergangen. Zurück im viktorianischen London bewegen wir uns diesmal im Dunstkreis von Jack the Ripper. Während Emily ...

Seit dem Ende des ersten Bandes rund um die "Flowers of Scotland" Reihe sind fünf Jahre vergangen. Zurück im viktorianischen London bewegen wir uns diesmal im Dunstkreis von Jack the Ripper. Während Emily im ersten Teil unsere Hauptprotagonistin war, konzentriert sich Tabea Koenig im zweiten Teil auf ihre beste Freundin Christine.
Nachdem sich die beiden Frauen am Ende von Teil 1 wiedergefunden habe, stirbt zu Beginn des zweiten Teiles Christines Ehemann Henry überraschend. Er war nicht nur ihre große Liebe, sondern auch ihr größter Unterstützer für das Frauenhaus, in dem Christine Prostituierten und Frauen in Not Hilfe und Unterkunft anbietet. Vor lauter Kummer über seinem Tod zieht sich Christine zurück und nimmt kaum mehr am Leben teil. Nur Emily, die hochschwanger aus Schottland anreist, kann sie endlich aus ihrer Lethargie reißen. Doch dann wird eine Prostituierte ermordet, die kurze Zeit vorher im Frauenhaus Unterschlupf gefunden hatte. Nicht nur böse Verleumdungen, sondern auch ein Erbstreit mit Adrian, dem ältesten Sohn von Henry, bringen Christine in weitere Unannehmlichkeiten. Sie bekommt allerdings bald Hilfe von Inspektor John Pike, der die Frauenmorde untersuchen soll und der bereits vor fünf Jahren Christine und Emily geholfen und ein guter Freund geworden ist....

Die grausamen Morde an gefallenen Frauen sind bestialisch und bringen nicht nur Whitechapel in noch größeren Verruf, sondern auch Christine in große Schwierigkeiten, da alle Opfer eine Verbindung zum Frauenhaus haben. Möchte jemand Rache an Christine üben? Oder hat der Mörder ein Faible für leichte Mädchen? John Pike hat jede Menge zu tun und der Druck der feinen Gesellschaft auf die Polizei wird immer größer....

Die Beschreibung der sozialen Missstände in Whitechapel sind wieder sehr bildhaft. Mit Rosalie, einer jungen Fabrikarbeiterin, und ihrem kleinen Sohn, lernen wir auch Nebencharaktere kennen, die ums Überleben kämpfen und sich mit dem ausbezahlten Hungerlohn kaum über Wasser halten können. Der brutale Unterschied zwischen Arm und Reich wird wieder sehr authentisch dargestellt. Das Gesellschaftsbild der damaligen Zeit wird von der Autorin großartig gezeichnet.

Die ausdrucksstarken und facettenreichen Charakter - bis hin zu vielen kleinen Nebenfiguren - sind liebevoll von der Autorin kreiert worden. Christine schafft es wieder zurück ins Leben und findet zu ihrem alten Ich. Sie ist eine starke, moderne und mutige Frau, die in John Pike einen verlässlichen Freund findet.

Die fiktive Lösung um Jack the Ripper wurde keativ und gut gelöst. Der Spannungsbogen wird durch die Morde immer weiter aufgebaut und bleibt die ganze Geschichte über sehr hoch. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen und ich war wirklich traurig, dass ich es so schnell beendet hatte.

Fazit:
Eine tolle und spannende Fortsetzung der "Flowers of Scotland" Reihe, die bildhaft und mitreißend erzählt wird. Der erste Band hat mich restlos begeistert, aber auch Band 2 ist wieder absolut gelungen und erhält von mir eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 17.02.2020

Dunkle Machenschaften

Der Ring des Lombarden
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Der zweite Band der Lombarden-Reihe von Petra Schier schließt nahtlos an "Das Gold des Lombarden" an. Man kann zwar den Folgeband ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes lesen, aber empfehlen würde ich es ...

Der zweite Band der Lombarden-Reihe von Petra Schier schließt nahtlos an "Das Gold des Lombarden" an. Man kann zwar den Folgeband ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes lesen, aber empfehlen würde ich es nicht...alleine schon weil er wirklich sehr fesselnd geschrieben ist. Es gibt aber im zweiten Teil immer wieder Rückblenden, die es Neueinsteigern erleichtert.
Da ich den ersten Band erst gelesen habe, war mir noch alles frisch im Gedächtnis und musste nicht so lange auf die Fortsetzung warten, wie andere Leserinnen. So hat es auch manchmal Vorteile erst später in eine Reihe einzusteigen.

Nach der Überführung des Mörders an dem lombardischen Geldwechsler Nicolai Golatti wird die Lage für seine Witwe Aleydis immer schwieriger. Als eine der reichsten Witwen Kölns ist sie bei den Männern mehr als nur gefragt. Zusätzlich zum Kundenschwund durch die Betrügereien ihres verstorbenen Mannes, nerven bereitwillige Werber, die sie oder ihre Mündel heiraten wollen. Als ein Brandanschlag auf das Beginenhaus verübt wird, spitzt sich die Lage immer mehr zu. Aleydis bittet wiederum Vinzenz van Cleve die Untersuchung zu übernehmen, denn sie hat Beweise, dass das Feuer gelegt wurde. Doch nicht nur der Brandanschlag macht Aleydis Sorgen, sondern auch das Geschäft ihres Mannes, das sie weiterführen möchte - jedoch ohne die dunklen Machenschaften ihres Gemahls. Kurze Zeit nach der Brandstiftung taucht plötzlich ein ihr unbekannter Halbbruder ihres verstorbenen Mannes auf, der ebenfalls Geldwechlser ist. Bietet dieser Alessandro echte Hilfe an oder will er das Geschäft übernehmen oder gar einklagen?

Vinzenz van Cleve versucht unterdessen den Brandanschlag zu untersuchen und Aleydis beizustehen. Als plötzlich ein Gegenspieler um die Gunst von Aleydis in der Gestalt von Alessandro Venetto auftaucht, kann er seine Eifersucht kaum bändigen. Trotzdem gesteht sich Vinzenz seine Gefühle noch immer nicht ein....
Die witzigen Wortgefechte zwischen den Beiden haben mich wieder köstlich unterhalten.

Der titelgebende Ring ist im Roman der Schlüssel zu einem weiteren dunklen Geheimnis von Aleydis verstorbenen Ehemann. Obwohl es ihr immer besser gelingt mit ihrer Situation fertig zu werden, ist diese Entdeckung ein neuerlicher Rückschlag für Aleydis. Zusätzlich trifft sie einige unüberlegte Entscheidungen, die sie in große Gefahr bringen...

Die Charaktere sind wieder allesamt facettenreich und sehr lebendig beschrieben. Man trifft viele alte Bekannte aus Band 1, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Auch die Sprache ist wieder der damaligen Zeit angepasst, lässt sich aber flüssig lesen.
Zu Beginn gibt es einen Plan des mittelalerlichen Köln und ein Personenregister.

Fazit:
"Der Ring des Lombarden" schließt nahtlos an den ersten Band an und konnte mich genauso fesseln, obwohl mir "Das Gold des Lombarden" noch ein kleines bisschen besser gefallen hat....aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn die Reihe ist wirklich spannend geschrieben und fesselt ungemein. Ich empfehle sie gerne weiter und freue mich schon auf den Folgeband.

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Veröffentlicht am 01.02.2020

Ein ungleiches Ermittlerduo im viktorianischen London

Der Zug aus Enfield
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Erst vor kurzem habe ich mein Bücherregal etwas sortiert und habe mich dabei gefragt, ob es wohl eine Fortsetzung zum historischen Krimi "Das Geheimnis der Madame Yin" geben wird. Tatsächlich wurde nur ...

Erst vor kurzem habe ich mein Bücherregal etwas sortiert und habe mich dabei gefragt, ob es wohl eine Fortsetzung zum historischen Krimi "Das Geheimnis der Madame Yin" geben wird. Tatsächlich wurde nur kurze Zeit später bei Lovelybooks eine Leserunde zu Teil 2 "Der Zug aus Enfield" gestartet. Ich hatte tatsächlich Glück und durfte mitlesen.

Band 2 schließt direkt an seinen Vorgänger an. Die amerikanische Detektivin Celeste Summersteen aus der Pinkerton Detektei bucht etwas enttäuscht ihre Schiffspassage zurück nach Amerika. Sie hat keine große Lust wieder für ihren Chef nur Papiere zu sortieren. Doch schneller, als gedacht benötigt Inspector Edwards von Scotland Yard doch nochmals ihre Hilfe. Er ermittelt in einem Fall betreffend eines Zugüberfalls, bei dem der Schaffner und einige weitere Eisenbahnmitarbeiter brutal ermordet wurden. Das Transportgut - die neuersten Waffenmodelle aus der Waffenfabrik Ensfield - wurde geraubt. Inspector Edwards steht bald unter Druck, denn er soll so schnell wie möglich einen Schuldigen präsentieren, während sich die Zeitungen schon auf die ungeliebten Iren oder auf die Russen einschießen. Kurze Zeit später wird Edwards junger Kollege Fulston in einem Mord verwickelt. Er wird bei einem Schussattentat auf einem Immobilienmakler ebenfalls angeschossen und schwer verletzt. Seine Verlobte bittet Celeste um Hilfe. Sie soll den Täter finden. Sowohl Edwards, als auch Celeste ahnen nicht, dass beide Fälle viel enger zusammenhängen als sie scheinen....

Es geht gleich spannend los, als der titelgebende Zug überfallen wird und alle anwesenden Männer ermordet werden. Während Robert Edwards versucht mehr über die Hintergründe des Überfalls zu erfahren, führt es Celeste zur Familie des Mordopfers, der mit Immobilen spekuliert und nicht sonderlich beliebt war. Wie üblich steckt Celeste ihre nase zu sehr in Dinge, die sie nichts nagehen und gerät sehr bald in große Gefahr...

Der Autor schreibt sehr bildhaft und lebendig. Beim Lesen hat man das Gefühl direkt vor Ort im viktorianischen England zu sein. Nathan Winters versteht es den damaligen Zeitgeist sehr atmosphärisch an die Leser zu übermitteln. Die Geschichte ist diesmal nicht ganz so düster wie im ersten Band, dafür aber etwas rauher und actionreicher. Überraschende Wendungen halten die Spannung aufrecht.
Die sozialen Gegensätze zu dieser Zeit in London werden ebenfalls sehr bildhaft dargestellt. Besonders der schwelende Hass auf die Iren, die immer wieder als Sündenböcke für alle möglichen Überfälle und Morde herhalten müssen, ist während der Ermittlungen Thema. Die politischen Verhältnisse des Empires stehen durch die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich ebenfalls unter keinem guten Stern. Die unterschiedlichen Konfliktpunkte sind neben den Ermittlungenebenfalls Sache.

Die Charaktere des ungleichen Ermittlerduos haben sich im Folgeband weiterentwickelt. Wer den ersten Band nicht kennt, hat sicher keinerlei Probleme der Geschichte zu folgen, aber es fehlt etwas der Hintergrund zu den beiden Hauptprotagonisten. Der Schlagabtausch zwischen den Beiden ist sehr amüsant. Auch wenn sich Celeste und Robert immer wieder in den Haaren liegen, ist Edwards diesmal für Celeste überlebenswichtig. Nicht nur einmal rettet er sie aus einer lebensgefährlichen Situation, denn die duchsetzungskräftige Celeste lässt sich vor nichts abhalten.

Der spannende Showdown hat mich an die letzten Seiten gefesselt. Alle Puzzleteile vereinigen sich zu einem Gesamtbild und machen die Auflösung durch und durch stimmig.

Fazit:
Eine gelungene Fortsetzung, die mich auf weitere zukünftige Fälle des ungleichen Ermittlerduos hoffen lässt. Ein spannender historischer Krimi aus dem viktorianischen England.

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Ein exzellenter historischer Krimi

Tod in der Speicherstadt
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Obwohl "Tod in der Speicherstadt" bereits der vierte Band rund um Kommissar Hauke Sötje ist, war es für mich mein erster Fall. Ich hatte allerdings keinerlei Probleme so spät in diese Reihe einzusteigen.

Hamburg ...

Obwohl "Tod in der Speicherstadt" bereits der vierte Band rund um Kommissar Hauke Sötje ist, war es für mich mein erster Fall. Ich hatte allerdings keinerlei Probleme so spät in diese Reihe einzusteigen.

Hamburg 1896. Kommissar Hauke Sötje kommt für seinen neuen Fall von Kiel nach Hamburg. Eine Ladung geschmuggelter Kaffee wird auf einem Ewer, der in Brand geriet, gefunden. (Für alle Binnenlandmenschen wie ich einer bin....ein Ewer ist laut Wiki ein Segelschiffsstyp aus Friesland) Zusätzlich gibt es zweit tote Matrosen zu beklagen. Einer der Toten hat einen Siegelring am Finger, der das Wappen der Billingsrodts ziert, einer der reichsten und einflussreichsten Handelsfamilien Hamburgs. Johann, der älteste Sohn, verbrachte längere Zeit in Brasilien und scheint zurückgekehrt zu sein. Hauke überbringt der Familie die Nachricht vom toten Sohn, die allerdings nicht wirklich bestürzt zu sein scheint. Ihm schlägt eine Mauer aus Ablehnung und Schweigen entgegen. Und so kommt Hauke bald an seine Grenzen, denn die Billingrodts sind "unantastbar".
Hamburgs Polizeirat Rocher und auch die Zollbehörde stellt sich, schneller als ihm lieb ist, gegen Haukes Ermittlungen. Während Rocher um seinen Posten als oberster Ermittler Hamburgs fürchtet, ist Zollinspektor Jensen voller Empörung und weist einen Kaffeeschmuggel in der Speicherstadt von sich. Schussendlich stellt er Hauke zum Ermitteln einen "Aufpasser" zur Seite, den jungen Zollanwärter Detlefsen. Dieser ist ein aufgeweckter junger Mann, der gerne von Hauke lernt. Während dieser in der Speicherstadt nach den Kaffeeschmugglern sucht, versucht seine Verlobte Sophie Struwe eine bestimmte junge Frau zu finden. Johann Billingsrodts Mutter hat sie gebeten nach einer rothaarigen Schönheit zu suchen, die ihr Sohn angeblich ehelichen wollte. Sie soll vom Tod Johanns erfahren. Sophie, die gerne ihre Nase in Dinge steckt, die sie nichts angehen, versucht Hauke zu überreden, ihr dabei zu helfen. Söntje ist jedoch zu eingespannt. Schon bald findet Sophie die Spur der Verlobten von Johann Billingrodt, die mehr mit Haukes Fall zu tun hat, als ihr lieb ist und bringt sich damit in große Gefahr....

Währenddessen rumort es im Hamburger Hafen. Der größte Hafenarbeiterstreik Hamburgs steht vor der Tür, doch Hauke weiß davon noch nichts. Er verzweifelt schier an der unüberwindlichen Bürokratie und den Handelsfamilien, die Außenstehende nicht an sich heran lassen. Ein Kaffeeschmuggel scheint unwahrscheinlich und unmöglich. Doch da gibt es einen weiteren Toten...

Der historische Rahmen wurde wunderbar authentisch vermittelt. Die Autorin hat alle Gesellschaftsschichten und Örtlichkeiten Hamburgs miteinbezogen. Angefangen vom verruchtesten Hamburger Viertel St. Pauli über das Gängeviertel, das die Ärmsten der Armen beherbergt, der Speicherstadt mit ihren Kontoren und Händlern bis hin zu den feudalen Villen in den Elbvororten. Ich war im Sommer 2018 in Hamburg und hatte wirklich großes Kopfkino. Man muss sich nur in die Zeit zurückversetzen...bei der atmosphärischen Beschreibung der Autorin ist das kein Problem.
Aber auch die Not der Frauen und die nicht vorhandenen Rechte des weiblichen Geschlechts nimmt sich die Autorin an. Mit ihrer Figur Sophie hat sie eine junge impulsive und selbstbewusste Frau erschaffen, die ein bisschen ihrer Zeit voraus ist und sich gegen das Unrecht gegenüber dem weiblichen Geschlecht auflehnt. Nicht umsonst ist es der Beginn einer Epoche, in der die Frauen begannen ihre Rechte einzufordern.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sichtweise von Hauke und Sophie erzählt. Im letzten Drittel hatte ich mehr das Gefühl, dass es weniger um den Kaffeschmuggel geht, als um die Spur, die Sophie verfolgt. Beide Stränge führen zwar schlussendlich zusammen und ergeben ein großes Ganzes. Das Ende ist logisch und nachvollziehbar.

Cover:
Erwähnen möchte ich noch das wunderschöne Cover, das einen Teil der Speicherstadt zeigt. Auch die Farbgebeung finde ich äußerst gelungen.

Schreibstil:
Anja Marschall erzählt sehr lebendig, bildhaft und detailliert. Die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst. Zusätzliches Plattdeutsch vermittelt Lokalkolorit.
Die Charaktere sind interessant und vielschichtig. Neben Hauke und Sophie habe ich den jungen Zollanwärter Hans Detlefsen besonders in Herz geschlossen.

Zu Beginn jedes Kapitels steht ein original Zeitungsartikel aus den damaligen Tageszeitungen. Sie vermitteln ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit.
Am Anfang des Buches gibt es einen historischen Stadtplan der Stadt Hamburg. Am Ende findet man einen Anhang zu wahren Personen und geschichtlichen Ereignissen, sowie ein kleines "Hamburger Sprachlexikon".

Fazit:
Ein exzellenter historischer Krimi, der das Flair des alten Hamburgs widerspiegelt. Viel Lokalkolorit, vielschichtige Charaktere und ein interessanter Kriminalfall machen den besonders atmosphärischen Kriminalfall zu einem spannenden Abenteuer, der den Leser ins späte 19. Jahrhundert entführt.

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